eatmebailey
07.07.2002, 18:54
Vorberichterstattung
Wir fliegen um 10:30. Das ist gut, sage ich, dann sind wir vor dem Anpfiff in Berlin. In der Luft hat die Maschine Schluckauf, die Stewardess starrt Paolo verkniffen an, der „Oahh!“ ruft, als die Maschine einen besonders wüsten Satz macht. Nadja und ich kichern zehn Jahre jünger als wir sind, wir freuen uns auf die Tage in Berlin und auf das Spiel nachher.
In Schönefeld gelandet, stellen wir fest, dass wir uns verrechnet haben: der Flughafen hat nicht, wie wir gehofft hatten, eine Großbildleinwand, es gibt auch keine anderen Fußballfans mit denen man sich solidarisieren könnte, es gibt nicht einmal Dosenbier. Also schnell ein Taxi und ins Hotel. Alle zwei Minuten schauen wir auf die Uhr, während das Taxi sich durch den Verkehr quält. Als wir endlich im Hotel ankommen, sind die Zimmer noch nicht fertig. Noch 20 Minuten bis zum Anpfiff. Wir lassen unser Gepäck an der Rezeption, der Concierge hat keine Ahnung, wo man in der Nähe Fußball sehen kann, weiss denn überhaupt jemand in dieser Stadt irgendwas? Wir müssen uns was suchen, schnell.
Warmlaufen
Also traben wir um die Ecke, Richtung Kurfürstendamm, Paolo tritt fast in Hundescheisse, flucht, eine alte Oma sieht es und ruft „Ditt is Balin, haha!“, wenn wir Zeit hätten, würden wir mitlachen, aber das Spiel fängt gleich an! Überall stehen bunt lackierte Bären im Weg, oder Touristen, oder Shopper, jedenfalls keine Fussballfans wie wir. Schliesslich finden wir eine Sportkneipe, mitten auf dem Kurfürstendamm, scheusslicher Laden, nebenan eine furchtbar staubende Baustelle, aber egal, das Spiel, das Spiel fängt gleich an, und es gibt hundert Fernseher dort, sogar eine Großbildleinwand, weiter hinten.
Buck läuft auf
Unser Tisch, gleich neben der offenen Tür, ist voller kleiner Fasern, Asbest, bestimmt, vermutlich müssen wir sterben, wenn wir das 90 Minuten lang einatmen, aber das ist egal, denn wenigstens haben wir dann das Spiel gesehen. Wir bestellen zu trinken, sprechen über Aufstellung und Chancen. Detlev Buck geht an unserem Tisch vorbei, einen Teller in der Hand. Während Nadja und Paolo noch mit tuschelndem „das war doch..dieser...“ „Wortmann?“ „Nein, Buck!“ beschäftigt sind, setzt er sich vor die Kneipe, an einen Außentisch, direkt neben die Todesfasern hustende Baustelle.
Er sieht nicht so aus, als sei er schon lange wach, sein Haar ist etwas wirr, aber naja, wir wirken sicher auch nicht allzu frisch, nach der ganzen Hetzerei. Das Gesicht hat er der Kneipe zugewandt, auch er will Fußball sehen. Er beginnt zu essen. Sein WM-Schnitzel scheint ihm zu schmecken, aber er sieht kaum auf das Essen, wieso auch, es wird nicht das erste Schnitzel sein, das er zu sich nimmt, und irgendwie ist ein Schnitzel ja nur ein Schnitzel, ein Länderspiel aber ist ein Länderspiel, und deshalb schaut er, gemächlich, sicher, blind schneidend, Fleisch auf die Gabel nehmend und kauend durch die offene Tür, zwischen den Fans, die an der Tür stehen, hindurch, auf einen der vielen Bildschirme, und verfolgt die Vorberichterstattung.
