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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kießling, Thomas (Riesling mit Kießling)



Paula Lavalle
08.11.2001, 12:35
Thomas Kießling ist, sagen wir, C-Prominenz. Die Drei Jungen Tenöre tingeln derweil über Provinzbühnen, geben ihr Bestes zu unvermeidbaren Fußballvereinjubiläumsfeiern, singen standhaft bei Stadtteilidentifikationsmaßnahmen, dabei macht Thomas das Fass ö meist in der Mitte, auch dann, wenn sie aus videoästhetischen Gründen durch toskanische Heckenlandschaften trollen, tollen und singen sollen. Thomas Kießling ist, sagen wir, nach gängigen gesellschaftlichen Konventionen eine C-Schönheit, aber er sieht darüber hinweg.
Die Versuchsanordnung: Die genauen Hintergründe können nicht mehr rekonstruiert werden. Liefen in etwa so ab: Eine junge Dame gab sich geschlagen und lud Herrn Kießling zum Abendessen ein. Da sie aber nicht sonderlich kochen konnte und zudem als perfekte Gastgeberin nicht den ganzen Abend in der Küche verbringen wollte, bat sie eine Freundin aus der Eifel dazu, doch an diesem das Mahl zu bereiten. Diese setzte jedoch zwei Dinge durch. Erstens: Gekocht wird bodenständig deutsch. Zweitens: Die da wird auch eingeladen (und das war ich), denn sie habe keine Lust neben dem kochenden Teil des Abends auch noch den anstandswauwauigen Part zu übernehmen. So kam auch ich auf die Gästeliste ö ohne nähere Angabe von Details zum Warum, Wieso, Weshalb ö und versprach, Kartoffelknödel zum Diner beizutragen. Die Köchin aus der Eifel hatte sich auf Schweinsbraten mit Blaukraut festgelegt. Das Dessert würde sich spontan ergeben, dem Verlauf des Abends folgend. Menüfolge und Gästeliste wurden Herrn Kießling mitgeteilt.
Es war ein ungemütlicher Abend. Es regnete in Strömen als ich die Pfannipackungsanleitung zum formvollendeten Kartoffelkloß rezitierte und das Glas mit dem Blaukraut nicht aufging. Die Herzensdame hat es sich am Esstisch bequem gemacht. Sturmböen wehten durch die Straßen. Das Schwein bruzzelte im Bräter, die Kartoffelkloßpampe quoll vor sich hin und versteifte dabei. Zehn Minuten über die Zeit. Es klingelte. Herr Kießling tropfnass im Türrahmen. Die Herzensdame wird ungemütlich. Köchin und Gästin öffnen mit Geschrei das Blaukrautglas. Blaukraut schwappt durch die Küche, Gejohle über den Triumph, Geschrei über die Niederlage im verschütteten Blaukraut, Gelächter über die gewürzte Zubereitung. Derweil Willkommensszenen in der Manier schüchterner Pennäler im Hausflur. Kießling hat den Wein mitgebracht.
Riesling. Von der Saar. Nun, ja. Es mundet. Köchin, Herzensdame und Gästin verschmähen unter fadenscheinigen Ausreden das Blaukraut. Kießling schlägt beherzt zu. ³Noch ein Scheibchen von dem leckeren Braten?ã, säuselt die Köchin. Das Synchronschwingen von Messer und Gabel sind Kießling fremd, wildfremd. Dann der eigentliche Anlass des Diners von Heldentenor, Herzensdame und zwei unbekannten Größen: Der Sangeskünstler beginnt zu buhlen ö mit dem Charme der Sparkassenwerbung. Nein, es ist vielmehr eine Balz: Mein Haus, mein Auto, mein Bruder, meine Tante, mein Auftrittsanzug, mein Topflappen. Wir puschen die Herzensdame, denn wir wollen unbedingt zu der ein oder anderen Veranstaltung eingeladen werden (Lüge: Tanten, Omas und Opas wollen dahin, da ist mir kein Opfer zu groß), dazu solle sie gefälligst ihre Opfer bringen, denn schließlich gingen Braten, Kraut und Kartoffel ö einschließlich des unweigerlich folgenden Abwaschs ö auf unsere Schürze. Die Herzensdame ziert sich ohne Ende. Bei ³Ich habe einen Privatjetã versucht die Köchin in die Rolle der Herzensdame zu schlüpfen und rutscht aus. Volle Lotte. Schuld daran ist das Dessert. Chips. Kießling doziert über Stilvolle Diners bei Grafens und im Backstagebereichâ. Die Köchin wird fies. Der Abend kippt. Kießling will mit der Herzensdame durchbrennen, doch der steht der Sinn nicht nach Ausgehen, es regne und sei schon dunkel. Ungeschickt: Der Köchin rutschen Bratenplatte und Blautkrautschüssel aus. Das Ensemble landet Kießling im Schoß. Der Abend ist zu Ende.
Der Heldentenor und die Herzensdame haben sich nochmals verabredet - ohne je wieder miteinander zum Diner zu schreiten, scheiterte die Sache dennoch in ihren Anfängen. Die Köchin behauptete anschließend, gar nicht Kochen zu können, und verließ die Stadt ohne eine Adresse zu hinterlassen. Ich wurde am selben Abend noch Weltmeisterin im Abwasch und habe fortan bei winzigsten Laut der Drei Jungen Tenöre den Geschmack von Blaukraut auf der Zunge.
(Beitrag wurde von Paula Lavalle am 08.11.2001 um 16:07 Uhr bearbeitet.)

