Hilbich, Ernst (lonesome)

[Pauli]

Vor einigen Jahren, als ich mein Dasein mit Taxifahren finanzierte, verschlug es mich an den Flughafen. Das war bei mir nicht sehr beliebt, denn oftmals bekommt man nur Ömmelfahrten von schwer beladenen Urlaubern `fahren sie mich zu Parkplatz 19`. Und für diese Winzfahrten musste man dann noch 48 Koffer ein- und ausladen.
Das machte mich sehr müde und ausserdem auch agressiv.
So war es nicht verwunderlich, dass ich mich mit einigen "Kollegen" an einen kleinen Kaffeestand zurückzog und dort standen wir rum, lästerten über Fahrgäste und warteten auf nix weiter.
In der Halle drückte sich eine kleine graue Gestalt herum, niemand bemerte sie. Bei näherem Hinsehen erkannte ich Ernst Hilbich.
Ich sagte halblaut zu einem Kollegen :"Da, das ist doch ernst H!".
Das rührte mich sehr, Ernst Hilbich, allein zu später Stund am Flughafen.
Der widerliche Depp neben`mir brüllte laut:" ERNST HILBICH, WER WILL DEN DENN KENNEN...HAHAHA...ist der nicht tot...HAHAHA?!"
Ich hätte dem Arsch neben mir gerne seine Stimmbänder um seinen Hals gewickelt, denn Herr Hilbich hatte es genau gehört. Er kam ein Stück auf uns zu, zog seinen Hut in alter Johannes Heestersmanier und ging freundlich/traurig grüssend an uns vorbei zum Ausgang.
Ich hab mich so geschämt und verachte mich heute noch dafür, dass ich nichts mehr sagen, bzw. tun konnte. Ich war wie gelähmt.
Mit dem Taxifahren machte ich dann bald Schluss. An diesem Abend und überhaupt.

[Larry Erbs]

Kleine feine und traurige Anekdote. Dumm nur dass mir zu Ernst Hilbich auch nicht viel einfällt. Der hat so ein verschmitztes Gesicht oder? Und Marmeladenwerbung hat er gemacht. Oder war das Eddi Arendt?

[Pauli]

Ja, ich glaube er hatte nochmal ein klitzkleines Comeback
mit einer aachener Pflaumenmusspezialität für die er Werbung machte.
(Ich erinnere mich in erster Linie an seine Stimme)
Aber was hat er noch gemacht? Kabarett?


Es ist so traurig.

[Mr. Knister]

Ich glaube, das war wirklich Hilbich (aber als Typus sind die beiden sicher zu vergleichen). Hilbichs Filmauftritte sind meistens nicht witzig, sondern eher traurig; als Synchronsprecher der Augsburger Puppenkiste allerdings ist er ziemlich gut: Jimmy Quassel (Schlupp, 1987), Lülü das Burggespenst (1992) oder das Sams (Eine Woche voller Samstage, 1977) waren große Auftritte.

Pauli, Ihre Geschichte rührt mich an. Merci.

[Walter Schmidtchen]

der Komiker heisst Heinz H Hilbich. Ernst Hilbich ist mir ein Begriff nicht

[rron]

Ernst H Hillbilly?

[DonDahlmann]

Fast. Ernst H Hilbich (http://www.anrheiner.de/html/02_die_serie/menschen/hilbich.shtml). Und er tritt noch auf...

[Knappe Wamba]

@Pauli
Aachener Pflümli von Zentis. Die vielen Kleinen, welche vernasch ich denn heute? Ja, der Ernst. Ich kann mich noch an die frühen Achtziger Erinnern. Da hat er eine kleine 5 Minütige Kabarettsendung gehabt. Die kam in der ARD so immer 20 55 bis 9 00 Uhr oder so. Er spielte einen Hausmeister / Elektriker ? der Sendeanstalt, der in den Katakomben so über alles philosophierte.

Ernst Hilbich hat aber bestimmt mehr Freude verbreitet, als der komische Taxifahrer-Kollege. Ernst Hilbich gehört zu der Entertainer Klasse, der auch sein Schwesterschiff Kurt Schmidtchen angehört. Er hat seinen festen Platz in der deutschen Fernsehunterhaltung. Für mich jedenfalls.

