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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Luzi, Mario



Schocker
22.12.2001, 00:16
Ich weiß nicht, ob Mario Luzi hierzulande prominent ist. Eins ist er bestimmt: einer der großen Lyriker des 20. Jahrhunderts. 1914 in Florenz geboren, veröffentlichte er 1935 seinen ersten Gedichtband, „La barca“, ein zentrales Werk der hermetischen Dichtung. Seitdem ist er in Italien bis in die 90er Jahre mit Lyrik, Theaterstücken, Essays und Übersetzungen (Shakespeare, Coleridge) präsent geblieben. Ausgangspunkte seiner Lyrik sind Orphismus, Surrealismus und die Dichtungen Mallarmés und Eliots. Mehr läßt sich in Kürze über sein vielschichtiges Werk kaum sagen – um das es hier ja auch nicht geht.



I

Es war im Sommer 1985. Ich studierte im zweiten oder dritten Semester Romanistik und absolvierte einen einmonatigen italienischen Sprach- und Literaturkurs in Urbino. In der letzten Woche wollte uns der Kursleiter etwas Gutes tun und lud uns zu einer abendlichen Lesung von Gedichten Giuseppe Ungarettis ein. Begeistert war ich nicht, das kleine Urbino und der Kurs und alles andere ging mir nur noch auf die Nerven, aber da die meisten von uns hinwanderten, latschte ich mit.

Das Ereignis fand in einem Keller statt, mit Stühlen für rund 60 Menschen. An einem Tisch vorne saßen ein professoraler Herr mit Brille und eine Frau mit schwarzem Vogelnest auf dem Kopf. Ich entschied, daß sie für ihr Alter zu stark geschminkt war. Neben dem Tisch stand ein leeres Pult. Die Dame krächzte eine Begrüßung, worauf ihr Nebenmann einige Gedichte des Meisters las. Ich überlegte, ob ich unauffällig verschwinden und irgendwo eine Pizza verdrücken sollte.
Plötzlich warf die Alte die Arme hoch und unterbrach den Rezitator, indem sie einen Kreischer ließ, der sich etwa wie „ecco il mio amico“ anhörte. Ein einfach gekleideter Mann mit grauen Haaren schritt auf das Pult zu und stellte sich dahinter auf. Schien etwas Besonderes zu sein, jedenfalls war von dem „Professor“ fortan kein Wort mehr zu hören. Ich fragte meinen Sitznachbarn, einen Dicken mit Halbglatze, ob er den Typ kenne, der soeben reingeplatzt war. Er pochte auf einen hellgrün gebundenen Lyrikband auf seinen Knien: der sei es. Ich las: Mario Luzi. Der Name sagte mir nichts. Ich grunzte dankend und ließ mich in den Stuhl zurücksinken.

Der Neuankömmling berichtete über seine persönliche Bekanntschaft mit Ungaretti, dem er als Schriftsteller, wie mir später klarwurde, verwandt war. Was er erzählte, weiß ich nicht mehr. Aber seine Stimme ist mir noch im Gedächtnis. Sehr weich, ruhig, modulierend, und gerade durch ihren leisen Klang eindringlich. Ich war wider Willen beeindruckt, obwohl ich ihn, wie gesagt, nicht kannte, also auch nicht ahnte, daß er zu jenem Zeitpunkt schon seit 50 Jahren publizierte.
Dennoch war er mir wegen seines ungeschickten Eindringens mitten in die Lesung unsympathisch. Was er nach Ende der Vorstellung eventuell noch zu sagen hatte, hörte ich nicht mehr, ich hatte Hunger.


