Florian Brendel
19.01.2002, 23:28
Im Spätsommer des letzten Jahres ging ich sehr zufrieden Richtung Gendarmenmarkt. Ich kam von der Friedrichstraße, neben mir ging meine Freundin, die mich gerade vor einem Fehlkauf bewahrt hatte. Als Bonus fischte Sie eine wunderbare Jacke aus einem einsamen Kleiderständer, die sogar reduziert war. Die Jacke befindet sich nun in einer Plastiktüte in meiner rechten Hand. Meinen linken Arm habe ich um meine Freundin gelegt. Kurz vorher habe ich sie aus Dankbarkeit auf einen Kaffee eingeladen. Die Sonne schien. Selten fühlten wir uns normaler.
Wir gehen zu einem Cafe auf dem Gendarmenmarkt. Ich schaue noch kurz auf die Karte, was der Kaffee kostet, nee das geht. Wir setzen uns unter einen großen Sonnenschirm. Nachdem wir bestellt haben verschwindet meine Freundin noch kurz auf die Toilette. Ich stiere ein wenig in die Gegend und fühle kurz über den Jackenstoff in der Plastiktüte. Es ist heiss, nur wenige Touristengrüppchen schlurfen über den Platz, auch das Cafe ist recht leer. Zwei Jungen nähern sich schüchtern dem Nebentisch und ich erwarte, dass sie Spenden sammeln oder so was in der Art. Statt dessen: »Guten Tag, wir sind Austauschschüler. Können wir ein Autogramm haben?« (WIE BITTE?) Belustigt rumort es am Nebentisch: »Na, das ist ja mal was neues.«, antwortet (diese Stimme!) Joschka Fischer grinsend zu einem seiner zwei Begleiter und signiert dabei routiniert.
Verdammt! Joschka Fischer! Alles fügt sich. Das wissende Lächeln des Kellners, das Ruhrpott-Ehepaar, (er im Muskelshirt, sie den Blumenkübel zwischen ihr und dem Außenminister verfluchend) das so betont lässig Verrenkungen ausführt. Der dunkelblaue Dienstwagen da drüben, drumherum Fahrer, Bodygards und eine Frau mit Akten. NATÜRLICH!
Die Autogrammjäger ziehen ab und Fischer wendet sich augenblicklich wieder dem Gespräch zu. Er sieht gut aus. Er sitzt mit dem Rücken zur Wand und ist für Passanten seltsamerweise hervorragend sichtbar. Er wirkt entspannt und weniger verkniffen als im Fernsehen. Seine beiden Begleiter sind jünger, smarte Anzugträger und verblassen etwas in meiner Erinnerung.
Ich komme mir unterdessen ertappt vor. Das ist so billig. Die Getränkekarte, auf die ich vorhin schaute ist nur einen Meter von ihm entfernt. Als hätte ich ihn mir mal ganz nah anschauen wollen. Ich sitze am nächststehenden Tisch, obwohl alles frei ist, als wollte ich nach dem Glotzen noch ein bisschen zuhören. Ich traue mich kaum noch dem Gespräch zu lauschen. Es geht um Politik. Pausenlos und für mich unzusammenhängend. (so in der Art »Die PDS kriegt auch noch Ohrensausen.«). Die beiden Begleiter analysieren in gleicher Weise zurück und kriegen die Stellen mit, an denen es was zu lachen gibt. Ich mache mir unterdessen Gedanken, wie ich reagieren soll, wenn meine Freundin zurückkommt. Der Kaffee wird serviert und ich ducke mich unter dem stolzen Grinsen des Kellners weg. Kurz darauf erscheint meine Freundin: »Ah, Kaffee schon da?« Sie lässt sich auf ihren Stuhl fallen und blickt mich kurz fragend an, is' was? Sicher, sie hat das Recht zu erfahren wer sich in ihrem Rücken befindet. Aber eigentlich wollten wir doch in Ruhe einen Kaffee trinken. In Ruhe. Eine von mir sonst (SONST) geschätzte Eigenschaft meiner Freundin ist ihre unverstellte Art mir Dinge, die nur für meine Ohren bestimmt sind, extrem geheimnistuerisch mitzuteilen. Soviel zu meiner Freundin für heute und für dieses Forum.
Schluss, ich gerate ins Rechtfertigen, aber es fällt mir nicht eben leicht meinen Entschluss im Kreis von Prominentensammlern plausibel erscheinen zu lassen.
Kurzum: Ich beschließe erstmal Kaffee zu trinken und bevor wir gehen, zeige ich ihr den Außenminister. Einmal anglotzen, kurz und hörbar ein »Oh Gott!« unterdrücken und dann ab nach Hause, ok? Wir plaudern also ein wenig über unsere Einkaufstour und mutmaßen über die Zukunft der Friedrichstrasse. Ich rede mich um Kopf und Kragen, als das Gespräch am Nebentisch kurz ins Stocken gerät und ausnahmsweise mal uns zugehört wird, sage ich gerade so einen Scheiß wie »Im Lafayette gibts ja manchmal auch echt gute Sonderangebote«. Welche Tragik: Der Aussenminister leiht einem für Sekundenbruchteile sein Ohr und man bestätigt all dessen Vorurteile über die junge Generation: unpolitisch und vergnügungssüchtig, das sind wir. Chance vertan, aber bitte; hätte ich über Restlaufzeiten reden sollen?
Meine Freundin nimmt einen Schluck Kaffee, ihre Augen verengen sich. Sie dreht den Kopf leicht nach links und lauscht kurz. Dann beugt sie sich rasch nach vorne.
Wispernd und mit der Hand den Mund abdeckend: »Der hinter mir hört sich an wie der Typ aus der taz-Werbung«.
