PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Veloso, Caetano (von nahem)



vir
15.07.2002, 14:45
Letzen Freitagabend war ich als Anhängsel meiner vorgesetzten Dienststelle an einer Party in Turin. E., der Gastgeber, ist der Impressario von Caetano Veloso, zu dessen Ehren das Fest gegeben wurde. Veloso hatte an diesem Abend ein Freiluftkonzert gegeben, dass nach vier Liedern wegen eines Wolkenbruchs hatte abgebrochen werden müssen. Wir kamen ungefähr um Mitternacht bei E. an, dieser wohnt, wie alle reichen Turiner, in einer Altbauwohnung mit hohen Stuckdecken, intelligentem Grundriss, verschiedenfarbigem, antiken Parkett, exquisitem und bequemem zeitgenössischen Mobiliar – ohne dass man immer gleich Eames oder Breuer denken muss – sowie heiteren und interessanten Gemälden und Photographien an jeder Wand.

Der Ehrengast trug einen gelbgrün getönten Blue Jeans Blouson, ein weisses T-Shirt, weisse Jeans, weisse Socken und braune Ledersandalen mit über dem Spann gekeuzten Riemen. Dazu eine nicht mehr ganz neue Plastikarmbanduhr. Veloso ist klein und zierlich und hat ein hübsches Gesicht, dem man sein Alter nicht ansieht, tatsächlich erfuhr ich später, dass er schon 63 ist. Er wirkte sehr zurückhaltend und schüchtern, was noch dadurch unterstrichen wurde, dass er mit zusammengepressten Knien in einer Sofaecke sass. Auf den Beinen hatte er einen Teller voll Tagliatelle, die er mit Genuss und Konzentration verzehrte. Als er alles ratzeputz aufgegessen hatte, stand er auf, ging zum Buffet und kam mit einer Portion Reis mit Scampi zurück welche er ebenfalls sehr gewissenhaft verspeiste. Trotzdem müssen ihm die Nudeln besser geschmeckt haben, denn davon holte er sich einen weitern Nachschlag. Dazu trank er Coca Cola.
Neben ihm sass seine Mitarbeiterin und Betreuerin, deren Namen ich leider nicht behalten habe. Sie war ständig am Mobiltelefon, welches sie einmal auch Veloso überreichte. Beim Gespräch mit der offenbar vertrauten Person am Handy löste sich sein Gesicht in reine Heiterkeit und Fröhlichkeit auf, was völlig im Gegensatz zur introvertierten Erscheinung auf dem Sofa stand. Zudem wirkte er lachend noch jünger als ohnehin schon.

Ich habe mir lateinamerikanische Musiker immer mit Zigarre und Schnaps vorgestellt aber nicht nur Veloso, auch seine Musiker waren in dieser Hinsicht eine Enttäuschung. Nicht einen sah ich rauchen oder Alkohol trinken. Das einzige Vergnügen der mehrheitlich sehr jungen Musiker bestand scheinbar darin, die CD-Sammlung E’s zu durchsuchen, die eine oder andere aufzulegen, dazu zu tanzen oder auf den eigenen Oberarmen mitzutrommeln.

Ich fragte Veloso ein bisschen nach seinem Europaprogramm aus: Auf dieser Tournee wird er u.a. noch in Florenz, Palermo und in Montreux auftreten. In Montreux muss er wohl seit geraumer Zeit jedes Jahr aufgetreten sein. Er gab höflich und leise Auskunft, wobei er weder abweisend noch übertrieben freundlich wirkte, was sonst bei berühmten Leuten ja häufig vorkommt.

Gegen halb zwei wurde die gesamte Entourage mit dem Bus abgeholt; von den Brasilianern blieben nur er und seine selbstbewusste Assistentin über. Ansonsten waren nur noch E., dessen Gattin, deren zwei Söhne aus erster Ehe, V. eine Freundin der Familie, Paola und ich übrig. Da hatte ich eine gute Idee: Ich packte eine Gitarre aus, die ich im Nebenraum gesehen hatte, nahm sie mit hinüber in den Salon und spielte etwas aus meinem Repertoire der ‚Renommierstücke eines Halbbegabten‘. Als Veloso neugierig ins Zimmer trat, streckte ich ihm sofort das Instrument entgegen wobei ich ihn scherzhaft „Du bist doch Muskiker, nicht?“ fragte. Er nahm die Gitarre, wobei er weder Enthusiasmus noch Widerwillen zu erkennen gab und setzte sich bequem aufs Sofa. Dann spielte er uns eine Handvoll Bossa Nova-Weisen, diese geheimnisvollen Lieder, wo jeder Ton einen eigenen Griff erfordert, dazu sanger in seinem anmutigen, leisen Tenor. Da ich kein Portugiesisch kann, weiss ich nicht, was er sang, trotzdem rührten mich die Lieder merkwürdig ans Herz. Dies seien alles Stücke aus den dreissiger Jahren, erklärte er zwischen den Liedern. Für mich waren sie neu und wundersam, und ich war voll Reue, denn ich hatte brasilianische Musik bisher immer ein wenig verachtet.