Anpfiff
Das Spiel fängt an, wir fiebern mit. Nadja sagt ständig „wegneeehmen!“ wenn die Iren in Ballbesitz kommen, Paolo und ich kritisieren, dass die Deutschen die Iren zu sehr kommen lassen, das könne nicht gut gehen, sagen wir, aber es geht dann doch leidlich gut.
Am Nebentisch sitzt ein Idiot, der offensichtlich Nadja toll findet und mit kaspernden Schulhofmethoden auf sich aufmerksam machen will. Detlev Buck interessiert sich dafür noch weniger als wir, er schaut an dem Idioten vorbei, durch ihn hindurch, für ihn gibt es nur Schnitzel und Spiel, Spiel und Schnitzel. Viel gelassener als wir verfolgt er, was sich auf dem Spielfeld tut. Ich frage mich, ob auch er den Asbesttod sterben muss, und ob das Schnitzel nicht komisch schmeckt da draussen im Staub. Irgendwann fragt Detlev Buck sich das wohl auch, er steht kauend auf, nimmt seinen Teller, betritt die Kneipe und geht nach hinten, vermutlich will er den Rest des Spiels auf der großen Leinwand verfolgen, den Rest des Schnitzels ohne Staub in den Augen verzehren. Ich schaue ihm nach, aber dort hinten ist es dunkel und einen Moment später hat ihn die Kneipe verschluckt. Ausserdem läuft ja noch das Spiel und die Deutschen sind arg unter Druck, ich fürchte, zu lange wegzusehen, habe Angst, für ein Gegentor verantwortlich zu sein. Das fällt dann auch in letzter Minute, allerdings während ich hinschaue und, so vermute ich, zu spät, um Buck den Appetit zu verderben.
Aus, Aus, Aus....
Als wir das Lokal verlassen, fühlen wir uns wie zementiert. Überall kleben Fasern und Staub und das Gegentor zum Schluß hätte ja irgendwie auch nicht sein müssen. Wenigstens sind jetzt unsere Hotelzimmer fertig. Wir sind uns einig: das nächste Spiel schauen wir woanders. Buck hin, Schnitzel her. Vielleicht gewinnen wir dann ja auch wieder.
Wir fliegen um 10:30. Das ist gut, sage ich, dann sind wir vor dem Anpfiff in Berlin. In der Luft hat die Maschine Schluckauf, die Stewardess starrt Paolo verkniffen an, der „Oahh!“ ruft, als die Maschine einen besonders wüsten Satz macht. Nadja und ich kichern zehn Jahre jünger als wir sind, wir freuen uns auf die Tage in Berlin und auf das Spiel nachher.
In Schönefeld gelandet, stellen wir fest, dass wir uns verrechnet haben: der Flughafen hat nicht, wie wir gehofft hatten, eine Großbildleinwand, es gibt auch keine anderen Fußballfans mit denen man sich solidarisieren könnte, es gibt nicht einmal Dosenbier. Also schnell ein Taxi und ins Hotel. Alle zwei Minuten schauen wir auf die Uhr, während das Taxi sich durch den Verkehr quält. Als wir endlich im Hotel ankommen, sind die Zimmer noch nicht fertig. Noch 20 Minuten bis zum Anpfiff. Wir lassen unser Gepäck an der Rezeption, der Concierge hat keine Ahnung, wo man in der Nähe Fußball sehen kann, weiss denn überhaupt jemand in dieser Stadt irgendwas? Wir müssen uns was suchen, schnell.
Warmlaufen
Also traben wir um die Ecke, Richtung Kurfürstendamm, Paolo tritt fast in Hundescheisse, flucht, eine alte Oma sieht es und ruft „Ditt is Balin, haha!“, wenn wir Zeit hätten, würden wir mitlachen, aber das Spiel fängt gleich an! Überall stehen bunt lackierte Bären im Weg, oder Touristen, oder Shopper, jedenfalls keine Fussballfans wie wir. Schliesslich finden wir eine Sportkneipe, mitten auf dem Kurfürstendamm, scheusslicher Laden, nebenan eine furchtbar staubende Baustelle, aber egal, das Spiel, das Spiel fängt gleich an, und es gibt hundert Fernseher dort, sogar eine Großbildleinwand, weiter hinten.
