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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Houellebecq, Michel



Joachim Lottmann
05.11.2001, 15:29
Für das Schreiben, erst recht das mündliche Berichten, gibt es in manchen, seltenen Fällen ein ZUVIEL an Erlebten. Ich merkte es, als mich Elke (Naters) unmittelbar nach meiner Begegnung mit Houle scharf zur Rede stellte: 'Na, und? Wie war's?' Ich konnte nur ausweichen. Ich faselte irgendwas, ich weiss es gar nicht mehr. 'Und wo hast du ihn getroffen?' Ich sagte, es sei wohl im Sky Train gewesen, das sei so ein Zug weit über den dächern Bangkoks, der in ziemlicher Höhe verkehre, viel höher als unsere S-Bahnen, 30 Meter über der Erde, sehr bemerkenswert, wie in Fritz Langs Metropolis, und er sei recht teuer, dafür führen nur sauber gekleidete junge Thailänderinnen darin, die einem genau gegenübersitzen würden und den Blick unterwürfig zu Boden... Elke unterbrach mich recht ungehalten. 'Genau wie bei Christian (Kracht), dieses Rumgelabere, ich kann es nicht mehr hören! Sprich Klartext mit mir, sonst fühl ich mich verarscht und blöd! Wie war er, wie habt ihr euch getroffen?!' Ich räusperte mich, war völlig hilflos. 'Zufällig halt...' murmelte ich. 'So eine Scheiße! Houellebecq trifft man nicht einfach so! In Bangkok!!' Sie schrie förmlich und die Kinder liefen weinend auf die Veranda. Sie hatte ja recht. Bangkok war dreieinhalb mal größer als Berlin. Aber ich MUSSTE ihn zufällig treffen, das war doch die Hauptregel beim Paparazzen. Die Frau beim Verlag (Dumont), der Platforme in Deutschland rausbringt, Houles großen Roman über Thailand, hatte mich sogar ausdrücklich gefragt, ob ich denn keinen Termin mit dem Autor wünsche. Nein, die deutsche Übersetzung würde genügen. Es waren aber erst acht Seiten übersetzt, und die habe bereits die FAS (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) gekauft. Selbst das französische Original war erst Tage vor meiner großen Recherche sprich Suchreise in Deutschland ausgeliefert worden. Hase, die besser Französisch spricht als Deutsch, übersetzte mir daraus während des 23-stündigen (mit Anschlußverbindungen) Fluges. Ich hab's aber grundsätzlich lieber in der Sprache meines Vaterlandes, also tiptop literarisch perfekt deutsch (die Übersetzungen sind ja immer besser als das Ur-Gestammel, jedenfalls wenn sie von Ulli Wittmann verfertigt werden), und so trat ich mit Wittmann in Kontakt, ein brillianter Franzose und guter Deutscher. Er versprach mir, die nächsten zehn Seiten direkt an Sven (Lager) zu mailen, meinem Gastgeber. 'Das wird Sie eine hübsche Stange Geld kosten, mein Lieber, die FAZ war auch nicht kleinlich.' Ich sagte, daß die SZ (Süddeutsche Zeitung, d.Red.) dem sicherlich nicht nachstünde. 'Und Sie treffen Houllebecq in Thailand? Ein Team vom französischen Sender Canal 5 war auch gerade da. Sehr interessant. Hab ich auf Video aufgezeichnet. Aber wollen Sie das Interview nicht in Paris führen? Da haben sie mehr Ruhe, das sage ich Ihnen.' Er lachte etwas häßlich, vielleicht irrte ich mich auch. Ich wollte ihm nicht sagen, daß ich im Forum keine terminierten Treffen behandeln durfte und wich aus: 'Ach, Ulli, wissen Sie, das Thema Sexuelle Ausbeutung der Dritten Welt durch die Erste, noch dazu jetzt, da sich sexuelle und kriegerische Handlungen globalisiert zeigen, behandle ich lieber direkt vor Ort. Ich bin ja nicht irgendwer und die SZ ist nicht irgendeine Zeitung.' Doch zurück zu Elke. Sie verstand nicht, daß mir die Worte nicht fliessen wollten beim großen Erlebnis. Für mich war das sehr unangenehm. Sie war meine Gastgeberin. Sie leitete Worpswede. Sie war gut gewesen gegen meine Nichte, hatte ihr die doch arg vermißte Mutter ersetzt. Sie hatte 'Königinnen' geschrieben, ein wichtiges Buch. Ich bekam einen echten Schweißausbruch, was gar nicht so leicht ist in einem Land, in dem man ohnehin immerzu schwitzt, bei einer Luftfeuchtigkeit von 120 Prozent und einer Dauertemperatur von 38 Grad das ganze Jahr (weil Äquator). Ich gab zu, ihn nicht im Sky Train getroffen zu haben. 'Wo DANN?!' schnaufte sie. Es war für sie wohl wirklich wichtig, und ich erkannte darin, welche Bedeutung der verfemte Autor inzwischen hatte (die Taliban hatten die hl. Fatwa gegen ihn verhängt, da er islamistische Araber in seinem neuen Buch sehr schön als 'Kamelficker' beschreibt). Ich sagte, Hase habe ihn mir zugeführt. 'WO?!' 'Äh... auf einer Party. Hase macht gern party-party.' 'Unmöglich! Sie war die ganze Zeit bei uns im Haus!' 'Nicht immer. Manchmal hab ich sie ins Bordell mitgenommen.' Es sollte gar nicht lustig klingen (war ja auch nur die Wahrheit), aber Elke überlegte erstmal und schwieg. Dann sagte sie wieder, ich sei wie 'der Kracht' und sie könne es nicht mehr hören. Das sei alles bullshit-Gerede und das Gegenteil von Kommunikation. Sie begann fast zu weinen und holte zur Ablenkung die Kinder zurück. Fast das ganze Haus hatte ich zum Weinen gebracht. Aber es ist wirklich SCHWIERIG, etwas so Ungeheuerliches einfach so locker zu erzählen. Also diese Houle-Sachen, die ja immer viel mit Sex zu tun haben. Hase kam und ich munterte mich auf. 'Na, weißt du noch, wie du mir im Flugzeug einen runtergeholt hast?' Sie hob drohend den Zeigefinger. 'Wehe, du schreibst das auf!' 'Nee, bleibt alles in der Familie, keine Angst... und ich hab wahrlich anderes zu schreiben', seufzte ich, 'diesen Houellebecq-Scheiß... es fällt mir schwer, es auch nur zu ERZÄHLEN.' Elke hatte das aufgeschnappt. Aber nicht richtig. Sie begann, das Buch 'Elementarteilchen' zu rezitieren und schnitt von sich aus das Thema Swinger-Clubs an. Hase verstand nun 'Swing Clubs' und berichtete von einem Film, den sie darüber gesehen hatte. Die sogenannte Swing Jugend sei die erste deutsche Pop-Bewegung gewesen, belehrte sie uns. 'Freilich, Hase, ich war doch dabei, kurz vor dem Krieg', log ich. In Wahrheit war ich damals noch zu klein für Schallplatten. Sven kam von oben (wir saßen auf der Terrasse, er hatte die Räume mit den kirchenschiffgroßen Ventilatoren vorgezogen) und griff dankbar das Wort Swinger Clubs auf. Auch er hatte darüber etwas zu sagen, sogar er, mein geliebter Freund Sven (Lager), nämlich über die ungefähr hunderste Sendung 'Swinger Clubs in Brandenburg', die er gesehen hatte. Ich schüttelte mich. 'Daß ihr sowas Scheußliches überhaupt in Euer Bewußtsein reinlaßt...' wunderte ich mich halblaut und schlug Hase vor, sich erstmal in der Toilette einzuschließen. Sven sagte rasch, er habe doch nur über Houellebecq geredet, sozusagen mir zuliebe. Elke fragte mit einem schlimmen Unterton, ob ich den denn überhaupt gelesen habe. Ich schüttelte den Kopf: 'Natürlich nicht. Ich laß' mir doch meinen eigenen Houellebecq nicht nehmen!' Sie stand abrupt auf. 'Waa-as?! Dann ist also alles wieder nur Blödsinn?' Ich beugte mich unsicher zu ihr, flüsterte: 'Es ist... mein besonderes Verhältnis zur, äh, ...' Ich kriegte das Wort nicht über die Lippen. Dann sagte ich zu Sven: 'Ich bin ein Arbeiter des Überbaus. Das weiß man doch jetzt. Oder immer noch nicht?' Elke meinte wieder, ich gefiele mir in Andeutungen, wolle verwirren, mich wichtig machen, aber da sei nichts dahinter, GAR NICHTS. Wie beim Kracht. Alles keine solide Literatur, bloß Schaumschlägerei. Gemeinsam sei uns beiden auch, daß wir weder beim Bund noch beim Zivildienst gewesen seien. Ihre Stimme schwoll an: 'Deine Rede sei ja ja oder nein nein, steht in der Bibel! Kein Drumherumgerede!' Hase schlug vor, einfach die Musik zu wechseln. Bis jetzt hörten wir Jochen Diestelmeyer alias Blumfeld, den ich aufgelegt hatte. Eigentlich sehr harmonische Musik, liebenswerte Texte ('Ihr habt alles falschgemacht / nie über etwas nachgedacht / Doch jetzt ists vorbei / wir sind frei...'), doch nun legte das gute Kind weichgespülten Berliner Spät-Tekkno auf, grauenvoll und weder gut noch laut, sondern nur kontinuierlich störend. Wir mußten nun alle so laut reden wie Elke, auch wenn wir gar nicht wütend waren. Elke informierte auf dessen Frage endlich Sven, worüber wir uns überhaupt stritten: 'Joachim hat mit den Fernsehleuten Houle getroffen und will nicht raus mit der Sprache.' Sven atmete auf. 'Ach, ich dachte es ginge um Christian.' 'Nein.' 'Der ist übrigens Star der Buchmesse.' 'Wer sagt das?' 'Gerrit Bartels.' 'Der Gerrit Bartels von der taz?' 'Ja, der.' 'Dann stimmt es auch!' Wir freuten uns alle und schwiegen beglückt. Ich, weil ich angeblich so war wie 'der', Sven, weil er mich mochte und für den geistigen Vater von Christian hielt, Elke, weil der Angesprochene ein Teil von Worpswede war, Hase, weil sie ihn gerade kennengelernt und man ihr (fälschlicherweise) zugetragen hatte, er würde sie mögen, die Kinder, weil die Erwachsenen gute Laune bekamen. Dann aber sagte Sven, ganz ungehalten: 'Wie war es denn nun mit Houellebecq??' Der Eiertanz begann von Neuem. 'Darüber möchte ich jetzt (räusper) nicht sprechen.' 'Warum denn nicht? Sind wir dir zu doof dafür?' 'Nein, weil es mir peinlich ist.' 'Warum denn das?' 'Weil es zu intim ist.' Jetzt schwiegen sie beide, wirkten verärgert. Ich sagte: 'Es ist so intim, weil ich darüber schreiben werde, nicht weil es mit Sex zu tun hat.' Sven guckte erleichtert hoch. 'Ach so! Ich dachte schon, du hättest... also, man, äh, hört da... von wegen...' Ich wußte nicht genau, was er meinte. Ich weiß es eigentlich immer noch nicht. Denn nun legte er die Platte 'Sextourismus in Thailand' auf und referierte frei zwanzig Minuten lang über dieses Thema, ließ sich nicht stoppen. Ich hielt mir die Ohren zu. 'AUFHÖREN! AUFHÖREN! Ich darf mir mein Thema nicht kaputtrecherchieren lassen!' 'Warum nicht?' 'Weil es das alles gar nicht GIBT!' Sie sahen mich an, warteten auf eine Erklärung. Die wäre gewesen: seit zwei Wochen schwommen Hase und ich durch den Strom der neun Millionen Einwohner Bangkoks, berauscht, selig, und wir sahen hundert tolle Sachen pro Minute, wunderbare Menschen, ein Volk der Liebenden, ein Traum. Wir konnten nicht finden, daß Thailand ein einziges großes Bordell war. Auch in der hinterletzten deutschen Kleinstadt gab es mehr Prostitution als hier. Jeder brandenburgische Swinger Club entwickelte mehr böses Kharma als alle Freudenhäuser Südostasiens zusammengenommen. Houellebecq hatte sich alles nur ausgedacht, wie Brett Easton Ellis seine Models in Glamorama, das war doch gerade das Gute daran. Deswegen durfte ich mir jetzt auch meinen Houellebecq ausdenken. Nur treffen hatte ich ihn halt müssen, wegen Forum und so. Weil die wissen wollten, wie er AUSSIEHT. Das ist doch der Witz beim Forum: man trifft einen Prominenten und teilt dann allen seinen Freunden per e-mail mit, wie der denn in Wirklichkeit so aussieht. Ich wandte mich zu Elke: 'Sieh mal, ein Bild - ich wähle jetzt einen ganz anderen Bereich, um das zu verdeutlichen - ein Bild ist doch auch nicht wichtig, weil es gemalt ist, sondern weil darüber geschrieben wird und WIE darüber geschrieben wird, WAS dazu gesagt und neu gedacht wird.' 'Am Ende ist dir die Wirkung einer Sache noch wichtiger als die Sache selbst...' resümmierte sie verächtlich. Gott sei Dank. Sie hatte mich verstanden. Wir müssen ins gesellschaftliche Bewußtsein eingreifen, das andere sollen Kunsthandwerker tun. Juith Hermann zum Beispiel. Aber Michel hat den ganzen literarischen Bereich repolitisiert, deswegen ist er toll. Da greife ich ein und mit mir Millionen. Alle reden, einige schreiben. Die Debatte ist da, was schert mich das Buch? Soll ich mich zu seiner Grammatik äußern? Ich wollte das alles gerade ausführen, als eines der Kinder, nämlich der siebenjährige Anton, mir ein Geschenk überreichte. Ein Schlüsselanhänger in Form eines kleinen Stoffschweines. Aber überspringen wir jetzt ein paar Stunden, freilich rückwärts, und kommen zu der Szene, in der ich den Autor traf. Soviel sei noch gesagt: Es gelang mir bis zuletzt nicht, den Worpswede-Leuten (später kamen noch andere hinzu) die Szene zu schildern. Ob ich sie nun wenigstens zu Papier bringen kann, müssen wir also abwarten... Über die Prostitution in Thailand läßt sich vielleicht folgendes sagen: 99 Prozent aller Frauen leben absolut anständig, gehen jungfräulich in die Ehe, haben ihren ersten Kuß mit 27 (subjektiv gefühltes Alter etwa die Hälfte) in der Hochzeitsnacht. Bis dahin lieben sie ihre Eltern und Geschwister, vor allem sind sie religiös, liebenswert bhuddistisch. Sie leben im Land der Liebe, ich sagte es schon, vor allem aber sehen sie wahnsinnig geil aus. Alle unter 20 sehen aus wie Kinder, fallen also weg, alle 20- bis 40-jährigen sehen aus wie Teenager, alle über 40-jährigen verstecken sich in Bambushütten, die sieht man grundsätzlich NIE. Auch die 'Männer' machen sich seltsam unsichtbar. Ab und zu sieht man irgend einen subalternen Bengel hinter einer Ecke verschwinden, der war dann laut Geburtsurkunde ein 'Mann'. Da kann man natürlich nur lachen, wenn man selbst viermal so groß ist. Die süßen Frauen nun, die mit den Weißen schlafen, machen das nicht, weil sie 'versaut' wären, wie man annehmen könnte (immerhin befriedigen sie ja angeblich die seltsamsten Wünsche). Man muß sich das so vorstellen: Kämen zu uns Japaner, deren geheimster und obszönster Wunsch es ist, mit ihrer kleinen Nase die Nase eines weißen, großen Mannes zu berühren, ein in Japan so sagenhaft verbotenes und gigantisches Tun, daß sie für dieses Naserubbeln 3.000 Mark bezahlten, dann würde ich, wenn ich total Pleite wäre und eine große Familie von mir ökonomisch abhängig wäre, das tun. Ich würde die dreitausend Mark mit Freuden einstecken und mich überhaupt nicht versaut dabei vorkommen. Den vor Dankbarkeit grunzend kollabierenden kleinen Japanern wäre ich ebenfalls nicht gram, sondern würde ihnen einen guten Heimflug wünschen. So ist das also in Thailand. Die Mädchen dort sind wirklich lieb, sie wollen einen gar nicht mehr gehen lassen, nehmen partout kein Trinkgeld an und folgen einem noch durch die ganze Stadt. Dies muß einen nicht beunruhigen, denn Kriminalität ist in dieser Region vollkommen unbekannt. Michel hat also, seinem schwarzen Gemüt entsprechend, ein schwarzes Bild einer Sache gemalt, die eigentlich golden ist. Die Anmut der Thaifrauen - tja, man ist gewillt, den Satz nicht zuende zu schreiben, und tut man es doch, hat man der Sache keinen Dienst erwiesen. Selbst die Singapore Airlines werben so penetrant mit dieser 'Anmut' genannten Eigenschaft, daß ich schon als junger Mann nur höhnisch auflachen konnte ('he he, gleich bläst sie ihm einen...'). Anmut kann man eben nicht beschreiben, man muß sie gesehen und erlebt haben. Thaifrauen rutschen auf dem Mann herum, als habe eine unsichtbare Gotteshand ihren kleinen elastischen Körper gepackt und wische mit ihm als weichen, shampoogefüllten Schwamm herum, ein menschlicher Ganzkörperschwamm, der alle Hügel und Täler des bleichen, massigen Westkörpers gleichzeitig knetet, liebkost, spült... ein Wunder! Wie sollte man das beschreiben, ohne sich lächerlich zu machen? Noch dazu vor Elke, die wahrscheinlich schrill werden würde: 'Was, kneten, liebkosen - was denn nun? Entweder oder! Entscheide dich, red nich so schwul herum, Mann. Deine Feiertags-Folklore-Rede kannste mal vor dem Komitee zum Schutz der Opfer von Sextourismus und Kinderprostitution der UNO-Flüchtlingshilfe halten, du verKRACHTer Spinner!' Mir erginge es wie Peter Handke, der es eines Tages nicht mehr ausgehalten hat mit den immer-immer-immer-gleichen Greuelgeschichten der Serben in den Medien ('Serbien muß sterbien'), und nach Belgrad fuhr und lauter nette Leute traf und das beschrieb. Er sagte einfach nur, was er erlebt hatte, er ließ nichts weg, fügte nichts hinzu. Damit war er erledigt, also selber Kriegsverbrecher. Seitdem kann man Handke nicht mehr spielen. Selbst ich war genötigt, mich von ihm vor meinen engsten Freunden zu distanzieren ('Handke-Fan, ich etwa? Oh mein Gott, nein, früher einmal. Aber seine Rezeption der Balkanproblematik sollte als naiv zu gelten haben, finde ich, also ganz entschieden jetzt.' Aus: jungle world 12.10.1999). Ich wollte eben weiter dabei sein. Auch meine Relativierung der Houellebecqschen Thesen wäre auf dünnem Eis. Aber das Forum liest ja keiner. Und ich beschreibe ja nur, wie er aussieht, eigentlich und wie gesagt. Und wo ich ihn traf. Also ich hatte von Canal Cinque die Auskunft bekommen, sie drehten mit ihm auf Koma Sui. So oder so ähnlich hieß eine Insel im Süden Thailands. Hase brachte mich mit dem Nachtzug hin, was ganz lustig war, nämlich viel normaler und selbstverständlicher als bei uns. Tausend Kilometer, kein Problem, keine Hektik, alle lächeln wie gewohnt. Man kann nämlich jedem thailändischen Menschen beliebig lange in die Augen schauen und Entdeckerfreude sehen, Lust aufs Gegenüber, Klugheit. Und sie sehen auch alle so gut aus, vielleicht liegt es daran. Wer gut aussieht, kann sich eben viel leisten. Wir waren einmal auch kurz in China, meine Assistentin und ich (wenn schon, denn schon), und