starlingM
24.02.2002, 21:57
Was mich am meisten während dieser Reise im Vor-Frühling erstaunte war, dass London so ganz anders aussah, als ich es mir vorgestellt hatte: Viel Grau, ja, weil viel Stein, viel Stadt und Abgase und viel feiner Regen ... so hatte ich mir das auch ausgemalt. Aber gleichzeitig war es ganz schön bunt: Rote Telefonzellen, klar, aber auch die Londoner selbst schmückten sich wohl gerne mit leuchtenden Federn - egal ob es die Banker in der City waren, die, wenn die Sonne mal kurz rauskam, ihre Mittagspause in einem kleinen Park hielten, hemdsärmelig und die kakadufarbene Krawatte gelockert, oder die Punks, die mit ihren knallgrünen oder türkisen Haaren vor dem World`s End rumhingen. Selbst der U-Bahn Plan sah aus wie ein PopArtGemälde aus den 60ern.
Mir machte die Stadt ziemlich gute Laune. Ich war mit meinem damaligen Freund hergekommen, und obwohl unsere Beziehung sich zu der Zeit ihrem Ende zuneigte, und oft nur noch eine einzige gegenseitige Quälerei war, war in dieser Woche so was wie ein Waffenstillstand mitten im Krieg zwischen uns eingetreten. Woher so eine plötzliche Harmonie rührt ist schwer zu sagen, vielleicht ahnten wir den nahenden Abschied, vielleicht waren wir auch nur müde vom Kämpfen Ich jedenfalls war nicht wie sonst eifersüchtig und unglücklich, wenn er mit den hübschen Mädchen im Café, oder im Plattenladen flirtete, sondern wie er hingerissen von Ihrem Lächeln, und ausserdem voll Anerkennung für ihren Stil, so gekonnt und sexy, relaxed und intelligent ... in München sah das, was zu der Zeit als Mode aus England kam, oft so gewollt unvorteilhaft aus, dass ich gedacht hatte, darum würde es eigentlich gehen: sich möglichst krass, extrem und hässlich darzustellen. An den jungen Frauen hier wirkte das jedoch auf einmal attraktiv und hatte Glamour - auf eine ganz entspannte Art.
D. hingegen nervte mich nicht wie sonst mit seinem dogmatischem Qualitäts- und Anspruchs-Terror: wenn ich Hunger hatte gingen wir in ein Pub an der Ecke, ohne dass dafür erst drei Stunden lang der Guide Michelin gewälzt wurde. Oder er liess sich ohne grosses Getue zu einem Konzert von World Party überreden, die er eigentlich indiskutabel weil uncool fand, einfach weil sie in einem der seltsamen, schönen alten Concert-Halls in der Vorstadt mit Tischtelefonen und lila Teppichen an den Wänden spielen sollten. Er vermiesste mir auch nicht wie sonst in so einem Fall durch seine gönnerhafte und herablassende Haltung den Abend, sondern tanzte mit mir und wir hatten richtig Spass.
Eines Nachmittags konnte ich ihn sogar dazu bewegen, mit mir durch die Boutiquen bei Nottinghill Gate zu stromern, ohne Kaufabsichten, weil eh zu teuer, einfach so, um mitzubekommen, was los ist, was geht, andere Leute gehen in Galerien, aber da waren wir ja auch gewesen, in der Tate Gallery z.B. mochte ich besonders gerne die Mondrians, sie schienen mir so gut zum Gefühl de Stadt zu passen, leuchtendes Rot und Blau und Gelb...
Es nieselte, als wir eine Seitenstrasse entlanggingen auf der Suche nach dem joseph-tricot Laden, der sollte hier irgendwo in der Nähe sein. Neben uns zog sich eine ziegelrote halbhohe Mauer entlang, über die sich mit vom Regen schweren Blättern, dunkelgrüne Büsche neigten, mit kleinen, weissen Blüten drin, die süss und irgendwie exotisch dufteten.