Buck läuft auf
Unser Tisch, gleich neben der offenen Tür, ist voller kleiner Fasern, Asbest, bestimmt, vermutlich müssen wir sterben, wenn wir das 90 Minuten lang einatmen, aber das ist egal, denn wenigstens haben wir dann das Spiel gesehen. Wir bestellen zu trinken, sprechen über Aufstellung und Chancen. Detlev Buck geht an unserem Tisch vorbei, einen Teller in der Hand. Während Nadja und Paolo noch mit tuschelndem „das war doch..dieser...“ „Wortmann?“ „Nein, Buck!“ beschäftigt sind, setzt er sich vor die Kneipe, an einen Außentisch, direkt neben die Todesfasern hustende Baustelle.
Er sieht nicht so aus, als sei er schon lange wach, sein Haar ist etwas wirr, aber naja, wir wirken sicher auch nicht allzu frisch, nach der ganzen Hetzerei. Das Gesicht hat er der Kneipe zugewandt, auch er will Fußball sehen. Er beginnt zu essen. Sein WM-Schnitzel scheint ihm zu schmecken, aber er sieht kaum auf das Essen, wieso auch, es wird nicht das erste Schnitzel sein, das er zu sich nimmt, und irgendwie ist ein Schnitzel ja nur ein Schnitzel, ein Länderspiel aber ist ein Länderspiel, und deshalb schaut er, gemächlich, sicher, blind schneidend, Fleisch auf die Gabel nehmend und kauend durch die offene Tür, zwischen den Fans, die an der Tür stehen, hindurch, auf einen der vielen Bildschirme, und verfolgt die Vorberichterstattung.
Anpfiff
Das Spiel fängt an, wir fiebern mit. Nadja sagt ständig „wegneeehmen!“ wenn die Iren in Ballbesitz kommen, Paolo und ich kritisieren, dass die Deutschen die Iren zu sehr kommen lassen, das könne nicht gut gehen, sagen wir, aber es geht dann doch leidlich gut.
Am Nebentisch sitzt ein Idiot, der offensichtlich Nadja toll findet und mit kaspernden Schulhofmethoden auf sich aufmerksam machen will. Detlev Buck interessiert sich dafür noch weniger als wir, er schaut an dem Idioten vorbei, durch ihn hindurch, für ihn gibt es nur Schnitzel und Spiel, Spiel und Schnitzel. Viel gelassener als wir verfolgt er, was sich auf dem Spielfeld tut. Ich frage mich, ob auch er den Asbesttod sterben muss, und ob das Schnitzel nicht komisch schmeckt da draussen im Staub. Irgendwann fragt Detlev Buck sich das wohl auch, er steht kauend auf, nimmt seinen Teller, betritt die Kneipe und geht nach hinten, vermutlich will er den Rest des Spiels auf der großen Leinwand verfolgen, den Rest des Schnitzels ohne Staub in den Augen verzehren. Ich schaue ihm nach, aber dort hinten ist es dunkel und einen Moment später hat ihn die Kneipe verschluckt. Ausserdem läuft ja noch das Spiel und die Deutschen sind arg unter Druck, ich fürchte, zu lange wegzusehen, habe Angst, für ein Gegentor verantwortlich zu sein. Das fällt dann auch in letzter Minute, allerdings während ich hinschaue und, so vermute ich, zu spät, um Buck den Appetit zu verderben.
Aus, Aus, Aus....
Als wir das Lokal verlassen, fühlen wir uns wie zementiert. Überall kleben Fasern und Staub und das Gegentor zum Schluß hätte ja irgendwie auch nicht sein müssen. Wenigstens sind jetzt unsere Hotelzimmer fertig. Wir sind uns einig: das nächste Spiel schauen wir woanders. Buck hin, Schnitzel her. Vielleicht gewinnen wir dann ja auch wieder.