[allerlei]

das bringt mich zum weinen. ich selbst habe mal mit ihm gearbeitet. es war ein musical, welches für behinderte Kinder und Senioren gedacht war. Natürlich ohne Honorar. Ein herzensguter Mensch und professionell, wenn es um Bühnenarbeit geht. Trotz Zeitdruck vermittelte er mir ( damals noch eingeschüchteter Anfänger) das Gefühl alles besser zu machen, als es je jemand getan hat. Ein sehr höflicher, mit Charme gesegneter Herr, jenseits der 50 mit einem Humor den nicht jeder verstehen mag.

[HaroldausItalie]

@Pauli
Ihre Geschichte hat auch mich bewegt. Ernst H. Hilbich machte früher (in den 60-ern) viel Kabarett, war lange festes Ensemblemitglied des Kom(m)ödchens. Vor ziemlich genau einem Jahr sah ich ihn noch einmal im Fernsehen: Gastaufritt in der ARD-Serie "Zebralla". Da spielte er noch so (gut) wie immer.

@Knappe Wamba
Schwesterschiffe sind (jedenfalls für mich) eher Kurt Schmidtchen und Fips Asmussen. Aber, da haben Sie Recht, sie gehören dazu - obwohl man beide nicht mehr zu Gesicht bekommt. Dafür darf so ein Beiboot wie Eberhard Prüter immer noch öffentlich mimen.

[Butch Cassidy]

Bin ebenfalls ganz ergriffen, Herr Pauli. Zwar hätte ich Schwierigkeiten, einzelne Werke zu nennen, in denen ich Herrn H gesehen habe, aber es waren, im Verlauf meiner Kindheit, wohl unzählige. Und ich habe mich immer gefreut, wenn ich ihn gesehen habe und fand ihn richtig knuddelig.

Tja, wenn wir jetzt schon die Zukunft hätten, dann könnten wir einen Terminator losschicken, zurück an jenen Abend, und der müßte Ihren Kollegen dann wortlos niederpissen, und gut.

[Reno Schmittchen]

E. H. Hilbich hat auch bei Millowitsch mitgespielt, er ist meines Wissens mit Lotti Krekel verheiratet. Und dunkel habe ich in Erinnerung, dass er mal sehr krank war. So oder so ein Held meiner Kindheit. Ich könnte durchaus auch Reno Hilbich heißen.

[lillifu]

und ausserdem hat der bruder von ernst hilbich mir meine erste weit-seh brille verkauft. seitdem kann ich nachts wieder autobahnschilder lesen und seinen bruder ernst viel klarer im fern sehen.

[Rupert Hentzau]

Ernst Hilbich ist in meinen fragmentarischen Kindheitserinnerungen einer der ersten Menschen, für den, bzw. für dessen Auftreten, ich mich schämte. Wenn man in Köln damals die Grundschule besuchte, wurde man von der ersten bis zur vierten Klasse im Sachkunde-Unterricht mit Stadtgeschichte zugeparkt. Ubier, Römer, Colonia Claudia Ara Agrippinensum (oder so), Köln im Mittelalter, Kölner Zünfte, Kölner Gaffeln, Kölner Gilden, Köln von obenuntenhintenvorne. Irgendwann zeigte man uns auch einen Film, in dem dieser ganze Schamott nochmal kindgerecht aufbereitet wurde. Zwischen den offgesprochenen Fakten taperte dann immer mal wieder E. Hilbich als Römischer Legionär verkleidet durch das moderne Köln (also das von ca. 1975), guckte erstaunt-pfiffig in die Kamera und sagte "Gar nicht so doof, diese Ubier!".
Er mag ja im echten Leben ein sympathischer Mensch sein, damals schämte mich mich an seiner statt.

[Dr. Jekyll]

hmm.

[Dr. Jekyll]

Ich glaube, eine Freundin möchte etwas zum Thema Hilbich sagen.
Nur Mut.

[lilsista]

Ja, danke.
Ich habe Ernst H. Hilbig gerade heute wieder in einem Kinderhörspiel gehört. Er gab sehr überzeugend die Ameise Hein, die sich mit der Ameise Jan auf den Weg nach Australien macht, um Joachim Ringelnatz zu widerlegen, der in einem kurzen Gedicht zwei Ameisen schon auf der Chausseestraße in Altona hatte schlappmachen lassen.
Zwei Arbeitsameisinnen sagten am Anfang wörtlich zum enthusiasmierten Hein:
"Ach Hein, bleib locker. Der ganze Haufen lästert schon über dich!"
- Hilbig, der Outlaw.
Umso schöner, dass er es mit Jan geschafft hat, den großen Ozean zu überqueren.
Ernst, ich glaube an Dich!