da lächelte keiner mehr. Selbst junge Mädchen, ja junge Männer sahen aus wie alte, verbiesterte Frauen, die entrückt vor sich hinschimpfen und mit krummen Rücken Krötensuppe kochen. Meine Euphorie bezieht sich nur auf Thailand, China kann mir nach wie vor so gestohlen bleiben wie das entsetzliche Russland. Und gerade deshalb ist es so ärgerlich, daß dieses lotusgetränkte Land der Erlösung und Erfüllung als neues Ballermann-Sechs-Mallorca kommuniziert und 'prozessiert' (R.Goetz) wird. Also auf Koma Sui lernte ich einen Mann namens, hmm, lieber mal Datenschutz hier, muß auch mal sein, und der erzählte mir, wo Houle nachts WIRKLICH hingeht, nicht nur fürs Fernsehen, nämlich ins Hotel Prince in der New Petchabury Road (also Bangkok natürlich), was aber nur die Deckadresse sei. Da müsse man sich hinfahren lassen und aussteigen und sich dann zu irgendeinem Nebengebäude durchfragen. Er nannte ein Codewort und noch ein anderes. Gesagt, getan. Nach meinem alten Lebensmotto 'Nicht ohne meine Tochter' nahm ich Hase selbst dahin mit, besser sie mich, denn da war es echt gefährlich, und gefunden hätte ich da gar nichts. Wenn ich als Reporter jemals gescheitert wäre, dann hier. Schon diese Straße hätte ich nie und nimmer gefunden, da thailändische Taxifahrer nur thailändische (chinesische) Schriftzeichen kennen und die Straße viel zu klein war, um sie irgendwie beschreiben oder zuordnen zu können. Selbst Hase verschliß an diesem Tag vier Taxifahrer und diverse Tukk-Tukks. Dann aber waren wir da. Sie war nun also nicht mehr Nichte, sondern bereits Tochter, da sie in diesem Zuhältermilieu den vollen Schutz eines Erwachsenen bekommen sollte. Houellebecq wußte, daß ein deutscher Mann wohl seine Nichte, niemals aber seine eigene Tochter von einem wrackigen französischen Schriftsteller mißbrauchen lassen würde. Das war mir wichtig. Ich behandelte Hase auch schlagartig mit mehr respect und unterließ niveaulose Scherze mit 'runterholen' und so weiter. Ich schrie sogar 'Man sieht deine Unterhose!!' und nestelte hysterisch an ihrer Jeans, zog sie mit aller Kraft nach oben. Prompt verzog sie den Mund zu einem schiefen Entenschnabel und quakte mißgetönt 'Dad!', was sich anhörte wie Dääääd!! und durch die ganze Lounge hallte. Dann passierten diverse Pannen, die nun unwichtig sind, am Ende fuhr uns ein Taxi in die nebengelegene Tiefgarage, wo sich ein Sexschuppen neben dem anderen befand. Sah aber alles aus wie Kfz-Handel, Schwarzarbeit, Umspritzen, Lada-Klitsche, Rußland, eben wie: UNTERWELT. War ja auch alles unter der Erde. Die Luft nicht zu atmen, wie der Heißdampf, mit dem bei uns in den Waschstraßen die Autos gewaschen werden. Hase mußte mich die letzten Meter tragen. Hier also lebte Michel. Hätte man sich eigentlich denken können. Wir passierten wieder einen Pförtner, sehr freundlich. Der dachte, hier bringt sich einer die Dame mit, zum flotten Dreier (heißt heute sicherlich anders). Drinnen jedenfalls wurde das immer wieder ausgesprochen, fast verlangt: 'Ju tak ladi for tu!' (Sie nehmen zwei Frauen für den Geschlechtsverkehr). Auf keinen Fall wollten sie Hase allein da rumsitzen haben. Diverse Gangster wurden besorgt hinzugezogen. 'Wot is sis?' (Was ist denn das für eine Person). Ich sagte immer 'my daughter', aber sie verstanden das Wort nicht, außerdem ist meine englische Aussprache irreführend schlecht. Die armen Gangster sahen bemitleidenswert konfus aus, wieder nur so dünne Hemdchen, die man umpusten konnte. Dagegen die Frauen: begeisternd. Sie saßen hinter einer großen, etwa zwanzig bis dreißig Meter breiten Schaufensterscheibe, nackt, angestrahlt mit superhellen Scheinwerfern, eine Nummer um den Hals. Bestimmt fünfzig Frauen, eine überwältigende Menge also. Drinnen im Dunkeln lümmelten sich ein paar Männer in die schweren Sessel, nur ein Westler, drei, vier andere, vielleicht Araber, schwer zu erkennen bei dem Licht. Obwohl es im Spannerraum so dunkel war, erkannten die fünfzig angestrahlten Mädels Hase und mich sofort, also MICH sofort, Hase zählte wahrscheinlich nicht, und richteten ihre aufgerissenen Augen auf mich, lächelten, winkten, sprangen hoch vor Freude, warfen Kußmünder. Ich konnte nicht hinsehen. Das klingt sicher jetzt unglaubwürdig, aber es war so. Immer mehr Gangster kamen und versichterten, Hase könne dabei sein beim Akt. Dann sagte Hase einmal zufällig 'Papa' zu mir - mein Wort, Leser, es war so - und das verstanden sie plötzlich. Einer wiederholte es: 'Papa!!' Und alle lachten brüllend vor Vergnügen und Erleichterung, 'Papa! Papa! Papa!'. Sie fielen sich und mir fast um den Hals. Mensch, der Papa! Klar, daß die Tochter da zusehen will! Nee (Scherz), Hase war von da an in Sicherheit, das versicherten mir alle Gangster mit treuherzigen Blicken. Sie konnte auf Houellebecq aufpassen, während ich ein Thaimädchen bekam, was sich folgendermaßen zutrug: Hase, die im Gegensatz zu mir neugierig auf die Frauen glotzte, meinte sofort, da sei eine, die sei komplett außergewöhnlich. Ich blinzelte einmal hin und sah es auch sofort. 'Die mußt du unbedingt nehmen, überhaupt keine Frage.' Eigentlich hatte ich an dem Tag schon zwei im Hotel gehabt und gar keine mehr im Sinn, schließlich war Houellebecq-Tag, aber DIE mußte es nun wirklich sein. Das Ultra-Erlebnis! Ganz schwindlig vor Verliebtheit kam ich da viel zu spät wieder raus, ich wußte gar nicht mehr, was ich mit Michel wollte, als ich Hase schlechtgelaunt mit einem Westler-Penner am Tisch wiedertraf, den sie offenbar nicht abschütteln konnte, selbst sie nicht, oder nicht wollte. Trotz aller Berauschtheit und Verliebtheit war ich irgendwie gereizt, und Hase war es auch, ich hatte die Zeit vergessen und sie viel zu lange warten lassen. Sie machte mir aber keine Vorwürfe (täte sie nie vor Leuten), sondern nörgelte: 'Meeensch Jolo, was man hier alles abwehren muß, es ist die Härte. Erst so ein blöder Däne, den hast du vielleicht auch noch gesehen, der kam immer wieder. Ich dacht schon jetzt sag ich ihm gleich mal die Meinung, hab ich dann auch, erzähl ich dir noch, und dann, das war noch viel schlimmer, dieser ARABER! Muß ich dir ALLES noch erzählen! Und dann dieser Hooligan hier, den hab ich erstmal gelassen, wer weiß, was sonst noch gekommen wäre.' Das war natürlich Michel. Ich sagte es ihr und fragte, ob sie das denn gewußt habe. 'Nee, woher denn? Ich habe ihn gefragt, er hat gesagt, er sei nicht Michel Houellebecq, sondern ein anderer Franzose, der nur so aussehe.' Ich regte mich auf: 'Verdammt, ich kenne doch Houellebecq! Was redet der da?!' Ich sah ihm scharf in die Augen. Ohne Hase anzusehen, sagte ich, wobei ich zu dem Mann redete, sie solle ihm auf Französisch sagen, ich sei Joachim Lottmann. Das schien ihm zu gefallen, jedenfalls sagte er, er habe 'Mai, Juni, Juli' gelesen, ein gutes Buch, sehr lyrisch. Ich bedankte mich. Mehr war aber nicht aus ihm herauszulocken. Er sagte etwas zu Hase, was sie sich weigerte zu übersetzen. Da die volkstümlichen Vokabeln coucher avec moi darin vorkamen, konnte ich mir dennoch einen Reim darauf machen. Irgendwie war es wohl peinlich oder so, womöglich dachte er, ich würde ein Problem haben, oder er war nur müde wie immer. Oder, am wahrscheinlichsten: Er hatte nur darauf gewartet, daß dieses Super-Thai-Mädchen, das ich gehabt hatte, frei würde. Mit der zog er nun ab. Mir war es nur recht. Er hätte auch sofort abhauen können. Für den höflichen Paparazzo genügt eine Sekunde, um schreiben zu dürfen. Er hätte nicht erst lange meiner 'Tochter' in den Schritt fassen müssen, wie sie mir später erzählte. Nun will der fleißige Forumsleser natürlich vor allem wissen, wie er denn aussah, der Prominente, sprich: was er anhatte! Nun, er trug eine weiße Scharping-auf-Mallorca-Hose, so ein Leinenstoff, in jeder Boutique erhältlich, ebenso in guten wie in schlechten Kaufhäusern, dazu ein dunkelrotes Polo-T-Shirt, halbärmelig. Seine unbestrumpften Füße steckten in braunen Mokassins. Natürlich hatte er kein blödes Tattoo und erst recht keinen Nasenring. Er war ja kein Blödmann. Stattdessen rauchte er gut erzogen Gaulloises sans filtre, wie es für französische Schriftsteller von der académie francaise vorgeschrieben ist. Bestimmt hatte er eine gute Zeit mit der Kleinen, und ich gönnte sie ihm. Sicher gab sie ihm ihre Handynummer und e-mail-Adresse, genau wie mir. Sicher mußte sie lachen, als er ihr sagte, er sei ein berühmter Schriftsteller, auch wenn er nicht so aussähe, denn genau das hatte ich ihr schon über mich gesagt. Und wenn der Dumont Verlag wirklich noch auf ein Treffen von uns beiden in Paris bestand, wußte ich wenigstens, worüber ich mit ihm reden konnte. Ich bin dann mit Hase nach Hause gefahren, also zu Elke (Naters) und Sven und den anderen, und von da an kennt man ja die Geschichte. Die habe ich ja lang und ermüdend breit erzählt. Also wie Elke meinte, ich würd nur schwul rumlabern oder was. Ich solle mal aufstehen, wenn ich ein Schalker sei. Von einem Mann verlange sie eine klare Ansage, das habe schon Helene Weigel verlangt. Gerade als Schriftsteller müsse man mit bedingungsloser Schärfe Position beziehen und so weiter... und der Leser will nun einfach nur noch wissen, wie DAS denn nun endete. Nämlich so: Ich gab ihr einfach Recht! Und meinte es sogar ehrlich! Ich stand auf (als Schalker) und hielt eine bedingungslose Brandrede gegen die Diffamierung Thailands als einziges 'Bordell der Ersten Welt'. Ich führte mit schneidender Stimme (ganz unschwul) aus, daß die Erste Welt von der Dritten LERNEN könne, jedenfalls von Thailand, und daß man nach der Auslöschung Afghanistans, also der dort lebenden kretinösen Bevölkerung, das Gebiet mit liebevollen Thais besiedeln solle. 'Dies, liebe Elke (Naters), ist meine Meinung. Dazu stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir!' Damit meinte ich natürlich den christlichen Gott. Elke nahm mich in die Arme. 'Herzchen! Jolo! Ich werd' dich nie mehr mit Christian gleichsetzen. Du bist ein wackerer Kämpfer auf deine Art und wir mögen dich, Sven und ich, und die Kinder auch.' Anton, der siebenjährige Sohn, der das als waches, mitfühlendes Kind gehört hatte, kam angelaufen und umarmte mich ebenfalls. Sven in seiner ohnehin gutmütigen Art blinzelte mir aufmunternd zu. Hase klatschte symbolisch, also lautlos, Beifall und riß stummbleibend den großen Mund auf.
Inzwischen bin ich wieder in Europa, Wochen sind vergangen, die ich im Tropenfieber verbrachte, und der ernsthafte Forumsleser wird zu recht wissen wollen, und sei es als Fußnote, wie alles ausging in Bangkok, vor allem: wie sich mein Verhältnis zu Elke (Naters) nach unserer Versöhnung entwickelte sowie ihres zum sogenannten Kracht. Und ob Houellebecq nochmal auftauchte und was er dann anhatte. Nun denn: Zunächst noch sei gesagt, für alle, die es als Service-Geschichte gelesen haben, daß jeder, wirklich jeder, in Bangkok das Tropenfieber bekommt. Also nur hinfahren, wenn man einen Hasen oder ein Helferlein (Ausdruck entlehne ich mit Genehmigung der Donaldistischen Vereinigung) dabei hat, das einen durch den Dschungel trägt, ins Flugzeug trägt, Luft zufächelt, ins Taxi trägt und ins Tropenmedizinische Institut des Virchow-Krankenhauses fährt (viele Forumsleser brachten in dieser Zeit Freßpakete und Blumen und Kerzen vorbei, es war wirklich ein Blumenmeer in meinem Zimmer und so eine Trauer-um-Lady-Di-Atmosphäre, toll so im Fieberdämmer, dafür nochmal vielen Dank an anderer Stelle. Betzi Semmer hatte wohl einen Notruf ins Netz gestellt). Doch zum Thema: Mein Verhältnis zu Elke war schlagartig in Liebe umgeschlagen, und ich mochte sie von Tag zu Tag mehr. Denn ich hatte in ihr mein spiegelverkehrtes Gegenüber erkannt. Und zwar paßgenau. War ich der taktvolle und verlogene Mensch in Reinkultur, so war sie der ehrliche und - ich will nicht sagen taktlose - so mehr der direkte Typ. Man darf einem direkten Typ ja nie etwas Negatives sagen, der wehrt sich auf der Stelle, während der taktvolle Typ nur hüstelt und formvollendet meint: 'Nun, so kann man es auch sehen.' Mich darf jeder beleidigen, wie er will, wenn er dabei bloß irgendeinen Gedanken transportiert, über den ich nachdenken kann. Ich sage also nicht, Elke sei taktlos. Sätze wie 'Warum ißt du nicht auf, bist du schwul oder was?!' lassen sich auch schwer so einordnen. Elke ist im Münchener Hasenbergl aufgewachsen, da spricht man so. 'Elke Naters' ist ja auch nur ihr geschickt gewählter Künstlername, im PA steht Erkana Stefanovic. Das Seltsame und für mich Interessante ist nun, daß sich im Leben immer die taktlos-ehrlichen und die taktvoll-verlogenen Menschen suchen und finden. Sie werden immer zu Paaren. Deswegen war es auch dringend nötig, daß ich wieder abfuhr, um nicht in Konkurrenz zu Sven (Lager) zu geraten (auch das ein guter Pop-Literatenname, Lager, nebenbei bemerkt. Den wahren Namen verrate ich aber nicht. Es ist schon klar, daß man als Ignaz Wrobel keinen Vertrag bei Kiepenheuer & Witsch kriegt). Ich fand Elke immer aufregender. Wenn sie mir eine Frage stellte, die mir zu intim war ('Hattet ihr eigentlich Sex letzte Nacht?!'), oder irgendwie unangenehm ('Fickst du Thai-Mädchen?!') oder geradezu hochnot peinlich ('Wieviel Miete zahlst du?'), wurde ich verlegen und versuchte, mir das nicht anmerken zu lassen, aber sie spürte es trotzdem. Ich wich also höflich aus, versuchte unverbindlich aber geistreich zu antworten, was sie wütend machte. Es ist nämlich so: Wenn der taktvolle Mensch merkt, daß dem anderen eine Frage unangenehm ist, versucht er sofort, die Situation schnell zu überspielen, unbemerkt auf ein anderes Thema zu wechseln, dem anderen aus der Patsche zu helfen. Er tut so, als habe er die Irritation, das Erröten, das ängstliche Zucken des/der anderen nicht bemerkt. Ganz anders der direkte Mensch. Statt einen Schritt zurück zu machen, prescht er zwei nach vorn. Vor allem Elke. Sie wurde geradezu rasend. Ich wand mich und schämte mich, wich aus, duckte mich links und rechts weg, versuchte in den Clinch zu gehen wie ein erschöpfter Boxer (einmal hatte sie mich sogar nach der verkauften Auflage meines letzten Buches gefragt!), aber am Ende hatte sie mich stets ans Kreuz genagelt, und nicht mit drei, sondern mit dreißig schweren Eisennägeln. Ich konnte nur röcheln ('Zweiunddreißigtausenddreihundertundzehn Exemplare... zu 39,90 Mark... zwölf Prozent Autorenhonorar... macht vor Steuern 112.840 Mark...'). Natürlich hatte sie auch mit Christian Kracht dieses Verhältnis, der ja aus denselben Verhältnissen kommt wie ich, ich habe seinen Vater gut gekannt. Sie hatte mit allen dieses Verhältnis und ich mit allen jenes, das ich zu Elke hatte, denn diese Gegensätze zogen sich immer an. In Elkes Umgebung hielten sich die taktvollsten Menschen des deutschsprachigen Raums auf. Doch nun genug Psychologie. Viel wichtiger war trotz allem ein Leseerlebnis für mich. Ich las nämlich im Tropenfieberwahn Elkes Buch 'Lügen'. Es erfüllte alle Forderungen, die ich seit 'Mai, Juni, Juli' (erster Roman der sie begründenden 'Popliteratur', wird als KiWi Paperback Klassiker im März wiederaufgelegt) an eine neue deutsche Literatur gestellt hatte - und zwar gründlicher, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Es liest sich wie Kokain, man glaubt zu fliegen, nein, im Speedcar zu sitzen und einen neuen Höchstgeschwindigkeitsrekord aufzustellen, in so einem Raketenauto in der Wüste Nevada. Das ist so direkt und eben ehrlich, daß Bret Easton Ellis dagegen bemüht wirkt. Und das ist alles ausgedacht, alles Phantasie, alles Inspiration. Die muß kein Komma ändern, vor allem: die muß kein Fitzelchen vorher erleben, wie ich das (fast) immer muß, was äußerst anstrengend und blöd ist für mich. Ich habe es ja gesehen: Die sitzt da mit ihrem i-book und tippt was rein, steht auf, stillt die Kinder, tippt dabei weiter rein: ihr neuer Roman. Stoff pur. Und die Geschichten sind dadurch natürlich absolut rund, die Spannungsbögen perfekt. Die Sprache erst recht. Brutal und wie gedacht. Als würde die Autorin den Roman nicht geschrieben, sondern gedacht haben. Jedenfalls war ich so euphorisiert, daß mir der Zwist über Takt oder Nichttakt völlständig unerheblich vorkam. Im Gegenteil: Waren nicht alle großen Künstler per se taktlos? Konnte man sich Picasso, Richard Burton, Martin Luther oder Madonna als höfliche Leisetreter vorstellen? Es war das Vorrecht und auch die ökonomische Notwendigkeit aller wahren Künstler, keine Umwege zu gehen. Und wer ein gutes Buch geschrieben hat, hat bei mir sowieso die Generalabsolution. Der kann dann machen, was er will, seine Frau schlagen, saufen, die Ampelkoalition in Berlin gutheißen, alles, was ich sonst keinem Menschen verzeihen würde. Ja, und so ging die Geschichte aus, wie im Märchen: der Ritter, der aufbricht, um Houellebecq zu suchen, statt des Helden nur einen zitternden, stoppeligen, käsigen Bettler vorfindet, für seinen Mut aber mit Elke Naters belohnt wird, eine der Königinnen im Literaturreich.

