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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sverrisson, Jolly (in der isländischen Botschaft)



Ahmet
06.02.2002, 15:34
Vor ungefähr zwei Jahren fragte mich eine Bekannte, ob ich sie nicht auf einen Empfang in die isländische Botschaft begleiten wolle, ihr war kurzfristig der Begleiter abhanden gekommen und ich spielte nur allzu gerne den Lückenbüßer, versprach sie doch Speis und Trank in Rauen Mengen. Auf dem Weg zu den nordischen Botschaften in Berlin-Tiergarten fragte ich Elisabeth, so heißt meine isländische Bekannte, nach den üblichen Vokabeln für den lauen Botschaftssmalltalk, die da auf isländisch lauten: "Já já, einmitt akkurat, thad erno satt!" was soviel heißt wie: "Ja ja, sicher sicher, das stimmt wohl". Im Foyer Begrüßten uns der isländische Botschafter Ingimundur Sigfusson und seine Frau freundlich per Handschlag. Elisabeth kannte die kleine illustre Schar der Isländer in Berlin recht gut und so kam es, dass sie sich sogleich mit einer Gruppe von Isländern in der mir unverständlichen Sprache unterhielt und ich deswegen unschlüssig im Eingang beim Botschafter und dessen Personal herumstand. Kurz bevor ich anfangen wollte leise Já já, einmitt akkurat, thad erno satt! vor mich hinzumurmeln betrat Jolly Sverrisson das Foyer.

Falls irgendjemand Jolly Sverrisson unbekannt sein sollte, hier kurz zusammengefasst: Er spielt bei Hertha in der Abwehr seit 1995 und ist 66-facher isländische Nationalspieler (http://www.sverrisson.de/frameset_start_steckbrief.html). Wenige Tage zuvor geisterte eine Geschichte durch die Presse, dass sich eben dieser Sverrisson im Training mit seinem schwedischen Mannschaftskameraden Ketil Rekdal eine Keilerei geliefert hatte. Dies wurde vom Verein heftig dementiert und zum Zeitpunkt als ich ihn traf hielt nur noch die B.Z. die Geschichte hoch, hier war die Gelegenheit das Ganze aufzuklären.

Sverrisson betrat also das Foyer und schüttelte herzlich die Hände des Botschaftsehepaars und kam dann, wohl weil ich direkt daneben stand und er mich für einen isländischen Würdenträger hielt, zu mir und reichte mir seine Hand, wobei er sich, wie bei Isländern üblich, mit seinem Vornamen vorstellte. Ich war gerührt und verriet ihm meinen Vornamen. Sofort zu fragen, was nun an dieser Prügeleigeschichte dran sei fand ich irgendwie unhöflich, außerdem begann die Führung durch die neuen Räumlichkeiten der nordischen Botschaften und das Publikum wurde aufgeklärt, was es architektonisch für toll zu halten hätte. Für jene, die die nordischen Botschaften nicht kennen: Von der Straße her irgendwie langweilig, möchtegern-modern und grün, von innen jedoch durchaus interessant, nach zehn Minuten Führung schielte ich jedoch auf das bereits aufgebaute Buffet und sehnte mich nach einem kühlen Bier. In diesem Moment eröffnete mir meine Begleiterin leider, dass es nun im Auditorium der Lesung eines isländischen Dichters zu lauschen gilt, worauf mein Magen und ich knurrten. Ich setzte mich in die letzte Reihe zwei frei Plätze zwischen mir und Sverrisson, der übrigens unpassender Weise einen Norweger-Pulli trug. Leider begann die Lesung sofort und zwar auf isländisch, das dauerte etwa eine dreiviertel Stunde und verständlich waren mir nur drei Worte: Potsdamer Platz, Hitler und Auschwitz. Der Autor spannte offenbar den Bogen jüngerer deutscher Geschichte und das nicht ohne Humor, denn das kundige Publikum lachte von Zeit zu Zeit und ich lachte mit, worüber auch immer.

Anschließend wurde endlich das Büffet eröffnet. Es gab vielerlei isländische Spezialitäten, vorwiegend Fisch, mir schmeckte eine Roastbeef-artige Wurst sehr gut, die komischerweise von den anderen gemieden wurde. Elisabeth klärte mich auf und sagte dass es Schafskopfsülze sei, worauf auch ich das Zeug mied. Über das ganze Essen und Bier was von fleißigen Kellnern verteilt wurde geriet diese Sache mit der Schlägerei in den Hintergrund.

