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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was ich von Herrn Cohn gehört habe



hofbauerova
09.01.2002, 01:32
Eine Stunde später sass Cohn in einer Bar am Fluss, die Schiffskarte in der Hemdtasche. Vergnügt, ja fast ausgelassen wie ein Schuljunge, dem ein Streich geglückt war, sah er auf den Rio Colorado, auf dem vor über einer Stunde ein Schiff vorübergezogen war. Sein Schiff, das er nicht bestiegen hatte, das er auch nicht beim Ablegen beobachtet hatte. Die letzte Verbindung die ihn rechtzeitig nach Bahia Blanca, nach Buenos Aires, nach Ezeiza zu seiner Maschine gebracht hätte. Er würde am Freitag nicht in Uelzen sein, dachte Cohn, und seine Laune wurde immer besser. Hafenarbeiter riefen sich Satzfetzen zu, die Sonne verbrannte die Welt zu einem weissen Film, aus dem nur kleine schwankende Boote sich als farbige Flecken abzeichneten, unwirklich langsam an der Terrasse der Bar vorbeizogen, mit abblätterndem Lack, nicht mehr als Ahnungen hinterlassend, hier eine in mattem Rot, dort eine fleckige blaue. In einem Boot im Schatten der Bar, wenige Meter von Cohn entfernt hörte er ein Mädchen zum sanften Lärmen der Bootsmotoren lachen, sie sagte immer wieder „No, Pedro, no“, und dann lachte sie, wieder und wieder.

Eine zweite Stimme drang in seine langsam verwschwimmende Welt ein. Der Mann mit dem braungebrannten Gesicht und dem karierten Hemd musste schon einige Male nach ihm gerufen haben. Seine Halbsätze vermischten sich mit dem Lachen von Pedros Mädchen. „Eh, Mister! You hear me? Everything okay Mister?”
Cohn nahm noch einen Schluck von seinem Pisco, als wollte er sich wappnen.
„The other man was asking for you.”
Welcher Mann dachte Cohn, „What man“ fragte er, noch bevbor ihm richtig klar wurde, mit wem er sprach, dass er sprach. Langsam tauchte er aus seinem Rausch wieder auf, unwillig liess er zu, dass der Nebelschleier vor der Welt zerriss, dass Pedros Mädchen zu kichern aufhörte, der Betonboden der Terrasse wieder hart wurde. „What man?“
Es dauerte Minuten, bis sich herausstellte, dass ein Deutscher sich nach ihm erkundigt hatte. Er musste ihm wohl in Villa Regina begegnet sein, sie hatten sich über dies und das unterhalten, die Hitze, die argentinische Währungspolitik, und sich nach ein paar Drinks eine gute Reise gewünscht. „Huge guy“ sagte der Argentinier. „From Cologne, he sais. German priest.“ Er war jung, vielleicht zwanzig, gutgelaunt. Jetzt machte er allerdings eine Miene, als ob Cohn ihm zu teure Ware verkaufen wollte, ungläubig. Dann erinnerte er sich, dass er Cohn etwas mitteilen wollte. „The german guy asks you to come to San Mirabel. Just a few kilometres. Not far. Asado.”

Prälat Niessen kam ihm an der Einfahrt der Hazienda entgegen. Weite unendlich grüne Grasfläche wohin Cohn blickte. Niessen sollte einen Schulfreund trauen, dem das Anwesen gehörte. Die Hochzeit würde am nächsten Tag stattfinden. „Ich hoffe es ist Ihnen nicht unangenehm“ sagte er mit einem breiten Lächeln, während er Cohns Hände zwischen seinen Pranken auf und ab schüttelte. Überall in Europa hätte Cohn das lange Priestergewand an einem Mann in seinem Alter unpassend gefunden - in der Tat konnten es kaum Jahre sein, die Cohn und Niessen trennten. Hier, in der Pampa, zwischen den wortkargen Argentiniern, weit weg von Uelzen kam ihm Niessens schwarze Soutane fast natürlich vor. „Kommen Sie, kommen Sie doch weiter.“ Niessen bückte sich, als sie das Haus betraten. Er hatte gehört, dass ein anderer Deutscher in einer Bar am Fluss sass, weil er sein Schiff verpasst hatte. „So ein unglaubliches Pech!“ Cohn sagte nichts, aber die Situation mit dem skurrilen Prälaten aus Köln begann ihm zu gefallen. „ Ich habe mir gleich gedacht, dass Sie das sind!“ Sie hatten ein paar Malts in der Halle des Hauses getrunken und sich an ihr letztes Zusammentreffen in Villa Regina erinnert. Cohn hatte mit wachsender guter Laune die hektischen Festvorbereitungen beobachtet. Kabel wurden verlegt, Kisten geschleppt, ein Mädchen mit durchsichtigem goldenem Kostüm stürze an Ihnen vorbei, ihre Perücke in der Hand, laut und sehr schnell spanisch sprechend. Der Hausherr kam und fragte Prälat Niessen dreimal, ob alles für die Trauung vorbereitet sei. „Sie müssen mir hier beistehen“ sagte der Prälat leise und verschmitzt zu Cohn.

Am Abend fand ein grosser Asado statt. Dreissig Hammel hingen gekreuzigt im Kreis um ein riesiges Feuer und brieten. Cohn fand, dass es nach verbranntem Fleisch und versengtem Fell roch. Ab und zu schritt einer der Gäste zu den riesigen, stehenden Spiessen und schnitt mit einem Dolche routiniert ein fettes Stück ab. Cohn hatte nicht einmal ein Taschenmesser. Niessen besass einen schweren, rasend scharfen und silberbeschlagenen Dolch. "Cohn, wollen Sie nicht auch ein Stück Hammel kosten" rief Niessen und winkt unbekümmert zu Cohn hinüber.

Ursprungsgeschichte von Herrn Cohn, 08-01-2002 / 04:30
http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=12073&perpage=10&pagenumber=1

DerCaptain
09.01.2002, 04:28
Interessant.