DerCaptain
08.11.2001, 12:42
Ja! Ja. Ja. Meine Geschichte der Woche. Von vorne bis hinten. Rund, Pointe, stilsicher. C-Promi und selbst erlebt. Yep.
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standard disclaimer: Ich finde das neue Forum gut und habe unseren Hausmeister lieb.

Murmel
08.11.2001, 12:47
Kravall mit Lavall. Etwas verwirrend, aber sehr unterhaltsam, das.

Peter Bean
08.11.2001, 12:47
Fabelhaft würzig, Frau Lavalle. Und furios. Ich liebe opulente Essensschilderungen. Man erahnt, welches Drama sich dort abgespielt hat. Bestens! Saar - besser - Naheweine sind Deutschlands Geheimtip. Ich kenne einen Winzer an der Nahe, dessen prämierte Weissweine einen direkt dazu einladen, solche Geschichten zu lesen, wie die ihre, Frau Lavalle!

vinzi
08.11.2001, 12:47
Besser als Wiglaf Drostes 'Kochen mit Alice Schwarzer'.
'Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid', kann man da nur 10mal schnell hintereinander sagen!

Ignaz Wrobel
08.11.2001, 16:20
Mein Lieblingswort der Woche:
Stadtteilidentifikationsmaßnahmen
Ich wußte es, die Frau ist ein Rohdiamant. Die Köchin war wahrscheinlich Beba, die kriegt auch nix gebacken.

Paula Lavalle
08.11.2001, 17:13
hach, junx, das tut heute richtig gut... hasse it-ler, die sich über lizenzen bepissen...
Kießling hat sich im Nachgang dann eine doofe Achtzehnjährige geschnappt. Wir trafen uns noch einmal auf neutralem Boden. Kießlings Brunder sang jahrelang in der Berliner Kalkscheune die Bukowski-Revue, aber das ist Prominenz Kategorie D oder E.
Es stimmt: Beba hat gekocht. Und es ging absolut schief.

Milchkannchen
08.11.2001, 17:15
Ich fürchte, das ist jetzt etwas gegen die Literatenströmung, aber: Mir hat die Geschichte nicht so richtig gut gefallen. Ich glaube es liegt daran, dass mir alles etwas 'bemüht' vorkommt. Etwas mehr Originalität oder etwas mehr Geradlinigkeit hätten mir besser gefallen. Vielleicht bin ich ja auch nur spiessig.