II

Wenn das alles gewesen wäre, glaube ich nicht, daß ich mir wegen Mario Luzis Dichtungen nennenswerte Auslagen gemacht hätte. Vielleicht wäre mir nicht einmal sein Name im Gedächtnis geblieben.
Aber es kam anders. An meinem letzten Tag in Urbino sah ich ihn unerwartet noch einmal. Der Kurs war zu Ende, die Abreise nach Karlsruhe stand unmittelbar bevor, meine Koffer waren schon im Schließfach. Da ich bis zur Abfahrt ein paar Stunden Zeit hatte, schlenderte ich noch einmal durch den Ort. Ich befand mich an jenem Vormittag in einer merkwürdigen Hochstimmung, wie immer, wenn ein mehrwöchiger Aufenthalt in einer fremden Stadt zu Ende geht. Die letzten Stunden verbringe ich mit einem Gefühl seltsamer Leichtigkeit, als könnte mich so kurz vor der Trennung nichts Unangenehmes mehr berühren, als wäre meine Anwesenheit schon Erinnerung.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite bemerkte ich Mario Luzi, wie er sich durch die Menge schob, offenbar allein. Er trug denselben hellbraunen Pullover wie bei der Lesung. Keiner nahm Notiz von ihm. Meine Stimmung, die nun viel besser war als bei der Lesung, die freundliche Wärme, die das Bewußtsein der kurz bevorstehenden Abreise in mir ausgelöst hatte, bewirkten, daß ich Luzi jetzt ganz anders wahrnahm. Seine unscheinbare Erscheinung, sein Getrenntsein von dem, was um ihn war, machten ihn mir mit einemmal sympathisch. Jetzt war er nicht mehr der anerkannte Autor, der vor einem bewundernden Publikum sprach; nur ein alter Mann, in dem niemand etwas Besonderes sah. Dennoch trug er eine Welt in sich, eine lange Erfahrung mit Worten, von der die Menschen, die ihm begegneten, nichts ahnten.
Mag sein, daß ich in diesem Moment nur meine Klischeevorstellungen von dem, was ein Lyriker zu sein hat, auf Luzi projizierte. Aber diese zweite, so flüchtige und ganz kurze Begegnung – wenn man es überhaupt so nennen kann - hat für mich alles verändert. Nach meiner Rückkehr verschaffte ich mir nach und nach seine Gedichtbände, las sie und lese sie heute noch.

Herr Cohn
22.12.2001, 20:19
Irgendwer muss ja mal antworten.
Schade, die Geschichte ist auf hohem Niveau misslungen. Wie hat Ihr Nachbar den Signor Luzi angesehen? Was wurde geflüstert? Von Ihnen, Schocker, ist viel die Rede, aber deutlich werden Sie gar nicht. Wie hat's in Urbino gerochen? Mit wem haben Sie meistens rumgehangen? Fehlt alles. Besonders bedauerlich finde ich so Sätze wie "sein Getrenntsein von dem, was um ihn war", was heißt das? Wie bewegte sich Luzi? Erinnerte er Sie an jemanden? Was trennte ihn denn?

Tja. - Freuen würde ich mich an dieser Stelle über ein paar Gedichte von ihm, im Original & übersetzt, damit man erfährt, was er eigentlich so denkt, der Luzi.

Kathrin Passig
22.12.2001, 21:49
Cohn, einer muss es Ihnen ja mal sagen, und das bin wohl ich, denn ich scheine Sie als einzige Person in diesem Forum noch nicht auf der Ignore-Liste zu haben: Niemanden interessiert das hässliche Sputum, das sie da unablässig hochhusten. Behalten Sie's für sich. Spucken Sie's nicht auf den Gehsteig oder unter schöne Geschichten, die Passanten ekeln sich davor. Vielen Dank.

oha
22.12.2001, 23:29
Herr Cohn,
als eine der wenigen, die Sie noch nicht auf ignore gesetzt haben, fühle ich mich verpflichtet, Ihnen zu widersprechen: Misslungen ist Ihr Kommentar, nicht die Geschichte.

