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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Göthes Ginkgo



poldi
27.04.2002, 19:30
Ginkgo biloba ist ein Baum in männlich, weiblich und beidem. Im Botanischen Garten der Universität Wien (http://www.botanik.univie.ac.at/hbv/deutsch/bemerkpflanz/ginkgo.htm) stehen zwei männliche Ginkgos; der bei der Mauer hat ein Taferl neben sich. Ihm hatte nämlich der damalige Gartendirektor Joseph Jacquin einen weiblichen Ast aufgepfropft. Der Baum bildete Samen; Jacquin hatte bewiesen, dass sich Pflanzen nicht durch unbestimmte Säfte vermehren.

Goethe besichtigte diesen Ginkgo-Baum und bekam Ginkgo-Samen für seinen Herzog geschenkt. Der Samen wuchs in Weimar (http://www.mythos-ginkgo.de/) an. Goethe hatte seine Urpflanze. Er hatte einen anderen (http://www.xs4all.nl/%7Ekwanten/goethe.htm) Ginkgo (in Heidelberg) angedichtet. Fühlst Du nicht an meinen Liedern, / Daß ich eins und doppelt bin?

Ginkgos können nicht zurückdichten. Der Wiener Baum, Elternginkgo der Urpflanze, lebt seit 1770; im Zweiten Weltkrieg brach der aufgepropfte weibliche Ast ab, die Hälfte der Wurzeln ging verloren. Der Ast wurde nachgepropft, der Baum zum Objekt aufmerksamster Pflege.

Ich habe mich an den Stamm gelehnt. Das Gefühl des Erhabenen blieb ebenso aus, wie rückwärts in die Zeit kein Göthe zu spüren war. Was hat mich verwirrt? Der Baum kann nicht sehen wie ich und nicht sprechen. Anders als eine zum Historienfetisch gewordene Kaffeetasse oder Schreibfeder lebt er. Goethe, ein Baumpaparazzo, ist neben ihm gestanden.


© poldi finzenberger

Für Andrea Maria, die mich in dieses unheimliche Forum gelockt hat und den Satz schrieb: "An einem nebeligen Oktobernachmittag bin ich in Helmut Kohl geschwommen." (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10057&highlight=wolfgangsee). Für Angelika Maisch, Susanne Rau, Oha und Teixl, auf deren freundliche postings zu meinem ersten Text ich nie reagiert habe. Ich bin erschrocken und an der Forums-Software samt Strang-Logik gescheitert. Dann war es zu spät.

Larry Erbs
27.04.2002, 20:39
Sehr schön. Es gibt im Botanischen Garten in Schönbrunn ebenfalls einen riesigen Ginkgo Ich glaube er ist auch sehr alt. Kann es sein dass er mit denen im Botanischen Garten am Rennweg verwandt ist?

DerCaptain
28.04.2002, 01:51
Um Gottes Willen, ich las "Görings Ginko", vermutlich wegen der komischen Ö-Schreibweise von Goethe.
Entschuldigung.

poldi
28.04.2002, 15:59
"göthe" hat mich als alte schreibung interessiert - wirkt so respektlos abgekürzt.

danke larry erbs für freundliches feedback und den hinweis auf das arboretum in schönbrunn, das zb auf diesem weltweiten ginkgo-verzeichnis (http://www.xs4all.nl/~kwanten/more2.htm) nicht aufscheint.

hofbauerova
28.04.2002, 21:41
Niedersachsen (http://www.xs4all.nl/~kwanten/more2.htm#Germany)

1. Hamburg: Feldbrunnenstr.40 + Südring
2. Braunschweig
3. Bremen: city park

Vor 20 Jahren gab es mindestens noch einen vierten. In einem protestantischen Stift. Der erste Ginko, den ich bewusst gesehen habe. Weiss irgendjemand, wie das Stift/der Ort hiess (ich bilde mir ein mit P oder R als Anfangsbuchstabe)? Gibt es den Baum noch?