Yvonne Caldenberg
09.11.2001, 01:19
Das ist rund, sehr rund.
Die Köchin rutscht aus, will aber nicht ausgehen, rutscht wieder aus.
Blaukraut bleibt Brautkleid.
Höchstleistungen eines potenziell gefallen gewordenen Mädchens.
(Beitrag wurde von Yvonne Caldenberg am 09.11.2001 um 00:23 Uhr bearbeitet.)

Herr Cohn
09.11.2001, 02:59
'Das Synchronschwingen von Messer und Gabel sind Kießling fremd, wildfremd' - hach, so hochnäsig ohne einmal abzusetzen möchte ich auch schreiben können!

Paula Lavalle
09.11.2001, 11:45
frau kessler, die klatsche von der bild, stellte eines tages - wohl nach eigenem erleben - fest, dass es nichts unerotischeres gebe, denn männer, die in der kür des synchronschwingens von messer und gabel kläglich versagten. später führte frau kessler aus, dass männer, die erst schnippeln und dann spießen auch schlechten sex machen - hier kam frau kessler wohl auch eigene feldforschungsergebnisse zu gute. herr kießling macht demnach schlechten, leider blieb uns die herzensdame das q.e.d. schuldig...

Aporie
09.11.2001, 12:03
Äußerst vergnüglich, selbst in der Überziselierung. Bei einem so miesen Fraß kann gar nicht genug Fleisch am Knochen sein.

(Beitrag wurde von Aporie am 09.11.2001 um 11:06 Uhr bearbeitet.)

Paula Lavalle
14.11.2001, 09:43
Stadtteilidentifikationssteigerungsmaßnahme in Heiligkreuz... Kirche muss herhalten...
1000 Plätze bei Jungen Tenören
HEILIGKREUZ. (rm.) Bereits zur Hälfte ausverkauft ist das Benefiz-Gastspiel der Jungen Tenöre am Samstag, 17. November, 20 Uhr, in der Pfarrkirche Heiligkreuz. 'Über 350 der insgesamt 700 Eintrittskarten sind weg', berichtet Hermann Münzel, Organisator des Konzerts zugunsten Jugendlicher in Bethlehem. Der Zwischenstand deute auf voll besetzte Bänke hin. Auch für noch größeren Andrang ist man Münzel gewappnet: 'Wir können noch 300 Stühle zusätzlich aufstellen.', Die Jungen Tenöre (Hans Hitzeroth, Bernhard Hirtreiter und der Trierer Thomas Kießling), Sopranistin Beate Düstersieck und Julian Riem (Klavier) präsentieren einen besinnlich-unterhaltsamen Mix aus Opern-, Operetten- und Musical-Melodien. Tickets u. a. bei Reisser und Kessler, in der Drogerie Jacobi und bei kirchlichen Vorverkaufsstellen (ESG, KHG und KSJ). Abendkasse ab 19 Uhr.

vir
14.11.2001, 10:52
Verdammt, ich hatte mich schon auf den schwulen General Kiessling ('sz' gibt es nicht auf Schweizer Tastaturen) gefreut.
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Ultra posse nemo tenetur

Paula Lavalle
14.11.2001, 11:33
der ist doch schon tot... oder war es wörner...
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Das Leben ist bekanntlich zu kurz, um sich dem Abwasch zu widmen.