Krug
15.07.2002, 17:52
Ihre Geschichte zu lesen, virchow, erzeugt ebenfalls "weder Enthusiasmus noch Widerwillen",sie stört aber nicht weiter.

DonDahlmann
15.07.2002, 17:56
Krug, sie Wurm. Wenn Sie hier jemals eine vernünftige Geschichte abliefern sollten, dann können Sie sich eventuell solche Urteile erlauben. Ansonsten halten Sie bitte die Schnauze, bevor Ihnen irgend jemand selbiges mit einem dreckigen Spültuch stopft.

Krug
15.07.2002, 18:04
Sie faseln Unsinn, DonDahlmann, denken Sie mal drüber nach.

U_Sterblich
15.07.2002, 18:13
Caetano Veloso. Ich sah ihn auch mal. Zusamen mit Gilberto Gil. Ich durfte ihnen beiden die Hand reichen und "Guten Abend" sagen. Das war in Berlin, in Brasilien wäre das kaum passiert. In Brasilien sind die Herren Veloso und Gil Heilige, um nicht zu sagen Götter. Größer noch als Ronaldo und mindestens ebenso groß wie Pélé. Die brasilianische Musik habe ich früher allerdings auch verachtet. Irgenwann (wohl als ich dann mal in Brasilien war) habe ich sie kapiert und jetzt verachte ich sie sowas von überhaupt gar nicht mehr, denn sie ist nicht das, was sie zu sein scheint.
Krug ist, das kann man ohne Bedenken sagen, ein Fall für meine Ignore-Funktion.

sapinho
15.07.2002, 18:18
schön!

Krug
15.07.2002, 21:43
Aha, die brasilianische Musik fanden Sie, U_Sterblich, verachtenswert, solange Sie sie noch nicht vor Ort hören konnten.
Mal ehrlich, Mozart mochten Sie auch erst nach dem Verzehr der Kugeln, oder reisten sie 'mal nach Salzburg?

hanswasheiri
15.07.2002, 21:56
Fresse halten! Einfach die dumme Fresse halten!

Klede
15.07.2002, 22:21
Krug, Sie Depp. Sie haben eine schlechte Telefonstreichgeschichte gepostet, im Nenastrang und diese dann geloescht weil ein paar zart-kritische Toene Ihr Memmenego verletzt hatten. Seitdem kacken sie oeffentlich in andere Straenge, am schlimmstem im Strang der Koenigin (l_tu), jetzt auch hier. Elende Zicke, halten sie doch einfach Ihre einfallslose widerliche Fresse. Was Hanswasheiri sagt, genau.

Edding Kaiser
15.07.2002, 23:02
Krug, ich weiss nicht, ob Sie echt sind. Wenn Sie echt sind, dann gehen Sie doch bitte recht schnell wo Sie wohnen, stecken sich da den Finger in den Po und halten ansonsten Ihr saudummes Drecksmaul. Kruzitürken, das kann doch wohl nicht wahr sein.

Goodwill
16.07.2002, 12:45
Mir kommt es so vor, als kämen bei dieser Diskussion die weißen Socken und braunen Ledersandalen mit über dem Spann gekeuzten Riemen zu kurz. Galt die Socken-Sandalen-Kombi nicht bis zu Virchows Beschreibung des Bossa-Nova-Halbgotts als "Todsünde"? War der helle Strumpf in einem männlichen Riemenschuh nicht das Zeichen von Extrem-Schwabentum, ja sogar beginnender Ballermania? Müssen jetzt nicht sämtliche Styleguides umgeschrieben werden? Ich bin jedenfalls ganz schön ins Grübeln gekommen.

Legt schonmal unauffaellig seine Tennis-Socken nach ganz ganz vorne im Schrank.

