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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gstrein, Norbert (vmtl.); Köhlmeier, Michael; Menasse, Robert



Wilfried Wieser
10.06.2002, 21:58
I think it takes really disturbed people to make great rock and roll, and Dee Dee was a greatly disturbed person, schrieb der International Herald Tribune anlässlich des Ablebens von Dee Dee Ramone von den Ramones. Die Wochenendausgabe des Tribune lag heute im Wiener Cafe Sperl noch auf, was mir gelegen kam, ich hatte sie noch nicht gelesen und konnte dies also beim montäglichen Frühstück nachholen. Ich saß an einem Fensterplatz, die Fensterplätze des Sperl sind in allen denkbaren Parametern ideal für Alleinfrühstückende, während sich die sogenannten Logen im dunkleren Teil des Kaffeehausraumes sehr gut für Gespräche eignen.

In einer dieser Logen saß der Autor Michael Köhlmeier, er sprach über Walser, es war mir aber nicht möglich zu verstehen was er über Walser sprach, er sprach in jenem unverwechselbaren Köhlmeier-Erzählton, der zum Zuhören einlädt, obwohl ich in diesem Fall natürlich nicht zum Zuhören eingeladen war, Köhlmeier sprach zu seinem Gegenüber, einem schwarzhaarigen Mann in Turnschuhen, den ich erst als Norbert Gstrein zu erkennen glaubte, als Robert Menasse eintrat und von Köhlmeier aufgefordert wurde, Platz zu nehmen. Das Walserthema wurde dann offenbar aufgegeben, die drei Schriftsteller wechselten allem Anschein nach zu unernstem, Köhlmeier erzählte im Köhlmeier-Erzählton einen Witz, Menasse lachte laut, ich verstand leider erneut nur Fragmente, einige Witzfetzen sozusagen, die Pointe dürfte auf der klanglichen Ähnlichkeit der Sentenzen "zehn Millionen in kleinen Scheinen" und "zehn Zitronen in kleinen Scheiben" aufgebaut gewesen sein. Vielleicht hatte Menasse aus kollegialer Höflichkeit gelacht, aber doch auch recht glaubhaft.

Ich las in diesem Moment gerade einen Artikel über den Fotografen William Klein, der sich, so der Tribune-Beitrag, als "Ethno-paparazzo" bezeichnet (Zitat: although I am not invisible people very often don't see me). Ich glaube, Menasse trug nun seinerseits einen Witz bei, Menasse weiss stets passend zu reagieren.

Im Wirtschaftsteil stand, CARGOLIFTER sei insolvent. CARGOLIFTER ist jenes Unternehmen, das versucht hatte mit Luftschiffen im Transportgeschäft Fuss zu fassen. Ich bestellte eine zusätzliche Portion Butter sowie eine zusätzliche Portion Marmelade. Dies ist insofern erwähnenswert, als ich in 18 Sperljahren immer mit der servierten Menge das Auslangen gefunden habe, doch heute war ich hungrig. Dieser Appetit ist nicht auf die drei Autoren in der Loge zurückzuführen, vielmehr hatte ich am Vortag keine richtige Malzeit zu mir genommen. Ich war damit beschäftigt gewesen, meine über zwanzig Jahre alte Schallplattensammlung aus einem halbverfallenen Lagerraum in Wien Ottakring in ein nobles Antiquariat im ersten Bezirk zu überstellen. Dort stand eine historische Hifi-Anlage bereit, vermittels derer ich erstmals nach Jahrzehnten meine ganz alten Platten wieder hören konnte, die erste OMD oder die Schallplatten mit den Nummern "Art Attack 00001" und "Stumm 1", das sind die jeweils ersten LP-Produktionen der Labels Ata Tak und Mute. Auch die allerbeste Leather Nun von 1987 fand sich. Von den Ramones habe ich nichts.

Klede
10.06.2002, 22:01
Das ist gross und schoen und soll oben bleiben.

Ella Roc
10.06.2002, 23:49
eine feine Konfitüre das.

wenn der vermeintliche Norbert Gstrein gelacht hat, dann war er's nicht. meine ich.