Dass Sie nicht in der Lage sind, die Phrase "sein Getrenntsein von dem was um ihn war" zu verstehen, scheint mir angesichts der dickfelligen Zahl und Leere Ihrer Postings unschwer nachvollziehbar und kaum dem Autoren anzulasten. Wer ohne Unterlass schwafelt, hat eben nicht die Zeit, das Gehör auch mal auf die Feinheiten einzustimmen und sich mit den Nuancen der Wahrnehmung en detail zu befassen. Anders gesagt: Wenn alles voll der eigenen Worte ist, ist man irgendwann nur noch selbst um sich, man wird seine eigene und einzige Umgebung - und kann sich ein Getrenntsein davon natürlich kaum vorstellen.

Freuen würde ich mich an dieser und anderer Stelle über ein Schweigen Ihrerseits.

Benzini
23.12.2001, 01:56
Ja!!!! Cohn ist schlimm, wenn er anfängt zu fiebern, wenn er es nicht mehr schafft die Paralllelllwelt zuverlassen, aber das sind doch nur allzubekannte Symptome . und Obwohl ich aus Haß auf ihn schon einmal ein Weinglas gegen die Wand werfen wollte, und Ausschlag befürchtete, wenn sein Ausfluß sich ankündigte:
Hier hat er eine Geschichte gehoben, und es wird ein Züchtigungsstrang daraus gemacht.
Das sollte nicht passieren. Da gibt es andere Mittel.
Mich hat das mehr geschockt, als die Geschichte.

PS: Er weiß auch ganz gut, was "Getrenntsein" ist.
PPS: Er kann verdammt gut schreiben (5%)
PPPS: ich weiß das.

Benzini
King of ignore´n-roll

lacoste
23.12.2001, 02:56
Herr Cohn, ich scheine sie noch nicht auf irgendeiner Liste zu haben. Hmhhhhh.....
Naja...... Ich habe allerdings auch nur gelesen, das man Sie besser nicht auf irgendwelchen Listen haben sollte!!! Insofern bin ich fein raus!!! Schwein gehabt.....

Herr Cohn
23.12.2001, 03:47
Frau Passig, man kann so persönlich werden, dass sich jemand beschissen fühlt. Wollten Sie das? Na, gelungen.

Oha, das Persönliche wollen wir weglassen, OK? Ich poste weniger, dann mag es angehen. Zum Text: Was soll denn so gut an der Erwähnung des getrennten Dichters sein?

- Benzini & Lacoste, danke.

oha
23.12.2001, 12:17
Originally posted by Herr Cohn

Oha, das Persönliche wollen wir weglassen, OK?
Das mit dem "Getrenntsein von dem was um ihn ist" scheint für Sie ja wirklich knifflig zu sein. "Wir", Herr Cohn, wollen gar nichts. Bitte bleiben Sie auf dem Territorium Ihres Ichs.


Aber zurück zur Geschichte: Wenn - nach der ersten, wenig auslösenden, Sichtung - aus der zweiten Begegnung mit einem Autoren am Bahnhof ein veränderter Blick auf dessen Werk, vielleicht sogar eine Art Anleitung zum Verstehen dieses Werkes, entspringt und wenn diese Entwicklung in einem Text nachvollziehbar und an den richtigen Stellen detailliert beschrieben wird - dann ist mir das reizvoll genug, um die Geschichte zumindest nicht aufgrund des Fehlens unwesentlicher Details als misslungen zu bezeichnen. Die Geschichte mag sparsam möbliert sein, aber die Möbel die vorhanden sind, sehen nicht nur gut aus, sie stehen auch an den richtigen Stellen und man sitzt bequem. Da ist es mir ganz gleich, wie es in Urbino gerochen hat.

marie battisti
23.12.2001, 13:36
halleluja, schön, dass die engel wieder singen

Herr Cohn
24.12.2001, 03:30
http://212.162.69.78/principali/argomenti/libri/luzi/dx2.jpg Mario Luzi

Schocker, ich habe ein Gedicht von ihm gefunden und gerade übersetzt. Es ist ein schwieriges Gedicht (bisschen wie Beckett!)und jetzt ist mitten in der Nacht, zum Übersetzen keine sehr angenehme Zeit. Hab ich gemacht, nur damit Sie wissen, dass ich Ihnen nicht an den Karren fahren wollte.