Zwei Passanten kamen uns entgegen, beide grauhaarig, der eine schlank, fast hager und um einiges grösser als der Andere, so dass er sich beim Gehen zu seinem Gefährten hin gebeugt hielt, um nichts von dessen Rede zu verpassen, dann mit weiter Geste diesem antwortend, sich plötzlich aufrichtete und jetzt schon ziemlich nahe gekommen, mir direkt ins Gesicht sah. Wow. Ist das nicht Peter O´Toole?... schoss es mir durch den Kopf. Muss er sein, diese Augen, was für eine Farbe, so hell und strahlend und intensiv... kann ja gar nicht sein, gleich der nächste Gedanke, der ist doch tot, bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ...und neugierig drehte ich mich um, um ihn mir noch mal anzusehen, und er, schon ein paar Schritte weiter, drehte sich genau in diesem Augenblick auch um und schaute mich neugierig an. Dann zwinkerte er mir zu, drehte sich zurück und ging seines Weges.
Oh Mann, das gibt’s doch nicht! Kannst Du mich bitte mal zwicken? Hast Du das eben auch gesehen, das war Peter O´Tool! Wahnsinn. Aber der ist doch tot!
Mein Freund, der beruflich viel mit Stars und Berühmtheiten zu tun hat, war leicht irritiert darüber, wie sehr die Sache mich mitnahm. Ich könnte ihm ja hinterher rennen und um ein Autogramm bitten, bitteschön. Aber ich war viel zu aufgeregt und durcheinander. Ausserdem: würden Sie Lawrence of Arabia um ein Autogramm bitten? Na also..
Das mit seinem Tod klärte D., der viel von Film versteht, dann für mich auf: am Anfang (oder Ende?) des besagten Filmes von David Lean, sieht man Lawrence nämlich auf seinem Motorrad durch England fahren. Wagemutig schnell natürlich, so wie er später im Film dann auch auf seinem Kamel durch die Wüste galoppiert. Nur das ihm in dieser Szene der Wagemut zum Verhängnis wird, und er durch einen Unfall stirbt. Lawrence nämlich, aber natürlich nicht Peter O´Tool, da hatte meine Fantasie was durcheinander gebracht.
Übrigens soll es eine Verfilmung von Joseph Conrads „Lord Jim“ mit ihm in der Hauptrolle geben, kennt die jemand? Ich habe sie nie gesehen, aber während ich das Buch gelesen habe, stand er mir klar vor Augen: „Eines schönen Sommermorgens sah ich seine Gestalt in der gewöhnlichsten Umgebung einer Hafenstadt des Ostens vorübergehen – einnehmend – bedeutsam – im Zwielicht – vollkommen still. Wie es auch sein sollte.... Er war einer von uns.“
Zu viel Romantik? Egal. Und um ehrlich zu sein: so richtig erstaunt war ich eigentlich nicht, als Sir Lawrence mir zugezwinkert hat. Für einen kurzen Moment erschien es mir sogar ganz normal.
Mir machte die Stadt ziemlich gute Laune. Ich war mit meinem damaligen Freund hergekommen, und obwohl unsere Beziehung sich zu der Zeit ihrem Ende zuneigte, und oft nur noch eine einzige gegenseitige Quälerei war, war in dieser Woche so was wie ein Waffenstillstand mitten im Krieg zwischen uns eingetreten. Woher so eine plötzliche Harmonie rührt ist schwer zu sagen, vielleicht ahnten wir den nahenden Abschied, vielleicht waren wir auch nur müde vom Kämpfen Ich jedenfalls war nicht wie sonst eifersüchtig und unglücklich, wenn er mit den hübschen Mädchen im Café, oder im Plattenladen flirtete, sondern wie er hingerissen von Ihrem Lächeln, und ausserdem voll Anerkennung für ihren Stil, so gekonnt und sexy, relaxed und intelligent ... in München sah das, was zu der Zeit als Mode aus England kam, oft so gewollt unvorteilhaft aus, dass ich gedacht hatte, darum würde es eigentlich gehen: sich möglichst krass, extrem und hässlich darzustellen. An den jungen Frauen hier wirkte das jedoch auf einmal attraktiv und hatte Glamour - auf eine ganz entspannte Art.
D. hingegen nervte mich nicht wie sonst mit seinem dogmatischem Qualitäts- und Anspruchs-Terror: wenn ich Hunger hatte gingen wir in ein Pub an der Ecke, ohne dass dafür erst drei Stunden lang der Guide Michelin gewälzt wurde. Oder er liess sich ohne grosses Getue zu einem Konzert von World Party überreden, die er eigentlich indiskutabel weil uncool fand, einfach weil sie in einem der seltsamen, schönen alten Concert-Halls in der Vorstadt mit Tischtelefonen und lila Teppichen an den Wänden spielen sollten. Er vermiesste mir auch nicht wie sonst in so einem Fall durch seine gönnerhafte und herablassende Haltung den Abend, sondern tanzte mit mir und wir hatten richtig Spass.
