hofbauerova
28.01.2002, 00:40
Wien, Mitte der Achziger, im dritten Bezirk wird gebaut. Das Hundertwasserhaus entsteht, denn der Maler Friedensreich Hundertwasser, Erfinder u.a. einer ökologischen Wasserklosettspülung und des Fensterrechts (jeder Bewohner einer Wohnung solle, so die Forderung, das Recht erhalten, die Aussenwände des von ihm bewohnten Gebäudes soweit zu gestalten, z.B. zu bemalen, wie sein Arm aus dem Fenster reicht) will auch einmal einen Impact in der Wirklichkeit haben. Heraus aus dem Museum! Heraus, heraus. Näher hin zu den Erfindern, Forschern und Konstrukteuren, die Möchtegern-Intellektuellen hinter sich lassend.
(Jetzt kommt der Zeitenwechsel) Ich befand mich wohl das erste oder zweite halbe Jahr in der Stadt und hätte mich mit Studien betreffend das Bauwesen befassen sollen. In diesem Zusammenhang kam ich gemeinsam mit einem Freund an einem Sonntag Nachmittag vom Weg ab, das heisst unterwegs von einem Etablissement in ein anderes Etablissent entschlossen wir uns, die nahegelegene Baustelle des Hundertwasserhauses aufzusuchen. Von der Strasse aus nachzusehen, wie sich der Bau entwickelte - und ob sich schon etwas sagen lasse über die Gestalt und die zu erwartende Qualität. Schon damals gab es ja zwei Fraktionen. Hier haltlose Zustimmung zu allen hundertwasserschen Ausdenkungen, inclusive Wasserklosettspülung, einerseits. Andererseits jene, die das alles für sonderbaren, schiefgeratenen unbrauchbaren Kram hielten. Die zweite Fraktion war in meiner Umgebung klar in der Mehrheit. Es wurde - wie man heute deutlich sieht: zurecht - bezweifelt, dass man den Menschen überhaupt für die Planung eines Hauses heranziehen hätte sollen. Geplant hat ja dann ohnehin ein anderer, ein Herr Architekt namens Pelikan. Wir aber waren jung und wollten wissen.
Der Nachmittag war trübe, ich glaube mich zu erinnern, dass es Februar war und kalt. Es kann aber auch November gewesen sein und kalt. Gleich neben der Weissgerber Lände befand sich schliesslich ein grauer Rohbau, den bis auf ein paar Wuppel, Schwurbel und seltsam ausgeformte Fensteröffnungen nichts von anderen Rohbauten unterschied. Nichts magisches oder mystisches war in der Winterdämmerung zu sehen. Bunte Fliesenmuster, kopfüber eingebaute Fenster und das Grünzeug fehlten noch. Lediglich ein Mann war zu erkennen, der sich vom Dach her abgeseilt hatte und einer Malerarbeit an der Fassade nachging - am Sonntag Nachmittag! Wir schauten hinauf: ist er´s, ist er´s nicht? Es war im Halblicht nicht auszumachen. Derweil wir also noch unten standen und nachdachten, wie wir das angestrebte wärmende Etablissement nun schnell erreichen könnten, kletterte der oben von seinem Gerüst, legte Pinsel und Farbe aus der Hand und betrat ganz bald darauf die Strasse und dann die Telefonzelle, neben der wir standen. Jetzt sind wir da natürlich nicht mehr weggegangen, sondern haben gespechtelt und diskutiert, ob denn der hagere Mensch mit der angepatzten Latzhose und dem Wollmützchen nun der Meister sei: ja oder nein. Ich weiss nicht mehr, ob wir so laut beratschlagt haben oder ob der Maler sowieso von allem Beginn an nur zu uns heruntergekommen ist, um sich bei uns dickezutun. Jedenfalls fragte er uns, kaum aus der Telefonzelle wieder herausgekommen, auf Gefallen ab. Er war´s. Wir, höflich, würgten herum, man könne ja noch nicht sehen..., es sei ja noch nicht fertig, etc. Ob wir denn vielleicht die Baustelle besichtigen würden wollen? Er würde uns gerne führen. No na, wir werden nicht gewollt haben.
