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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Goldt, Max (Ganz frisch - Die 100.000. Max Goldt-Sichtung)



maki
04.05.2002, 18:06
Wien heute. Die Stadt platzt vor Hitze und mehreren unverständlich trommelnden und blökenden Demonstrationen. Heute abend liest Max Goldt in Wien, und bevor ich mich in die Hitze warf, dachte ich nebenbei - vielleicht sichte ich ihn ja. Ich schätzte ihn jedoch eher als einen die Hitze Verschmähenden ein und vermutete ihn eher im kühlen Museum. Dann vergaß ich Max Goldt, kaufte ein Buch über die Geschichte der mitteleuropäischen Landschaft, einen Wanderführer, ein "Gwand", wie man hier jede Art von Kleidung nennt, ein Eis, und ein Mobiltelefon. Dieses wollte ich dann im Park zusammenbauen.
Auf dem Weg zum Park, an einer sehr heißen, steinigen, lauten Strassenkreuzung, stand dann neben mir tatsächlich Max Goldt. Er hatte einen Begleiter mit einem Stadtplan, und offensichtlich Probleme, sich zu orientieren.
Sein Gesicht war gerötet, er wirkte sehr genervt, er trug zwei schicke kastenförmige Papiertüten, eine rot, eine weiß, was sehr gut mit seinem rotweiß karierten Hemd und seiner Gesichtsfarbe harmonierte. Der Begleiter trug nur den Stadtplan.

Immer noch entnervt sagte Max Goldt diesen wunderschönen Satz zu seinem Begleiter: "Also, diesen Ring habe ich noch nie kapiert!"

Mit diesem Satz im Ohr überquerte ich meine Ampel, die beiden entschlossen sich schließlich für eine andere Richtung, und ich wunderte mich, was man an der Wiener Ringstraße nicht verstehen kann. In Form und Funktion entspricht sie weitgehend ihrem Namen, sie trennt fein säuberlich das innere hübsche vom äußeren hübschen Wien - was ist daran schwer zu kapieren?

Ich überquerte den Ring, setzte mich in den Park, baute mein Telefon zusammen, und bestellte meine Karten für heute abend.

Aporie
04.05.2002, 18:27
Beim Lesen dieser wunderschönen Geschichte kam mir das Wort Schrulle in den Sinn. Aber wahrscheinlich ist nur der Erzähler ein bisschen schrullig. Die Schrulle selbst ist mit sparsamen Mitteln elegant erzählt.

Granuaile
04.05.2002, 23:10
Die Geschichte ist sicher nett und schrullig, aber ich konnte mich gar nicht richtig drauf konzentrieren, da ich immerzu am Anfang hängen blieb, in dem die Worte "heute" und "Hitze" vorkamen... das liest sich sehr schwer, wenn man den ganzen Nachmittag bei 5-7 Grad Temperatur im Regen verbracht hat und lenkt dann doch sehr ab.
Trotzdem danke für die Geschichte, maki.

Hitze. heute. Ich kann es einfach nicht fassen.

Christopher Wurmdobler
05.05.2002, 14:20
tatsächächlich war es am 4. mai 2002 in wien derart heiß, dass es nur allzu verständlich ist, dass der begleiter bis auf einen stadtplan nichts trug.
very sexy (beschreib doch mal bitte den begleiter)

Herr Weber
05.05.2002, 15:30
Ich finde vor allem die Vorstellung lustig, ein Mobiltelefon "zusammenzubauen".
Als ich meines kaufte, war es zum Glück schon zusammengebaut. Ich wüsste nämlich gar nicht, wie so etwas geht.

Am Wiener Ring gefällt mir am besten, dass die Stimme in der Straßenbahn immer ausdrücklich den "Dr.-Karl-Renner-Ring" ankündigt. Da weiß man Titel noch zu schätzen!

maki
05.05.2002, 16:24
Herr Wurmdobler:
Der Begleiter trug ausser dem Stadtplan noch ein dunkelblaues Leiberl, auf dem vermutlich irgendein Nineties-Clubwear-Logo prangte, ich sah jedoch die Vorderseite nicht. Er war etwas größer als M.G., schlank, kurzhaarig, trug eine Hornbrille, und im allerersten Moment dachte ich kurz, es wäre Walter Schmidtchen nach unerwartetem Frieseurbesuch, aber dann dachte ich, geht ja nicht, die beiden sind ja leider zerstritten, und beim näheren Hinsehen sah er auch ganz anders aus. Vielleicht war es ja der andere vom Comicduo Katz&Goldt.