Eines Nachmittags konnte ich ihn sogar dazu bewegen, mit mir durch die Boutiquen bei Nottinghill Gate zu stromern, ohne Kaufabsichten, weil eh zu teuer, einfach so, um mitzubekommen, was los ist, was geht, andere Leute gehen in Galerien, aber da waren wir ja auch gewesen, in der Tate Gallery z.B. mochte ich besonders gerne die Mondrians, sie schienen mir so gut zum Gefühl de Stadt zu passen, leuchtendes Rot und Blau und Gelb...
Es nieselte, als wir eine Seitenstrasse entlanggingen auf der Suche nach dem joseph-tricot Laden, der sollte hier irgendwo in der Nähe sein. Neben uns zog sich eine ziegelrote halbhohe Mauer entlang, über die sich mit vom Regen schweren Blättern, dunkelgrüne Büsche neigten, mit kleinen, weissen Blüten drin, die süss und irgendwie exotisch dufteten.
Zwei Passanten kamen uns entgegen, beide grauhaarig, der eine schlank, fast hager und um einiges grösser als der Andere, so dass er sich beim Gehen zu seinem Gefährten hin gebeugt hielt, um nichts von dessen Rede zu verpassen, dann mit weiter Geste diesem antwortend, sich plötzlich aufrichtete und jetzt schon ziemlich nahe gekommen, mir direkt ins Gesicht sah. Wow. Ist das nicht Peter O´Toole?... schoss es mir durch den Kopf. Muss er sein, diese Augen, was für eine Farbe, so hell und strahlend und intensiv... kann ja gar nicht sein, gleich der nächste Gedanke, der ist doch tot, bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ...und neugierig drehte ich mich um, um ihn mir noch mal anzusehen, und er, schon ein paar Schritte weiter, drehte sich genau in diesem Augenblick auch um und schaute mich neugierig an. Dann zwinkerte er mir zu, drehte sich zurück und ging seines Weges.
Oh Mann, das gibt’s doch nicht! Kannst Du mich bitte mal zwicken? Hast Du das eben auch gesehen, das war Peter O´Tool! Wahnsinn. Aber der ist doch tot!
Mein Freund, der beruflich viel mit Stars und Berühmtheiten zu tun hat, war leicht irritiert darüber, wie sehr die Sache mich mitnahm. Ich könnte ihm ja hinterher rennen und um ein Autogramm bitten, bitteschön. Aber ich war viel zu aufgeregt und durcheinander. Ausserdem: würden Sie Lawrence of Arabia um ein Autogramm bitten? Na also..
Das mit seinem Tod klärte D., der viel von Film versteht, dann für mich auf: am Anfang (oder Ende?) des besagten Filmes von David Lean, sieht man Lawrence nämlich auf seinem Motorrad durch England fahren. Wagemutig schnell natürlich, so wie er später im Film dann auch auf seinem Kamel durch die Wüste galoppiert. Nur das ihm in dieser Szene der Wagemut zum Verhängnis wird, und er durch einen Unfall stirbt. Lawrence nämlich, aber natürlich nicht Peter O´Tool, da hatte meine Fantasie was durcheinander gebracht.
Übrigens soll es eine Verfilmung von Joseph Conrads „Lord Jim“ mit ihm in der Hauptrolle geben, kennt die jemand? Ich habe sie nie gesehen, aber während ich das Buch gelesen habe, stand er mir klar vor Augen: „Eines schönen Sommermorgens sah ich seine Gestalt in der gewöhnlichsten Umgebung einer Hafenstadt des Ostens vorübergehen – einnehmend – bedeutsam – im Zwielicht – vollkommen still. Wie es auch sein sollte.... Er war einer von uns.“
Zu viel Romantik? Egal. Und um ehrlich zu sein: so richtig erstaunt war ich eigentlich nicht, als Sir Lawrence mir zugezwinkert hat. Für einen kurzen Moment erschien es mir sogar ganz normal.