[Sabeta]

es ist schön, dass beim streunen durch das forum geschichten aus dem eigenen gedächtnis auch wieder hoch gewuchtet werden, geschichten, die schon vor langer zeit auf meinen persönlichen gurkenglasboden gesunken sind.
ich verbrachte einmal einen sylvesternachmittag mit ernst h. hilbich.
ich hatte gerade mit meinem studium begonnen. es war winter, ich hatte kein geld, musste dringend arbeiten. ich sass in der falschen stadt, die zvs hatte mich an den tristen niederrhein geschickt, wo doch alle meine freunde und der grund meines immensen liebeskummers in münster studierten.
durch eine freundin bekam ich einen job bei balloni, einer damals noch kleinen schmückerfirma in köln. balloni hatte luftballons in allen grössen, farben, formen, kleine gestanzte dinge, metallnoten, herzen, kußmünder, geister, blümchen, girlanden, tischfeuerwerke; zu allem was man sich vorstellen konnte gab es bei balloni die passende schublade mit entsprechendem schnickschnack.
als freier mitarbeiter rief man an, fragte nach jobs, wurde eingeteilt und hatte dann, meistens sehr früh morgens, zu erscheinen. sylvester gab es jede menge jobs. unser team für den tag wurde zusammengestellt, wir hatten zwei diskotheken und einen saal zu schmücken. die diskotheken waren schnell erledigt. ein paar luftballongirlanden, ein paar ballons in ein netz gepackt, damit sie dann zum jahreswechsel auf die leute hinabregnen können. um uns herum mies gelaunte diskothekenbesitzer.
gegen mittag, leider schon etwas zu spät, fuhren wir nach bonn. in einem grossen hotel, namen hab ich vergessen, sollte eine grosse sylvestergala in rot/silber stattfinden. nach einer weile trafen die musiker ein, das licht wurde gesetzt, einige von uns waren mit der herstellung von rot/silbernen ballongirlanden beschäftigt, ich musste 150 tische mit rot/silbernem schnickschnack bestücken. schornsteinfeger, noten, sternchen, kleeblätter. ich war in gedanken versunken, denn ich war schon seit tagen von leichter panik erfasst, wollte ich an dem abend noch unbedingt zu dieser sylvesterparty nach münster, wo ER, der grund meines liebeskummers, auch eingeladen war, wo wir UNS endlich wiedersehen und die missverständnisse beseitigen könnten. und nun war ich in bonn an 150 ungeschmückte tische gefesselt.
herr hilbich, der mir bisher aus albernen fernsehproduktionen nicht mal ein begriff, sondern nur ein flüchtiger eindruck war, betrat die bühne. frau krekel war auch dabei. sie waren wohl der köder der veranstaltung und standen auf den ankündigungsplakaten wahrscheinlich ganz oben. sie alberten in legerer kleidung auf recht hohem niveau mit den musikern, sehr professionell und gelassen, liebevoll miteinander, geduldig mit den musikern. sie unterhielten mich grossartig bei meiner monotonen arbeit und meine gedanken an den weiteren verlauf des abends und der nacht, den ich in diversen variationen von schwarz auszumalen beschäftigt war, verflogen gänzlich.
wir waren mit dem schmücken erst fertig, als schon die ersten galagäste eintrafen. damen und herren mittleren alters in eigenartiger abendgarderobe schritten schon über die roten teppiche, als wir noch dabei waren, unsere überzähligen ballons und die grossen leitern zusammenzuraffen. gegen 21 uhr waren wir wieder in köln. nachdem wir das material wieder eingeräumt hatten und ich mich vor dem spiegel auf der toilette einigermassen partytauglich gemacht hatte, konnte ich endlich gegen 22 uhr mit meinem 10 jahre alten ford fiesta nach münster aufbrechen. den jahreswechsel erlebte ich mitten im westfälischen, auf einem parkplatz bei ascheberg.

[Ignaz Wrobel]

Wie ist das, Silvester um Mitternacht, auf der Autobahn? Fahren da alle auf den Parkplatz und prosten sich zu? Ist das eine besondere Atmosphäre, die man sonst nirgendwo erleben kann?

[Sabeta]

keine ahnung wrobel, mag sein, dass das inzwischen modern geworden ist, damals stand ich ganz allein im münsterland, schwarzer himmel über mir, in der ferne haben ein paar bauern chinakracher gezündet.

[Sabeta]

wrobel, fand dein sylvester nicht im zug statt? und wie war das? chinakracher in brandenburg?