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Herr Uffelmann
09.07.2002, 19:16
Belafonte, Harry, birds of luck and extra money

Es ist nicht schön, morgens um drei geweckt, eine halbe Stunde später, Koffer in einen Tourbus zu schleppen, doch wir sind ein kleiner Familienbetrieb, da werden Kochlehrlinge schon mal zu Kofferträgern und an diesem Morgen sind es die Koffer von Harry Belafonte, nebst Gattin und Backingband.

Ich bin mit Herrn Belafonte aufgewachsen, die Ufer seines island in the sun reichten bis in die kleine Studentenwohnung meiner Eltern und ich musste immer sehr lachen wenn meine Mutter rhythmisch den Staubsauger schwang: „Math-(vor)-tilda-(zurück)-Math-(vor)-tilda-(zurück)“...Bei der Zeile:“she take me money“, rannte Sie dann entfesselt auf und nieder und schon war die Bude gesaugt. Das beeindruckt Kinder, Harry fand ich gut.
15 Jahre später stapfe ich also durch den Schnee in Richtung Hotel, pfeife „Jump in the Line“ und bin gespannt auf Mr.Belafonte. „Jump in the Line“ ist gerade mal wieder ein großer Hit, ebenso der „Banana Boat Song“, beide feiern ein Revival auf dem Soundtrack des „Beetle Juice“-Films der gerade in den Kinos läuft. Es ist1988 und wir tanzen zu Harry Belafonte in der Disko.

Im Hotel angekommen schnappe ich mir sofort den Zimmerschlüssel der Belafontes, vielleicht kann man ja später mal ein höfliche Paparazzi-Geschichte draus machen. Ich bin enttäuscht, unbewohnt wirkt das Zimmer, das Bett ist gemacht, die Koffer stehen, nach Größe geordnet, vor der Garderobe.
Lustiger war die Nacht wohl für die, wesentlich jüngere, Begleitband von HB. Die Luft in sämtlichen Zimmern riecht süßlich, überquillende Aschenbecher, leere Flaschen, Rock´n Roll. Die Seniorchefin des Hauses inspiziert mit mürrischer Mine die Laken der Musiker, wird fündig und grantelt:“hach dia Schbermaflecka gangat immer so schlecht naus.“
Kein Wunder also, das die Musiker gutgelaunt, morgens um vier, den Frühstücksraum mit einem wunderschönen, mehrstimmigen Gesang erfüllen, die Koffer noch in der Hand, stehen meine Schicksalsgenossen und ich in der Flügeltür zum Raum und lauschen, staunend, starr.
Herr Belafonte bemerkt uns, er kommt lächelnd auf uns zu, eine große Papiertüte in der Hand und ich kann es kaum glauben, er sieht genau so aus, wie auf den Covern, der 15-20 Jahre alten Platten meiner Mutter.
Jedem von uns gibt er die Hand, kräftig und weich zugleich, und jedem von uns stellt er sich vor:“Hi, I´m Harry Belafonte.“ Dann faltet er sorgfältig die braune Papiertüte auf und spricht dabei weiter, eine sanft-rauhe, sehr tiefe Stimme: „Thanks for your wonderful job, I know ist hard to get outta bed that early“, er entnimmt der Tüte vier winzig-kleine, buntgefiederte Vögel, für jeden einen, „it´s a bird of luck, it´s caribbean handcraft, it will bring you luck!"
Verlegen starren wir auf unser Geschenk, ein Vogel von Herrn Belafonte, das ist doch schon mal was, ein wenig Trinkgeld wäre auch gut gewesen, aber was soll es,“thank you“.
Belafonte lächelt, sehr breit, entblößt seine Zähne und greift in die Taschen seine eleganten Bundfaltenhose:
„You know what, do not only trust in birds of luck, here´s something to help you on your way to real luck.“, jedem von uns überreicht er eine Fünfzigmarkschein, „thank you again“, er geht zurück an seine Frühstückstisch und bestellt Kaffee.

Larry Erbs
09.07.2002, 19:35
summt vor sich hin... (http://www.musik-fuer-dich.de/ram/042281591426_01_01_40k.ram)

Krug
09.07.2002, 19:51
Daß die Musiker nach der durchzechten Nacht morgens um vier schon gut gelaunt Lieder singen, finde ich wirklich erstaunlich, und ein Harry Belafonte, der sich die Mühe macht, Nettigleiten zu verschenken, ohne darüber den materiell orientierten Sinn von Domestiken zu vergessen, sehr schön.

DerCaptain
09.07.2002, 22:36
Sehr fein. Wer hätte das gedacht.

Frau H aus B
09.07.2002, 22:54
Wie meinen Sie das denn jetzt schon wieder, Cap?

Wunderbare, herzerwärmende Geschichte.

DerCaptain
09.07.2002, 23:17
Ganz ernst.
Daß ein Superstar so mit seinen Schergen umgeht.
Vorbildlich.

Frau H aus B
09.07.2002, 23:22
Wer so singt, muss ein guter Mensch sein.

lacoste
10.07.2002, 00:56
geht als HB-Männchen voll in die Luft

Frau H aus B
10.07.2002, 00:59
Missverständnis, caradiert

Knappe Wamba
10.07.2002, 08:38
Sehr schöne Begebenheit Herr Uffelmann. Zwar nicht 100 % papparazzt, aber absolut Wert hier wiedergegeben zu werden. Höre Hr. Belafonte immer gerne und habe Ihn sowieso zu einem guten Menschen stilisiert.
Es tut gut, daß auf diesem Wege meine völlig aus der Luft gegrifffene Meinung bestätigt wird.
Farewell sagt
_________________

Knappe Wamba

U_Sterblich
10.07.2002, 09:43
Irgendwie ist Harry Belafonte so einer bei dem ich mir immer sicher war, dass er genau so ist, wie Ufllemann ihn hier beschrieben hat.

rron
10.07.2002, 10:30
Großartig, Herr Uffelmann! Genau so hab ich ihn auch erlebt.
Ich sollte ihn und seine Frau 1990 vom Bayerischen Hof zum Flughafen MUC fahren. Es gab detaillierte Anweisungen, dass die Koffer schon zur Abholung bereitstehen würden, ich sollte den Kofferfahrer schon vorausschicken und dann in der Lobby auf die Belafontes warten.