lacoste
05.11.2001, 15:31
HÄ??? Das habe ich wortwörtlich schonmal irgendwo gelesen!!!

joq
05.11.2001, 15:37
Whow.
Das liest sich gut runter. Nur, bitte: Mehr Absätze, bitte bitte.

Bartholmy
05.11.2001, 15:50
Na, das drucke ich mir doch erst mal aus, bevor ich mir hier am Bildschirm die Augen brate und dann womöglich alles glaube.
Auf Papier werde ich es sicher mit Gewinn lesen, mit Vergnügen; ich werde mir dabei kleine Naterse und Krachtse und Becqse vorstellen, wie sie mit Leonardo di Lottmann über seinen Beach
Aber jetzt geh ich lieber mal fix zum Drucker, sonst liest das noch jemand anderer, das wäre ja auch unangenehm, andere, die ungewollt Lottmann lesen, das muss nicht.

Lottmannhafter Kaputtbaer
05.11.2001, 16:04
Ich les den Quatsch jedenfalls nicht.

julia mantel
05.11.2001, 16:10
warum, lottmann, hast du was mit diesen
'am-pool'-leuten zu tun? findest du dieses narzistische, um sich selbst kreisende, gefasel etwa gut?
bist du ein sehr enger freund von chrissie 'kotze' kracht?

Walter Schmidtchen
05.11.2001, 16:13
Julia, Lottmann ist verliebt in Dich

julia mantel
05.11.2001, 16:17
wie kommst du denn darauf, schmidtchen?
rege mich nur gerne über diese labersäcke auf koks auf, ich meine, die, auf koks, nicht ich/wir. die sollte man doch meiden, sich von ihnen abgrenzen.
außerdem bin ich doch glücklich verliebt.

julia mantel
05.11.2001, 16:21
ach, scheiße, ich habe gelesen: julia, du bist verliebt in lottmann.
sorry.
außerdem ist lottmann doch viel zu alt...

Walter Schmidtchen
05.11.2001, 16:21
Das ist egal, Lottmann liebt Dich mehr.
Er hat mir ein mail geschickt, 'wie kann ich Julias Aufmerksamkeit gewinnen, ich hab ihre Fotos gesehen, auch hat mir Rainald einiges über sie erzählt, ich MUSS sie kennenlernen, verstehst Du, alter Freund?'

julia mantel
05.11.2001, 16:24
tex, du verarschst mich nur.

DerCaptain
05.11.2001, 16:26
Hihi, ein Hasenmantel...
------------------
standard disclaimer: Ich finde das neue Forum gut und habe unseren Hausmeister lieb.

Walter Schmidtchen
05.11.2001, 16:30
Ich verarsche Dich nicht, ich kenne ihn zu gut, seit 30 Jahren jetzt schon bald, ich weiss wie er 'tickt'

julia mantel
05.11.2001, 16:33
aber er kennt mich doch gar nicht.
er ist doch kein kinderficker.
allerdings soll er sehr nett sein, eine freundin von mir hat mal photos gemacht für eine geschichte von ihm fürs zeitmagazin, damals noch vor ein paar jahren, irgendwas über schriftsteller in deutschland.
wir haben also gemeinsame bekannte. juchhu!

Walter Schmidtchen
05.11.2001, 16:39
Du bist doch kein Kind mehr!
Und er ist gar nicht so alt, wie er immer tut

julia mantel
05.11.2001, 16:43
vielleicht kann er mir ja beim nächsten pappentreffen ein bier ausgeben.
danach werde ich wohl wieder aufs land fahren, zu den hühnern und den katzen.
aber so ein schriftsteller..., klingt nach einem mann, mit dem man sich unterhalten kann.

Dietrich Schwanitz
05.11.2001, 16:51
Julia ist die einzige, die Lottmann Paroli bieten kann.

Walter Schmidtchen
05.11.2001, 16:55
So ist es, so und nicht anders

Angelika Maisch
05.11.2001, 16:58
Der Lottmann ist halt ein Dichter. Wollt ich, einem ersten Impuls folgend daherschreiben. Aber falsch. Richtig ist vielmehr: Der Lottman ist ein Dichter.
Und da er ein gutes Buch geschrieben hat, hat er bei mir auch Generalabsolution.
Die aber für diese Geschichte nicht in Anspruch genommen zu werden braucht.
Zumal da noch eine gute Nachricht drin vorkommt. Daß nämlich Mai, Juni, Juli wieder aufgelegt wird. Daß mag als Eigenwerbung verdammt werden, ich jedenfalls bin froh, darum zu wissen.

Ignaz Wrobel
05.11.2001, 17:04
Ich halte ja Julia für eine Lottmannsche Romanfigur.

honz
05.11.2001, 18:17
Könnte sich vielleicht mal BITTE jemand die Mühe machen auf Lottmann einzudreschen.

Manfred Mustermann
05.11.2001, 18:36
die geschichte ist zu lang.
sie ist zu 73 prozent mit unwichtigen details bepackt.
sie ist narzistisch.
sie ist wichtigtuerisch.
lottmann kann nicht schreiben.
sein buch ist auch nicht so toll.
------------------
ENTERTAIN ME!

honz
05.11.2001, 18:38
das isat gespenstisach, bei mir unten am Bildschirmrand steht was, aber nicht im forum, und ohne Namen, aber es MUSS von Munstermann sein.
Anko, hier spukts

lacoste
05.11.2001, 18:38
Patsch!!!
Superscheiße, die Geschichte, von vorn bis hinten erstunken und erlogen, unoriginell, schlecht zu lesen, schlecht geschrieben, langweilig, überflüssig!!!
Naserubbeln - so ein Quatsch!!! Den Japaner möchte ich sehen, der Joachim Lottmann 3000 Mark für einmal Naserubbeln bezahlen würde! sowas Versautes!!
Und mir gefällt das Frauenbild in dieser Geschichte nicht, biegsame Mädchenleiber, jaja..
Gähn...

otaku
05.11.2001, 18:40
Wer in Bangkok vögelt statt in Pattaya, muss doch ein Rad abhaben. Alles doppelt so teuer und halb so gut. Und die Luft ist auch schlecht. Ist eben die Strafe für Blasiertheit.

honz
05.11.2001, 18:41
es WAR Mustermann, aber jetzt ist wieder alles normal.
Mann, Mustermann nicht so! Mehr apokalyptisch, fundamental chauvinistisch, Lottmann braucht riesen Galama.