Aporie
16.07.2002, 13:25
Die große Wohnung in Turin kann ich mir jetzt sehr gut vorstellen, aber ich hätte gerne mehr über die "selbstbewusste Assistentin" erfahren.

vir
16.07.2002, 15:31
Aporie: Die Assistentin war auch mehrheitlich in weiss gekleidet, kräftig, lebhaft, um die vierzig, kurze Lockenfrisur, keine besonderen Kennzeichen. Die Wohnung ist natürlich nicht einmal ein viertel so gross wie Eure, keine Angst.

Goodwill: Ich dachte, vielleicht war es ihm zu kalt und feucht und er wollte sich nicht erkälten und hatte ausserdem kein anderes Schuhwerk dabei. Andererseits fand ich auch, was dem Oberhessen recht ist, kann dem Bahianer nur billig sein.

Tobler: Und wenn er nicht echt ist?

Edding Kaiser
16.07.2002, 16:06
Ääh, richtig, Virchow. Wenn er nicht echt ist, dann soll er sich was schämen.

Morena Jablonski
16.07.2002, 16:37
Dann soll er zerbrechen.

Frau H aus B
16.07.2002, 16:42
Echt oder nicht - was diesem Krug fehlt, ist ein hübsches Paar Henkel. Da:[ ]

Krug
16.07.2002, 17:06
Klede, Karlo Tobler, ist das wirklich Ihr Ernst? DonDahlmann sülzt öfter stumpf daher, aber daß Sie beide so harsch mit mir umgehen, also ich weiß jetzt wirklich nicht, was ich davon halten soll.
virchows Geschichte finde ich nach nochmaligem Lesen gar nicht schlecht. Ich hoffe, das versöhnt Sie etwas.
Ach ja, Klede, daß ich in den Strang der Königin gekackt haben soll, hrmpf, äh, etwas zu tief ins Glas geschaut? Nicht? Normal tief? War nur eine Idee, nix für ungut.

Herr Genista
16.07.2002, 17:12
Die Frage "mißglücktes Zweitpseudonym oder genuiner Blödmann" verliert zunehmend an Gewicht.

honz
16.07.2002, 17:32
ääääh, kurze Zwischenfrage, ihr hasbt ja alle schon, soll ich auch noch, oder kann ich schon zusammenpacken und nach Hause gehen? Höflichst, h.

Frau H aus B
16.07.2002, 17:41
Wenn es jemand so offensichtlich darauf anlegt, macht es keinen Spaß.

___________________
hrmpf, äh

DonDahlmann
16.07.2002, 17:49
Noch ist was übrig, wehrter honz....

Edding Kaiser
16.07.2002, 18:13
honz hat gerade meinen Tag gemacht.

Suomesta
16.07.2002, 18:19
Caetano Veloso hat mal eine wunderschöne Version von Billy Jean als Bossa Nova verfasst, in dem selben Lied auch Paul MacCartney und noch einen anderen Song verwurstet. Aber an diese CD (Paradiso) kommt man selbst in Rio nicht mehr ran.
Hier lässt sich erahnen, wie hoch die Stellung im Götterranking ist.
Das ich mittlerweile den Titel der CD und den weiteren Verlauf des Songs kenne, basiert auf 4 jähriger Recherche.
Denn ich habe dieses Lied nur halbüberspielt (kennt man, letztes Lied auf der Seite) auf einer reizenden, selbsterstellten Anti-Heimweh-Mix Musikassette. Dieses stümperhafte Aufnehmen von halben Liedern, lässt mein Herz schon erweichen.
Erstellt hatte die Kassette Ivor.
Ivor war der bezaubernste Sao Pauloaner, der sein Glück in Hamburg als Modell versuchen wollte.
Seine Naivität gepaart mit seiner Jugendlichkeit und einer Adonisfigur erweichten mein Herz noch mehr.
Fern der Heimat, die Sonne, Tanzen und Feiern und Allegria vermissend, in der bedrohlichen, kalten Grossstadt liessen ihn das zarte Streicheln einer Bossa und die fröhliche Umarmung einer Samba mit der lustvollen Hingabe einer Batucada die Kälte vergessen. Auch ich wollte da helfen...

Spanische Inquisition
16.07.2002, 23:52
freut sich schon auf die Arena

Saposcat
16.07.2019, 21:56
Ende Juni hat Caetano Veloso im Berliner Tempodrom ein Konzert gegeben, und mit dabei waren drei seiner Söhne. Eine Kollegin, die schon oft und auch länger in Brasilien gelebt hat, war dort und fühlte sich am Ende doch ausgeschlossen, weil sie bestimmte Erfahrungen, die Brasilianer jubeln lassen oder die Tränen in die Augen treiben, einfach nicht gemacht hat.

