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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Künast, Renate (wurde von mir überholt)



Peter Bean
14.06.2002, 16:05
Sie hatte sich angekündigt. Sie war wütend über einen März-Artikel in der FAZ. Sie stand unter Druck wegen der unsäglichen Probleme mit ihrem angeblich ökologischen Ziehkind, das so gesund zu sein scheint, wie ein indischer Wegelagerer. Und sie war auf Wahlkampftour im Norden, dort, wo die Bauern zehn Tonnen besten Weizen pro Hektar ernten, wo die Nordsee auf die Ostsee trifft und wo deutsche U-Boote die Kassen amerikanischer Fond-Eigner füllen.

Ich war extra nach Hause geeilt, um meine etwas lumpige Universitätserscheinung gegen ein Boss-Hemd und ein passendes und viel zu warmes Sakko einzutauschen. Auf dem Rückweg brauste ich mit meinem marseille-roten Astra auf den westlichen Ring, der diese wenig reizvolle Stadt umgibt und wurde eines mittelgroßen Mercedes mit abgenutztem Berliner Kennzeichen gewahr. Auf dem Dach protzte ein großes Blaulicht und verlieh dem mittelmäßigen Kasten, den heutzutage jeder Vorwerck-Vertreter fährt, eine nicht ganz zu leugnende Wichtigkeit.

Da der Wagen nur so dahin rollte, anscheinend auf der Suche nach der richtigen Einfahrt auf den Uni-Campus, überholte ich ihn und blieb, scheinbar zufällig wegen der nahenden Ampel, auf gleicher Höhe.

Da saß sie also, oder sollte ich lieber sagen, kauerte? Sie flätzte im linken hinteren Sitz und sah aus, als hätte sie eben einen Anruf von Gerhard Schröder bekommen, danach ein Biobrötchen mit Soja-Aufstrich heruntergewürgt und anschliessend gekotzt. Ihr Augen streiften lustlos über die grauenhafteste Strasse der Landeshauptstadt, wobei eigentlich dieses Prädikat einige Strassen verdient hätten. In Höhe der brechreizerregend häßlichen Universitätskirche in der Form einer verglasten, überdimensionalen Panzersperre, gab ich dann doch Gas und überliess die Ministerin ihrem Schicksal. Sie fuhr auch geradewegs in die Studenteneinfahrt zum Parkhaus.

Warum war sie so tief unten? Ödete es sie an, nun vor meist konservativ ausgerichteten Agrarstudenten zu palavern, welche im ersten Semester mehr Praxiserfahrung haben dürften, als sie selbst? Wünschte sie sich gerade einen atomaren Erstschlag der pakistanischen Armee gegen Malchin? Oder hatte sie schlicht und einfach das Ministerleben satt?

Wir werden es nie erfahren. Ich war zwar anschliessend auf der Veranstaltung, die überraschenderweise sehr gut besucht war, habe aber wieder vergessen, was sie eigentlich gesagt hat. Was viel wichtiger war: Mein Sakko und mein Boss-Hemd waren total überflüsssig, denn ich war unter tausend Leuten nur ein Staubkorn für das überwältigende Universum von Macht und Wichtigkeit, welches für eine Stunde und drei anschliessende Fragen einen kleinen Subraum-Spalt in unserem größten Hörsaal geöffnet hatte. Dann war wieder alles vorbei.

Frau Künast sieht übrigens aus der Ferne besser aus, als aus der Nähe. Und sich glaube, sie geniesst ihre zwei coolen Leibwächter, wie überhaupt das Berühmtsein. Sonst hätte sie ja auch kein Blaulicht auf dem Dach.

Eine Woche später traf ich an einem Tage Johannes Rau und Jürgen Trittin, der mir fast auf die Füße trat und übrigens ganz schön groß ist (!), aber nicht zufällig - und was soll ich sagen: Mein schwarzer Boss-Anzug war zwar ganz passend, aber wieder viel zu warm.

Wo kriegt man günstig ein Blaulicht zu kaufen, dass man bei Bedarf auf das Dach pappen kann?

Aporie
14.06.2002, 16:12
Ich glaube eher, Sie brauchen einen fahrbaren Kleiderschrank. Hat mich gefreut, endlich wieder mal was von Ihnen zu lesen.

Peter Bean
17.06.2002, 09:45
Freue mich ebenfalls, Aporie. Vielleicht brauche ich einen fahrbaren Kleiderschrank mit Blaulicht und Soja-Antrieb.

Freundlichst, Bean.