Manfred Mustermann
05.11.2001, 18:46
ich liebe es ja, wenn man leute, die man nicht kennt, per nachnamen abkürzt (houle), weils halt doch ein kollege ist.
und leute die man kennt aber so halt sind sven und christian (der sich bei lottmann ein kopfkissen aufs gesicht legt).
und elke, ach elke. königinnen, das schönste cover und schlechteste buch der letzten zehn jahre. grauenhaft. grottenöde. völlig nutzlos. und das schlimmste: die frau hat keinen humor. null. ach was red ich. da is ja die deutsche einheit witziger (und das will was heißen).
nee, nee. da trink ich lieber ein bier.

Manfred Mustermann
05.11.2001, 19:12
DAS WICHTIGE IN KÜRZE:
1. Lottmann kennt Elke (Naters).
2. Lottmann mag Naters manchmal sehr, manchmal weniger.
3. Lottmann hat Hou(e)l(l)e(becq) gesehen.
4. Lottmann war (wohl) in Bangkok.
5. Lottmann kann kein Französisch.
6. Lottmann kennt Sven (Lager).
7. Lottmann schreibt für die SZ
8. Lottmanns Steigerung für Freund: mein geliebter Freund Sven (Lager)
9. Lottmann hört Blumfeld.
10. Lottmann hat Brett Easton Ellis gelesen.
11. Lottmann schreibt Ju(d)ith Hermann.
12. Lottmann schreibt nach einer Weile Michel (Houellebecq)
13. Lottmann weiß wie der Hase läuft und Thailands Gesellschaft funktioniert.
14. Lottmann ist kein Handke-Fan mehr.
15. Lottmann pfeift auf China und Russland.
16. Lottmann mag Lob über sein Buch 'Mai, Juni, Juli'.
17. Lottmann sah H. in einer weißen Leinenhose Gaulloises rauchen. Sans filtre.
18. Lottmann hat Angst schwul zu sein oder für s. gehalten zu werden.

Klede
05.11.2001, 19:19
zu 9. hoert Blumfeld und zitiert sie gerne frei und falsch.

Karl Raduns
05.11.2001, 19:21
Also ich find das gut, wie er die Schalker eingebaut hat.

honz
05.11.2001, 19:21
19. Lottmann war nicht in Bankok
20. Lottmann hat einen riesigen..., er würde gar nicht in eine Thaifrau hinein...
Honz, Experte für Saunas und Aufgüsse (Slivovitz)

lacoste
05.11.2001, 19:23
Ich glaub ja auch, dass Joachim Lottmann schwul ist! Er will es nur nicht wahrhaben, deshalb immer dieses Frauen-Getue. So schrecklich übertrieben, lächerlich...
Ich hatte schon lange den Verdacht, traute mich aber nie, es zu sagen. Er hat mir auch mal gesagt, dass er Angst vor 'solchen' Frauen hat, wenn DAS nicht schwul ist, weiß ich es auch nicht!!

Manfred Mustermann
05.11.2001, 19:25
raduns, karl: toll. ganz toll. elegant die schalker eingebaut. zapperlottmann. aber wo bleiben die leverkusener?
honz: bankok oder bankog? oder gar pankow? wo war er nich?
und vielen dank klede. ich könnte die weichgeklagten hemdpopper gar nicht nachprüfen. danke.

Karl Raduns
05.11.2001, 19:30
Musti: Sapperlott. Sowas fällt *mir* nie ein.

------------------
Ich glaube, Sie gehen klar! C. Stegemann

lacoste
05.11.2001, 19:33
Ein schwuler Masochist!!

Manfred Mustermann
05.11.2001, 19:55
ich will versuchen, lottmann am wochenende unsittlich zu berühren.
wenn ichs schaff, kommt montag die geschichte.

Die Wucht
05.11.2001, 20:07
Profilneurotisch.
Potenzverlustveränstigt.
Phobisch.

Manfred Mustermann
05.11.2001, 20:12
photografisch verwackelt.
pofixiert geil.
prollig rüde.

Die Wucht
05.11.2001, 20:20
Panisch.
Pervers.
Panne.

Karl Bock der Intrigant
05.11.2001, 20:21
Poplig.
Pissig.
Peinlich.

Dreizehn Koestlichkeiten
05.11.2001, 20:24
Ignaz, was sagst Du eigentlich zu Lottmanns Prognose, Du mit Deinem Namen würdest von KiWi nicht unter Vertrag genommen werden?

Manfred Mustermann
05.11.2001, 20:30
genau, wie verarbeitest du das?
wie weh tut das?
lebst du noch?

Manfred Mustermann
05.11.2001, 20:34
21. Lottmann will Karasek beerben:
'Sie (Naters, bzw. bei Lottmann ö weil ja befreundet ö Elke) hatte 'Königinnen' geschrieben, ein wichtiges Buch.'
das ist ja gruselig.

Klede
05.11.2001, 20:56
22. Lottmann hat, Al Gore-Internet gleich, die Popliteratur erfunden.
Noch eine Frage: wenn sich etwas 'wie Kokain' liest, wie schmeckt es dann?
Danke fuer die Hemdpopper, Mustermann.

James Dean Brown
05.11.2001, 21:09
Eine Frechheit, die Geschichte ist viel zu lang. So was lese ich doch nicht. Und dass Lottmann oder überhaupt jemand Blumfeld hört, ist schlimm genug. Verboten werden!
Mustermann, 'prollig rüde' oder 'rollig prüde'?

rron
05.11.2001, 21:34
Ich habe beim Lesen von Lottmannbeiträgen immer das ungute Gefühl, Teil eines diabolischen Experimentes zu sein, mit dem der feine Herr feixend die Leserschaft in Metaebendurchschauer ersten, zweiten und dritten Ranges einzuteilen gedenkt.
Andererseits habe ich damit vermutlich nichtmal die erste Ebene angekratzt.

Karl Raduns
05.11.2001, 21:38
Roonie!
Erstens war das mein Text, aber
Zweitens hast Du Dir damit die vierte Ebene verdient.
Kommst Du nachher die erste Schrubben im Chat?

Zoe007
05.11.2001, 22:34
Mir geht's ähnlich wie rron calli.
Das muß irgendein perfides Projekt oder schwerst hintergründiges Vorhaben sein, und man sollte das Geschriebene auf keinen Fall so verdauen, wie es daherkommt. Denn zu verdauen gäbe es einiges. Ich hatte während des Lesens gelegentlich Würgereiz, so ein Roger-Willemsen-Gefühl. Bin immer wieder an Sätzen schmerzhaft hängen geblieben. '...hatte ich schon zwei im Hotel gehabt.' Was? Drinks? Hummer? Durchfallattacken? Ein so belesener, gelesener, eloquenter und sich an anderer Stelle feinsinnig zeigender Mensch, mutet seinen Leserinnen und Lesern, doch wohl nicht ernsthaft eine derart abgefeimte Reduzierung zu?!
Dann wiederum hat mich die Geschichte durch ihre anschauliche Erzählweise in ferne Welten und Gedanken getragen - bis zum nächsten Haken im Fleisch. Und, sorry, ich kann nicht anders, aber bei mir bleibt nach dieser Geschichte erst mal nichts anderes übrig, als der Gedanke: Yo, Herr Lottmann, die 12jährigen Mädchen, die nachts um 3 auf Bangkoks Straßen mit einem winzigen Baby auf dem Arm, auf weiße oder gelbe Nasenfetischisten warten (die den wie auch immer gearteten Fick aus der Portokasse zahlen oder über die Spesenabrechnung abwickeln), die sind alle furchtbar glücklich und lächeln zu 99% von ganz tief drinnen.

1A Trottelindikator
05.11.2001, 22:50
Was soll er denn sonst schreiben? 'Es begab sich, daß ich schon zwei im Hotel gehabt hatte'?

Ruebenkraut
05.11.2001, 23:03
Ist natürlich alles Ironie und gar nicht so gemeint wie geschrieben (oder doch?, soll der Leser rätseln. Vielleicht ist der Lottmann ja wirklich so eine Sau. Mann, was der sich traut zu schreiben). Aber das ist es ja gerade, was so ankotzt: Dieses unernste pseudoironische Gefasel, Namedropping, Privatgesprächgehumse.
Gut, dass es trotz der Länge nicht wirklich langweilig war, sonst würds mich ärgern, es gelesen zu haben.
Nur eins: Stimmt das mit der 30 Meter hohen S-Bahn auf Stelzen? Würde ich gern mal mitfahren.

rron
05.11.2001, 23:08
Herr Raduns: Dein Text, meine Gefühle, außerdem Maxiversion. Im Chat schrubben, jaja, bin schon unterwegs.

Zoe007
05.11.2001, 23:14
Ach, neckischer 1A Trottelindikator, seien Sie bitte nicht so unnachsichtig. Ich habe bereits öffentlich Asche über mein Haupt gestreut. Und hier geht's doch um etwas völlig anderes.

marie battisti
05.11.2001, 23:29
ach, r r r, wenn ich mich von meinem 500 müM hohen berg auf 200 m abseile, dann komm ich an einen ort, den lottmann für ein hochalpines bergdorf hielt oder halten wollte, stellt euch das vor: in der ebene sieht er sich am hohen berg, nur weil ein paar nebelberge ihn umhüllten, das macht ihn doch menschlicher

Karl Raduns
05.11.2001, 23:57
Das allercoolste ist, daß ihr alle einfach nur den Kathrin Passig-Strang lesen müsst. Oder Rron. Der rult, aber sowas von. Und euer PC-Gescheisse könnt ihr euch sonstwohin stecken.
Tschuldigung.

Walter Schmidtchen
06.11.2001, 01:52
ich wurde heute durch ein winziges Telefon von Marie Battisti geküsst

Benzini
06.11.2001, 02:12
Benzini hat diese kleine Geschichte überhaupt nicht verstanden.
Ging es jetzt um Christian Kracht oder um zufriedene Thai-Nutten bei der Arbeit.

Angelika Maisch
06.11.2001, 02:38
Benzini, diese Geschichte ist von Lottmann.
Daher handelt sie auch von Lottmann.
So ist das eben.
Der eine mags, der andere nicht.

Benzini
06.11.2001, 02:45
Oh gott mann,
wer war noch von Lottmann?

Manfred Mustermann
06.11.2001, 10:39
he herr lottmann, sitzt du in deiner pornobaracke in der virchowklinik
und kommst nicht mehr aus der jacke raus?
willst du dich gar nicht verteidigen und deine achsometaebenen offenlegen?
uns deinen funkelnden witz und deine feine ironie um die ohren hauen?
herr lottmann, bist du offline? tut es weh? hast du dich angesteckt?

'rollig prüde ist gut'

joq
06.11.2001, 11:02
Huh, hier geht es aber ab. Meine Güte.
Auf die Gefahr hin, dass man mich nun hasst: Ich finde die, tja, äh, 'Geschichte' ziemlich gut. Weil:
a) Sie enthält viele wahre und gute Beobachtungen, z.B.: Das Seltsame und für mich Interessante ist nun, daß sich im Leben immer die taktlos-ehrlichen und die taktvoll-verlogenen Menschen suchen und finden
b) Sie ist rundum ehrlich, uncool und vollkommen ohne Rücksicht erzählt. Für eine interessante Story ist es unerheblich, ob der Autor sympathisch rüberkommt.
c) Political Correctness wurde vermieden.
d) Tabuthemen (Prostitution, Autorenhonorare), die eigentlich doch gar keine mehr sind, wurden parlando, in einer geradezu irr-wirren Art mal eben so mit erlegt.
e) Die Story hat mich gut unterhalten.

Hm.

Manfred Mustermann
06.11.2001, 11:18
no! jockel1, deine qualifizierungsgründe sind echt der hit:
'Auf die Gefahr hin, dass man mich nun hasst'. großer anfang, mein kleiner angsthase. gefahr präsent.
a) eine geschichte ist dann gut, wenn sie 'viele wahre und gute Beobachtungen' enthält. unwahre beobachtungen sind also nicht gut. gute beobachtungen sind hingegen gut. möcht sein, dass schlechte schlecht sind?
b) eine gesachichte ist dann gut, wenn sie 'rundum ehrlich, uncool und vollkommen ohne Rücksicht erzählt' ist. ehrlich ist eine wiederholung. uncool und ohne rücksicht schließen sich aus.
'Für eine interessante Story ist es unerheblich, ob der Autor sympathisch rüberkommt.' brav. kann autor und story trennen. gut aufgepasst.
c) das absolute highlight: 'Political Correctness wurde vermieden.' sie wollte zwar immer, aber sie wurde vermieden. das ist echt ein grund. besser, mein superjockel, sie muss nicht unterdrückt werden. sonst kommt nämlich eine möchtegernachsotabulosnuttenpromigeschichte a la lottmann raus.
d) 'Tabuthemen (Prostitution, Autorenhonorare), die eigentlich doch gar keine mehr sind, wurden parlando, in einer geradezu irr-wirren Art mal eben so mit erlegt.' tabuthemen, die eigentlich keine mehr sind, sind nur für eine minderheit eigentlich tabuthemen, für die sie eigentlich keine mehr sind.
e) 'Die Story hat mich gut unterhalten.' ohne worte. dann muss sie ja gut sein.

------------------
Mother, we just can't get enough!

DerCaptain
06.11.2001, 12:36
Lottmann bringt sich und sein Geschwurbel wenigstens unter eigenem Namen in's Gespräch, nicht wie 'Otaku' (Guido Keller).
------------------
standard disclaimer: Ich finde das neue Forum gut und habe unseren Hausmeister lieb.

Lilaxista
06.11.2001, 12:37
unwichtig

Ignaz Wrobel
06.11.2001, 13:01
Lottmann ist Pflicht, da muß man halt durch, auch wenn's weh tut. Warum eigentlich? Es gibt Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Wenn er allerdings auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste stehen würde, wäre es vermutlich aus mit dem ureigenen Kultstatus. Aber die Gefahr ist wohl gottseidank nicht allzugroß, eben weil er Lottmann ist. Andererseits: Zuzutrauen wäre es ihm, wenn er die nächste Metaebene kompletten Unverstandenseinwollens in Tateinheit mit persönlichem Charme und cleverem Ausnutzen sämtlicher Beziehungsgeflechte des Literaturbusiness erreichen würde.

joq
07.11.2001, 01:14
Lieber Helmut Pöll (Mustermann).
Warum erregen Sie sich so?
Nehmen Sie ein Bad, machen Sie Urlaub. Kaufen Sie sich Pralinen. Machen Sie doch einfach mal irgend etwas, was Ihre Laune hebt.

Lilaxista
07.11.2001, 01:28
caradiert

rron
07.11.2001, 01:32
Mustermann, Sie sind doch (Helmut) pöllig rüde!

Die Wahrheit
07.11.2001, 01:32
Hat die Nichte eigentlich nichts anderes zu tun, als ständig mit ihrem 43-jährigen Onkel rumzuhängen?

rron
07.11.2001, 01:32
Ist Hase denn nicht vielmehr eine 'Nichte'?
(Beitrag wurde von rron calli am 06.11.2001 um 13:23 Uhr bearbeitet.)

