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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blaubär, Käptn



Herr Cohn
18.01.2002, 03:02
Es ist enttäuschend, viel zu erwarten, wenn dann immer weniger passiert. Eines Tages sah ich ein, dass hier etwas wie Ereignisse endgültig passé waren. Ich saß hinter dem Tresen und seit Stunden war der Raum außer mir menschenleer. Das Wort Besucherstrom bekam den Beigeschmack der Vergangenheit, ein für allemal. Es hatte so kommen müssen, der Chef hatte die Dinge laufen lassen, auf Anregungen nicht gehört, meine zuletzt schriftlichen Vorschläge ignoriert. Er hatte mit der Gründung des Museums Ehre und Orden kriegen wollen, beides hatte er jetzt, das war's. Was sollte ich machen! Hier saß ich, hatte unendlich viel Zeit, las und schrieb für mich wie zu Hause. Dieses Museum war am Ende, kein Geld, keine Investition, keine Werbung, kein Garnichts. Es geriet in Vergessenheit und ging unter, und ich mit ihm. Seit Wochen überlegte ich, dennoch hier etwas Gutes zu machen (aber was bloß?), oder welche andere Organisation wissen sollte, dass ich woanders...

Da tat sich die Glastür auf. Der Lärm von der Ost-West-Straße schwappte herein, jemand kam hinterher und schloss leise die Tür hinter sich. Die meisten Leute ließen sie offen, egal, ob Winter war. Der nicht. Er grüßte mit einem Nicken und ging nach hinten zu den Rekonstruktionen und Reliefs, ich riss den Lichtschalter nach unten, hier sollte es jetzt wieder so aussehen wie früher, als alles voller Leute war und ich ihnen englisch & französisch erklärte, in anderen Zungen auch, sogar holländisch, das ich mit plattdeutsch auffüllte, es hatte so einen Spaß gemacht - der Herr, der sich jetzt über eins der Modelle neigte, war mittelgroß und gedrungen, sein Geruch nach angenehmem Rasierwasser erreichte langsam meine Nase. Er trug eine Schiebermütze und ein teures Tweedjackett.

Ich war auf dem Weg zu ihm, als er herüberfragte: "Ist das hier alles die Kirchenruine nebenan?" Die Stimme, ich bekam ein ganz komisches Gefühl. Das passte keinesfalls zusammen, der Herr, der immer gedrungener aussah, je näher ich kam, und die Stimme; da war etwas nicht richtig! Denn Käptn Blaubär hatte mich gefragt, nach der Kirchenruine. Der Herr war aber nicht gezeichnet! Da sah ich ihn aus der Nähe, die dicke Nase, die verschmitzten Augen, all das Breite. Erdgeboren, dachte ich. Vor der Freundlichkeit seines Gesichts sah ich ein viel jüngeres, entschlossenes in Schwarzweiß, ach der Chauffeur aus 'Graf Yoster gibt sich die Ehre', und der handfeste Leutnant Irgendwie aus 'Raumschiff Orion' war da auch. Und da war der Name, aus dem Abspann mit der Zackenschrift, die immer so zuckte. "Guten Tag Herr Völz, wie schön dass Sie hier sind", sagte ich schüchtern zu ihm. Als er antwortete, sprach original Käptn Blaubär, ich hatte den gerade gestern mit meinem Sohn im Kino gesehen und wir waren uns einig, dass wir ihn toll fanden. "Ich habe leider gar keine Zeit. Schön ist es hier! Ich komme bestimmt mal wieder", sagte Käptn Blaubär mit einem noch freundlicheren Gesicht als gerade eben, reichte mir die Hand und ging. Sein Rasierwasser blieb noch ein bisschen da.

Tristram Shandy
18.01.2002, 12:51
Wolfgang Völz.
Wolfgang Völz ist im übrigen ein Künstlername.
Herr Völz heißt in Wirklichkeit
...Aaron Treppengeländer.
Kein Spaß!
Vgl. diverse andere Stränge zu Wolfgang Völz hier.

Peter Bean
18.01.2002, 15:12
Originally posted by Tristram Shandy
Wolfgang Völz.
Wolfgang Völz ist im übrigen ein Künstlername.
Herr Völz heißt in Wirklichkeit
...Aaron Treppengeländer.


