KorianWaschweib
19.11.2001, 04:28
(Um der wohl berechtigten Frage: 'Wer ist Marie France?' vorzubeugen: Marie France ist eine Sängerin, welche auch in Frankreich - ihrer echten und meiner Wahlheimat - nicht unbedingt zu den A-Klasse-Prominenten zählt. Zu beäugen ist sie auf mehreren Werken des Fotografen-Duos Pierre et Gilles, unter anderem auch als Wahrsagerin. Wenn mich nicht alles trügt, konnte man sie 1986 im Prince-Titel 'Girls&Boys' auf französisch Verführerisches raunen hören. Genug der trockenen Vorrede.)
Im Leben eines jeden Musikers gibt es unwiderbringliche Momente: im letzten März durfte ich für einen Tag das finstere Paris verlassen und in Nizza Vorsommersonne schnuppern. Die eine unvermutet freie Stunde vor dem Soundcheck verbrachte ich sitzend am Strand, das gute Jod einsaugend. Daß der eigentliche Grund meiner Reise ein gemeines Betriebsfest war, störte mich dabei nicht im Geringsten. Sicher, mit Ruhm würde ich mich nicht bekleckern: Die in einem Hotel stattfindende Party von General Electric stand im Zeichen von Hollywood. Ich wußte, daß demzufolge alle Musiker und Hotessen als Filmfiguren verkleidet sein würden. Die Aufgabe meiner fünf musikalischen Mitstreiterinnen und mir würde darin bestehen, nach dem Dessert in klerikalem Outfit Liedgut aus 'Sister Act I&II' zum Besten zu geben. Ich hatte in meiner kurzen Laufbahn jedoch bedeutend Schlimmeres überstanden , so daß mir kein Grund zum Maulen einfiel, zumal die Miete fällig war.
Niederschmetternd wurde es erst am Abend, als ich erfuhr, welche Nummern man zur Belustigung des dinierenden Führungspersonals auserkoren hatte: zwischen den Mahlzeiten sollten noch je ein falscher Elvis und eine falsche Marilyn zu DAT-Begleitung Hits der echten Entschlafenen darbieten. Vom Unglück verfolgt, bibberten die beiden Kopien den ganzen Nachmittag um ihre verschollenen Gepäckstücke, welche selbstverständlich alle zur Illusion benötigten Kostüme und Requisiten enthielten. Nachdem diese wieder aufgetaucht waren, geriet Elvis in einen heftigen Streit mit dem Hotelpersonal, doch das ist eine andere Geschichte. Zu allem Überfluß waren alle an der Maskerade Beteiligten - Sänger, Tänzer, Musiker, Hotessen, Maskenbildner, usw. - in einer engen gemeinsamen Loge zusammengepfercht.
Die falsche Marilyn kam mir unterdessen immer bekannter vor, und bald fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Niemand anderes als Marie France hatte sich dazu herabgelassen, Norma Jean zu imitieren. Ob auch sie Miete zu zahlen hatte? Und dann fiel mir auch ein, daß ich ihr bereits einige Jahre zuvor vorgestellt worden war. Eine nur flüchtige Begegnung, aber ein idealer Ausgangspunkt für eine nette Unterhaltung mit Frau France über das Auf und Ab im Showgeschäft, wobei ich auch einfließen ließ, daß ich just einige Tage zuvor ihre jüngste CD in den Händen gehalten hatte, ohne jedoch zu präzisieren, daß es in einer städtischen Leihbibliothek gewesen war.
Unterdessen nahm das Fest seinen infernalischen Lauf: Im Foyer wuselten als rosarote Panther verkleidete Hotessen umher, begrüßten die ankommenden Gäste und mußten sich auch deren oft etwas ruppige Liebkosungen gefallen lassen. Dazu ertönte im Repeat-Modus die jedem nur allzu bekannte Pink-Panther-Musik - eine bewährte Foltertechnik. Als circa neunzig Minuten später auch noch der letzte Gast vom Foyer auf die Dachterrasse, wo das Diner stattfand, verfrachtet worden war, wurde es elektrisch in der Loge. Die zurückgekehrten Panther legten ob des rüden Betragens der Gäste Zeugnis ab, was Unbehagen unter den Musikern hervorrief.
Doch die Höllenmaschine kennt kein Pardon. Nach der Vorspeise: Elvis. Elvis verläßt also die Gruppenloge und kommt zwanzig Minuten später zurück, mit einem Gesicht lang wie ein Tag ohne Brot. 'Ich glaube, keiner hat gemerkt, daß ich überhaupt da war!' bringt er endlich zwischen zwei Zügen aus der Filterlosen hervor. Die Panther meinen, er könne noch froh sein, daß er nicht wie sie unsanft angegrapscht worden ist. Vier Stockwerke höher wird unbarmherzig weitergegessen. Nach der Hauptspeise: Marilyn. Marilyn verläßt die Loge, kommt zwanzig Minuten später zurück, um Jahre gealtert: Auch sie ist der Gewalt und der Aufmerksamkeit des verdauenden Publikums vollständig entgangen.
Ein unvergeßliches Bild, wie Marie inmitten der kopflosen Panther einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette tut und Marilyn dabei um Längen schlägt. Vielleicht werde ich doch noch ihre CD aus der Stadtbibliothek ausleihen...
PS: Ich habe gerade den Menschen, der mich letzten März als singenden Mönch beschäftigt hat, wiedergetroffen. Im Gespräch mit ihm stellte sich heraus, daß gar nicht Nizza Schauplatz der Double-Geschichte war, wie irrtümlicherweise von mir berichtet, sondern natürlich die Filmstadt Cannes!