Ich habe Caetano Veloso das erste Mal gehört in Almodóvars Film „Sprich mit ihr“, in dem zwei sehr unterschiedliche Männer das gleiche Schicksal teilen, dass die Frauen, die sie lieben, im Koma liegen. An die Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr, aber einer der beiden gerät in eine Abendgesellschaft, auf der dann Caetano Veloso das mexikanische Lied „Cucurrucucu Paloma“ singt: https://www.youtube.com/watch?v=1emgUdD3_pE, das wie ein Spielwerk mit einem unerbittlichen Rhythmus sich ganz allmählich in eine hingebungsvolle lyrische Höhe hinaufschraubt, die in dem Kontext dieses Films, soweit erinnere ich mich noch, ziemlich gut funktionierte. Ähnlich schön wird es von der spanischen Sängerin Silvia Perez Cruz interpretiert: https://www.youtube.com/watch?v=C_FmwVdeC6I

Klaus Caesar
22.07.2019, 17:12
Weil ich brasilianische Musik recht gut leiden mag, und weil ja João Gilberto, der Gottvater der Bossa Nova, neulichst gestorben ist, habe ich jetzt doch mal das Hobalala (https://www.zeit.de/kultur/literatur/2011-04/marc-fischer-hobalala)-Buch gelesen, von dem ich schon viel Gutes gehört hatte, als es vor acht Jahren erschienen ist, und es ist auch tatsächlich sehr gut.

Marc Fischer, ein, wie man damals sagte, Popliterat, macht sich von Berlin aus auf nach Rio de Janeiro, um João Gilberto ausfindig zu machen, von dem man weiß, dass er schon seit Jahrzehnten sein Apartment fast nicht mehr verlässt, tagsüber schläft und jede Nacht zehn Stunden lang Gitarre spielt. Fischer findet ziemlich viel über Gilberto heraus, auch, wo er wohnt, aber alle Versuche, sich mit ihm zu treffen, scheitern - Gilberto weiß genau bescheid, lässt Fischer aber nicht zu sich rein.

Fischer kann Gilberto also nur aus der Halbdistanz umkreisen, indem er sich mit dessen Bekannten, Freunden und Musikerkollegen unterhält, so auch mit Roberto Menescal. Und der sagt ihm:

"So. Du willst also João Gilberto treffen?"
"Ja."
"Sei vorsichtig", sagt Menescal.
"Warum?"
"João ist gefährlich. Es ist etwas Dunkles an ihm. Er verändert die Menschen, die mit ihm zu tun haben. Er könnte auch dich verändern."
"Wie das?"
"Du wirst vielleicht für den Rest deines Lebens verdammt sein."
Menescal lächelt nicht, als er das sagt.

Fischer probiert noch allerhand aus, um Gilberto doch noch zu sehen, unter anderem überlegt er, ihm ein Kätzchen zu schenken. Klappt alles nicht. Er reist aus Rio ab und schreibt sein Buch, das genau wie die Bossa Nova ist: sehr locker und sehr traurig und sehr heiter und sehr schön. Marc Fischer, guter Mann.

Kurz, bevor das Buch erscheint, stürzt er sich in Berlin aus einem Fenster, mit vierzig Jahren.

Ich finde das einigermaßen spooky.

U_Sterblich
22.07.2019, 20:18
Ja, das fand ich auch, dass das Buch sehr gut ist und das mit dem spooky, beides.

Clarus
23.07.2019, 15:13
Tom Jobim hat in einer Doku nebenbei mal etwas über João Gilberto erzählt. Der sei komplett verrückt, was das Gitarrespielen angeht. Er habe mal einen ganzen Tag immer wieder eine bestimmte Phrase mit dem Daumen geübt, bis die Katze es nicht mehr ausgehalten habe und aus dem Fenster gesprungen sei.

Dabei lachte Jobim.

Porno Iglesias
23.07.2019, 20:46
Fischers damalige Freundin hat vor ein paar Wochen ein Art Teufelsaustreibung gemacht, weil sie immer seine Bücher hatte und wollte, dass sie weggehen, und dann kamen alle Freunde von ihm und holten sie sich ab. The story continues, das jetzt eher eine Borgesgeschichte oder so.