Ich glaube, Wolfgang Völz heisst bürgerlich
Wolfgang Otto Isaak Treppengeländer - siehe Internet Movie Database - übrigens die perfekteste Datenbank über alle Filme und Filmschaffenden - grandios. Selbst der abgefuckteste Ostschinken ist - soweit möglich, dort aufgeführt. Eine Fundgrube zum Stöbern und mit unendlichen Querverweisen:

http://us.imdb.com/Name?V%F6lz,+Wolfgang

Freundlichst
Bean

Herr Cohn
18.01.2002, 15:35
"He is the German voice of Mel Brooks", ja natürlich, jetzt verstehe ich, das passt allerbestens! Danke für den Tip. 'Herr Treppengeländer', der Name stammt sicher von einem der üblen K&K Grenzbeamten. Von denen und ihrem Hass sind solche Namen übrig geblieben.

Reno Schmittchen
18.01.2002, 18:29
Originally posted by Herr Cohn
der Name stammt sicher von einem der üblen K&K Grenzbeamten. Von denen und ihrem Hass sind solche Namen übrig geblieben.

Da muss ich mal nachfragen: vor vielen Jahren erzählte mir jemand, dass zur K&K Zeit seitens des Staates Juden, die ihre Namen nicht freiwillig eindeutschen lassen wollten, zwansgweise Namen aufgedrückt wurden, wobei dann solche "Perlen" wie Latrine und Arschback waren. Spielen Sie darauf an, Herr Cohn? Sollte dem wirklich so gewesen sein? Ich habe das nie weiter verfolgt und hielt es eher für eine erfundene Geschichte.

Herr Cohn
18.01.2002, 18:42
Ja, Schmittchen. Das war so. Den Namen zu ändern war danach unmöglich. 'Treppengeländer' ist ekelhaft albern gemeint aber vergleichweise harmlos.

Mein Großvater väterlicherseits hieß Cohn, bis er im 1. Weltkrieg vor seiner Hochzeit den unjüdisch klingenden Nachnamen seiner Mutter annahm. Dabei hatte er mit "Cohn" Glück, das sind die Nachfahren Aarons, und an die Schreibweise mit dem 'C' war sein Vater gekommen, weil er sich nach Mecklenburg hatte einbürgern lassen. Da war man korrekt. Diese Namenswahl sollte dazu beitragen, dass später ein quasi Durchkommen seiner Söhne (mein Vater) durch die Nazizeit möglich war! Aber ich schweife ab.

Herr Genista
18.01.2002, 19:54
Sehr erschreckt hat mich vor Zeiten, daß E.T.A. Hoffmann als Bürokrat Preußens an solchen Verbrechen beteiligt war. Ich weiß schon, daß Autor und Werk durchaus nicht dasselbe sind, aber das ging mir ein bißchen zu weit. Aber dafür ist Hoffmann jetzt ja auch tot.

Peter Bean
21.01.2002, 12:33
Originally posted by Herr Cohn
Diese Namenswahl sollte dazu beitragen, dass später ein quasi Durchkommen seiner Söhne (mein Vater) durch die Nazizeit möglich war! Aber ich schweife ab.

Erzählen Sie bitte weiter. Mich interessiert es.

Freundlichst,
Bean

Herr Cohn
21.01.2002, 20:33
Lieber Bean, danke für Ihr Interesse. Bitte verstehen Sie, dass ich das nicht kann. Für meine Familie sind die Ereignisse nicht ausgestanden - werden es vielleicht nie sein. Auch für mich ist das sehr schwierig und privat. -

Ich hoffe, dass ich jetzt keins dieser bleilastigen Strangendpostings geschrieben habe - da fällt mir etwas ein (wenn wir schon bei dem Thema sind!), das zu Herrn Genistas E.T.A. Hoffmann-Erwähnung passt. Wilhelm Busch, dem besonders zwei seiner Reimungen sehr verübelt wurden, hat da geschrieben:

"...das ist Julchen Schievelbeiner. Schöner ist doch unsereiner."

Und:

"Und der Jud mit krummer Ferse,
krummer Nas' und krummer Hos',
schlängelt sich zur hohen Börse,
tiefverderbt und seelenlos."

Man sollte nicht den Fehler machen und Satiren wörtlich nehmen. Ich bin ganz sicher, dass Busch Leute damit böse auf's Korn genommen hat, indem er ihre viel gehörten hohlen Worte einfach kolportierte. Von "unsereinem" schreibt er sonst nie, Zipfelmützendeutsche waren ihm immer ein Ziel für Spott. "Tiefverderbt und seelenlos" ist genuin amtskatholischer Jargon, die Alldeutschen schrieben auch so, jeder Zeitgenosse muss da die Faust im Papier gerochen haben.