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Herr Uffelmann
18.07.2002, 19:18
Hagen, Nina, nennt mich Ficker

Berlin, Berlin, das erste Mal in Berlin, aufregend, wenn man vom Lande kommt. Es ist der 24.Februar 1987, als Nina Hagen zum ersten und letzten Mal mit mir spricht. Für nur zehn Mark gibt es an diesem Abend, im Loft am Nollendorfplatz, die Bollock Brothers zu bestaunen, eine merkwürdige Synthesizer-Punkrocktruppe aus England, die unter dem Dach ihrer apokalyptischen Geräuschorgien augenzwinkernden Gaga-Gruft und schwersverstrahlte relgiöse Litaneien versammelt haben. Und so bekommt die Band an diesem Abend das Publikum das sie verdient, gramgebeugte Grufties mit babylonischen Haarbauten, creepsbeklokste Teds mit Englandfahnen auf US-Footballjacken, vereinzelte Punks, Nina Hagen und mich.
Zuerst entdecke ich Cosma Shiva, süße sechs Jahre alt, munter springt Sie durch den Laden, zuppelt an Ketten und Lederjacken, begrüßt jeden Punk mit Namen und da muß selbst die Gruftgemeinde mal verklemmt lächeln. Neben Nina (ich nenne Sie Nina, weil wir sind ja jetzt per Du) ist noch ein Hocker frei, den schnappe ich mir und bestelle ein Bier, noch ist Zeit bis zum Konzert, Zeit um Nina aus den Klauen dieser Prollpunks zu befreien und Cosma ein verantwortungsbewußter Vater zu werden. Nur wie soll ich es Ihr sagen? Das mein Herz für Sie schlägt, seit ich 15 bin, also schon volle zwei Jahre! Famous first words. Grübel.

Cosma hilft mir aus meiner Not, sie stürmt zu Nina, die beiden reden englisch miteinander, Cosma stürmt wieder vor die Bühne und in Ermangelung eines anderen Satzes, starte ich unsere Konversation so: „Hey, Nina, haste deine Tochter englisch erzogen?“.
Nina start mich an. Überrascht. Ich versinke in ihren großen Augen, ein wohliger schauer durchfährt mich. Diese Göttin, sie schaut mich an! Verärgert.
Sie spricht nicht und schaut verärgert und ich denke, na klar, so was findet die gut und schaue einfach weiter zurück, mal sehen wer zuerst wegguckt.
Ich glaube Nina Hagen und ich haben uns bereits ca. 25 Minuten in die Augen gesehen, die Vorband Hoodoo aus Berlin ist schon bei der Zugabe, da, endlich ist Nina bereit, mein Bemühen um ein Schwätzchen zu würdigen, sie kommt ganz nah und raunt mir ins Ohr:
„Ey, Ficker, besser du ziehst jetzt Leine, wa!“.

Ist doch Ehrensache, na klar, ich räume meinen Schemel, überzeugend ist auch der Auftritt eines blasgesichtigen Irokesen-Bübchen-Zwieback-Punks, der mich ebenfalls drohend ansieht. Später erkenne ich ihn in einer Illustrierten wieder, er heiratete einige Monate später Nina auf Mallorca, klar war der in dem Moment eifersüchtig!

Euphorisch wanke ich ins Treppenhaus des Metropols, home of the Loft, erstmal auslüften, ich habe eben mit Nina Hagen gesprochen, Waaahnsinnn! Das muß ich sofort jemandem erzählen, ich setzte mich neben einen gramgebeugten Gruft, rüttele an seiner schwarzen Kutte und brülle:“Du glaubst nicht, wenn ich gerade da drin gesprochen habe!“.
Mäßig interessiert spricht es aus der hängenden Haarwand:“Na, wen den?“.
„Nina Hagen!“ rufe ich triumphierend ins Treppenhaus.
Daraufhin die Haare: „Bist wohl vom Lande, wa?“

yellowshark
18.07.2002, 20:21
Uffel, 'Englische Erziehung'. Googeln Sie.

Walter Schmidtchen
18.07.2002, 20:57
blasgesichtiges Bübchen?
Vielleicht hättest Du...ach ich erspar mir einfach die Rronismen.

roger
18.07.2002, 21:00
... und seitdem wird die entfernung zwischen zwei fettnäpchen 'uffel' genannt.

Herr Uffelmann
18.07.2002, 22:18
Wunderbar, yellowshark,
sie haben die Pointe sofort begriffen.

DerCaptain
19.07.2002, 00:15
Respekt.

Streithaehnchen
19.07.2002, 07:37
Mit der Geschichte fängt der Freitag gut an!

Klingeltonk
19.07.2002, 09:26
Aber hallo! Wunderbar! Horror Movies!

Aporie
19.07.2002, 10:25
Blasgesichtig ist schon ok. Schliesslich ist diese Geschichte alles andere als blass. Bravo Uffel.

joq
19.07.2002, 10:28
ja! gut!

vir
19.07.2002, 10:47
Die Geschichte gefällt mir nicht zuletzt deshalb so gut, weil ich das Gefühl habe, dass einem mit siebzehn dauernd solche Sachen passieren. Zum Glück habe ich meine sämtlichen Erlebnisse dieser Art verdrängt und vergessen.

