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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Augstein, Rudolf (Mit Rudi Augstein auf dem Klo)



Butch Cassidy
28.02.2002, 20:39
Es ist schon ein paar Jahre her, da war ich in Hamburg auf der Geburtstagsfeier einer bekannten Wochenzeitung für Leser, die sich in ihrer Freizeit gerne Gedanken machen, zum Beispiel über so packende Themen wie „Die Werte, und wo führt das nur alles noch hin“.

Es war eine schöne Feier. Eine Mietcombo spielte die beliebtesten Hits der Nachkriegszeit, und die Gäste tauschten Gedanken aus. Manche tanzten sogar, wohl um den Beweis zu erbringen, dass wenn man viel über Werte nachdenkt, es noch lange nicht bedeutet, dass man auch tanzen kann. Irgendwann war es dann so weit, und ich musste zur Toilette. Ich hatte Glück: alle drei Urinale waren frei, und so konnte es auch gleich losgehen. Im letzten Moment bevor es tatsächlich losging stellte sich aber ein Mann neben mich und machte sich ebenfalls bereit zum Wasserlassen.

Das war blöd. Ich finde es nämlich sehr unangenehm, wenn beim Pinkeln jemand direkt neben mir steht. Der Mann, der neben mir stand, war jedoch kein gewöhnlicher Mann. Sondern Rudolf „Wie ich neulich schon ganz richtig zu Bismarck sagte“ Augstein. Das war natürlich auf eine gewisse Weise eine Art eine Ehre für mich. Ich gab mir trotzdem Mühe und wurde Erster. Dann ging ich zum Waschbecken und wusch mir die Hände, was, wie ich finde, einfach dazu gehört. Augstein denkt da wohl genau so, denn auch er kam zum Waschbecken und wusch sich die Hände.

Ich war wieder als erster fertig, schnappte mir ein Papierhandtuch aus dem Spender und überlegte, ob ich dem bekannten Zeitschriftengründer noch ein bisschen beim Händewaschen zusehen sollte. Der war aber inzwischen auch fertig und lief nun mit tropfenden Händen auf ein fies verschmuddeltes Stoffhandtuch zu, das neben dem Papierhandtuchspender an der Wand hing.

Nach einem kurzen Moment des Abwägens entschloss ich mich, zu handeln. Ich deutete auf den Papierhandtuchspender und sagte: „Nehmen Sie lieber so eins, die sind sauberer.“ Augstein folgte meinem Rat und gab mir damit das gute Gefühl, einen berühmten Herausgeber vor einer Schmierinfektion bewahrt zu haben. Nun hatten wir zwar trockene Hände, aber eine Hürde stand uns noch bevor: die weiß bekittelte Dame, die am Eingang zur Toilette hinter einem Biertisch stand und auf ihren gerechten Lohn wartete.

Augstein und ich griffen in unsere jeweiligen Hosentaschen, was bei ihm allerdings zu einem erfreulicheren Ergebnis als bei mir führte, nämlich zu einem dicken Bündel von Geldscheinen. Dieses Bündel begann er nun zu durchsuchen und brumpfelte dabei undeutlich vor sich hin. Aufgrund unserer bis dahin so reibungslos verlaufenen Bekanntschaft griff ich mir erneut ein Herz und sagte: „Wie bitte?“ Augstein hatte derweil einen Hundertmarkschein aus dem Bündel gefischt und antwortete irgendwas in der Art von: „Ob das reicht?“ Ich hätte ihm schwer widersprechen können, tat es aber doch, und sagte: „Warten Sie mal.“

Mit sicherem Griff entzog ich dem Bündel einen Zwanzigmarkschein und sagte verschwörerisch lächelnd: „Nehmen Sie lieber den. Der reicht immer noch für uns beide.“ Einmal nickte ich dem journalistischen Urgestein noch zu, dann war es Zeit, Abschied zu nehmen. Mit leeren Händen trat ich an den Tisch der Toilettendame und sagte: „Der Herr zahlt für uns beide.“ Und so wird es dann wohl auch gekommen sein.