Wir stolperten also los, ins Finstere der Dämmerung, ins noch erheblich Finsterere der Baustelle, die durch elektrischen Strom noch nicht kontaminiert war. Dabei war uns natürlich bewusst, dass wir jetzt quasi in eine Spezialsituation geraten waren. Der Künstler selbst erläutert sein Werk. Soll man denn nun pflichtschuldigst ergeben die eigene Ergriffenheit zur Kenntnis bringen? Oder soll man Coolness zeigen, in etwa "na und"? Wir fanden, glaube ich einen schönen und angebrachten Kompromiss. Manches oh und ah blieb ungesagt. Dies und jenes "Ah ja, doch" fand den Weg ins Ohr des Schaffenden, der derweil uns emsig vorneweg schritt, Treppen hinan, die er wohl kannte wie seine Westentasche. Wir stolperten hinterdrein, zwischen Gruben und allerlei Hindernissen in eine rohe Wohnung, in der dies und das nicht war, wie es der Gemeindebau und der soziale Wohnabau kennt. Im Badezimmer die Wände abgerundet und nicht rechtwinklig. Zwischen Zimmer und Küche der Boden gewellt (wegen des haptischen Erlebens für die Füsse). Immer wieder bucklige Bauteile: "Fassen Sie das an". Ein Balkon mit einem Blumenkasten für Riesen, eineinhalb Meter breit und tief. Da, so der Meister, werde dereinst ein Baum wachsen. Auf dem Balkon, aus dem Balkon, man denke nur! (Wir haben natürlich kein Wort geglaubt. In Blumenkästen, gleich welcher Grösse, wachsen Geranien, das war ausgemacht).
Die Idee des Haptischen, die hat mir gefallen. Ansonsten war und bin ich kein Fan. Dass ich von Hundertwasser durch das Hundertwasserhaus geführt worden bin, darum bin ich heute aber trotzdem froh. Die Skurrilität, dass mir einer mal erklärt, warum er sich nun den Boden bucklig ausgedacht hat, das möchte ich nicht missen. Der Meister hatte Lust und Mutwillen, sich den jungen Menschen, die da raufgaffen mitzuteilen (bis halt die Fassadenfarbe getrocknet war). Ewige Dankbarkeit hat er sicher vorausgesetzt. Seltenes Erlebnis, obszöne Architektur, schöne Welt.
(Jetzt kommt der Zeitenwechsel) Ich befand mich wohl das erste oder zweite halbe Jahr in der Stadt und hätte mich mit Studien betreffend das Bauwesen befassen sollen. In diesem Zusammenhang kam ich gemeinsam mit einem Freund an einem Sonntag Nachmittag vom Weg ab, das heisst unterwegs von einem Etablissement in ein anderes Etablissent entschlossen wir uns, die nahegelegene Baustelle des Hundertwasserhauses aufzusuchen. Von der Strasse aus nachzusehen, wie sich der Bau entwickelte - und ob sich schon etwas sagen lasse über die Gestalt und die zu erwartende Qualität. Schon damals gab es ja zwei Fraktionen. Hier haltlose Zustimmung zu allen hundertwasserschen Ausdenkungen, inclusive Wasserklosettspülung, einerseits. Andererseits jene, die das alles für sonderbaren, schiefgeratenen unbrauchbaren Kram hielten. Die zweite Fraktion war in meiner Umgebung klar in der Mehrheit. Es wurde - wie man heute deutlich sieht: zurecht - bezweifelt, dass man den Menschen überhaupt für die Planung eines Hauses heranziehen hätte sollen. Geplant hat ja dann ohnehin ein anderer, ein Herr Architekt namens Pelikan. Wir aber waren jung und wollten wissen.