Auf den ersten Blick war kein Gepäck in der Halle zu sehen, also fragte ich an der Rezeption nach:
"Ist das Gepäck der Belafontes schon hier unten?"
gelangweiltes Blättern - "Das tut mir Leid, wir haben hier keine Belafontes!"
- "Doch doch, Harry Belafonte, der Sänger, hier steht's doch (ich wedle mit dem Zettel, auf dem meine Instruktionen stehen), ich soll ihn und seine Frau hier abholen!"
joviales Grinsen - "Ah, Sie meinen 'Mr. Holiday'!"

Verstehe, er residiert unter falschem Namen, das kannte ich schon, Tico Torres, der Drummer von Bon Jovi trägt sich überall als "Ben Dover" ein, denn "You know, 'bend over', HAHA, my name is my program!".

Die Koffer sind schnell verladen, nach wenigen Minuten kommen Herr und Frau Belafonte, ich begrüße ihn: " Hello, Mr. Holiday, I'll be your driver" Er lacht laut, auch seine Frau muss grinsen. Als ich sie am Flughafen aussteigen lasse, drückt er mir einen 50-Mark-Schein in die Hand "thank you for the excellent ride" und legt noch einen Zwanziger drauf: "and this is from 'Mrs. Holiday', you made her day!"

fabchief
10.07.2002, 10:37
Ich mag Herrn Belfanote auch sehr gern und habe auch reichlich Respekt vor ihm aus der Zeit wie er noch Seite an Seite mit Martin Luther King gekämpft hat. Fabelhaft wie er sich gehalten hat, sieht glatt 20 Jahre jünger aus.
Er ist einer der wenigen Künstler die nach wie vor abseits der Musik wirklich etwas zu sagen haben

Und daß er immer noch der wahre King des Calypso ist, brauch ich nicht weiter zu erwähnen

fabchief

Tobi Wahn
10.07.2002, 11:57
Herr Uffelmann, Ihre Geschichte gefällt mir viel besser als alle anderen, die diese Woche im Digest stehen. Sie drücken sich schön und klar aus, bauen Stimmungen auf und schwurbeln nicht rum, gefällt mir persönlich, wie gesagt, ganz ausgezeichnet. Wollt ich mal loswerden.

Daran, dass Harry B. der Calypso-König ist, kann man ja kaum rütteln, ich möchte allerdings auf die in meinen Augen deutlich schmissigere Version des Klassikers 'Mama look a Booboo' interpretiert vom großen Robert Mitchum, hinweisen.
Der Song ist bei Herrn B.lafonte einfach zu brav ausgefallen.
Und überhaupt ist es schade, dass der Song wegen PC in den letzten 30 Jahren nicht mehr gecovert worden ist.

fabchief
10.07.2002, 12:06
Klar, Harry eignet sich auch hervorragend zum covern, ist ja auch schon oft genug gemacht worden.
Zum andren Thema: Ich seh schon irgendwann, sind die verdammten PCler auch noch so weit, daß sie Harry Belafonte Rassismus vorwerfen. Mir geht Political Correctness gleich so was von auf den Sack. Aber das gehört wohl in einen anderen Strang.

fabchief

Angelika Maisch
10.07.2002, 12:47
he comes from the glory.
he comes from the glorious kingdom.
oh yes, believer.
oh yes,
unser Herr Uffelmann.

chuck
10.07.2002, 12:48
Ach, Herr Uffelmann ist ja ein Segen für seine Umwelt, da sei mal das Schnitzelrezept erwähnt und jetzt dieses soul food von einer Belafonte-Geschichte einschließlich mundartlicher Bemerkungen über eiweißhaltigen Lakenschmutz. Toll.

Sabeta
10.07.2002, 13:15
harry belafonte und sprachlabor sind für immer zu einer einheit verschmolzen, seit wir stundenlang „island in the sun“ über kopfhörer hören mussten um den text herauszufinden und zu übersetzen.
bei „full of softy calls“ habe ich aufgegeben. (er sang philosophical)

herr uffelmann, ganz bezaubernd geschrieben schon wieder.

Herr Uffelmann
10.07.2002, 16:33
Vielen, vielen Dank,
Ihnen allen für großes Lob.
Der bird of luck wirkt also immer noch, obwohl ich ihn schon lange, bei einem meiner vielen Umzüge verloren habe.

Einmal noch, habe ich Herrn Belafonte paparazzt, Mitte der Neunziger, auf dem isländischen Flughafen. Gemeinsam mit seiner Frau saß er an einem kleinen Tisch, abseits der nach Schwefel riechenden "Blaue Lagune"-Touristen, die sich an der Bar ein erbittertes Kampftrinken lieferten, für ein bißchen Schlaf auf dem Weiterflug nach New York. Herr Belafonte trank Wasser, schützend hatte er die Times vor sich aufgeschlagen und keiner bemerkte ihn. Ich tippte meiner damaligen, sehr jungen Freundin auf die Schulter und machte Sie auf Ihn aufmerksam: "Kuck mal, Harry Belafonte".
Sie sah zu Ihm rüber, dann zu mir:"Harry wer?".
Ich holte mir noch ein Bier.