Erst viel später habe ich gehört, dass Augstein schon damals nicht mehr so gut sehen konnte und bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm mein Toilettenentgeld aufgebürdet habe. Wenn man meine WC-Gebühr mit dem zu großen Schein verrechnet, den Augstein beinahe hergegeben hätte, bleibt aber dennoch eine gute Tat übrig, finde ich.

Neben Bernd Eichinger habe ich übrigens auch schon mal gepinkelt, das ist noch viel mehr Jahre her und war in einer Bar in München. Es ist damals aber nichts weiter passiert.

Kotze
28.02.2002, 20:46
bjoern e. sass komm bitte sofort her. Relationen erfahren.

yellowshark
28.02.2002, 21:05
Da hatten Sie aber Glück, daß Ihnen das sehbehinderte, weltfremde Magazingründerwrack nicht brumpfelnd an die Hose gepinkelt hat, gell?

Ruebenkraut
28.02.2002, 23:12
Hatten Sie den Eindruck, Auge hatte in Wirklichkeit einen Zehnmarkschein rausrücken wollen und wurde nun von Ihnen zwar vor einer zuviel-Ausgabe von 90 DM bewahrt, gleichzeitig aber zu einer zuviel-Ausgabe von 10 DM getrieben?

Benzini
01.03.2002, 01:05
Ich habe mal neben dem Kontrabassisten von Tito Puente gepinkelt. Versucht zu pinkeln.
Das war vielleicht aufregend.

marie battisti
01.03.2002, 01:23
gute Tat? Sie haben die Toilettenfrau um 80 mark betrogen!

Benzini
01.03.2002, 01:59
http://kunst.powerbit.at/bilder/rosenstrauss2.jpg

DREA
01.03.2002, 06:38
Angesichts der Klokurse in diesen Kreisen koennte man in's Nachdenken ueber Karrierewechsel kommen.

Tristram Shandy
01.03.2002, 09:45
Rudolf Augstein - gutes Stichwort. Ich war mal Praktikant bei SPIEGEL TV, und mit mir war dort der Neffe von Rudolf Augstein.
Er hatte Semesterferien, und sein Onkel hatte ihm schnell mal ein Praktikum besorgt.
Schon bald merkten alle, dass der Neffe des Alten nicht der Hellste war. Seine Ideen waren hanebüchen und sein Telefonieren war eine Katastrofe. Dem hätte sogar Jürgen Drews eine Drehgenehmigung verweigert. In nur einer Woche hat der eine ganze Handvoll schöner, angedachter Geschichten ruiniert.
Am Ende der zweiten Woche hat ihn dann Cassian von Salomon, der verantwortliche Redakteur, zu sich einbestellt und gefeuert.

Man stelle sich vor: Der Neffe von Rudolf Augstein fliegt als Praktikant bei SPIEGEL TV raus. Ich habe deswegen (aber nicht nur deswegen) heute noch Respekt vor Cassian.

Aber mal was ganz anderes: hat denn keiner bemerkt, dass die Geschichte von Butch Cassidy (Postinganzahl: 1) nicht nur schön erlebt, sondern auch schön erzählt ist?

Klingeltonk
01.03.2002, 10:30
Eben.

Mr. Knister
01.03.2002, 10:39
Find ich auch. Trotzdem würde mich die Version von Sundance Kid interessieren.

Knappe Wamba
01.03.2002, 10:44
Bestes Wort: Schmierinfektion. Absolute Weltklasse.

Kotze
01.03.2002, 12:35
?

Edding Kaiser
01.03.2002, 12:39
Wunderbar, was soll all das Freitagshochwuchten, wenn hier so schöne neue Geschichten stehen.

Kotze
01.03.2002, 12:48
Ist denn keiner hier, der den Mumpitz wenigstens ein bißchen runtermachen möchte?

rron
01.03.2002, 13:11
Doch, Sie scheinbar!

Ruebenkraut
01.03.2002, 13:26
Freilich wärs noch interessanter gewesen, wenn Butch dem Auge die Kotze aus dem Gesicht hätte wischen müssen (mit einem Hunni), aber soll Butch lügen, um Kotze zu gefallen?