Das weltweite Ginkoverzeichnis ist absolut grossartig. Ich steh´ drauf!

marie battisti
28.04.2002, 21:47
in Meran gibt es angeblich die weltlängste Ginkoallee, behauptete zumindest mein Exfreund, naja

Larry Erbs
28.04.2002, 22:07
Weil ich heute jemanden besuchte der dort in der Nähe wohnt bin ich kurz in den botanischen Garten gegangen und habe mir den Ginkgo angeschaut. Man sieht deutlich den den grossen appen Ast, aus dem ein kleiner, wohl wieder weiblicher Ast herauswächt.

Ich war bisher immer der Überzeugung man schreibe Gingko statt Ginkgo. Nun hab ich gegoogelt und festgestellt dass es zu Ginkgo 255000 Fundstellen gibt, zu Gingko ("Meinten Sie: ginkgo"?) aber immerhin ungefähr 54000. Jetzt frage ich mich: Gibt es Wörter deren falsche Schreibweise eine ähnlich hohe Trefferzahl ergeben? (Oder in Relation zu den Fundstellen der korrekten Schreibweise). Googlefrickler ans Werk!

(Göthe 160000, aber das ist ja auch nicht falsch da google Umlaute übersetzt)

poldi
28.04.2002, 23:41
larry erbs war nachschauen.. meran, hm.. eine sydtyrolisch-patriotische behauptung, hm..

ich hatte zuerst gingko geschrieben und das, ebenfalls nach google-konsultation, geändert. vielleicht ist aber, wie hier mehrfach vorgeschlagen, ginko angesagt.. kann eine sinologisch gebildete person weiterhelfen.. mit dem ergebnis, dass alle drei schreibungen oder vielmehr transkriptionen richtig sind?

Hilde
19.07.2003, 12:33
Erstklassig!
Hab soeben im Ginkgo-Verzeichnis nachgesehen und eine weitere Lücke entdeckt. Ich weiß einen Ginkgo, den ich neulich entdeckte, als ich aus dem Fenster der schönen Literatur der Nürnberger Stadtbibliothek blickte.

Dort werkt und wirkt aber auch der inzwischen pensionierte Leiter der Bibliothek, der seit Jahren im und ums Gebäude eine Pflanzenpracht entstehen ließ, die schon legendär ist und auch im Rahmen von Stadtbegehungen vorgeführt wird. Während ich aus dem Fenster blickte, sah ich den Mann mit der Gießkanne in der Hand wie einen Heiligen durch seine Pflanzenwelt wandeln.

rz
19.07.2003, 22:36
Den wahrscheinlich ältesten Ginkgo in Deutschland, der über 200 Jahre alt sein soll, findet man im Park von Wilhelmshöhe bei Kassel.
Wer jetzt glaubt, dass sei reine Sicht durch die Lokalbrille und Angeberei, der sei eines Besseren belehrt.

Diese Aussage stammt von der höchsten denkbaren Autorität ünerhaupt, nämlich von der Bayrischen Staatsregierung !

Nachzulesen ist das hier: (http://www.stmlf.bayern.de/alle/cgi-bin/go.pl?region=home&page=http://www.stmelf.bayern.de/lwg/landespflege/info/ginkgo.html)
Da steht viel Interessantes.

rz

rz
19.07.2003, 23:09
Und nochwas zum Namen:
Erich Friedell hat es geschrieben:

DER FREIHERR: Wer war der korpulente Herr, der eben ins Haus trat?
DER DOKTOR: Der Geheimrat von Göthe.
...
DER FREIHERR: Ah, dann kenn ich ihn ja. Ein sehr schwieriger Herr.. Aber warum nennt er sich jetzt Göthe?
DER DOKTOR: Er hat immer so geheißen.
DER FREIHERR: Aber damals unterschrieb er sich immer Go-ethe.
DER DOKTOR: Das spricht sich Göthe. Es ist eine altertümliche Schreibung.
DER FREIHERR: Oder vielmehr eine neumodische Gothomanie...

rz