Sexy genug?

Herr Weber:
Zusammenzubauen waren lediglich 4 Bausteine: Vorderteil, Hinterteil, SIM-Karte und Akku. Trotzdem brauchte ich eine halbe Stunde dazu, weil sich Vor- und Hinterteil beim ersten Kontakt verkeilten. Ausserdem ist Wien selbst bei Hitze so penetrant windig, daß ich Mühe hatte, die zahllosen Gebrauchsanweisungen, Anmeldeformulare und Infoheftchen zusammenzuhalten.

Die Lesung war gewohnt souverän und akkurat. L_tu meinte, er habe beim Dankesagen säuerlich und mißmutig ins Publikum geschaut. Ich meinte das nicht.

noddyholder
05.05.2002, 17:03
Den Kalauer, der mir jetzt einfällt, wenn ich in einem Max-Goldt-Strang lese, dass sich das Vorderteil mit dem Hinterteil verkeilt, schreibe ich auf gar keinen Fall auf.

maki
05.05.2002, 18:01
Ich könnte ja jetzt diesen Klaus-Wowereit-Satz hinschreiben, tu ich aber auf keinen Fall.

Juri
05.05.2002, 18:11
Maki, aber dein Telefon hat keinen kleinen, unterhaltsamen Defekt mehr?

Christopher Wurmdobler
05.05.2002, 18:12
zumindest nicht, solange sie nicht das vorderteil der begleitung beschreiben können...

Walter Schmidtchen
06.05.2002, 12:55
Der Begleiter war Stephan Katz, ohne den der dicke Dichter scheinbar überhaupt nichts mehr macht. Für Außenstehende sieht es ein bisschen aus wie Herr und Knecht, oder ein schrulliges Paar. Sie sprechen auch gleich, wedeln tuntig mit ihren Händen und sind immer zur gleichen Zeit müde.
Der Schriftsteller schafft es noch nicht mal seine alte Freundin Usho anzurufen, wenn er in Wien ist, um sich mit ihr zu treffen, das muss Katz machen.
Wenn die beiden im Wirtshaus sitzen, kommt zum Schluss von Goldt: "Katz, hast du schon zahlen gerufen?".
Praktisch eigentlich, jemanden zu haben für all das Lästige, Nervende, nahezu Überflüssige.
Mein schönstes Bild von diesen beiden Herren ist aber, welches ich mal in Berlin in der Nacht sah, wir kamen aus einer Wirtschaft, beide hatten DJ Taschen, der rechtsgehende trug sie auf der rechten Seite, der linksgehende auf der linken Seite. Praktisch, damit die DJ Taschen nicht kollidieren. Ich trottete hinterher. An einer Fußgängerampel blieben beide stehen, weil rot war. Es war aber weit und breit kein Auto zu sehen. Ein normaler, vernünftiger Mensch geht in so einer Situation einfach rüber. Nicht so Pat und Patachon, beide blieben stehen, der linke schaute nach links, der rechte nach rechts, sie dachten wohl nach, oder ordneten ihre Gedanken, in diesen kostbaren Sekunden, die ihnen von einem winzigkleinen roten Mann geschenkt wurde.
Ich ging über die Straße, und wartete auf der anderen Seite, und hatte dort genug Zeit schmunzelnd ebenfalls meine Gedanken zu sortieren.

Murmel
06.05.2002, 13:01
Mann, Schmidtchen, das war ein Zeitsnack.

Übrigens ist es lustig, dass gerade Walter Schmidtchen sich über eine gewisse Schrulligkeit eines anderen amüsiert.