Bitte vielstmaligst um Entschuldigstung.
(Beitrag wurde von Korian Waschweib am 24.11.2001 um 00:05 Uhr bearbeitet.)
Im Leben eines jeden Musikers gibt es unwiderbringliche Momente: im letzten März durfte ich für einen Tag das finstere Paris verlassen und in Nizza Vorsommersonne schnuppern. Die eine unvermutet freie Stunde vor dem Soundcheck verbrachte ich sitzend am Strand, das gute Jod einsaugend. Daß der eigentliche Grund meiner Reise ein gemeines Betriebsfest war, störte mich dabei nicht im Geringsten. Sicher, mit Ruhm würde ich mich nicht bekleckern: Die in einem Hotel stattfindende Party von General Electric stand im Zeichen von Hollywood. Ich wußte, daß demzufolge alle Musiker und Hotessen als Filmfiguren verkleidet sein würden. Die Aufgabe meiner fünf musikalischen Mitstreiterinnen und mir würde darin bestehen, nach dem Dessert in klerikalem Outfit Liedgut aus 'Sister Act I&II' zum Besten zu geben. Ich hatte in meiner kurzen Laufbahn jedoch bedeutend Schlimmeres überstanden , so daß mir kein Grund zum Maulen einfiel, zumal die Miete fällig war.
Niederschmetternd wurde es erst am Abend, als ich erfuhr, welche Nummern man zur Belustigung des dinierenden Führungspersonals auserkoren hatte: zwischen den Mahlzeiten sollten noch je ein falscher Elvis und eine falsche Marilyn zu DAT-Begleitung Hits der echten Entschlafenen darbieten. Vom Unglück verfolgt, bibberten die beiden Kopien den ganzen Nachmittag um ihre verschollenen Gepäckstücke, welche selbstverständlich alle zur Illusion benötigten Kostüme und Requisiten enthielten. Nachdem diese wieder aufgetaucht waren, geriet Elvis in einen heftigen Streit mit dem Hotelpersonal, doch das ist eine andere Geschichte. Zu allem Überfluß waren alle an der Maskerade Beteiligten - Sänger, Tänzer, Musiker, Hotessen, Maskenbildner, usw. - in einer engen gemeinsamen Loge zusammengepfercht.
Die falsche Marilyn kam mir unterdessen immer bekannter vor, und bald fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Niemand anderes als Marie France hatte sich dazu herabgelassen, Norma Jean zu imitieren. Ob auch sie Miete zu zahlen hatte? Und dann fiel mir auch ein, daß ich ihr bereits einige Jahre zuvor vorgestellt worden war. Eine nur flüchtige Begegnung, aber ein idealer Ausgangspunkt für eine nette Unterhaltung mit Frau France über das Auf und Ab im Showgeschäft, wobei ich auch einfließen ließ, daß ich just einige Tage zuvor ihre jüngste CD in den Händen gehalten hatte, ohne jedoch zu präzisieren, daß es in einer städtischen Leihbibliothek gewesen war.
Unterdessen nahm das Fest seinen infernalischen Lauf: Im Foyer wuselten als rosarote Panther verkleidete Hotessen umher, begrüßten die ankommenden Gäste und mußten sich auch deren oft etwas ruppige Liebkosungen gefallen lassen. Dazu ertönte im Repeat-Modus die jedem nur allzu bekannte Pink-Panther-Musik - eine bewährte Foltertechnik. Als circa neunzig Minuten später auch noch der letzte Gast vom Foyer auf die Dachterrasse, wo das Diner stattfand, verfrachtet worden war, wurde es elektrisch in der Loge. Die zurückgekehrten Panther legten ob des rüden Betragens der Gäste Zeugnis ab, was Unbehagen unter den Musikern hervorrief.
Doch die Höllenmaschine kennt kein Pardon. Nach der Vorspeise: Elvis. Elvis verläßt also die Gruppenloge und kommt zwanzig Minuten später zurück, mit einem Gesicht lang wie ein Tag ohne Brot. 'Ich glaube, keiner hat gemerkt, daß ich überhaupt da war!' bringt er endlich zwischen zwei Zügen aus der Filterlosen hervor. Die Panther meinen, er könne noch froh sein, daß er nicht wie sie unsanft angegrapscht worden ist. Vier Stockwerke höher wird unbarmherzig weitergegessen. Nach der Hauptspeise: Marilyn. Marilyn verläßt die Loge, kommt zwanzig Minuten später zurück, um Jahre gealtert: Auch sie ist der Gewalt und der Aufmerksamkeit des verdauenden Publikums vollständig entgangen.
Ein unvergeßliches Bild, wie Marie inmitten der kopflosen Panther einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette tut und Marilyn dabei um Längen schlägt. Vielleicht werde ich doch noch ihre CD aus der Stadtbibliothek ausleihen...
PS: Ich habe gerade den Menschen, der mich letzten März als singenden Mönch beschäftigt hat, wiedergetroffen. Im Gespräch mit ihm stellte sich heraus, daß gar nicht Nizza Schauplatz der Double-Geschichte war, wie irrtümlicherweise von mir berichtet, sondern natürlich die Filmstadt Cannes!
Bitte vielstmaligst um Entschuldigstung.
(Beitrag wurde von Korian Waschweib am 24.11.2001 um 00:05 Uhr bearbeitet.)