Die Gesellschaft unterhielt sich ausschließlich fremdsprachlich so flanierte ich mit einem Bier in der Hand durch das Foyer und langweilte mich. Gerade als ich wieder anfangen wollte leise Já já, einmitt akkurat, thad erno satt! vor mich hinzumurmeln sprach mich die Botschaftsgattin auf deutsch (!) an und stellte mir einen smalltalkmäßig einen Gast vor, was am Ende in der Frage gipfelte ob ich der neu zugereissten Isländerin nicht einen Job in Berlin besorgen könnte. Ich war nett, fragte nach Qualifikation und Ausbildung, obschon klar war, dass man mich, was meine Kontakte betraf überschätzte. Danach fühlte ich mich unwohl und fehl am Platze, diese leidige Sverrisson-Prügelei-Geschichte war mir inzwischen auch egal, was geht's mich an, die B.Z. wird's schon wissen, trank also noch zwei Bier und trollte mich.
Já já, einmitt akkurat, thad erno satt!

Goodwill
06.02.2002, 15:45
Rund erzählt, prima Roter Faden, gagiges Ende. Ich mag Geschichten, in denen Schafskopfsülze, Schlägereien und ein gewisses Quantum an Architekturbashing vorkommen. Akkurat!

DerCaptain
06.02.2002, 16:22
Sehr schön.
War Herr Müller auch da? Lagen Elfen unter dem Buffet?
Sehr lachen mußte ich über die Schafskopfsülze und den Norwegerpullover.
Die Geschichte hätte übrigens auch hier (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10656) gut reingepasst, der neue Strang geht aber ok, weil es ja um den hier noch nicht verwursteten Fußballspieler geht.

DonDahlmann
06.02.2002, 16:30
Oha - feine Sache, das. Das mit Schafskopfsülze hat mir gut gefallen. Ich habe früher leidenschaftlich gerne Schweinskopfsülze gegessen, bis ich eines Tages in einer Schweinskopfsülzefabrik war. Danach habe ich alle meine noch ungeöffneten kulinarischen Schweinskopfsülztöpfe an Menschen verschenkt, die ich nicht leiden konnte.

Ahmet
06.02.2002, 16:52
zu Captain : Elfen waren vielleicht da, das kann man nie so genau wissen, denn sie verstecken sich immer so gut. Wer ist eigentlich Herr Müller?

Zu DonDahlman : Nachdem ich erfahren hatte, dass ich Schafskopfsülze aß war ich sehr froh zuvor noch nie in einer Schafskopfsülzefabrik gewesen zu sein. Aber seien Sie sicher, Schafskopfsülze schmeckt besser als Schweinskopfsülze

DerCaptain
06.02.2002, 17:26
Herr Müller ist Experte für Elfen und Island. Schauen Sie doch mal hier hin (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10656).

Ich bin mir fast sicher, daß er sich das nicht hat entgehen lassen.

slowtiger
06.02.2002, 17:26
Ich gestehe es: ich bin pervers. Manchmal, wenn keiner hinkuckt, kaufe ich Schweinskopfsülze, um sie dann zuhause, hinter der Küchentür versteckt, direkt mit dem Messer aus dem Glas in mich hineinzulöffeln. Ab und zu hat man halt dicke Knorpel, halbe Zähne oder auch Wimpern im Mund, die spuckt man dann aus. Und die Hautstücke mit dem blauvioletten Stempel schmecken deswegen auch nicht anders.

Ja sollen die die Köpfe denn einfach wegschmeißen? Von Indianern, Eskimos und Pygmäen weiß man doch, daß es Sünde wäre, vom erlegten Tier auch nur das kleinste Fitzelchen ungenutzt wegzuwerfen.

christoph
06.02.2002, 20:40
Der Vollständigkeit halber: Jolly Sverisson, das alte Schlachtroß, hat bei der Hertha schon jede Position gespielt außer Torwart. Er zählt zur Gattung der "Kopfballungeheuer". Taugen tut er vor allem als Stürmer was - eingesetzt wird er aber in der Tat meistens als Verteidiger.

Ahmet
07.02.2002, 16:16
An Captain: Ja sicher, jetzt ist mir wieder klar, wer Herr Müller ist. Ohne seinen Beitrag wäre mir die Geschichte gar nicht eingefallen. Ob er da war ist mir nicht bekannt. Warscheinlich hat auch er sich Mühe gegeben nicht aufzufallen und leisejá já, einmitt akkurat, thad erno satt vor sich hingemurmelt.