Walter Schmidtchen
06.05.2002, 13:10
Zeitsnack? So nennt er das?
Ich erinnere mich dunkel an eine Stelle in einem seiner mittlerweile vom Haffmans Verlag zerschredderten Bücher, in dem erklärt wird, dass Holländer doof sind, weil sie bei Rot über die Ampel gehen.
Vielleicht haben beide in dem Moment an der Ampel gedacht: "jetzt denkt Schmidtchen sicher gerade an die Stelle mit den doofen Holländern, wie wird er sich wohl verhalten?"

(PS.: Halbmarathon Hallstadt: 1 Stunde 43 Minuten.

Ich bin der Champion, fordere mich heraus!

Murmel
06.05.2002, 13:12
Ich brauche noch ein Jahr, Schmidtchen. Dann laufe ich Dich in Grund und Boden.

Walter Schmidtchen
06.05.2002, 13:16
Sagen wir Oktober, Berlinmarathon, ich geb Dir 20 Minuten Vorsprung.

PS ich hab mich nicht über SEINE Schrullen lustig gemacht, sondern über das schrullige seltsame Paar

Murmel
06.05.2002, 13:20
Den ganzen Marathon werde ich nicht schaffen. Das ist was für Außenminister kurz vor dem Wiedererfetten. Aber die halbe Distanz, das müsste ich schaffen.

Und Du gehst jetzt ins Kino und schaust Dir "Songs from the Second Floor" an. Genialer Film.

Walter Schmidtchen
06.05.2002, 13:22
Ist das ein schwedischer Film?
Artsy?
der lief hier mal, hab ich aber absichtlich verpasst, weil doofe Leute von ihm schwärmten.

Schau Du Dir aber The River an, wenn der irgendwo läuft, taiwanesischer Film, grotesk und grausam

Murmel
06.05.2002, 13:26
Ja, ist schwedisch, aber wirklich gut. "On the air" ist übrigens sehr komisch. "The River" - muss ich sehen, ob der läuft. Ich laufe übrigens seit drei Wochen mindestens 4 mal die Woche 4 Kilometer. Nächste Woche 5. Dann 6... Bis zum Herbst schaffe ich die 21.

maki
06.05.2002, 14:10
Aha, jetzt weiß ich auch, warum Schmidtchen es in den Zeiten, als sie noch befreundet waren, verabsäumt hat, Herrn Goldt die Wiener Ringstrasse zu erklären: Die beiden standen immer auf verschiedenen Straßenseiten.

Herr Weber
06.05.2002, 14:51
Murmel, lass das Laufen sein!

Das kann angeblich süchtig machen. Und willst Du das? Eine weitere Sucht? Neben dem Forum?

Übrigens: so einen Knecht wie der Herr Goldt hätte ich auch gerne.

Karl Bock der Intrigant
06.05.2002, 15:09
Einen Knecht wie Herrn Goldt hätte ich auch gern.

oha
06.05.2002, 15:15
Ich dachte Sie hätten jetzt einen Weberknecht mit zwoelf Millionen GigaHertz und mehr Festplatten, als man essen kann?

Herr Weber
06.05.2002, 15:31
Stimmt. Aber der ruft nicht '"Zahlen", wenn ich zahlen will.

oha
06.05.2002, 15:37
verstehe. würde ja auch ein bisschen schrullig wirken.

frosch2
06.05.2002, 15:48
In der ersten Phase (Jugend) liest man bei Goldt gönnerhaft liebevolles über Rubinowitz. Während der kurzen Phase zwei (Postjugend) liest man Rubinowitz. Um abschließend in Phase drei (Midlife Crisis) bei Rubinowitz enthüllendes über Goldt zu lesen.

Herr Weber
06.05.2002, 16:01
Genau, oha. Schrullig bin ich schließlich selbst.

Walter Schmidtchen
06.05.2002, 16:04
Wer ist eigentlich NICHT schrullig?

oder anders gefragt: Wer ist der oder die unschrulligste?
13K?

boschofon
06.05.2002, 16:24
@ frosch2: was liegt denn dann in phase 4 auf dem nachttisch? der otto-katalog?

Herr Weber
06.05.2002, 16:51
13 K ist eindeutig nicht schrullig.