Vita fedele alla vita Ein Leben treu zum Leben

La città di domenica Am Sonntag, die Stadt
sul tardi spät am Tag
quando c'è pace wenn es friedlich ist
ma una radio geme aber ein Radio schrillt
tra le sue moli cieche in seiner blinden Masse
dalle sue viscere interite aus seinen geraden Eingeweiden

e a chi va nel crepaccio di una via und zu wem geht er im Felsspalt eines Weges
tagliata netta tra le banche arriva der ganz abgeschnitten zwischen den Banken ankommt
dolce fino allo spasimo l'umano sanft bis zur Todesqual, der menschlichen
appiattato nelle sue chiaviche e nei suoi ammezzati, geduckt in seine Schleusen und in sein halb Gefülltes,

tregua, sì, eppure Pause, ja, und dennoch
uno, la fronte sull'asfalto, muore Einer, die Stirn auf der Straße, stirbt
tra poca gente stranita zwischen ein paar entfremdeten Leuten
che indugia e si fa attorno all'infortunio, die zaudern und um den Unfall herumstehn,

e noi si è qui o per destino o casualmente insieme und wir, da sind wir aus Schicksal oder zufällig
tu ed io, mia compagna di poche ore, du und ich, zusammen nur wenige Stunden,
in questa sfera impazzita in diesem übergeschnappten Gefäß
sotto la spada a doppio filo unter dem zweischneidigen Schwert
del giudizio o della remissione, des Schuldspruchs oder der Freilassung,

vita fedele alla vita ein Leben treu zum Leben
tutto questo che le è cresciuto in seno all das was ihm im Busen gewachsen ist
dove va, mi chiedo, wohin geht's, frag ich mich
discende o sale a sbalzi verso il suo principio... fällt es oder steigt's im Tanzschritt zu seinem Ursprung...

sebbene non importi, sebbene sia la nostra vita e basta. obwohl's nicht wichtig ist, obwohl's bloß unser Leben ist und das reicht.

yellowshark
24.12.2001, 22:58
Originally posted by Kathrin Passig
Cohn, einer muss es Ihnen ja mal sagen, und das bin wohl ich, denn ich scheine Sie als einzige Person in diesem Forum noch nicht auf der Ignore-Liste zu haben: Niemanden interessiert das hässliche Sputum, das sie da unablässig hochhusten. Behalten Sie's für sich. Spucken Sie's nicht auf den Gehsteig oder unter schöne Geschichten, die Passanten ekeln sich davor. Vielen Dank.

That's far over the line. Wie kann man nur so etwas schreiben? Sie sollten sich dafür entschuldigen, Frau Passig.

Kathrin Passig
25.12.2001, 02:01
Wie man nur so etwas schreiben kann? Also: Wenn man etwa eine Million der öden, eitlen Beiträge von Cohn gelesen hat, die er quasi minütlich in sämtlichen Strängen ablaicht, wenn man sich bisher beherrscht und nicht dazu geäußert hat, wenn sich daher ein, sagen wir mal, gewisser Überdruss angestaut hat und wenn man aus Cohns bisherigen Reaktionen auf höfliche Kritik entnehmen kann, dass er auf diesen beiden Ohren taub ist: Dann kann man so etwas ganz leicht schreiben. Probieren Sie's ruhig mal aus.

Ruebenkraut
26.12.2001, 19:20
Für manche hat der Tag nur sechskommaachtsieben Minuten.
Ich verstehe, dass man sich durch Dauerposter genervt fühlt. Aber so stark, dass man in diese Regionen der Beschimpfung greift? Wow! Ich habe Ehrfurcht vor Ihrer Gefühlswelt, Frau Passig, und würde es gern (aus der Ferne) erleben, wenn wirklich mal was Schlimmes passiert.

rron
26.12.2001, 20:16
Meine Güte, wann wurde das hier eigentlich ein geficktes Kuschelforum? Sind am Ende die Pastelltöne verantwortlich?

oha
26.12.2001, 22:08
rron hat recht. kuschelt euch, verkuschelte kuschler!