Walter Schmidtchen
11.06.2002, 00:34
als Argeninien gegen England spielen sollte, trafen Dieter und Thomas und Robertino und Robert Menasse uns im Guzzi, so war es ausgemacht. Ich kam zu spät. Wir wollten Thomas´ 60 E verwetten, ausser Dieter war niemand anwesend, er frass seinen Rotbarsch auf, ich ging ins Wettbüro, Dieter ging ins Anzengruber, ich ging wetten für die anderen 4:0, 4:1, 3:1, 3:0, 2:1, Robert Menasse hätte sicher nicht das 1:0 für England gewettet. Aber, was ich weiss, ist, dass er ein Buch von mir in seinem Bücherregal hat, in dem ich meinen feigwarzenübersäten Lümmel zeige, was für ein Renom, und was für eine Niederlage, als ich eben das Wort Renomme im Duden nachschlagen wollte, ist das ganze Bücherregal umgefallen, das war nicht schlimm, das kann man wieder einordnen, aber der kleine Taucher von Astrid ist aus dem Fenster geflogen, Renommee so schreibt sichs.


Wilfried, sei wieder gut mit Elli Kny, sie ist nämlich eine GUTE FRAU

Wilfried Wieser
11.06.2002, 01:43
Die Beste. Und der vermutliche Norbert Gstrein war wohl der tatsächliche Norbert Gstrein, meine ich. Keinerlei Lachen.

Wilfried Wieser
11.06.2002, 02:00
Übrigens erblickte ich nach diesem Frühstück in der Mariahilferstrasse einen Herren, der EXAKT so aussah wie jener, der am Turiner Leichentuch abgebildet ist, allerdings unverwundet, jedenfalls lebend.

mondriane
11.06.2002, 14:45
Schönes Frühstück.

Meine bisherigen Versuche, einen Witz von hinten aufzurollen - sozusagen eine pointengerechte Geschichte zu finden - schlugen immer fehl. Ein dummes Gefühl. Läßt man sich den Witz dann erzählen, erscheint er fahl.
Hier liegt der Fall anders: ich kenne den dazugehörigen Witz!
But alas, auch das ist nicht das Gelbe vom Ei, habe feststellen müssen, daß es nur vom Lesen ablenkt.

Cat woman
11.06.2002, 20:56
Wirklich: gekonnt, groß abgeschwiffen! Wilfried Wieser ist auch
ein Guter!

geht mal wieder die Gebüschkatze wuchten

Sabeta
11.06.2002, 21:57
.

(ich möchte nur ganz leise hier einen kleinen punkt hinterlasssen, der sagen soll, dass ich die geschichte gelesen habe, mich aber nicht wirklich traue etwas dazu zu sagen, weil in den geschichten von herrn wieser fühle ich mich immer so andächtig wie in schönen, kühlen kirchen, solche wo man nur staunend das gewölbe und die fresken bewundert und sich dann leise lächelnd wieder hinausschleicht.)

Aporie
11.06.2002, 22:10
Sehr schön erzählt. Geht runter wie Sirup. Aber vom Fass.

Elli Kny
12.06.2002, 17:47
Der Beste.

Ignaz Wrobel
13.06.2002, 11:02
Sabeta'scher

.

stu
13.06.2002, 11:43
würde sich auf seite 43 des paparazzi-buches hervorragend machen. oder auf der ersten. oder ganz hinten. egal wo, aber rein damit.
mann, der wiesner kann vielleicht schreiben! das macht einen ja ganz fertig.

U_Sterblich
13.06.2002, 13:23
Norbert Gstrein musste ich erst googeln. Ich hatte aber in der Kindheit eine Brieffreundin in Südtirol namens Getti Gstrein und fand den Namen immer völlig aberwitzig.

Der Witz der erzählt wurde, beruht auf der Ähnlichkeit der Sätze "Zehn Millionen in kleinen Scheinen" und "Zehn Zitronen in kleinen Schweinen" und es geht um einen schwerhörigen Flaschengeist. Den Witz erzählte Sissi Perlinger als ich sie mal paparazzt habe. Schlecht hat sie ihn erzählt und eine bescheuerte Zicke war sie.

Ignaz Wrobel
13.06.2002, 15:45
Irgendwo, da ganz unten in irgendeinem längst vergessenen Forum, da gab es mal das Spiel "Pointe erzählen, dann den passenden Witz raten". Sehr schönes Spiel, es schlief leider ein, weil irgendwer nie den Witz erzählte. Ein Flaschengeist, das erklärt alles, danke.

poldi
13.06.2002, 16:57
trio des grauens

Ignaz Wrobel
14.06.2002, 09:25
Her Wieser, Sie sind auf der Mariahilfer Straße dem Messias begegnet? Das ist allerdings... unerwartet. Erst der tote Rockstar, dann die heiligen drei Könige aus dem Morgenland, die sich Flaschengeistwitze erzählen, dann der mal wieder auferstandene Heiland. Denken Sie, daß Ihnen ein Zeichen gesendet wurde? Und wie könnte man es dechiffrieren? Ich treffe ja in letzter Zeit immer mehr Leute, die auf die Ankunft eines gewissen Maitreya warten. Dieser vereint sämtliche Religionen in sich, ähnelt auch dem Herrn auf dem Leichentuch und wurde ebenfalls schon gesichtet, allerdings in Afrika. Zeichen seiner Ankunft sind sind übrigens sogenannte "Lichtkreuze", die auf Häuserwänden auftauchen. Vorzugsweise im Sommer und wenn gegenüber Häuser mit Fenstern stehen. Sollten Sie soetwas am Café Sperl beobachten: Noch aufmerksamer als sonst sein! Falls das geht.