Der Nachmittag war trübe, ich glaube mich zu erinnern, dass es Februar war und kalt. Es kann aber auch November gewesen sein und kalt. Gleich neben der Weissgerber Lände befand sich schliesslich ein grauer Rohbau, den bis auf ein paar Wuppel, Schwurbel und seltsam ausgeformte Fensteröffnungen nichts von anderen Rohbauten unterschied. Nichts magisches oder mystisches war in der Winterdämmerung zu sehen. Bunte Fliesenmuster, kopfüber eingebaute Fenster und das Grünzeug fehlten noch. Lediglich ein Mann war zu erkennen, der sich vom Dach her abgeseilt hatte und einer Malerarbeit an der Fassade nachging - am Sonntag Nachmittag! Wir schauten hinauf: ist er´s, ist er´s nicht? Es war im Halblicht nicht auszumachen. Derweil wir also noch unten standen und nachdachten, wie wir das angestrebte wärmende Etablissement nun schnell erreichen könnten, kletterte der oben von seinem Gerüst, legte Pinsel und Farbe aus der Hand und betrat ganz bald darauf die Strasse und dann die Telefonzelle, neben der wir standen. Jetzt sind wir da natürlich nicht mehr weggegangen, sondern haben gespechtelt und diskutiert, ob denn der hagere Mensch mit der angepatzten Latzhose und dem Wollmützchen nun der Meister sei: ja oder nein. Ich weiss nicht mehr, ob wir so laut beratschlagt haben oder ob der Maler sowieso von allem Beginn an nur zu uns heruntergekommen ist, um sich bei uns dickezutun. Jedenfalls fragte er uns, kaum aus der Telefonzelle wieder herausgekommen, auf Gefallen ab. Er war´s. Wir, höflich, würgten herum, man könne ja noch nicht sehen..., es sei ja noch nicht fertig, etc. Ob wir denn vielleicht die Baustelle besichtigen würden wollen? Er würde uns gerne führen. No na, wir werden nicht gewollt haben.
Wir stolperten also los, ins Finstere der Dämmerung, ins noch erheblich Finsterere der Baustelle, die durch elektrischen Strom noch nicht kontaminiert war. Dabei war uns natürlich bewusst, dass wir jetzt quasi in eine Spezialsituation geraten waren. Der Künstler selbst erläutert sein Werk. Soll man denn nun pflichtschuldigst ergeben die eigene Ergriffenheit zur Kenntnis bringen? Oder soll man Coolness zeigen, in etwa "na und"? Wir fanden, glaube ich einen schönen und angebrachten Kompromiss. Manches oh und ah blieb ungesagt. Dies und jenes "Ah ja, doch" fand den Weg ins Ohr des Schaffenden, der derweil uns emsig vorneweg schritt, Treppen hinan, die er wohl kannte wie seine Westentasche. Wir stolperten hinterdrein, zwischen Gruben und allerlei Hindernissen in eine rohe Wohnung, in der dies und das nicht war, wie es der Gemeindebau und der soziale Wohnabau kennt. Im Badezimmer die Wände abgerundet und nicht rechtwinklig. Zwischen Zimmer und Küche der Boden gewellt (wegen des haptischen Erlebens für die Füsse). Immer wieder bucklige Bauteile: "Fassen Sie das an". Ein Balkon mit einem Blumenkasten für Riesen, eineinhalb Meter breit und tief. Da, so der Meister, werde dereinst ein Baum wachsen. Auf dem Balkon, aus dem Balkon, man denke nur! (Wir haben natürlich kein Wort geglaubt. In Blumenkästen, gleich welcher Grösse, wachsen Geranien, das war ausgemacht).
Die Idee des Haptischen, die hat mir gefallen. Ansonsten war und bin ich kein Fan. Dass ich von Hundertwasser durch das Hundertwasserhaus geführt worden bin, darum bin ich heute aber trotzdem froh. Die Skurrilität, dass mir einer mal erklärt, warum er sich nun den Boden bucklig ausgedacht hat, das möchte ich nicht missen. Der Meister hatte Lust und Mutwillen, sich den jungen Menschen, die da raufgaffen mitzuteilen (bis halt die Fassadenfarbe getrocknet war). Ewige Dankbarkeit hat er sicher vorausgesetzt. Seltenes Erlebnis, obszöne Architektur, schöne Welt.