Christopher Wurmdobler
07.05.2002, 08:32
entweder liegt in phase 4 der ottokatalog auf dem nachttisch oder die dritten zähne, glaub ich.

martinp
07.05.2002, 10:37
interessanterweise habe ich am selben 4. mai nachmittags die herren goldt - und offensichtlich katz - im amerlinghaus in wien gesehen. auch da war den beiden eine gewisse orientierungslosigkeit nicht abzusprechen. während die "normalen gäste" im gastgarten schlenzten, standen die beiden berliner besucher auf der treppe, die in den ersten stock des amerlinghauses führt, wo ich ja persönlich überhaupt noch nie war. zuerst gings ein stückcken hinauf, dann längeres gespräch, dann wieder ein stückcken hinunter. unschlüssiges herumgestehe, und dann hab ich das interesse verloren. herr katz sieht jedenfalls beträchtlich besser aus, als herr goldt, so mein eindruck. den hätte ich auch gern als sekretär.

B.Deutschlander
07.05.2002, 11:40
Euch wird garantiert auch schon das doppelseitige Cartoon vor Augen schweben, das die kommende Titanic zieren wird.

"Erinnerungen an den Wienbesuch"

Ein bemüht gezeichneter Pummelmann steht an einer Straße. Hinter ihm erkennt man ein Schild "Putzerei". Autos fahren auf der Straße vorbei und der Pummelmann spricht zu seinem Begleiter: "Ich begreife diesen Ring nicht." Der Begleiter, in seine Karte blickend: "Das ist der Gürtel."

joq
07.05.2002, 17:39
in Phase vier bekommt man Mitleid, weil Herr Goldt wahrscheinlich einsam ist.

Christopher Wurmdobler
07.05.2002, 18:15
es ist doch immer wieder schön, wie fremde uns unsere stadt mit ganz anderen augen zeigen. hättest du dich sonst je gefragt, wohin wohl diese treppe im ammerlinghaus führt? und: ist es eigentlich immer noch okay dort zu schlenzen?

vir
10.05.2002, 15:17
Schmidtchen: immerhin (http://www.marathon-meran.com/manner_1958.html). Ich fordere Dich trotzdem heraus, hier (http://www.swissalpine.ch/) und hier (http://www.marathon-medoc.com/). Ja vor allem bei letzterem.

Der Gewinner darf widerspruchsfrei dekretieren, wer das bedeutendste Künstlerduo der Gegenwart ist - Gilbert & George, Fischli und Weiss oder Katz und Goldt?

Walter Schmidtchen
10.05.2002, 15:38
2 Stunden 05, naja, Sie sind ja auch noch jünger als ich, da kann man sich sowas schonmal leisten.
Medoc, daran hab ich, als ICH jünger war tatsächlich auch schon mal gedacht, aber wenn man älter wird, legt man nicht mehr soviel Wert darauf, von besoffenen Clowns überholt zu werden.
Ausserdem haben Sie die Künstlerpaare ja bereits schon richtig gereiht, nur fehlen zwischen vorletztem und letztem Paar noch etliche, Komar & Melamid und Clegg & Guttman, die Starn Twins nicht zu vergessen

vir
10.05.2002, 15:56
Eine grundfalsche Einstellung. Von besoffenen Clowns überholt zu werden, ist ein Erlebnis das nicht einmal Komar und Melamid vermitteln können. Der Marathon du Médoc ist Kunst.

Walter Schmidtchen
10.05.2002, 16:06
Ich versteh jetzt immer mehr, warum Sie so auf Fischli & Weiss reiten.

vir
10.05.2002, 16:23
Eine möglicherweise interessante Installation: Auf F/W reiten.

Ich stelle mir aber gerade etwas ganz anderes vor: Eine Galeriebesucherin, die auf einem Fitnessstudio-Laufband auf der Stelle tritt, während sie links und rechts von z.B. Gelatin, alle als Clowns verkleidet, andauernd überholt wird.

Herr Weber
13.05.2002, 23:49
Ich dachte, Siegfried und Roy wären das bedeutendste Künstlerduo aller Zeiten.

vir
14.05.2002, 11:41
Und auch die Kesslerzwillinge hat niemand erwähnt.