Herr Cohn
26.12.2001, 22:51
Schade, dass der Strang von höflicher Kritik handelt und so wenig von Mario Luzi.

Benzini
27.12.2001, 01:33
Die Passig´sche Leseweise ist entweder oberflächlich oder selektiv:

Ein Beispiel:
http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=3105

Das ist doch mal was.
Fast so gut wie Luzi.

oha
27.12.2001, 02:08
große augenblicke schließen zähe viertelstunden leider nicht aus, noch heben sie sie auf. eher drohen erstere in letzteren zu ersaufen.

Benzini
27.12.2001, 02:30
da ist monströs / der kleine cohn /
französische revolution /

der große cohn / verengt im blick /
ein kleinlicher beziehungskrieg /

die diskussion ist wahrlich putzig /
wann kommts hier zum italo-lutzig.

Hartmut Andryczuk
29.12.2001, 13:17
Ich finde die Geschichte weder besonders gelungen noch besonders misslungen. Sie ist nur sensitiver als das jetzt allgemein übliche Mainstream-Gefasel hier in diesem Forum und daher sicher auch wertvoller. Das Cohn Fragen stellt, die etwas provokativ daherkommen, muss erlaubt sein. Daher verstehe ich die Aufregung nicht. Ist man nicht fähig, darauf in unbeleidigter Weise zu antworten?

Stimmen
31.12.2001, 17:28
Ein schonungsloser Bericht, der diesem sich neigenden Jahr der Gedanken und Erinnerungen ein letztes, einsam-melancholisches Glanzlicht aufsetzt, das ich weit davon entfernt bin als trübselig zu empfinden; ein echter Schocker: möglicherweise der Auftakt zu einem neuen Ausdruck, einer beginnenden Ära, die den neuen Honz eine Weile begleiten, in jugendlich-leichtsinnigem Kräftemessen begönnern, ihn nach und nach ablösen wird; oder auch nicht. Denken Sie mal drüber nach.

Hartmut Andryczuk
31.12.2001, 18:40
Der "Neue Honz" wird Ende Febraur 2002 erscheinen, in einer verbesserten Neuauflage mit einer Katalogiserung aller "Worte des Jahres" von 1983 - 2001 und einem neu eingerichteten neoromantischen Vokabular für Geschichtsschreibungen mit sterbenden russischen Dichtern.

Aporie
02.01.2002, 21:20
Der erste Teil dieser Geschichte wirkt auf mich so, als hätte sie Herr Cohn geschrieben. Im zweiten Teil gefällt mir all das, was Herr Cohn bemängelt.
Dagegen ist Frau Passigs posting sehr einheitlich. Jede Zeile wirkt so, als sei sie auch von Frau Passig geschrieben.
Was die Repliken beider anbelangt, schneidet Herr Cohn leicht besser ab und das Publikum schlecht. Seine vortreffliche Übersetzung eines guten Gedichts von Mario Luzi müsste, auch wenn er mit Beckett wieder einmal voll danebenhaut, entsprechend gewürdigt werden.

Aporie
02.01.2002, 22:34
Mit "vortrefflich" war ich wohl doch etwas voreilig, wie ich beim zweiten Lesen festgestellt habe. Nur um mich von diesem Wort zu entlasten:
Das Radio "schrillt" nicht, sondern "ächzt", und zwar nicht "unter seiner blinden Masse", sondern "zwischen seinen blinden Wichtigkeiten", "crepaccio di una via" ist nicht die "Felspalte eines Wegs" sondern eine "Straßenrinne", "verflacht im Abfluss" (appiattato nelle sue chiaviche) ist wohl besser als "geduckt in seine Schleusen" usf.
Aber einige Passagen dieses Gedichts sind wirklich schwer zu übersetzen, sei zu Herrn Cohns Entlastung gesagt.

l_tu
02.01.2002, 23:16
...