Paula Lavalle
07.11.2001, 01:32
Das Paparazzentum und der Zufall... da habe ich meine eigenen Ansichten zu, aber 'das ist ein weites Feld'...
Die Geschichte? Das, was ich lesen konnte, bevor mein Sichtfeld ins Schwimmen kam, war eine Diskussion in einem Haus unter einer S-Bahn über Swinger Clubs und was verschiedene Kritiker davon halten. Ich wische mir jetzt die Augen trocken und dann geht es weiter...

Manfred Mustermann
07.11.2001, 01:32
he, he, he, mal langsam ja.
die parallelisierung mit irgendwelchen namen lenkt nur von lottmann ab.
jockel. bleiben sie beim thema. werden sie nicht hilflos.
rron. wichtig ist doch was man tut, nicht wer man ist.
und lottmann. hol schon mal den wagen. wir können fahren.

cally me rron, cally me pröllig, say i'm strong, say i'm nöllig.

Manfred Mustermann
07.11.2001, 01:32
hoppla. und hepp.

joq
07.11.2001, 01:32
Ich war schon immer hilflos. Das ist ja das Schlimme.

Paula Lavalle
07.11.2001, 01:32
steht hase nicht für 'ich weiß von nichts'

Manfred Mustermann
07.11.2001, 01:32
weiß ich nicht.
'Ächz. Es gibt eine neue Plage, sie heisst Manfred Mustermann'
Tex Rubinowitz

otaku
07.11.2001, 01:32
Lottmann bringt sein Beiträge wenigstens unter eigenem Namen ins Spiel, genau wie Otaku, von dem ja jeder weiß, wer er ist, aber ganz im Gegensatz zu DerCaptain, der sich feige verbirgt, weil er nix als lästern und nicht schreiben kann (und erst gestern gelernt hat, wer Otaku ist).

Aporie
07.11.2001, 01:32
Wo liegt die Schmerzgrenze, nach deren Überschreitung man getrost mit der Moralkeule auf einen literarischen Text einschlagen darf? Bei Bataille? Bei Bukowski? Bei Ellis? Bei Sukenick? Bei Houllebecq? Bei Catherine Millet?
Das Problem heißt nicht Lottmann, sondern ³Was darf ein Text?'
Dieses Forum bewegt sich in einer Grauzone zwischen Wahrheit und Erfindung. Wird hier über die Qualität der Wahrheit oder die Qualität der Wahrnehmung geurteilt?
Herrscht im Forum wirklich Konsens darüber wie ³wahr' eine Geschichte sein muß?
Literatur ist nie wahr, sondern immer Erfindung. Selbst Realität wird zur Fiktion, sobald sie beschrieben wird. Und das nicht nur von CNN.
So ist natürlich auch Lottmann in seinem Text genau so wenig Lottmann wie Kurt Vonnegut in ³Slaughterhouse Five' , wo er den Erzähler Kurt Vonnegut nennt, Kurt Vonnegut ist. Deshalb halte ich es für bescheuert, darüber zu diskutieren, ob Lottman nun fünfzehnjährige Thai-Mädchen gevögelt hat oder nicht.
Lottmann hat einen Text geschrieben, den wir entweder gut oder schlecht finden können. Ich habe ihn mit Vergnügen gelesen, was mir ein wichtigeres Kriterium bedeutet als das Rätseln darüber, ob das, was Lottmann beschreibt, moralisch vertretbar ist. Wenn ich sowas ernst nehmen würde, müßte ich mindestens zehn Werke der Weltliteratur aus meinem Büchergestell entfernen.
Wer meint, Literatur finde nur zwischen zwei Buchdeckeln statt und habe hier folglich nichts zu suchen, braucht jetzt nicht mehr weiterzulesen.
Was mich anbetrifft, habe ich in den Beiträgen des Forums freilich mehr Literarisches entdeckt als in dieser ganzen pubertär-elitären Popblase, aus der die heiße Luft offenbar noch immer nicht entwichen ist. Wenn wir es aber hier zuweilen mit Literatur zu tun haben, müßte das (zuweilen) auch auf die kritischen Kommentare abfärben.
Ist Lottmann Literatur? Hier (nur auf diesen Text bezogen, ich kenne kein Buch von ihm) ein eindeutiges Ja. In Amerika würde Lottmans Text vielleicht als ³camp' gelten. ³Camp' ( ein mit dem Ausbruch der Postmoderne etwas veraltetes Wort) ist eine Betrachtung der Welt unter dem Gesichtspunkt des Stils, eines trendigen Stils freilich. Camp ist die Liebe zum Übertriebenen, zum Übergeschnappten, zum ³Alles-ist-wie-es-nicht-ist' und noch einiges mehr, was aber im Zusammenhang mit Lottmann weniger relevant ist.
Lottmanns Art zu schreiben, ist eine Verführungsmethode, die grelle Manierismen anwendet, doppelte Deutungen zuläßt, doppeldeutige Gesten beschreibt, bewußt provoziert, bewußt komisch, verwirrend und geschmacklos sein will, alles was sagbar und unsagbar ist, in einen atemlosen Monolog hüllt und verhüllt. Und all das gelingt Lottmann überzeugend.
Was mich an Lottmann irritiert: Ich weiss nie genau, ob er nun gerade den Stil auf Kosten des Inhalts oder den Inhalt auf Kosten des Stils betont. Letzteres ist nicht ³camp'. Manchmal stört mich totale die Kabarettisierung seiner Suada.
Aber das ist vielleicht Geschmacksache. Und ³guter Geschmack' ist keine literarische, sondern eine gesellschaftliche Definition.
Überdies geht es mir hier weniger um Lottmann als um die Reaktionen, die sein Text auslöst.

Angelika Maisch
07.11.2001, 01:32
Ich stimme dir definitiv in allem zu, was du sagst, Aporie, auch ich hab den Text mit Vergnügen gelesen. Lottmann ist Treibsand.
Das macht ihn so verwirrend.

rron
07.11.2001, 01:32
Überdies geht es mir hier weniger um Lottmann als um die Reaktionen, die sein Text auslöst.

Dann geht's Dir ja wie ihm selbst.

Ruebenkraut
07.11.2001, 01:32
Ehrlich gesagt: Dann bin doch eher für Lottmann pur, als für dieses oberlehrerhafte 'Ich erkläre jetzt mal Euch Pappen, was Literatur ist, sein kann und darf'-Geschreibe von Aporie.
'Das Problem heißt nicht Lottmann, sondern ³Was darf ein Text?''
Welches Problem?

'Lottmann hat einen Text geschrieben, den wir entweder gut oder schlecht finden können.'
Eben. (aber ein paar Gründe dürfen wir schon nennen, sonst wär es ja auch langweilig wie die Umfragen drüben in der neuen Software)
'Ist Lottmann Literatur? Hier (nur auf diesen Text bezogen, ich kenne kein Buch von ihm) ein eindeutiges Ja. In Amerika würde Lottmans Text vielleicht als ³camp' gelten. ³Camp' ( ein mit dem Ausbruch der Postmoderne etwas veraltetes Wort) ist eine Betrachtung der Welt unter dem Gesichtspunkt des Stils, eines trendigen Stils freilich.'
Danke. Wieder was gelernt.
'Aber das ist vielleicht Geschmacksache. Und ³guter Geschmack' ist keine literarische, sondern eine gesellschaftliche Definition.'
Hm ja. Hatten wir schon (siehe oben)
'Überdies geht es mir hier weniger um Lottmann als um die Reaktionen, die sein Text auslöst.'
Ach so, na dann...

Karl Raduns
07.11.2001, 01:32
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die Stränge zu Lottmanns Postings sich regelmäßig zu den lohnenswertesten im ganzen Forum auswachsen. Furchtbar dumme Sachen stehen neben sehr bereichernden, die Zahl der Beiträge wird dreistellig, und mitmachen tun auch fast alle. Geht's da nicht drum? Außer Maoam will ich sonst nichts.
Und das schreib ich nicht, weil ich Lottmanns blaue Augen mag.
@lila: Er hat ne website, seinname.de glaub ich. Da ist auch ein schmeichelndes Bild drauf, wenn Du wissen willst, wie er aussieht.

Manfred Mustermann
07.11.2001, 01:32
da aporie ähnlich langweilig wie lottmann, der textautorverfasser ist, könnte man glatt meinen ...
es geht kaum darum, ob der autor und das ich außnahmsweise zusammenfallen oder nicht. es geht manchmal ganz simpel um den unterhaltungswert des textes. und der ist halt leider miserabel. kopiert, verwurstelt, abgeschrieben, öde, möchteprovozierend und durchsichtig, wie die designerbrille auf apories oberlehrernase. dazu passt wiederum kongenial das verteidigende, mahnende, einlösende, kategorisierende geblubber, das man nur von sich geben kann, wenn man alles versteht, auch dass selbst das geblubber wider 'camp' ist, weil es einen trendigen stil besitzt. ogott.
ich glaub dass ist ein wahrhaft deutscher strang, der später in einer ernsten tageszeitung als feuilletonaufmacher verwendet werden kann. so meta. so ironic.
die nächste geschichte bitte. ist sie auch frisch?

Karl Raduns
07.11.2001, 01:32
Merkt ihr eigentlich nicht, daß Musti euch alle nur verarscht? In echt ist er gar nicht so, im Gegenteil, schätzt Lottman sogar sehr, und steht, wie mit vielen anderen nunmehr Ex-Haffmans-Autoren auch, schon seit längerem mit dem 'unheimlich beeindruckenden Stilisten, und diese Einbildungskraft!' (M. Musterman)in Vertragsverhandlungen.
Ach, Mustermann.

lacoste
07.11.2001, 01:32
Hallo, Herr Raduns!!!

Ostzonencombo
07.11.2001, 01:32
Mustörmänn, is heut der Lektör krönk?
(Beitrag wurde von Ostzonencombo am 06.11.2001 um 17:51 Uhr bearbeitet.)

Karl Raduns
07.11.2001, 01:32
Hallo, liebe Lacoste! Finden Sie das auch alles so traurig?
@combo: Die Handnägel sind wahrscheinlich in die falsche Fußreflexzone geraten. Er ist sozusagen mit dem falschen Bein aufgestanden, steht jetzt irgendwie neben sich.

Manfred Mustermann
07.11.2001, 01:32
HEHE.
kalle, aus die kiste. du quatscht schon wieder opern.
außerdem verrätst du nix neues, das ist alles schon bekannt.
wann kommt eigentlich ihr nächster beitrag?
noch in diesem leben???