Wilfried Wieser
15.06.2002, 02:40
Unerwartet, gewiss, zumindest kann ich nicht behaupten, gewartet zu haben. Der Mann auf der Mariahilferstrasse war natürlich bei weitem nicht so fahl wie das Leichentuchbild, aber vom look and feel absolut jesushaft. Ein Zeichen? Meinen Sie, Wrobel, so viele Dichter hätten etwas zu bedeuten? "Alles gibt mir gleich zu denken. Jeder Witz im Witzblatt, die Erinnerung an Flaubert und Grillparzer, der Anblick der Nachthemden auf den für die Nacht vorbereiteten Betten meiner Eltern" (Kafka, 21.7.1913). Nö, ich bin zu nüchtern.

Ruebenkraut
15.06.2002, 07:24
Außerdem kommt in dem Witz auch noch ein "30 cm langer Simmel" vor, wenns derselbe Witz ist, den ich kenne.
Ansonsten punkte ich auch nur.

.

Ignaz Wrobel
15.06.2002, 14:57
Von dem Witz gibt es offensichtlich viele kurze Trivialversionen mit Johannes Mario Simmel (Es muß nicht immer Kaviar sein, München 1960) und eine extrem vielschichtige Intellektualversion mit Georg Simmel (Die Philosophie des Geldes, Berlin 1900). (google und Ruebenkraut sei Dank). Diese ist natürlich nicht so wahnsinnig witzig, beinhaltet aber eine Reihe philosophischer Fragestellungen sowie das Geschlechterverhältnis (platonische Liebe/drakonische Hiebe) und die Tatsache, daß der Philosoph aus dem Berliner Westend ziemlich gnomenhaft war.

Haben die drei Schriftsteller über einen längeren Zeitraum verteilt immer mal wieder leise wissend gelacht?

Dann war es letztere (http://www.heptagon.de/witz.htm). Bei der anderen gibt es nur die Schweine und ein kleines Buch von Simmel.

So richtig gut find ich die nebulöse Wieser-Variante. Bestimmt hat er den Witz ganz genau verstanden, aber er wäre nicht Wieser, wenn er hier Witze erzählen würde.

rron
15.06.2002, 15:43
Meine Fresse, wozu fährt man denn nach Wien, wenn es einem so erzählt wird? Oder, - für Wiener - wozu wohnt man denn da?

Von den Ramones habe ich viel, zu dem Witz aber nur noch eine schlechte Variante in Englisch mit einem 10 inch großen Pianisten beizutragen.

Murmel
15.06.2002, 15:59
Die Geschichte ist wirklich sehr fein. Mich quält jedoch das Unwissen bezüglich Menasses Witz. Sollte Köhlmeier wirklich die Philosophenvariante des Witzes mit den "10 Zitronen in kleinen Schweinen" erzählt haben, was verständlich wäre und eigentlich von Ignaz Wrobel zwingend nachgewiesen wurde, wird Menasse wohl einen Philosophenwitz hinterhergeschossen haben, um passend zu reagieren, was er ja tut, wie Herr Wieser schreibt.

Vielleicht scherzte er über Philisophen beim Austauschen einer durchgebrannten Glühbirne. Durchgebrannt im Sinne von kaputt.

Ignaz Wrobel
15.06.2002, 16:26
Do you think I asked for a Petrucciani?

Hm.

rron
15.06.2002, 16:45
Genau so, Ignaz. Ist aber nur lustig, wenn in lupenreinem Oxford von Willemsen vorgetragen. Oder vielleicht auch nicht.

Ruebenkraut
15.06.2002, 17:51
In der Variante die ich kenne, kommt auch beides vor, der 30cm Simmel und die Zitronen in kleinen "Schweinen", besonders philosophisch isses nicht, also wirds Johannes Mario gewesen sein...

Herr Weber
07.11.2002, 17:25
Wo ist eigentlich Herr Wieser geblieben? Ob er immer noch seine alten Schallplatten anhört?

Wilfried Wieser
07.11.2002, 17:35
Nö.

stu
25.04.2003, 14:58
+