Paula Lavalle
19.11.2001, 11:14
MUSIK
Schmetternd, sanft oder stürmisch
Die Jungen Tenöre locken mehr als 1000 Zuhörer zum Benefiz-Konzert nach Heiligkreuz
Es war schon eine starke Konkurrenz, gegen die sich die Jungen Tenöre am Samstagabend behaupten mussten. Während sie in Heiligkreuz ein Benefiz-Konzert gaben, lockte Deutschlands beliebteste Unterhaltungssendung 'Wetten dass' die Zuschauer an die Bildschirme. Und trotzdem war die Kirche in Heiligkreuz voll.
Mehr als 1000 Besucher, von denen 300 auf zusätzlich aufgestellten Stühlen Platz fanden, waren gekommen, um die Jungen Tenöre zu hören und gleichzeitig die Ausbildung Jugendlicher im Nahen Osten zu fördern. Denn alle Einnahmen des Konzertes fließen über die Vereinigung 'D‡hers Weinberg' nach Palästina, wo das Geld für der Aus- und Weiterbildung Jugendlicher dient.
Dass die Jungen Tenöre dieses Projekt unterstützen, war für den Trierer Thomas Kießling und seine beiden Kollegen Hans Hitzeroth und Bernhard Hirtreiter keine Frage. 'Wir bekommen im Jahr über 100 Anfragen für Benefizkonzerte. Die können wir natürlich nicht alle geben, aber dieses Projekt ist so wichtig, dass wir nicht lange überlegen mussten', erzählt Thomas Kießling. Außerdem könnten sie bei diesem Projekt sicher sein, dass jede Mark dort ankommt, wo sie hin soll, sagt der gebürtige Trierer.
Es ist die Kombination aus Klassik und Pop, Musical und Schlager, die die Jungen Tenöre so erfolgreich macht. Am Samstagabend begeisterten sie die Zuhörer mit einem Mix schöner Melodien. Klassische Operntitel, beispielsweise aus 'La Traviata' von Verdi oder der Kinderoper 'Hänsel und Gretel' von Humperdinck, machten gepaart mit Musical-Titeln und Folklore den Reiz des Abends aus.
Besonders die Titel, bei denen die drei Tenöre gemeinsam ö verstärkt durch die Sopranistin Beate Düstersieck ö auf der Bühne standen, trieben das Publikum zu Beifallsstürmen. Schmetternd und sanft, stürmisch, dann wieder seichter: Das Programm zeigte sich ebenso vielseitig wie die drei Sänger und ihre Stimmen. Doch nicht nur im Ensemble, sondern auch solistisch wussten die drei Tenöre und die Sopranistin zu überzeugen.
Die Identifikation der Heiligkreuzer mit Heiligkreuz, dem Kreuz an sich, das jeder zu tragen hat, ist selbstredend gestiegen.

Ignaz Wrobel
19.11.2001, 11:25
Schöner Schlusssatz.
Ich dachte auch erst an den von Wörner als schwul bezeichneten General. Jetzt ist Wörner tot, Kiessling lebt sicher noch.

Reno Schmittchen
19.11.2001, 11:33
Die Jungen Tenöre - Die Readers' Digestifs unter den Ohrenquälern.

Paula Lavalle
20.11.2001, 17:16
so weit ich mich entsinnen kann, ist der - der homosexualität verdächtigte - kießling auch schon verschieden. vereinsamt, verbittert. dem wahren heldenhaften soldatentum entsagend, das fähnlein schwingend, den treueeid schwörend... und die drei jungen tenöre haben 'ich hatte einen kameraden' intoniert. natürlich in heiligkreuz, wo auch sonst. mit viel imbrunst und einer unterstützenden souprette. auch die junx als dragqueens. aber eine schöne feier war es...

Herr Cohn
21.11.2001, 16:59
Es gibt doch nichts Besseres, als mit gutem Geschmack über üblen zu schreiben. 'Ich hatt' einen Kameraden' ist übrigens ein berüchtigtes Lied. Dass die das singen! Passt zur Personalunion mit Heiligkreuz.

vir
21.11.2001, 17:06
Nichts gegen Ludwig Uhland.
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Ultra posse nemo tenetur

Paula Lavalle
21.11.2001, 17:36
eine reminizenz an den volkstrauertag. da musste ganz heiligkreuz durch und noch angrenzende stadtteile, wie etwa mariahof (heißt wirklich so), aber ich gestehe, noch am gleichen abend habe ich mit den drei pausbackigen junx einen getrunken und über die verkitschung von klassik (sic!) diskutiert

Herr Cohn
21.11.2001, 17:43
seitdem es diese Verkitschung so gibt, denke ich immer an Letzte Zuckungen, aber dafür dauern sie schon ganz schön lange an. Die Weichspülerei, so wie 'Klassik Radio, first class music'. Das wird auch mal vorbei sein. Nur wann, wann?
Paula, bitte erzählen Sie doch! Was sagten die Junx über das Metier?
(Beitrag wurde von Herr Cohn am 21.11.2001 um 16:45 Uhr bearbeitet.)