Mr. Knister
01.03.2002, 13:27
Nein, rron, ich auch. Ich verstehe das allgemeine Interesse an Klogeschichten nicht. Werde es auch wohl niemals verstehen. Und ich werde alle meine Klogeschichten mit Prominenten für mich behalten. In der Hoffnung - und mit deren Loyalität rechnend -, dass auch sie niemals über mich schreiben werden. Nicht einmal hier.

Tristram Shandy
01.03.2002, 13:39
Wahrscheinlich, weil Deiner so klein ist.

Mr. Knister
01.03.2002, 13:52
Tristram, Sie haben ein gutes Gedächtnis. Aber eins sage ich Ihnen: In Ihren Club können Sie das nächste Mal alleine gehn. Da brauchen Sie mich gar nicht mehr zu fragen. Das mit der Nutella war ekelhaft.

vir
01.03.2002, 16:20
Die Geschichte ist tip-top und auch lustig. Ausserdem kann man sich ja das Örtchen nicht aussuchen, wo einem die Berühmtheiten über den Weg laufen.

Die schönste Promiklogeschichte ist iaber immer noch die, die am Schluss von 'The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert' erzählt wird.

Kotze
01.03.2002, 16:52
Wie man sich denken kann, lache ich gerne auch bei Pippi-Kacka-Sachen. Seltsamerweise klappt das bei dieser Geschichte nicht. Diese Geschichte empfinde ich nicht als lustig. Sollte es mich mit Sorge erfüllen, so weit neben u. a. anerkannten und nicht zu unrecht wohlhabenden Berufskomikern zu liegen?

Tristram Shandy
01.03.2002, 17:43
Das Pippi-Kacka kommt ja auch kaum vor.
Auch deshalb ist die Geschichte doch so schön.
Oder arbeitest Du bei der "ZEIT", warst damals auf der Feier und hast getanzt?

Kotze
01.03.2002, 18:21
Darf man Fragen, an welcher Stelle Sie besonders herzlich lachen mußten, Herr Shandy?

Doctor Subtilis
01.03.2002, 18:26
Ich finde die Stelle nicht, wo Tristram Shandy behauptet, er habe lachen müssen. Er bezeichnet die Geschichte als "schön (geschrieben)". Heißt das notwendigerweise "Schenkelklopfer"?

Kotze
01.03.2002, 18:41
Heißt es nicht notwendigerweise. Da haben Sie selbstredend recht, Doctor Subtilis. Nun, dann könnte man vielleicht davon ausgehen, daß die Geschichte Herrn Shandy nicht zum Lachen bewegte. Die Frage nach der besonders lustigen Stelle würde ich in diesem Falle gern an Herrn virchow weitergeben.

Kotze
01.03.2002, 18:45
.. was wahrscheinlich vier Tage warten bedeutet.

Butch Cassidy
04.03.2002, 17:42
Sehr geehrter Kotze,

nehmen Sie sich doch bitte nicht so zu Herzen, daß Sie nicht lachen konnten. Das kann jedem Mann mal passieren. Wenn Sie sich zu viele Gedanken darüber machen, wird es nur noch schlimmer. Mein Tipp: heute Abend schön in die warme Badewanne, das entspannt, und dann sieht die Welt auch gleich wieder ganz anders aus.

Immer Ihr
Butch C.

