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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Król, Joachim (sieht mich und sich Pornos an)



Sumpf B
20.01.2002, 00:45
Es geschah vor einigen Jahren an einem wunderbaren, strahlenden Frühlingssamstag. Ein Tag, der einen mit Macht aus dem Wintergrau geheizter Räume herausreißt, der die Hormone weckt die einen wuschig machen und an dem man sich fluchend wieder in die in den vergangenen Monaten unerklärlicherweise kleiner gewordenen sommerlichen Wamse pellt und unweigerlich deswegen auftauchende Diätpläne sofort wieder verwirft. Ein Tag, an dem man seinen natürlichen Instinkten folgen und auf einer blühenden Wiese mit seinem Partner ein Kind zeugen oder wenigstens einen Baum pflanzen sollte.

Allein ich hatte andere Pläne, lange gehegt und gepflegt in künstlichem Licht. Träume und Traumas, Gangster und Mutanten sollten es für uns sein! Kurz gesagt, unser vierteljährlicher Besuch in unserer Lieblingsvideothek stand an. Wir, das waren mein Freund Nobster und eurer treuer Erzähler. Besagter Verleih, die „Traumathek“, ist seit Jahr und Tag spezialisiert auf den Verleih von besonderen Filmen für Cineasten und Perverse, auch perverse Cineasten waren dort jederzeit willkommen und gerne gesehen.

Üblicherweise rückten wir dort regelmäßig an um uns mit den neusten Errungenschaften der Lichtspielkunst bekannt zu machen und fuhren regelmäßig mit mindestens 30 Filmen wieder heim, die wir in aufwendigen, logistisch genau koordinierten Kopieraktionen mit mindestens vier Rekordern, verbunden mit dem Genuss legaler und nicht so ganz legaler halluzigener Substanzen, auf eigenen Videokassetten bannten. Unter dem obligatorischen Absingen schmutziger Lieder machten wir uns also voller Vorfreude auf dem Weg aus der Landeshauptstadt entlang des Rheins in die unbedeutende Stadt im Süden, die den Verleih beheimatet.

An unserem Ziel angekommen, der Laden war wie üblich ziemlich leer, vertiefte ich mich in das Studium der Cover asiatischer Gangsterfilme und nahm die nicht besonders große Gestalt mit dem lichten Haarschopf neben mir, die sich ausgiebig den bunt bebilderten Hüllen der Erotikecke widmete, kaum wahr. Dort fanden sich neben Hardcorepornos mit künstlerischen Absichten auch Sachen wie Betty Page oder chinesische Kung-Fu-Erotik-Filme.

Sich von den Regalen abwendend, sah mir der kleine Mann geradewegs ins Gesicht. In meinem Kopf setzte dieses bei Treffen mit Prominenten wohl obligatorische „Den kennste doch irgendwoher“-Zusammenhangsuchen ein, bei der das Hirn die erblickte mit bekannten Personen abgleicht. „Joachim Król“ meldet mein Hirn unvermittelt, „der Schauspieler, den kennst du u.a. aus dem „Bewegten Mann“ den wir vor einiger Zeit gemeinsam gesehen haben“.

Von dem Schmerz meiner eigenen Unbedeutsamkeit und der Überraschung darüber getroffen, dass sich dieser öffentlich bekannte Mensch öffentlich Erotikfilme leihen will (wogegen natürlich im Prinzip nichts einzuwenden ist), wandte ich mich unvermittelt ab und wieder den Videos zu und tat so, als hätte ich ihn nicht erkannt. Schon damals (vermutlich war es 1995) wäre es mir in vorauseilendem Gehorsam zu den Forumsregeln nicht möglich gewesen, einen Prominenten mit meinen Sorgen und Nöten zu belästigen und ihn oder sie gar anzusprechen.

Natürlich ließ ich es mir aber nicht nehmen, den unvermittelt paparazzten Prominenten noch ein Weilchen aus den Augenwinkeln bei seiner Videoauswahl zuzusehen. Irgendwann verschwand er hinter einer Ecke und wir schleppten unsere Ausleihwunschberge an die Theke. Natürlich zogen sich die Verhandlungen über die von uns gewünschte Gewährung von Mengenrabatt über einige Zeit, so dass der kleine Mann plötzlich wieder neben mir stand, ein bisschen verschämt mit einem Wunschvideo in der Hand. Generös ließ ich ihn vor, natürlich in der Absicht, genau betrachten zu können, was sich der Mime den nun auszuleihen im Begriff war. Ein bisschen enttäuscht war ich dann schon, dass es „Stalker“ von Tarkovsky war, ich hätte mir etwas, hm, exotischeres gewünscht. Schnell zahlte er, nahm die Kassette, nickte uns freundlich zu und ward nimmer gesehen.

Trotzdem zufrieden verließ ich den Laden in dem sicheren Wissen, dass auch Prominente an diesem wunderschönen Tag nicht ihren natürlichen Instinkten folgen würden und mit ihren Partnern auf blühenden Wiesen Kinder zeugen oder wenigstens einen Baum pflanzen sollten und wir machten uns auf den Heimweg.

GnUhu, aka Sumpfblume (Neuanmeldung funktioniert leider nicht)

Kathrin Passig
20.01.2002, 21:23
Reizend irreführender Titel.

nimmt einen Rotstift, streicht "Kurz gesagt", "Wir, das waren" und fünfzehnmal "unvermittelt", blickt sich nervös um und verlässt den Laden mit hochgeklapptem Mantelkragen