Paula Lavalle
21.11.2001, 18:33
Flirten mit Tenören
oder kirchengeschichtliche Exkursion in Heiligkreuz

Beba rief an. In Heiligkreuz gebe es ein Konzert der von uns nicht sonderlich geliebten drei Heißsporne. ³Muss ich da hinã, war meine Frage. ³Du willst dahinã, die Antwort. Also sah ich mich eines samstäglichen Abends an den Beifahrersitz eines silbernen Protzfahrzeugs gefesselt auf dem Weg nach Heiligkreuz.
Exkurs I ö Die Kirche
³Das muss doch hier irgendwo sein!ã. ³Dahinten ist die Kirche und da kannst Du bequem und ohne anzuecken einparken.ã ³Woher weißt Du, wo in Heiligkreuz die Kirche ist?ã Das war der Anfangsdialog zum Einstieg in die Lavalleâsche Familienhistorie, denn tatsächlich hat eine meiner zahlreichen Cousinen in diesem Gotteshaus geheiratet. ³Die eine aus dem einen Kaff?ã, fragt die Pilotin. Genau die und ich erzähle die Episoden einer ländlichen Hochzeit kurz vor der Grenze der Hochkultur ö in diesem Falle Luxembourg. Höhepunkt der Feierlichkeiten war unbestritten das Brauchtum, dass die älteren, unverheirateten Geschwister von Braut und Bräutigam mit einem Ziegebock tanzen müssen. Vor der versammelten Mannschaft, der heimischen und der gegnerischen Verwandtschaft, dem Servierpersonal und dem trauenden Pastor. Der Bock wurde besorgt und Brautschwester und Bräutigambruder stiegen in den Ring der Tanzfläche. Dann geschah das Malheur. Die Ziege schiss und pinkelte in den Ballsaal. Exkurs Ende.
Fortsetzung
Wir hatten Freikarten ö wohl das Relikt der Essenseinladung ö, wollten aber nicht von den zahlreich erschienenen Heiligkreuzern gesehen werden und zupften uns auf den aufgeklappten Notsitzen hinten links in der Nähe des Taufbeckens zurecht. Was ein Fehler war, denn bereits nach zehn Minuten zwackte der Steiß.
Exkurs II ö Die Bekanntschaft
³Wann haben wir die drei Deppen eigentlich das erste Mal gesehen.ã ³Kann ich Dir ziemlich genau sagen, im Mai achtundneunzig.ã ³Gott, was Du dir alles merkst, Paula, ich glaube ja immer noch, dass Dein Zahlwahn ein Fall für den Therapeuten istã, zischte Beba. Es war wenige Tage bevor Guildo beim Grand-Prix in Birmingham sang. Auf dem Marktplatz der Heiligkreuz übergeordneten Kommune fand ein Abschiedskonzert für Herrn Horn statt mit Ausstrahlung in der ARD. Wenige Tage zuvor war die Generalprobe. Anschließend entschwanden die Sangesbrüder in das Adolf-Wagner-Ensemble dieser Stadt. ³Und weil wir beide zu blöde waren, spitz zu kriegen, wo denn Rosenstolz, Nena, Stefan Raab und die anderen hin sind, sind wir auch dort gelandet, Beba.ã ³Kann ich mich nicht dran erinnern.ã ³Soll ich nachhelfen?ã ³?ã ³Du überlegtest an diesem Abend für welchen dieser Herren ein Gruppiedasein sich lohnen würde.ã