Goodwill
19.07.2002, 13:05
Wenn es zwischen Nina und Herrn Uffelmann an diesem Abend nicht nur gefunkt, sondern auch geklappt hätte, dann wäre uns in der Folge so manche LSD-inspirierte UFO-Jesus-Krishna-Geschichte erspart geblieben und dazu das Gezerre um Ninas Sohn einige Jahre später.
Und das wäre richtig schade. Noch schader wäre freilich, dass dann auch diese schöne Geschichte nicht hier stünde, weil ein Herr Uffelmann-Hagen als vegetarischer Spacecake-Bräter einen Imbiss hinter dem Saturn betriebe.

Butch Cassidy
19.07.2002, 14:09
Ich glaube, da wäre was gegangen, Herr Uffel, mit Ihnen und der Hagen. Textexegetisch läßt sich das an dem Umstand festmachen, daß El Nina Sie einen "Ficker" genannt hat, wo sie Sie doch - in boshafter Anspielung auf Ihr damaliges pubertierendes Alter - viel zündender einen "Wixer" hätte nennen können. Klingt schwer nach einer verpaßten Chance.

U_Sterblich
19.07.2002, 14:14
Textexegetisch ist ja ein Höllenwort! Tex tex-egetisch.

Tobi Wahn
19.07.2002, 14:25
Aber mal ehrlich: "Nina Uffelmann"? Wie hätte das denn geklungen?

Christopher Wurmdobler
21.07.2002, 12:17
gute geschichte, vor allem auch der selbstreflexive aspekt ("Ficker").
gut, wie gesagt.

Mandeltorte
21.07.2002, 14:37
Ist ja selten, dass sich einer traut, seine intersexuellen Ritterschläge so selbstbewusst zu beschreiben.
Uffelmann, ich weiss, mann hört es nicht gern: Süss! Entzückend!

Beiweiss
22.07.2002, 19:44
Herr Uffelmann, ganz wundervoll war ihre Geschichte und hat meinen bislang recht schrecklichen Montag gerettet!

Ich habe vor ein paar Tagen auf 3Sat oder so ein langes tiefenpsychologisches Interview (mit ranzoomen, einfühlsamen Fragen und allem) mit der jungen Cosma Shiva Hagen gesehen.
Man bekam den Eindruck, sie sei ein sehr scheues Wesen. Mehr noch, sie wirkte so, als würde ihr nur das Leben in den von Ihnen beschriebenen Gruppen gewisse Sicherheit geben. Der Interviewer war eigentlich ein freundlicher, nur ganz wenig perfider alter Sack.
Trotzdem war sie verbal quasi ständig auf der Flucht vor seinen Fragen. Überdies wanderten ihre Augen die ganze Zeit nervös hin und her als würde den um Kopf des Alten eine Fliege fliegen. Ich habe mich eben gefragt, ob das nicht mit der (englischen) Erziehung in diesem streng abgegrenzten Umfeld zu tun hat, das da so vehement von der älteren Frau Hagen gegen junge Ficker verteidigt wurde.

Herr Uffelmann
22.07.2002, 20:07
Beiweiss,
da muß ich meine Fast-Stieftochter jetzt doch mal in Schutz nehmen. Würde ich von Gero von Boehm interviewt werden, dem Regisseur des Strassenfegers "2000 Jahre Christentum" (1999/ 13 Teile á 45 Minuten), ich wäre auch nervös am Fliegen kucken.

Cosma ist sonst eine ganz eine Nette, und nicht auf den Mund gefallen, zapfte sie sogar noch bis vor kurzem Bier im "Lunacy" einer schrecklichen Hamburger Kneipe auf dem Kiez. Das tat sie mit ruhiger Hand und Mutters Schnauze.

Walter Schmidtchen
22.07.2002, 20:29
Entschuldigung, Herr Uffelmann, es liegt vielleicht daran, dass ich etwas älter bin als Sie, aber Nina Hagen war IMMER (bis auf eine kleine Ausnahme) für mich die ekelhafteste, verachtenswerteste Person dieses Universums, Spliff, Horror.
Die Ausnahme: "Du hast den Farbfilm vergessen"(das einzige Lied meines Wissens, in dem Sanddorn vorkommt).
Ich hätte Angst, dass ich mich beschmutze, wenn ich sie anreden müsste.
Dass sie mit Hare Krishna sympathisiert, einer Gruppe, in der ich mich auch mal 2 Jahre wohlfühlte, kann ich nur als Modegag ihrerseits bewerten

honz
22.07.2002, 21:00
Walter, kannst Du mal bei A. Köhlermann den Strang schliessen oder weitermachen?

Walter Schmidtchen
22.07.2002, 22:20
Hä?
Ich habe heute extra mal Blitz geguckt, weil ich Taff verpasst habe, und da sagte jemand, dass Blitz seine Sonntagspräsenz einstellt, schliesst. Ich denke mal, dass Blitz einfach auch mal nur RUHEN will, wie vielleicht Angelika Köhlermann.
Da gibts ja auch nicht viel rumzuschreiben. Ich war heute auf der Celtic Frost Homepage, da is ja auch nicht viel los.
www.celticfrost.com
Loghorrhoeisten sind HIER besser aufgehoben, scheinbar.