Ich: »Nein, das ist wirklich Joschka Fischer.«
»WAAAS! Das ist ja UNGLAUBLICH!«
»nicht so laut...«
Undsoweiter, undsoweiter. Ja, Joschka Fischer hört sich in natura wirklich an wie sein eigener Imitator. Wir haben dann gezahlt und sind gegangen. Ohne uns umzusehen, so großstädtisch sind wir.
Wir gehen zu einem Cafe auf dem Gendarmenmarkt. Ich schaue noch kurz auf die Karte, was der Kaffee kostet, nee das geht. Wir setzen uns unter einen großen Sonnenschirm. Nachdem wir bestellt haben verschwindet meine Freundin noch kurz auf die Toilette. Ich stiere ein wenig in die Gegend und fühle kurz über den Jackenstoff in der Plastiktüte. Es ist heiss, nur wenige Touristengrüppchen schlurfen über den Platz, auch das Cafe ist recht leer. Zwei Jungen nähern sich schüchtern dem Nebentisch und ich erwarte, dass sie Spenden sammeln oder so was in der Art. Statt dessen: »Guten Tag, wir sind Austauschschüler. Können wir ein Autogramm haben?« (WIE BITTE?) Belustigt rumort es am Nebentisch: »Na, das ist ja mal was neues.«, antwortet (diese Stimme!) Joschka Fischer grinsend zu einem seiner zwei Begleiter und signiert dabei routiniert.
Verdammt! Joschka Fischer! Alles fügt sich. Das wissende Lächeln des Kellners, das Ruhrpott-Ehepaar, (er im Muskelshirt, sie den Blumenkübel zwischen ihr und dem Außenminister verfluchend) das so betont lässig Verrenkungen ausführt. Der dunkelblaue Dienstwagen da drüben, drumherum Fahrer, Bodygards und eine Frau mit Akten. NATÜRLICH!
Die Autogrammjäger ziehen ab und Fischer wendet sich augenblicklich wieder dem Gespräch zu. Er sieht gut aus. Er sitzt mit dem Rücken zur Wand und ist für Passanten seltsamerweise hervorragend sichtbar. Er wirkt entspannt und weniger verkniffen als im Fernsehen. Seine beiden Begleiter sind jünger, smarte Anzugträger und verblassen etwas in meiner Erinnerung.
Ich komme mir unterdessen ertappt vor. Das ist so billig. Die Getränkekarte, auf die ich vorhin schaute ist nur einen Meter von ihm entfernt. Als hätte ich ihn mir mal ganz nah anschauen wollen. Ich sitze am nächststehenden Tisch, obwohl alles frei ist, als wollte ich nach dem Glotzen noch ein bisschen zuhören. Ich traue mich kaum noch dem Gespräch zu lauschen. Es geht um Politik. Pausenlos und für mich unzusammenhängend. (so in der Art »Die PDS kriegt auch noch Ohrensausen.«). Die beiden Begleiter analysieren in gleicher Weise zurück und kriegen die Stellen mit, an denen es was zu lachen gibt. Ich mache mir unterdessen Gedanken, wie ich reagieren soll, wenn meine Freundin zurückkommt. Der Kaffee wird serviert und ich ducke mich unter dem stolzen Grinsen des Kellners weg. Kurz darauf erscheint meine Freundin: »Ah, Kaffee schon da?« Sie lässt sich auf ihren Stuhl fallen und blickt mich kurz fragend an, is' was? Sicher, sie hat das Recht zu erfahren wer sich in ihrem Rücken befindet. Aber eigentlich wollten wir doch in Ruhe einen Kaffee trinken. In Ruhe. Eine von mir sonst (SONST) geschätzte Eigenschaft meiner Freundin ist ihre unverstellte Art mir Dinge, die nur für meine Ohren bestimmt sind, extrem geheimnistuerisch mitzuteilen. Soviel zu meiner Freundin für heute und für dieses Forum.
Schluss, ich gerate ins Rechtfertigen, aber es fällt mir nicht eben leicht meinen Entschluss im Kreis von Prominentensammlern plausibel erscheinen zu lassen.
Kurzum: Ich beschließe erstmal Kaffee zu trinken und bevor wir gehen, zeige ich ihr den Außenminister. Einmal anglotzen, kurz und hörbar ein »Oh Gott!« unterdrücken und dann ab nach Hause, ok? Wir plaudern also ein wenig über unsere Einkaufstour und mutmaßen über die Zukunft der Friedrichstrasse. Ich rede mich um Kopf und Kragen, als das Gespräch am Nebentisch kurz ins Stocken gerät und ausnahmsweise mal uns zugehört wird, sage ich gerade so einen Scheiß wie »Im Lafayette gibts ja manchmal auch echt gute Sonderangebote«. Welche Tragik: Der Aussenminister leiht einem für Sekundenbruchteile sein Ohr und man bestätigt all dessen Vorurteile über die junge Generation: unpolitisch und vergnügungssüchtig, das sind wir. Chance vertan, aber bitte; hätte ich über Restlaufzeiten reden sollen?
Meine Freundin nimmt einen Schluck Kaffee, ihre Augen verengen sich. Sie dreht den Kopf leicht nach links und lauscht kurz. Dann beugt sie sich rasch nach vorne.
Wispernd und mit der Hand den Mund abdeckend: »Der hinter mir hört sich an wie der Typ aus der taz-Werbung«.
Ich: »Nein, das ist wirklich Joschka Fischer.«
»WAAAS! Das ist ja UNGLAUBLICH!«
»nicht so laut...«
Undsoweiter, undsoweiter. Ja, Joschka Fischer hört sich in natura wirklich an wie sein eigener Imitator. Wir haben dann gezahlt und sind gegangen. Ohne uns umzusehen, so großstädtisch sind wir.