Fortsetzung
³Das ist nicht wahr.ã Ein Schrei durchs Kirchenschiff. Peinliche Stille. Blamierte Gäste auf den billigen Rängen beim Taufbecken. Dann das Konzert. Ich kann mich an nicht viel erinnern, denn direkt vor mir stand ein Aufbewahrungsständer für Gotteslobe. Ein interessanter Schmöker. Die Geschichte des Bistums. Das Hirtenwort des Bischofs. Die Litanei zum heiligen Laurentius. Buße in der Fastenzeit. Heiligengedenktage. Kein Wunder, dass dieses Buch ein Bestseller ist.
Auftakt ö Auffrischung alter Freundschaft
Nach dem Konzert dürstete es den Schlund nach Alkohol. ³In die Ohren kann ich es mir nicht kippenã, sagte ich einer vor mir sitzenden Karodame, ³obwohl die es nötiger hätten.ã Wir dann hin, wo mann und frau hin geht. Wir berichten der Barserviertochter direkt von den Erlebnissen des Abends, von Lied Nr. 257 und welche ökumenisch sind und welcher Psalm das interessanteste Notenbild hat. Dann springt die Tür auf. Herein kommt. Wir ducken uns. Die Bardamenbedienung lenkt ab. Dann ein Schlag auf meine Schulter. ³Na, Ihr beiden Hübschen, wollt Ihr nicht zu uns an den Tisch?ã ³Ist umsonstã, zischt Beba und Minuten später sehe ich mich gefesselt an einen Barhocker und mein Schicksal.
Diskurs ö Ist seichte Klassik ein Kennzeichen unserer Zeit
Zusammengefasst: Ohne großes Zutun meiner Bescheuertheit schafften es die drei Herren den 11. September, Andre Rieu, das MDR-Fernsehballett, grünen Tee und Meister Propper unter einen Hut und in einen Satz mit Kausalzusammenhängen zu packen. Ergreifende Diskussionsführung. Tenörige These eins: Klassik ist niemals seicht. Tenörige These zwei: Und ist sie seicht, so ist es keine Klassik mehr. Tenörige These drei: Andre Rieu kann nicht singen. Tenörige These vier: Grüner Tee macht schlanke Beine oder so. Monotenörige These: Das mit dem Abendessen stimmt so nicht, er wollte nie was von der Herzensdame und wir seien ohnehin dumme Tanten. Alles andere war guter Rotwein.
(Beitrag wurde von Paula Lavalle am 21.11.2001 um 17:56 Uhr bearbeitet.)