'Manfred Mustermann ist Verleger aus Heidelberg. Herrje.'
Herr Genista

Simplicius Simplicissimus
07.11.2001, 09:09
Helmut Pöll, der Möchtegernschriftsteller. Jetzt wird mir einiges klar. Und auch wer 'Karl Raduns' vermutlich ist und warum das Geplänkel zwischen diesen beiden so esoterisch, eitel und nicht nachvollziehbar erscheint. Bevor sie weitere Invektiven gegen Herrn Lottmann simulieren, Herr 'Mustermann', würde ich Sie doch bitten, den Text und seinen Subtext noch einmal in Ruhe zu lesen und anschließend den armseligen Mund zu halten vor Schriftstellerei wie dieser. Aber auch die Kommentare der anderen Forumsteilnehmer, die allgemeine Entrüstung über Lottmanns Selbstdarstellung und die Darstellung der käuflichen Liebe in diesem Text kann ich nicht unkommentiert lassen. Lottmann hat, das habe ich nachgesehen, schon einige Texte in diesem Forum geschrieben und sie wurden ALLE kontrovers rezipiert. Aber die Reaktionen hier machen mich ratlos. Soll das witzig sein? Ich weiß nicht, wie man so weit unter das Niveau fallen kann. Natürlich handelt es sich bei Lottmanns Text weder um 'pseudoironisches Gewäsch' (Rübenkraut) noch um ein reales Ereignis. Es handelt sich um Kunst. Houellebecq gibt nur den Vorwand für diese furiose Schilderung ab. Lottmann ist viel zu sophisticated, um den französischen Dummkopf mit seinen 08/15-Thesen zur Drittweltsexualitätssituation abzukanzeln; er verbirgt seinen Ekel hinter einem Lob des 'Politischen'. Wenn Lottmann irgend etwas nicht interessiert, ist es das Politische, diese Ausrede der Rechtlosen. So ist Lottmann. Und das muß man wissen, wenn man über Lottmann spricht. Das einzige, was ihn wahrscheinlich noch weniger interessiert als das Politische ist SEX. Das erschließt sich in erster Linie aus seinen Lebensumständen. Lottmann ist seit seiner geschiedenen Ehe, da verrate ich glaube ich keine Geheimnisse, impotent. In gewisser Weise war das sogar der Standard um das Jahr '75 herum. Zu dieser Zeit, nach den Encounter-Gruppen, dem Emanzipationsdruck und den Selbstfindungs-Frauen (nicht negativ gemeint) war das gang und gäbe. Ich habe deswegen mit Langhans und einigen anderen damals eine Psychoanalyse gemacht, und ich erinnere mich noch genau an die Irritation, die ich empfand, als mich jemand auf den Gesichtsausdruck Lottmanns aufmerksam machte, wenn das Thema diskutiert wurde. Lottmann war der einzige, der die Psychoanalyse ablehnte. Er war zufrieden mit seinem Status. Ich glaube, zum ersten Mal in seinem Leben habe ich ihn glücklich gesehen. Wir spazierten gemeinsam durchs föhngeplagte München, leichtbekleidete Frauen gingen an uns vorbei, und Lottmann leuchtete innerlich. Ich habe das zuerst gar nicht verstanden. Aber er war einfach froh, dieser Welt mit ihren schmutzigen Bedürfnissen entronnen zu sein. Er hatte eine Lösung gefunden, die er gar nicht gesucht hatte. Wie jeder Romantiker fürchtete er sich vor Entscheidungen. Er liebte das lyrische Ungefähr, das seelische Schweifen, die Unendlichkeit - und da war die Asexualität wie eine Befreiung. Kaum jemand hat das verstanden, und wie gesagt, auch ich am Anfang nicht. Um es zu erklären, muß ich etwas weiter ausholen. Das ganze ereignete sich zu einer Zeit, in der das Metaphysische allgemein verleugnet wurde. Es gab wichtigtuerische Aufklärung, es gab auch den Backlash der Esoterik. Hauptsächlich aber ging es nur noch um Politik, Sex, Selbstfindung. Die Langhans-Sache. Später auch um Umweltschutz. All diese Themengebiete waren Lottmann, dem künstlerisch Hochbegabten, genuin fremd und sind es bis heute. (Warum L. dennoch so häufig von Politik und Sexualität redet, erkläre ich nachher.) Was als Revolution gestartet war, endete in der Cliquenwirtschaft, in den Manifesten der Weltverbesserer. Da war kein Platz für das Numinose, ohne das kein Künstler existieren kann. Die 70er und 80er waren die kunstlosesten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts. Politsches Geschwafel und Zurschaustellung der Sexualität zerstörten jeden Gedanken. Dagegen setzte Lottmann sich erst unbewußt (mit seinem Körper), dann bewußt (als Intellektueller) zur Wehr. Er beginnt mit seiner Strategie der blasierten Bejahung, der forcierten Geschwätzigkeit, die dialektisch betrachtet ja auch eine Form der Askese ist.
Das alles steht in einer festen gottsucherischen Tradition. Seit dem späten Mittelalter setzt im Abendland ein Vorgang ein: die Verselbständigung der Welt gegenüber der Offenbarung eines überweltlichen, herrschenden Gottes. (Man mag das Wort 'Gott' als anstößig empfinden, aber ich verwende es hier ganz bewußt.) Und zwar verläuft diese Verselbständigung in verschiedenen Formen. Die auffälligere und heftigere besteht in der direkten Leugnung Gottes und einer von ihm an die Welt herantretenden Ordnung. Die andere leugnet die Gotteswirklichkeit nicht, sucht sie aber mit der Welt zu verschmelzen. Damit das möglich wird, muß diese in einer Weise erfahren und gesehen werden, daß sie für die Attribute der Göttlichkeit tragfähig erscheint, was wiederum auf einer doppelten Linie geschieht. Zuerst so, daß die Welt für unendlich und absolut erklärt wird, wie das im neuzeitlichen Pantheismus der Fall ist, von Cusanus bis Novalis. Da ist Gott die Seele, die Geheimnistiefe, der schöpferische Ursprung, die geistige Ordnung und Sinnfülle des Alls. Eine andere Auffassung tritt deutlich erst im neunzehnten Jahrhundert hervor. Danach wird die Welt als durchaus endlich, diese Endlichkeit aber als derart intensiv und sinnvoll erfahren, daß sie hinreicht, um das Dasein zu tragen. Der erste klare Durchbruch dieser Haltung scheint in Hölderlin zu geschehen; zu programmatischer Klarheit und Schärfe gelangt sie in Nietzsche. Zu ihr bekennt sich auch Lottmann. Mütterlicherseits aus einer strengen Pfarrersfamilie stammend, ist er mit diesen Denkmodellen vertraut. Das, in Kombination mit seiner Sensibilität, bewahrt ihn vor den Irrtümern der Zeit, dem Gewäsch der 68er, der kommunistischen Irrtumsdoktrin, der plakativen Revolte (und auch dem, was wir heute 'Pop' nennen). Er beteiligt sich an allen diesen Strömungen, ahmt ihre Verhaltensmuster täuschend ähnlich nach, bleibt aber innerlich ungerührt.
Zu diesem Zeitpunkt trifft ihn die Asexualität wie eine Erlösung. Innerlich vereinsamt und vom Getue der anderen angewidert, sieht er eine Möglichkeit gekommen, auf Distanz zu gehen. Das war, wenn mich nicht alles täuscht, um das Jahr 1976 herum. Wir hatten gemeinsam ein Seminar besucht, eine Encounter-Gruppe, in der auch Sri Mahrajan auftrat. Das Seminar dauerte vierzehn Tage, die wir auf einem abgelegenen Bauernhof in der Nähe des Chiemsees verbrachten. Es wurden die gängigen männerfeindlichen Thesen und Übungen gemacht, und es war das Schlimmste, was ich in der Hinsicht erlebt habe. Danach ging ich wie gesagt in Psychoanalyse, aber das ist eine andere Geschichte. Mit Lottmann verhielt es sich genau gegenteilig. Er machte in dieser Gruppe, wie sie nackt und diskutierend herumstand (damals war man immer nackt, wenn man diskutierte), einen ganz abgehobenen Eindruck. Er erfüllte die Forderungen genau. Er war allen zu willen, er hatte zweimal am Tag den erforderlichen Nervenzusammenbruch, und er regredierte auf erstaunlichem Niveau. Diese Form der Überanpassung an die Gruppe war mir damals noch nicht als ironische durchschaubar. Das Konzept der subversiven Affirmation. Zurück in München kam es zu einem absurden Erlebnis. Brandtstätter und zwei andere, die die Sache ebenfalls nicht einwandfrei überstanden hatten, wollten jetzt dringend 'die Sause machen'. Wir betranken uns mehrere Stunden, gingen ins Eros-Center in der Türkenstraße und kamen schließlich unverrichteter Dinge zurück. Keiner hatte einen hochgekriegt. Nur Lottmann schien zufrieden. Später am Abend trafen wir in der Kneipe zwei Italiener, einen davon erkannte Brandtstätter. Er stellte sich als 'Giacomo Leopardi' vor. Es war, wie sich bald herausstellte, Sanguinetti, und er war gerade auf der Flucht. Kurz nach seinem Coup gegen die KPI. Nach einer überschwenglichen Begrüßung kam es sehr schnell zum Streit. Die Italiener hatten nichts als Hohn und Spott für uns übrig. Lottmann tat wie immer das richtige: er fiel (bildlich gesprochen) vor ihnen auf die Knie. Nach einigen weiteren Bieren offenbarte Sanguinetti eine ordinäre Seite, über die in den Geschichtsbüchern leider wenig zu lesen sein wird. Er fiel zwei Frauen am Nebentisch an, er beschimpfte Brandtstätter und Lottmann mit ihren langen Haaren als effeminierte Nullen und forderte sie wiederholt und lautstark zum 'Schwanzvergleich' auf. Es war eines der wenigen deutschen Worte, die Sanguinetti kannte. Ansonsten erfolgte die Unterhaltung auf englisch. Der Wirt tat, als würde er nichts bemerken. Irgendwann öffnete Sanguinetti seinen 'Hosenstall' und holte etwas Verschrumpeltes hervor und legte es auf den Tisch. Es war einen Moment lang vollkommen still. Dann stand Lottmann auf und holte aus seiner Hose ein ca. dreißig Zentimeter langes, glänzendes Ding. Sanguinetti bekam einen hysterischen Lachanfall. Brandtstätter und ich schauten uns an. Es war ein Umschnalldildo, wie es sie damals auch in Orion-Fachgeschäften nur unter der Ladentheke zu kaufen gab. Ich weiß nicht, wie lange Lottmann damit umhergelaufen ist. Ein paar Jahre, vermute ich. In diesem Moment, der, das gebe ich ohne weiteres zu, problematisch war, fand natürlich eine Verschiebung statt; Sublimation wäre zu wenig gesagt. Der Sackgasse der Sexualität entronnen, wandte Lottmann sich neuen Irrtümern zu: der Vergottung des Individuums. Dem Numinosen. Er entwickelte seinen Geniekult. Das mag einigen nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch ich habe es ja wie gesagt am Anfang nicht verstanden. Unnötig zu erwähnen, wie verstörend Lottmann auf die Opfer seiner Anbetung wirkte. Einen klinischen Begriff hat es für das Phänomen nicht (am nächsten kommt Adler dem Gebilde noch mit seiner 'Begierde nicht nach der Macht, sondern nach der Nähe der Macht'). Wir alle kennen die peinlichen Briefe, die verwirrte Frauen während des Dritten Reiches an Hitler schrieben, die Socken strickten für den Führer und die im klinischen Sinne vermutlich geistesgestört waren. Viel seltener und in seinen Ausprägungen weit weniger spezifisch ist diese Symptombildung bei Männern zu beobachten. Lottmanns Bewunderung für die seiner Meinung nach Großen dieser Welt (Goetz, Reich-Ranicki, Kracht) enthält bei aller Erotisierung immer auch einen Beigeschmack von Selbstauslöschung. Die Anbetung des unendlichen Geistes ist der Socken, den Lottmann ihnen strickt, seine eigene Vergänglichkeitsangst - und die seiner Gene - beschwichtigend. Daraus resultieren großartige Texte wie dieser (und langweilige wie 'Deutsche Einheit'), und es ist völlig unerheblich, ob Lottmann in Thailand war oder nicht (er war es nicht). Die Vergänglichkeit - welche nichts als die Erlebnisform der Endlichkeit ist - wird im zweifachen von Hegel gedeuteten Sinn aufgehoben und angenommen. Für Lottmann besteht die eigentliche sexuelle Handlung in ihrer Vermutung. Die Beschreibung als solche ist schon Konzession. In dieser Haltung gehört Lottmann in eine Reihe mit Huysmans, Spengler oder Ivan Bloch. Man muß sich vergegenwärtigen, daß dies nichts anderes ist als eine Spielart des Menschlichen wie Homosexualität oder Kinderschändung (von der L. übrigens gar nichts hält, er haßt Kinder). Dazu paßt auch gut die dauerhafte Beziehung zu seiner sog. Nichte (Hase), die ihm in Frigidität nichts nachsteht. Ich habe sie einmal auf der Buchmesse getroffen; sie reagiert auf körperliche Annäherungsversuche wie Amerikaner auf tieffliegende Flugzeuge.



(Beitrag wurde von Simplicius Simplicissimus am 08.11.2001 um 15:10 Uhr bearbeitet.)

joq
07.11.2001, 10:33
Der Schoßhunddestruktor.
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--
Deutsche Einheit. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1995.
von Joachim Lottmann
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Ella Roc
07.11.2001, 10:42
auweia, kommt das oberlehrerhaft daher und im nächsten Moment unerhört privat.
dennoch: den großen Lottmann-Text ausholend verteidigt zu sehen, das freut mich!

rron
07.11.2001, 10:57
Ich bin jetzt in Simplicissimus verliebt. München ist wirklich nicht nur föhn- sondern auch föngeplagt, das kann man nur unterschreiben.
Jockel, Du holzwegst.

Manfred Mustermann
07.11.2001, 11:24
ok lottmann ok. ok.ok.ok.
sie haben gewonnen.
jetzt liebe ich sie.
jetzt verehre ich sie.
jetzt lese ich sie noch einmal.
lottmann, ich habe verloren.
ich habe mich an sie verloren.

Ignaz Wrobel
07.11.2001, 11:30
Großkritiker Simplicius Simplicissimus in Hochform! Da kann man nur noch vor Lachen auf dem Boden liegen, beste Satire, ich gehe ja mal davon aus, daß das auch Lottmann ist, wer denn sonst.

U_Sterblich
07.11.2001, 11:32
Eines glaube ich nicht: das Houllebecq nur als Vorwand dient. Vielmehr als Waschbrett oder Fußabterter, aber das mag man ihm nicht zugestehen. Sowohl Lottmann als auch Simplicissimus mussten die 70er schließlich bewusst miterleben.
Und nun müssen sie den fürchterlichen Houllebecq rezipieren indem sie ihn meta-rezipieren, unter Umständen auch meta-meta-rezipieren. Ich kann das nachvollziehen, wenn auch nur abstrakt.

DREA
07.11.2001, 11:37
17:05 Uhr: Seit Lesebeginn dieser Seite sind sind 35 Minuten ausgesprochen vergnueglich vergangen. Selten sind Straenge so ergiebig und vielfaeltig wie dieser.
Dogmatisch gefuehrte Debatten ueber die Frage, wie Literatur/Theater/Malerei/usw.-Stuecke zu leisten haben, um fuer 'gut befunden zu werden, oder ueberhaupt als kuenstlererische Leistung zu gelten -- die finde zwar seit Jahren nicht mehr spannend genug, um mich daran zu beteiligen. Auch Fragen um Glaubwuerdigkeit, Authentizitaet, politische Korrektheit und Massengeschmacksvertraeglichkeit interessieren mich nicht mehr so brennend.
Den ungebrochenen germanischen Streiteifer zu beobachten -- das hat allerdings immer noch sehr hohen Unterhaltungswert. Dank an die Kombattanden also. Und an den grossartigen Simplicissimus, den man ja wohl leider nicht abonnieren kann.
Ansonsten werde mir jetzt mal ein paar Lottmann-Elaborate besorgen. Der obige Text jedenfalls liesst sich wie eine Sammlung fiebriger Versatzstuecke und das gefaellt mir nicht schlecht. Metaebenenexperimente hin, praetenzioeses Kompilieren her...

(Beitrag wurde von DREA am 07.11.2001 um 11:16 Uhr bearbeitet.)

Ella Roc
07.11.2001, 12:13
Lottmannleim also. das wird noch ein Tag werden heute.

Walter Schmidtchen
07.11.2001, 12:29
das wird ja immer besser hier, ich warte, wir alle warten jetzt eigentlich nur noch auf das mächtige BACKBLECH

Aporie
07.11.2001, 12:34
So genau, Simplizissimus, hätte ich das vielleicht gar nicht wissen wollen, aber möglicherweise soll hier Lottman selbst auf die Ebene der Fiktion gebracht werden, um endlich eins zu werden mit seiner Ich-Figur. Oder Simplizissimus ist selbst ein weiterer fiktiver Lottmann. Ich bin jetzt selbst schon so verdorben von diesem Bäumchen-verwechsle-dich-Spiel, dass ich zwischen Heiterkeit und peinlichem Berührtsein schwanke.
Sanguinettis Capriccio italiano hätte man außen vor lassen können. Er ist tot, umgebracht von der Mafia, jetzt wissen wir auch warum.
Warum schreiben diese Leute eigentlich, wo sie doch so ein heiteres Leben führen und selbst Impotenz grandios sublimieren können?
Schreiben ist ja eigentlich unangenehm. Vor allem weil man über angenehme Sachen heute gar nicht mehr schreiben kann. Möglicherweise wäre aber das Leben gerade dann angenehm, wenn man nicht so was Unangenehmes tun würde wie schreiben. So oder ähnlich habe ich das mal bei Thomas Bernhard gelesen. Zudem erfährt man ziemlich viel Unangenehmes über sich selbst, wenn man schreibt. Schreibt man über ein Thema oder schreibt man über Figuren? Reagiert man auf die Zeit, in der man lebt oder bloß auf sich selbst?
Vielleicht versteht sich Lottmann in seinen rasch wechselnden Moden als ein automatisches Klavier des Zeitgeistes. Aber natürlich dreht er sich so wie diese stiftengespickten Walzen dauernd um sich selbst. Es gibt ein sehr tiefsitzendes Darstellungsproblem in bezug auf all diese Dinge. Es ist heute fast unmöglich, seine eigene Erlebniswelt nicht zu karikieren und das Erlebte und Empfundene nicht zu unterbieten. Das muß zu Lottmanns Schutz gesagt werden. Ich meine, wenn man die üblichen Formen heranzieht, die für die Mitteilung neurotischer Erfahrungen mit dem Zeitgeist und sich selbst (auch wenn im Fall Lottmann nur alles halb so schlimm wäre wie von Simplizissimus oder ihm selbst geschildert) zur Verfügung stehen. Vielleicht hätte Lottmann sich eine Ich-Figur erfinden müssen, die weniger arg mit dem Zeitgeist und das ihn repräsentierende Forum verbandelt ist.
Über Intellektuelle zu schreiben ist ja grundsätzlich uninteressant, auch wenn man sie in Bordellen auftreten läßt. Sie haben immer so elitäre Probleme. Normale Menschen haben andere Sorgen, sie leiden nicht unter einer schreibwütigen Verwertungssucht ihrer Erfahrungen, sie können auch nicht einfach nach Bangkok abhauen, wenn es ihnen hier nicht mehr gefällt. Ihr Leben besteht aus zu kleinen Wohnungen, unbezahlten Rechnungen, Kindergeschrei, permanenten Demütigungen. Aber vielleicht ist es auch nicht interessanter, darüber etwas zu lesen. Und auch nicht interessanter, darüber zu schreiben.
Wahrscheinlich verfolgt ein Schriftsteller, der über sich selbst schreibt, ein therapeutisches Ziel, auch wenn er das nicht zugibt. In einer fiktiven Ich-Figur tut er selbst nichts, alles ist bloß das Tun der Figur. In ihr kann er unterbringen, was ihm an sich selbst nicht behagt. Er schafft sich einen metafiktionalen Knappen, den er mit allen Zügen von Kälte, Distanz und unbeugsamer Entschlossenheit ausstattet, um ihn den Ungeheuerlichkeiten, den Verirrungen und Peinlichkeiten der uns umgebenden Welt ungerührt ins Auge blicken zu lassen.
Ich muß jetzt wieder zum Zahnarzt, die einzige Realität, die ich anerkenne.