Angelika Maisch
04.03.2002, 18:26
Ich finde die Geschichte auch gut und ziemlich lustig.
Und zwar deshalb, weil sie immer wieder kleine sprachliche Überraschungsmomente bereithält.
jetzt hätte ich ausnahmsweise gerne mal die Zitierfunktion zur Verfügung, um zu demonstrieren, wie, wo, wann und weshalb.
Der erste Absatz wird zb. gediegen begonnen und gipfelt sehr schön in dem sprachlich scheinbar unbeholfenen "die Werte, und wo führt das nur alles noch hin."
Dann geht es Mezzoforte weiter, ganz erwartbar, aber da, ein hübsches Einsprengsel hebt ganz klein wenig das Zwerchfell an:
" Manche tanzten sogar, wohl um den Beweis zu erbringen, daß wenn man viel über Werte nachdenkt, es noch lange nicht bedeutet, daß man auch tanzen kann."
Das ist hinreichend lustig formuliert und erzeugt in mir das Bild einer eher trübseligen Veranstaltung, auf der einige allerdings sehr bedeutsam tanzen. Und nicht nur einfach so.
Spätestens hier lese ich interessiert weiter.
Die weitere Überleitung zum Hauptteil gestaltet sich jetzt kurzfristig vollkommen erwartbar.
Aber dann: neuer Absatz beginnt mit: " Das war blöd."
Könnte es auch sein, ist es aber nicht, weil man erwartet hier nicht unbedingt eine Abfahrt ins dumpfsprachliche. Aber sogleich geht es auch wieder bergauf und gipfelt alsbald in "Rudolf "wie ich neulich schon ganz richtig zu Bismarck sagte" Augstein".
Jetzt muß ich doch kichern. Rudolf "wie neulich ich schon ganz richtig zu Bismarck sagte" Augstein, das ist hihi, verzeiht mir, als das ist lustig. Kann natürlich sein, daß es sich um einen Allgemeinplatz handelt, aber ok, mir wars also neu.
Naja, so gehts dann weiter, den ganzen Text durch.
Immer wieder eine kleine Erfreulichkeit.
Aber ich hab jetzt keine Zeit und Lust, das alles zu sezieren.
Ein Schenkelklopfer ist das nicht, aber sehr, sehr nett geschrieben. Sehr charmant, vielleicht gewollt, vielleicht auch nicht gewollt ein klein wenig linkisch, zwischendurch.
Gesamtnote: 2+

Tristram Shandy
04.03.2002, 18:33
Roma locuta, causa finita.
Papst Wurst, wo bist Du?

Lenin
04.03.2002, 18:58
Disiecta membra poetae.

Angelika Maisch
04.03.2002, 19:00
Der Wurstpapst ist glaub ich mit seinem Latein am Ende, Tristl.
Ein Jammer, das.

Papst Wurst
04.03.2002, 20:09
Carum est, quod rarum est.

MC Hausmacherleberwurscht
04.03.2002, 20:15
Schee, scheee isch des, schee bleed. Seckel rules!

Butch Cassidy
04.03.2002, 20:24
Mit liebevollen Grüssen ins Alemannische: Dei Gosch, Du drauriger!

Ich trink heute Abend ein Bier auf Dich, obwohl mich das, wie Du weißt, immer so aufschwemmt.

Seemannsköpper
29.05.2002, 15:16
darf ich noch ergänzen, dass ich einmal mit udo lattek an der pissrinne eines brauhauses stand? ich kann sogar berichten, dass ich locker gewonnen habe! ich hätte mich sogar bepinkeln und umziehen gehen können und ich wäre immer noch schneller fertig geworden! was übrigens nicht an einer eventuell defekten lattekschen prostata lag!

meine güte, eine konfirmandinnenblase hat der nicht!

Edding Kaiser
27.10.2002, 15:42
.

yellowshark
09.11.2002, 18:45
.

Docteur Le Mat
14.11.2002, 19:36
Der gute Butch hat es ja dezent angedeutet, dass der Augstein manchmal etwas, na!, merkwürdig geschrieben hat ("Ich und Adenauer, Ich und Luther, Ich und die Mutzenbacher - und was Ich ihnen nicht alles verklickert habe").
Aber hat man in irgend einer der vielen Hagiografien zu seinem Ableben nachlesen können, dass der teure Verblichene in den letzten Jahren nur noch ganz wirres Garn gesponnen hat? Sozusagen regelrecht cannaboiden Nonsens?
Fundstellen bitte melden!

Arthur Schlupfloch
15.11.2002, 14:39
als, Kinnäs, isch waas ja net, abe is denn keim aufgefalle, dass der Budsch zutraulisch widd, kaum dass en alte oppa auf de toilett die knete aus de hose holt?