Herr Cohn
21.11.2001, 19:22
Danke, danke! Ich liege immer noch unter dem Tisch vor Lachen! Monotenörige These, welcher Psalm das interessanteste Notenbild hat!

Paula Lavalle
21.11.2001, 23:32
herr cohn, ist ihnen noch nicht aufgefallen, dass psalme in katholischen gottesloben wirklich interessant aussehen, ohne taktstrich und ohne komma, eher wie fliegenschiss, ich habe sogar kurz überlegt, ob ich nicht mit der nummer zu 'wetten dass' soll. letztes mal waren kinder da, die erkannten depperte lieder an luftblasen im wasser...

Paula Lavalle
22.11.2001, 00:09
nach meiner willemsen-offenbarung, herr cohn, überlege ich die ganze zeit, ob ich nicht auch in dieses tenöhlende fass verliebt war, heimlich, klammheimlich. ein anzeichen entdeckte ich eben gerade in meiner geschichte: er kann nicht mit messer und gabel essen, dass synchronschwingen der essinstrumentarien ist ihm fremd und ich finde doch rasenmähen so unheimlich erotisch.
doch das schwärmen für den tenor muss schon jahre zurückliegen, bevor ich überhaupt betroffen war, damals, da machten wir so ein die-in auf dem schulhof in der großen pause. gegen atomkrieg und solche dinge. wir mussten uns hinstellen, dann kam die schülersprecherin melanie und schrie atomblitz. in diesem moment fielen wir alle hin und spielten je nach rollenbesetzung 'toter mann' oder 'tote frau'. zwanzig minuten auf dem kalten teer des schulhofs an einem schaurigen märzmorgen, das konnte ja nicht gut gehen. auf mir drauf lag der doofe bernd, der beim atomblitz gerade an mir vorüber lief, und ich merkte mir, kommt es je zu einem atomkrieg, dann halte dich vom doofen bernd fern. ich habe bernd auch nie wieder gesehen, aber aus der ferne betrachtet, glich er dem tenöhr schon söhr, vor allem in der gewichtsklasse. und ich hielt handgestoppte zwanzig minuten still und den doofen bernd aus. das ist doch der beweis. ich hätte ja auch zum doofen bernd sagen können, du, stirb woanders. aber nein, kein muks kam über meine lippen.
aber es kam, wie es kommen musste. als der gong die pause beendete, kam der religionslehrer und rief 'auferstehung'. am nächsten tag war ich krank. auch hier blieb eine lebensweisheit: wer auferweckt wird, hat am nächsten tag die grippe.
(Beitrag wurde von Paula Lavalle am 21.11.2001 um 23:14 Uhr bearbeitet.)

Herr Cohn
22.11.2001, 04:16
Nein, Sie waren nicht in das Fass mit der spitzen Stimme verliebt, in den doofen Bernd ja auch nicht, und es gibt doch so viel nettere als Rasenmähermänner!

Paula Lavalle
22.11.2001, 11:00
Herr Cohn, das wird aber jetzt sehr indiskret. Wie sieht denn das entsprechende Thema bei Ihnen aus. Gibt es in Ihrem Leben Äquivalente zum Primo Uomo oder zum debilen Bernd?
Nicht, dass ich neugierig bin...

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Das Leben ist bekanntlich zu kurz, um sich dem Abwasch zu widmen.

Tobi Wahn
22.11.2001, 11:52
Du liebe Zeit, Frau Lavalle. Was findet Ihre Freundin bloß an DIESEM Typen. Nachdem ich sein Tagebuch gelesen habe, kann ich mir kaum einen drögeren B-Klasse-Prominenten vorstellen.

'Am Donnerstag fahre ich mittags nach Linz, dort geben wir abends ein Konzert. Dann habe ich noch Zeit für einen kleinen Stadtbummel - und wie ich mich kenne, werde ich dann bestimmt wieder etwas kaufen, was ich eigentlich nicht brauche. Meistens sind es Schuhe. Ich besitze 70 oder 80 Paar. Auf Tournee habe ich aber immer nur vier oder fünf Paar dabei.'
So ein Schelm, dieser junge Tenor. Und was der für verrückte Sachen macht ...
http://www.zeit.de/2001/14/Leben/200114_titel_7_tage.html

Paula Lavalle
22.11.2001, 12:02
Zitat aus der Zeit: 'Am Sonntag werde ich zu Hause ein bisschen Büroarbeit erledigen. Es ist nämlich nicht so, dass wir Künstler nur unsere Auftritte absolvieren und uns nicht um die Organisation kümmern. Natürlich vereinbart unsere Managerin die Termine für uns, aber wir besprechen alles Wichtige ausführlich: ob es sinnvoll ist, mal eben eine CD-Aufnahme einzuschieben oder einen freien Tag für eine Gala in Dubai oder Antalya zu opfern. Weil ich so oft unterwegs bin, reserviere ich immer einen Teil meiner freien Zeit für die Familie und die Freunde.'

Paula Lavalle
25.11.2001, 00:33
morgen wird im Hause Kießling wieder Büroarbeit erledigt... und ich habe das nächste Date mit ihm... Heiligabend mittags um zwei... gott, wie konnte ich nachgeben...

McGoohan
07.01.2002, 10:48
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