Manfred Mustermann
07.11.2001, 12:59
LOTTMANN.
Nimm meine Liebe an!
BITTE!

joq
07.11.2001, 13:01
Wahnsinn: Das wird mein Lieblingsstrang!

lacoste
07.11.2001, 16:48
Ich muß sofort schreiben, daß ich den Text nicht mehr scheiße, sondern klasse finde!
Eine mutige Speerspitze gegen die Kamelficker, würdig in den neuen Raben
aufgenommen zu werde!

Karl Raduns
07.11.2001, 22:01
Mustermann ist ein schwuler Masochist.

paule9999
10.11.2001, 01:42
Ich war eben mal auf der Hompage von Herrn Lottmann.
http://www.joachimlottmann.de/
Herr Mustermann hat sich noch gar nicht in das Gästebuch eingetragen, ich glaube nun nicht mehr, daß es sich hier um einen schwulen Masochisten handelt.
Herr Raduns, da irren sie sich!

DerCaptain
10.11.2001, 01:59
Auch passend:
http://www2.tagesspiegel.de/archiv/2001/11/06/ak-mn-4414027.html
------------------
standard disclaimer: Ich finde das neue Forum gut und habe unseren Hausmeister lieb.

Herr Cohn
10.11.2001, 01:59
caradatio necesse - (etwas spät dafür, aber zu scheußlich)
(Beitrag wurde von Herr Cohn am 11.11.2001 um 13:14 Uhr bearbeitet.)

honz
10.11.2001, 01:59
Simplizius, jetzt versteht man mehr. Ich habe mich auch immer gefragt warum Lottman seine Protagonisten in seinen Texten, besonders natürlich in 'Deutsche Einheit' nie mit den Frauen ins Bett gehen lässt, oder wenn, dies immer nur kryptisch andeutet.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Sommerserie 'Der Grüne Heinrich' in der taz nicht gezündet hat, dort beschreibt er eine Sexorgie mit Angelika Beer, das gehört zum Schlechtesten was Lottmann je geschrieben hat.

Aporie
10.11.2001, 10:46
'Kurz: Dieser Strang braucht Lottermann nicht, er ist ohne schon viel zu gut.'

Auch Ihre von Sachkompetenz völlig freie Grossmäuligkeit wird ihm nichts anhaben können, Herr Cohn.

Herr Cohn
10.11.2001, 10:58
Will ich wissen, warum Sie heute Morgen ironieresistent sind, Aporie?

Simplicius Simplicissimus
10.11.2001, 11:40
Das ist, verzeihen Sie, schon fast mustermanndumm, was Sie da schreiben, Herr oder Frau Honz. A.W. Schlegel. Deutung eines Literaten aus seinen Lebensumständen. Sie machen sich lächerlich - wenn das Ganze nicht ein Scherz ist. Aber auch auf diese Form von Scherzen habe ich keine Lust zu antworten. Das ist es, was mir grob gesagt das Lesen auf dieser Seite fast unmöglich macht, dieser Comedy-Humor, der jede sachliche Auseinandersetzung zerstört. Das geht jetzt nicht gegen Sie persönlich. Das war schon das Auffällige in der Diskussion, als es um Passig, Biller und Goetz ging. Seitdem ist zwar das Personal der hier Schreibenden fast ganz ausgewechselt - aber nicht das Niveau. Der einzig intelligente Schreiber, ein Herr Flutwasser, scheint verschwunden. Während Ignaz Wrobel unglücklicherweise geblieben ist. Ich möchte seinen Unterstellungen hier auch nicht entgegentreten. Sie alle scheinen ja lieber unter sich zu bleiben, im Referenzsystem ihrer eigenen Irrtümer.

Manfred Mustermann
12.11.2001, 17:04
haha, der war gut: keine lust zu lesen. keine lust zu antworten.
schrieb er, nachdem er alles gelesen hatte.
ach, wie simpel siehst du deine jünger?

Herr Cohn
12.11.2001, 17:12
Dazu muss ich mich äußern! Wenn es Einer wissen will. Auch ich schätze Lottmann, nachdem ich durch dieses Forum geläutert wurde. Das hat mir was gegeben. Innerlich.

Angelika Maisch
12.11.2001, 17:34
@ Simp: Daß der Herr Flutwasser fehlt, in der Tat bedauerlich. Ihre Bemerkung Ignaz Wrobel betreffend, eine bodenlose Dummheit.
Wenn hingegen Sie Simplicius Simplicissimus fehlen würden, ich schätze Sie würden so gut wie gar keinem fehlen.
Hochachtungsvoll, oder wie man das nennt.
(Beitrag wurde von Angelika Maisch am 12.11.2001 um 16:35 Uhr bearbeitet.)

DerCaptain
12.11.2001, 17:40
Das nennt man 'Hochachtungsrandvoll'.
------------------
standard disclaimer: Ich finde das neue Forum gut und habe unseren Hausmeister lieb.

paule9999
27.11.2001, 16:50
Aus aktuellem Anlass, siehe neue Homepagegestalltung auf
www.joachimlottmann.de
gewuchtet.
Das Gästebuch existiert nun nicht mehr!!!

Joachim Lottmann
11.01.2002, 22:28
...und jetzt, big surprise, achter Februar 2002: Michel Houellebecq kommt nach Hamburg, um sich mit mir zu treffen!! Ich kann's kaum fassen und viele andere erst recht nicht, aber es ist ganz banal: Er stellt sowieso im Hamburger Literaturhaus die deutsche Ausgabe von "PLATEFORME" vor und er kennt mich halt, von Bangkok her. Barbara Heine, Leiterin des Hamburger Literaturhauses (s.a. "taz"-Rundmail v. 14.1.2002 "JOACHIM LOTTMANN MUSS HEIRATEN"), hat zudem vermittelt. Für mich ergibt sich somit die Möglichkeit, alle Folgefragen, die u.a. auch im Forum aufgetaucht sind zum Thema, zu klären. Diesmal nicht im Bordell.

Joachim Lottmann
15.01.2002, 03:10
"Liebe Pappen, ich bin's, Eure Lacoste. Eben rief mich der alte Werther an, ich meine Joachim Lottmann, der ja über keinen eigenen Computer verfügt (Détails über sein Schreibgerät im Roman Mai, Juni, Juli) und bat mich, eine Anzeige in den Houle-Strang zu setzen. Joachim sucht demnach noch seriöse und
anregende Fragen für sein hochoffizielles Michel-Houellebecq-Interview im Hamburger Literaturhaus (ist auch ein Feinschmecker-Restaurant da drin, woran man sieht, wofür Hanseaten die Literatur halten, für Gourmetstückchen, fein
und gar köstlich zu konsumieren). Lottmann kennt Houle ja nur aus dem Puff und weiß nun nicht, wie er die Kurve kriegen soll. Die Süddeutsche hat ihm angeblich schon ein paar fette Scheine (noch in DM!!) vorausgestreckt, nun will er nicht versagen. Ich finde übrigens, wir sollten ihm helfen. Es ist ja nicht oft, daß einer von uns Pappenheimern mal oben in der Medien-Bundesliga
mitspielen darf.

Versau die Chance nicht, Lotte! Bleib immer ernst! Meine eigene Hilfsfrage wäre:

"Monsieur Houellebecq, Ihr Kollege Jean Baudrillard hat kürzlich im deutschen Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL die Position Bernard-Henri Lévys zum Sieg der Amerikaner in Afghanistan als Triumphalismus bezeichnet, der ihm fremd sei.

Wie sehen Sie diese Auseinandersetzung?"
Und nun los.

Jedem seine Frage.
Eure Lacoste!

DerCaptain
15.01.2002, 03:34
Also, ich verkneif mir hier jeden Vorschlag.

*gnihihihihih*

giggelnd ab

lacoste
15.01.2002, 03:44
Herr Lottmann verucht, mich zu imitieren!!!! Ich hab damit nichts zu tun!!!!!!!!!

Ehrenwort!!!!

DerCaptain
15.01.2002, 03:49
LaCoste, DIR glaub ich jedes Wort.

Cerebus
15.01.2002, 03:51
Wie jeder Mensch, der Satzzeichen zu zählen versteht, auch sofort nachprüfen kann. Erdferkel übrigens auch.

Aporie
15.01.2002, 17:41
Gibt es für Sie einen Bereich, in dem Sex nicht zum Tauschwert für Geld verkommen ist?

Manfred Mustermann
15.01.2002, 17:52
lieber joachim,

bitte stell houellebecq folgende fragen:

1. warum sind sie schon wieder zu spät?
2. hören sie gerne swing?
3. was haben sie heute früh gegessen?
4. wann ändern sie ihren nachnamen?
5. wo bekomme ich so eine schöne stimme?
6. noch ein bier?
7. wollen wir mal unsere schwänze vergleichen?

vielen dank. dein manfred

Simplicius Simplicissimus
16.01.2002, 02:14
Haben Sie meine Bücher gelesen?

Manfred Mustermann
16.01.2002, 11:03
Ich mußte zwar lachen, verbiß es doch so gut ich konnte, und sagte: »Ach Lottmann, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst sein, wenn du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feur heimsuchest; denn schickest du einen Krieg, so laufen alle bösen verwegenen Buben mit, welche die friedliebenden frommen Menschen nur quälen werden; schickest du eine Teuerung, so ists ein erwünschte Sach für die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickst du aber ein Sterben, so haben die Geizhäls und alle übrigen Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen, wenn du anders strafen willst.«

Ebbesand Flutwasser
16.01.2002, 19:10
"Sie sind das erfolgreichste Würstchen seit Hitler, sind Sie sicher, daß Sie Schäferhunde nicht doch wenigstens ein bißchen mögen?"

Anne Katrin
09.02.2002, 16:03
Was ich jetzt von Joachim Lottmann lesen durfte, fand ich eher etwas windelig. Woher wissen Sie denn das alles? Und stimmt es, dass Sie mit Elke Naters ein inniges Verhaeltnis hatten?

Joachim Lottmann
10.02.2002, 16:58
Ja, ich war mit Houle essen. Und nicht nur das. Natürlich hat es vorher ein Interview gegeben, und das dürfte vielen inzwischen auch bekannt sein, mit langem Vorspann und so weiter. Es geht ja nur gegen die Heiligen Anko-Regeln, daraus zu zitieren... oder auch nur darauf hinzuweisen (da wird man mich dann wohl privat anrufen müssen). Für das FORUM kann (darf) ich also nur Zusatzinfos liefern, die nirgendwo sonst aufgetaucht sind. Ich will mich ja auch für die vielen Fragen und Anregungen aus dem Forum bedanken...
Tja, da ist es natürlich für den echten Paparazzi interessant, was Houle auf dem Leibe trug, diesmal (also solange er es trug): ein dunkles, die ersten drei Knöpfe offenes, gewaschenes aber ungebügeltes Penner-Karohemd, das gut zu seinem Teint paßte (die Haut gelb und glänzend, die Lippen farblos wie die schütteren Haare, Bierbauch etc, mein Gott, was rede ich da), also, die mittelbraunen, wulstigen, abgenutzten Billigtreter mit dicker Gummi-Kreppsohle - STOP! So darf man mit einem Menschen nicht umgehen, der... immerhin als einziger Schriftsteller zur Zeit Bedeutung hat. Denn nur eine intellektuelle Bedeutung ist eine Bedeutung. Hm. Ich sehe schon, ich muß mich diesem Treffen nochmal gewissenhaft widmen. Tu ich auch. Gleich nach dem Sonntags-Spaziergang mit Nici (Reidenbach) und Julia (Mantel). Versprochen!

Joachim Lottmann
10.02.2002, 18:39
Versprochen ist versprochen: Also jetzt runter mit dem Bericht! Den Spaziergang extra kurz gehalten. Julia kriegt einen einflußreichen Agenten (Axel Haase), eine einflußreiche Freundin (eben Nici), und dann läuft das schon, mit viel Liebe. Das war schnell geklärt. Also Michel Houellebecq. Warum er seinen Namen nicht ändern läßt, fragte einer aus dem Forum, fällt mir da ein. Hab ich ihn wirklich gefragt. Der Reihe nach: M.H. stellte im Literaturhaus Hamburg die deutsche Ausgabe seines großen Bangkok-Romans "Plattform" vor. Barbara Heine, die große alte Dame der deutschen Nachkriegsliteratur, hielt die Laudatio auf Französisch. Houle hing schief und zerkrümelt auf einem Stühlchen auf der Bühne des Hörsaals A der Universität, völlig weggedreht (ich beschleunige mal etwas die Erzählung:) Zwar hatte in diesem ehrwürdigen Alten Hörsaal der des Alten Hauptgebäudes der Alten Hamburger Universität einst Thomas Mann aus Felix Krull gelesen, aber Michel blieb trotzdem der Penner. Aufgedunsenes Gesicht, Tablettenabhängigkeit ausströmend, Alkoholfahne, und wie er RAUCHTE: die Gitanes maises oder wie die heißen zwischen Zeige- und Mittelfinger, paff-paff, saug-saug... nein, der fühlte sich nicht wohl. Er war wirklich richtig betrunken, konnte nicht lesen, nur nuscheln. In der Diskussion brauchte er auf die Fragen immer zehn bis zwanzig Minuten Bedenkzeit, um zu antworten. Oft prustete er dann erstmal die Luft aus den Backen zwischen die geschlossenen, dicken aber wie gesagt farblosen Lippen blubbernd hindurch, wie es Kinder manchmal tun, wenn sie "was weiß ich?" meinen, oder Pferde, oder eben Franzosen. Er war lieb, mein lieber Houle, wie in Thailand, so unsicher. Versteht man das? Er kam mit einer alten Plastiktüte auf die Bühne. Dazu hatte er auch noch einen, haltet Euch fest, zerbeulten RUCKSACK dabei, den er irgendwie unsicher hin und her schwenkte. Sein Lächeln ins Auditorium (man hatte die Lesung erstmals aus dem Literaturhaus herausnehmen müssen, weil sich über 1.000 Leute angesagt hatten. Selbst Thomas Mann hatte weniger Interessenten. Kein Wunder, in Felix Krull steckt auch weniger Wahrheit) war das eines tapsigen Dreijährigen, der gerade erst Laufen gelernt hatte (Fortsetzung folgt, muß mir einen Kaffee machen