Benzini
03.01.2002, 00:09
mir dünkt, ein ächzend Radio schrillt.

Herr Cohn
04.01.2002, 01:11
"Verflacht im Abfluss" ist sehr schön, Aporie. Aber klangvoll! Vielleicht zu sehr für das Gedicht. Mit Beckett haben Sie natürlich Recht. Ich meinte damit nur zwei Zeilen, nämlich
"tregua, sì, eppure
uno, la fronte sull'asfalto, muore"
das ist doch wirklich wie von Beckett. Auch durch den Fast-Reim darin. Es ist fast unmöglich, diese Zeilen adäquat zu übersetzen! Es ist schon wirklich sehr schön, was Luzi sich da hat einfallen lassen.
Aporie, würden Sie nicht z. B. ein anderes Gedicht für uns hier übersetzen wollen?

Schocker
04.04.2002, 22:53
Lange ist's her...zu lange schon...tut mir leid, aber ich hab's aus persönlichen Gründen einfach nicht auf die Reihe gekriegt, Luzi zu übersetzen. Hier folgen wenigstens zwei kurze Gedichte...mal sehen, ob wir bei Interesse noch mehr zusammenbekommen.
Übrigens vielen Dank für die lebhaften Reaktionen (vor allem an Kathrin)...hatte ich nicht erwartet. Und an Herrn Cohn für das Foto und die Übersetzung.





Dove l’ombra

Dove l’ombra procede e le strade ristanno
tra i fiori, ricordarmi le parole
e le grida dell’uomo è forse un inganno.
Ma sempre sotto il cielo consueto
ritrovo le mi tracce, il mio sole
e gli alberi remoti dal tempo
fissi dietro le svolte. E sempre,
ancor che mia sia noto il dolce segreto,
sulla polvere quieta, tra le aiuole,
m’indugio ad aspettar che sporga
un viso inenarrabile dal sole.


Wo der Schatten

Wo der Schatten voranschreitet und die Straßen
zwischen den Blumen innehalten, mich an die Worte
und an die Schreie des Menschen zu erinnern ist vielleicht Betrug.
Aber stets unter dem gewohnten Himmel
finde ich meine Spuren wieder, meine Sonne
und die Bäume, fern von der Zeit,
unverrückt hinter den Kurven. Und immer,
wenngleich ich das zarte Geheimnis kenne,
verweile ich auf dem stillen Staub
zwischen den Beeten, um zu warten, daß
von der Sonne ein unsagbares Gesicht erscheint.

(aus „Un brindisi“ – „Ein Trinkspruch“ – 1946)





S’avvia tra i muri,
è preda della luce

S’avvia tra i muri, è preda della luce…
forse eri tu, ora è un’apparizione
o forse è tutto ciò che non ha pace
o sede o movimento e non è vero
né insostanziale, vanità che solo
puri specchi tradiscono fremendo.

È una vaga figura, non ha requie…
È nostra, la credevo una chimera
se alcuna ne appariva per miracolo
sotto aride pendici inconsolata
per vie cupe ove niente vive più,
niente se non la speranza del tuono.



Es bewegt sich zwischen den Mauern,
ein Raub des Lichts

Es bewegt sich zwischen den Mauern, ein Raub des Lichts...
vielleicht warst es du, jetzt ist es eine Erscheinung,
oder vielleicht ist es alles, was keinen Frieden hat
oder Sitz oder Bewegung, und nicht wahr ist,
doch nicht ohne Substanz, Eitelkeit, die nur
reine Spiegel schaudernd preisgeben.

Es ist eine anmutige Gestalt, ohne Ruhe...
Sie gehört uns, ich hätte sie für eine Schimäre gehalten,
wenn eine von ihnen durch ein Wunder
unter rauhen Klippen erschienen wäre, ungetröstet
entlang dunkler Wege, wo nichts mehr lebt,
nichts außer der Hoffnung auf den Donner.

(aus „Primizie del deserto“ – “Erste Früchte der Wüste”, 1952)