Joachim Lottmann
10.02.2002, 19:52
Hm... Jacobs Krönung. Ich mache mal einen Sprung, denn am Ende wollen ja doch einige nur wissen, wie es beim Ausgehen zuging und wo der Autor über"nacht"ete (es wurde schon hell). Übrigens hat beim Kaffeemachen eben Anko Ankowitsch angerufen und gesagt, ich dürfe Euch meine Telefonnummer nicht mitteilen. Das sei schon wieder so ein heiliges Forumsgesetz, aber an ihm, Anko liege es gar nicht, da stecke der Chef dahinter (Tex), und am Ende sei er (Anko) der Dumme: "Ich bitte dich inständig, da keine Experimente zu machen, Lorca! Du ahnst nicht, was für ein komplexes Gebilde so ein Forum ist unter juristischen Gesichtspunkten." Also gut, dann ruft mich halt NICHT an. Dann rief noch Nici an, die meinte, Julia sei ein wirklich schützenswerter Mensch. Wollte sie andeuten, ich solle unsere Beziehung incognito halten? Gut, also nur noch zum Thema.
Daß Houellebecq in Wahrheit einen Bereich politisiert und somit der Menschheit zurückgibt, der bis dahin als letzte allesentscheidende Trutzburg des Nichtwissens und der Nebelwand für den männlichen heterosexuellen Teil dieser unserer Menschheit die pure Sklaverei bedeutete, äh... wurde mir nun klar... Punkt. Und auch, daß mein alter Freund, nein, das wäre vermessen, natürlich war er nicht mein Freund, aber 'Männerfreund' konnte ich ihn wohl nennen, aussah wie der späte Lafontaine, entdeckte ich überrascht. Houle drückte eine Gitanes nach der anderen mittels seiner unappetitlichen Kreppsohle auf dem teurer denkmalssanierten Parkettboden aus. Er litt, nicht der Boden, sondern Houle, weil alle Fragen wie stets im blöden Deutschland, unpolitisch waren: Haben Sie an einen Perspektivwechsel gedacht, wie gehen Sie mit den Zeitebenen um, die ganze Handwerks-Scheiße. Nicht EINE Frage zu seinem Frontalangriff gegen den Islam, zum Beispiel. Und der deutsche Übersetzer aus dem Synchronstudio Wenzel-Lüdicke las alle Übersetzungen "witzig" vor, humorig, spöttelnd - es war die Hölle. So verzweifelt besoffen kann ein Hochkaräter wie H. gar nicht sein, um nicht zu merken, daß dieses perverse Comedydeutschland nichts anderes mehr KENNT als Ironie, und daher eine ernstgemeinte Aussage so wenig wahrnehmen kann wie etwa Anke Engelke die moralische Dimension Harald Schmidts. "Ganz köstlich" fand Barbara Heine diese virtuos-heiteren Übersetzungskünste, und später beim intimen Abendessen hatte sie, die Literaturhausmacherin, nur noch Augen und Ohren für den entfernt sitzenden Übersetzer, mit dem sie sich stundenlang lautstark über Kochrezepte und Esoterik unterhielt, während der größte lebende Literat dieses Jahrtausends zusammengesunken und unangesprochen genau vor ihr saß und mehrere Gitanes gleichzeitig zu qualmen schien. Na, gut für mich, denn so lag es auf der Hand, daß ich, als ich einen erschütternden Blick aus seinen trotz Trunkenheit strahlend blauen, großen Augen auffing, eine Bewegung machte, die hie (Moment bitte, muß mir ein Käsebrot machen

Aporie
10.02.2002, 22:19
Unterdessen muss sich der Käse zu Fondue verflüssigt haben. Ich bin schon zum dritten Mal hier, um endlich weiterlesen zu können. Sehr vergnüglich bis dahin.

Joachim Lottmann
10.02.2002, 22:19
...eine Bewegung machte, die schlicht hieß: 'Setz dich zu mir! Die Alte hat ja doch nur Augen für den mediokren Übersetzer!' Der war über 50 und trug weiße Locken, die ihm über die Augenbrauen standen, wahrscheinlich eine Perücke (selbst Helge Schneider hätte die nicht aufgesetzt!). Houle traute sich natürlich nicht und steckte die Nase stattdessen in das Gästebuch des Literaturhauses, wo er sogleich mit dem Abfassen eines Romans begann. Er beschriftete Seite auf Seite, wo andere dort doch nur ihre launigen stereotypen Grüße reinsetzen, etwa Diedrich Diederichsen 1999: "Ich freue mich, mal wieder im Literaturhaus Hamburg zu sein und fühle mich hier tatsächlich rundum echt wohl, und bin froh, daß ich das mal wieder besuchen durfte, dieses schöne Literaturhaus hier..." Die Schrift rutschte schräg nach rechts unten ab, Diedrich muß sehr heiter gewesen sein. Nun aber Houellebecq! Er schrieb eine alltagspolitische Abhandlung über die Deutschen hinein, und ich verstand ihn: Es war seine Flucht vor der banalen Konversation am Tisch, vor dem Geflirte zwischen falscher Übersetzung und ewigem Blabla (kann mich an die Themen gar nicht mehr erinnern), er wollte Zeit totschlagen, jede Minute, die er herumbringen mußte, quälte ihn. Sein Geschreibsel hatte etwas Beängstigendes für mich, und so stand ich auf und rückte meinen Sessel an den seinen. Er sah mich mit seinen treuen Hundeaugen an, fast hätte ich ihm über den flachen Hinterkopf gestrichen. Der Liebe! Ich glaube, das Interview (am 5. Februar) hatte ihm Spaß gemacht. Endlich hatte er einen Journalisten kennengelernt, der dieselbe Doppelmoral schätzte wie er selbst. Houle war ja glücklich verheiratet. Auch er rief manchmal seiner Frau empört zu: "Meinst du vielleicht, es macht mir SPASS, mit irgend so einem blutjungen, hochgewachsenen Thaimädchen zu schlafen, daß an nichts anderes zu denken imstande ist, als mich in Grund und Boden zu vögeln?!" Seine Frau lebte in Irland, also mit ihm, wenn er nicht gerade zu recherchieren gezwungen war, für seine große abendländische Thematik, die Sexualität des Mannes. Kaum hatte ich mein Gesicht in Hörweite seiner Nuschelstimme geschoben, fragte er mich auch schon, ob ich diese Frau mit dem T-Shirt kennte. Ich wußte sofort, was er meinte. Nicht den Schriftzug meinte er, he he, das wußte ich, da ich so war wie er. Eine attraktive Blondine mit einer bemerkenswerten Brust - in den 50er Jahren sagten die Vorväter 'Atombusen' dazu - hatte im Publikum in der zweiten Reihe gesessen und Houle aus seiner Lethargie gerissen. Die Frau war groß, schlank, blond, gutaussehend, und aus dem enganliegenden Pullover bohrten sich zwei Granaten in Richtung Gesichtsfeld des Autors. Der aufgedruckte Schriftzug "Born in Kabul" tat nichts zur Sache. Houle wollte die Frau haben, nicht den Pulli. Es schmeichelte mir, daß er dachte, ich könne sie kennen (er hielt mich für einen Connaisseur...). Als ich verneinte, glaubte er mir nicht. Sie habe immer zu mir hingesehen und der Kumpel neben ihr auch, versicherte er auf Französisch. Ich sagte, daß dies ganz und gar ausgeschlossen sei. Ich hätte mir die aufreizende Busenkönigin weiß Gott GENAU angesehen und ich kennte sie nicht. Doch war ich nun, ob dieser sofortigen Vertraulichkeit gelockt, wagemutig genug, ihn nach Oòn zu fragen, unserer gemeinsamen Freundin. Ich hatte Schwierigkeiten mit ihrer Internetadresse, oder besser gesagt, sie hatte offenbar welche, was womöglich mit den verschiedenen Schriftzeichen zusammenhing. Hocherfreut gab er mir die entsprechende Antwort. Dann las ich seine alltagspolitische Abhandlung über die Deutschen, die ziemlich daneben war, aber ich konnte nicht anders: Wenigstens einer sollte sich für schriftlich niedergelegte Gedanken Houellebecqs interessieren, fand ich, während ich diffus merkte - wohl durch den gestiegenen Geräuschpegel der betreffenden Tischseite - daß die unpolitische Perücke und die stets überlegen-spöttische Lyrikfachfrau B. Heine sich mittels Städtevergleiche und Horoskope noch näher gekommen waren. Unter dem Tisch begannen sie zu füßeln, und DAS hielten sie für eine korrekte Sexualität, während sie die Extasen eines viel zu alten Autors (ohne weiße Locken) mit zwei viel zu jungen Asiatinnen (ohne Marcel-Beyer-Diplom) für WIDERWÄRTIG hielten. Ich wurde langsam irgendwie eifersüchtig, oder was war es? Gönnte ich dem Übersetzer die gutaussehende Topfrau nicht? Denn das mußte der Neid ihr lassen: Barbara Heine sah an dem Abend verdammt gut au (Telefon, Honz. Dauert länger, will was über Julias Wildleder-Ganzkörper-Anzug wissen, hab ihm erst gesagt, darum ginge es nicht, er sei doof. Ich dachte, ich sag ihm das schnell, aber jetzt will er irgendwie weiterreden, als sei da irgendwas. Ich sage, Honz, da ist nichts, ich weiß nichts von hautengen Wildlederhosen oder was auch immer, das interessiert mich so wenig wie umgekehrt. Ich wollte einfach das hier schnell zuende schreiben. Jetzt ruft auf der anderen Leitung Julia an, irgendwas mit dem Agenten, das geht ihr alles zu schnell, und da ist ja noch unser aller Familienverlag, und ich sage zu ihr, du ich habe auf der anderen Leitung Honz, und sie sagt ach ja was will der denn, und mir ist das sowas von peinlich, ich könnte STERBEN, dabei ist Honz sonst gar nicht so, ÜBERHAUPT NICHT, der ist doch der letzte Ehrenmann Berlins, deswegen mochte ich ihn doch immer. Jedenfalls muß ich das alles jetzt erstmal länger klären)

Aporie
10.02.2002, 22:56
Lottmanns Kreationen ließen sich wie Frisuren beurteilen, sie gelingen unterschiedlich ordentlich. Er schreibt ohne Rücksicht auf Crescendi und Höhepunkte, dafür sitzen die Tiefschläge fast so präzis wie bei Meister Houlle
(Jacques Prevert est un con). Aber alles ist gleich wichtig. Das mag Frau Buccuresti, Herr Cohn und honz anders beurteilen. So hält die Spannung auch nach dem letzten Satz an.

Joachim Lottmann
11.02.2002, 12:35
(vollständiger Text unter HIER) tand er nicht auf, nicht deswegen, lachte. "In Kabul doch nicht...warst du jetzt da?" Ich verneinte (es gab ja auch keine Frauen dort). Das 'Gespräch' streifte schon wieder die Motive der Studentin ("eine blonde Eurasierin, selten") und die Westfrauen an sich. "Ich meine, warum schreibt sie auf ihre hervorragendsten Körperteile, sie sei in Kabul geboren? Das ist doch eine Art Solidarisierung, hm? Aber mit wem? Im Grunde müßten die Frauen der freien Welt doch STURMLAUFEN gegen dieses Gesochs. Das Gegenteil tun sie. Mit der künstlichen Unterscheidung von Islam und fundamentalistischem Islam, einen Unterschied, den es in der Wirklichkeit nicht gibt..." Er war sturzbetrunken, also jetzt wirklich, und ich wunderte mich über seinen klaren Geist, so wie ich mich vorher im 'Teen Angel' über seine Potenz gewundert hatte, doch das Soi Klang (vollständiger Text unter HIER)

Joachim Lottmann
11.02.2002, 16:57
(vollständiger Text unter HIER) ch Hause. Hase wurde sofort wach. "Mensch Jolo, wie siehst du denn aus...!" Ich stieß hervor, der Abend sei furchtbar verlaufen. Gegen die Schwulen, gegen die Araber, gegen Madonna, und so weiter, mein Gott am Ende sei es mir zuviel geworden. "Du mußt das positivieren..." begann sie verschlafen. "Nein, nein, ich kann nicht mehr, das war - " Ich machte 'pfff' und schlug die Hände vors Gesicht. Meine Nichte zog mich zu sich aufs warme Bett, ich sollte wohl alles beichten. Ja, es stimme schon, die Schwulenbewegung damals mit ihren Darkrooms, faselte ich, außer Atem und durcheinander, ja da hätten wildfremde ausgewachsene Männer zu zehnt in abgedunkelten Kisten unter Zuhilfenahme von Stöcken - ich hielt inne. Ich konnte dem Kind unmöglich davon berichten. Oder daß alle 'respect!' schrien, als Madonna auf der Bühne masturbierte. Ich holte Luft. Ich ließ mir etwas Zeit, bis ich zu einer Erklärung ausholte. Hase kannte meinen Freund, sie dachte, ich hätte ein schönes Wiedersehen gehabt. Ich hätte Schluchzen können. "Häschen, Houle ist ein guter Mensch. Er meint, nachdem in den letzten 25 Jahren nur Frauen und homosexuelle Männer über Sex geschrieben hätten, sei er nun dran. Und - " Nein, ich hatte keine Lust. Die Supermigräne, die mich erwartete, schnitt mir bereits gleißend ins Gehirn. Ich stöhnte, ich würde ihr morgen alles erzählen, ganz ganz bestimmt. Ich würde jetzt nur einen falschen Eindruck vermitteln. Und ich dachte kurz, daß ja, verglichen mit der bisherigen sexuellen Emanzipationsliteratur, Michel romantische Texte schrieb. Über Reisende, die die wahre Liebe fanden, nachdem sie ein Leben lang unfreundlich behandelt worden waren von ihren Annette-Bening-Frauen. Das würde ich Hase schon vermitteln können, bei Ruhe. Ich würde alles Sexuelle zart umschreiben, nein WEGLASSEN. Und alle Hetze gegen Minderheiten. So kam man doch nicht voran im Leben. Hase glaubte an Gott und interessierte sich für alle Religionen dieser Welt, das war sogar ein ausgesprochener Tick von ihr. Sollte ich ihr im ausgepowerten Zustand hinwerfen, der Islam sei nix? Ich selbst glaubte an Jesus von Nazareth, das wußte sie, das sollte reichen an Intoleranz. Bekanntlich hieß das, daß man allein durch ihn zu Gott komme und ohne ihn nur zu Bin Laden. Soviel wußte sie doch schon! Nein, man konnte auch ZUVIEL rechthaben, und ich wollte nur noch schlafen.
Am nächsten Mittag gingen wir im Hausitaliener wie jeden Tag 'Pizza Margharita Regina' essen. Wir sprachen kein Wort mehr über Michel Houellebecq. Nie mehr.

Aporie
13.02.2002, 19:24
Kann mir jemand sagen, warum diese wie immer höchst vergnügliche Geschichte Lottmanns unbeachtet bleibt?
Liegt es daran, dass man hier auch Houllebecq bös unterschätzt?

Grover Watrous
13.02.2002, 21:34
Die Frage hab ich mir auch schon gestellt, Aporie. Aber gelesen haben ihn alle, da bin ich sicher. (Den Lottmann da oben, mein ich jetzt. Den Houlle wahrscheinlich auch.)

Noch eine Frage: Was meint Lottman mit (vollständiger Text unter HIER) ? Wo ist HIER?

xxx
03.05.2002, 22:24
Völlig übersehen wurde ja dieser (http://www.taz.de/pt/2002/01/25/a0125.nf/text.name,askPnovi9.n,2) Beweis, daß Lottmann erlebt hat, was er erlebt hat.

DerCaptain
14.10.2002, 16:01
(AFP) Der Anschlag von Bali ähnelt in bisweilen erschreckender Form einer literarischen Vision, die im Herbst 2001 von dem französischen Skandalautor Michel Houellebecq entworfen wurde. In Houellebecqs Roman "Plattform" werden bei einem Anschlag auf einen Touristenkomplex in Thailand 117 Menschen getötet. Nach dem mörderischen Anschlag fragen sich die Polizisten zunächst, ob sie es mit Tätern arabischen oder asiatischen Typs zu tun haben. Dabei ist die erste Annahme plausibler - CIA-Agenten zeigen dem Erzähler des Romans Fotos von international gesuchten Terroristen.