henrik
02.11.2001, 22:48
eine sehr grundsätzliche geschichte noch vor dem wochenende:
sie ist voller pathos und ohne jede komik.
kurz nach der wende verliebte ich mich mit ungewohnter leidenschaft in ein mädchen aus berlin/ost. mit viel wunschdenken reiste ich nach berlin hinterher und wurde abgewiesen. voll gekränkter naivität strolchte ich durch das hysterische berlin und landete auf der terasse eines cafes in der ludwig-kirch-straße.
in meiner verblendung, meinte ich nicht nur sie zu lieben sondern alles östlich des odenwalds. insbesondere russische dichtung und wodka.
vermutlich ist es diesen beiden faktoren zuzuschreiben, dass ich an einem nachbartisch meinte den gealterten omar sharif zu entdecken. er trug einen tweedmantel, einen seidenschaal und den ausufernden schnurrbart der wahren russischen revolutionäre.
ich trat auf ihn zu und fragte: 'excuse me sir, are you omar sharif?' er sagte: 'nein, aber danke für das kompliment. setzen sie sich doch.' ich lehnte ab und dann sagte er (diese worte brannten damals noch lange in meinen unverdorbenen ohren)'ich würde mich freuen, wenn sie mich in meine wohnung begleiten würden. ich würde mich erkenntlich zeigen.'
also war es erstmal essig mit meiner neuentdeckten russischen seele. aber:
vor ungefähr einem jahr besuchte ich einen guten freund der bei einer britischen filmroduktion. er war gerade bei dreharbeiten für eine sehr zweifelhafte britische komödie ('The Last Patrol' o.s.ä.)
in manchester. in einer wirklich sehr kleinen nebenrolle spielte ehrenhalber omar sharif mit.
es war gerade drehschlussfest und mein freund nahm mich mit. man feierte in einem ausserhalb und ziemlich einsam gelegenen landgasthof. omar sharif sass an dem cheftisch der von den rotgesichtigen produzenten und ihren vulgär jungen frauen dominiert wurde. er war ganz klein zwischen diesen lauten menschen und lächelte immer fein über ihre witze, aber seine braunen augen schauten traurig ins weite. das lag vielleicht auch daran, dass er vor kurzem erst eine von vielen herz-op's hatte und er nur wasser trinken durfte. (hat mir alles mein freund erzählt).
ich wollte einen moment abpassen, wo ich ein paar erinnerungs-close-ups machen könnte, aber er ging nie zum buffet oder so. schliesslich stand er auf und ein produktionsassistent half ihm in den mantel. er verabschiedete sich und ich täuschte ein dringendes telefonat vor, um ihn vor der tür wenigstens einmal von nahem zu sehen ohne aufdringlich zu wirken.
vor der tür blieb er stehen, atmete tief, blickte über die hügel und sagte zu seinem assistenten mit einer knarrenden stimme, die gar nicht zu diesem fragilen greisenkörper passte: 'can you hear the wolves?' schaute nochmal und stieg in den wagen.
innen jubillierend sprang ich zurück in das lokal: ich hatte eine perle gefunden: die wölfe unserer zivilisation, ja ich höre sie auch, omar, oder soll ich sagen dr shivago, ich stehe bei dir auf der veranda meines inneren steppenhauses und blicke mit geraldine chaplin an meiner seite auf die wölfe des kulturbetriebes, die sich geifernd und um sich beissend auf jeden fetzen originären schaffens stürzen. die dich ruiniert haben, wie sie auch einmal mich ruiniert haben werden.
ich gab viel geld für teure getränke aus um diesen schatz in meine leber zu tätowieren. irgendwann kam dann der produktionsassistent zurück und ich fiel ihm fast um den hals. er musste doch auch so ergriffen wie ich sein.
er klärte mich dann ziemlich schnell auf, dass mr sharif 'can you hear the owls?' gesagt hatte, was völlig natürlich sei, da er nämlich passionierter ornithologe ist.
das war mir sehr peinlich. später nahm ich dann, um mich zu trösten das wasserglas mit, aus dem omar sharif den abend über getrunken hatte, es steht (auch jetzt) auf meinem schreibtisch und man erkennt noch deutlich die spuren, die sharifs lippen darauf zurückgelassen haben.
sie ist voller pathos und ohne jede komik.
kurz nach der wende verliebte ich mich mit ungewohnter leidenschaft in ein mädchen aus berlin/ost. mit viel wunschdenken reiste ich nach berlin hinterher und wurde abgewiesen. voll gekränkter naivität strolchte ich durch das hysterische berlin und landete auf der terasse eines cafes in der ludwig-kirch-straße.
in meiner verblendung, meinte ich nicht nur sie zu lieben sondern alles östlich des odenwalds. insbesondere russische dichtung und wodka.
vermutlich ist es diesen beiden faktoren zuzuschreiben, dass ich an einem nachbartisch meinte den gealterten omar sharif zu entdecken. er trug einen tweedmantel, einen seidenschaal und den ausufernden schnurrbart der wahren russischen revolutionäre.
ich trat auf ihn zu und fragte: 'excuse me sir, are you omar sharif?' er sagte: 'nein, aber danke für das kompliment. setzen sie sich doch.' ich lehnte ab und dann sagte er (diese worte brannten damals noch lange in meinen unverdorbenen ohren)'ich würde mich freuen, wenn sie mich in meine wohnung begleiten würden. ich würde mich erkenntlich zeigen.'
also war es erstmal essig mit meiner neuentdeckten russischen seele. aber:
vor ungefähr einem jahr besuchte ich einen guten freund der bei einer britischen filmroduktion. er war gerade bei dreharbeiten für eine sehr zweifelhafte britische komödie ('The Last Patrol' o.s.ä.)
in manchester. in einer wirklich sehr kleinen nebenrolle spielte ehrenhalber omar sharif mit.
es war gerade drehschlussfest und mein freund nahm mich mit. man feierte in einem ausserhalb und ziemlich einsam gelegenen landgasthof. omar sharif sass an dem cheftisch der von den rotgesichtigen produzenten und ihren vulgär jungen frauen dominiert wurde. er war ganz klein zwischen diesen lauten menschen und lächelte immer fein über ihre witze, aber seine braunen augen schauten traurig ins weite. das lag vielleicht auch daran, dass er vor kurzem erst eine von vielen herz-op's hatte und er nur wasser trinken durfte. (hat mir alles mein freund erzählt).
ich wollte einen moment abpassen, wo ich ein paar erinnerungs-close-ups machen könnte, aber er ging nie zum buffet oder so. schliesslich stand er auf und ein produktionsassistent half ihm in den mantel. er verabschiedete sich und ich täuschte ein dringendes telefonat vor, um ihn vor der tür wenigstens einmal von nahem zu sehen ohne aufdringlich zu wirken.
vor der tür blieb er stehen, atmete tief, blickte über die hügel und sagte zu seinem assistenten mit einer knarrenden stimme, die gar nicht zu diesem fragilen greisenkörper passte: 'can you hear the wolves?' schaute nochmal und stieg in den wagen.
innen jubillierend sprang ich zurück in das lokal: ich hatte eine perle gefunden: die wölfe unserer zivilisation, ja ich höre sie auch, omar, oder soll ich sagen dr shivago, ich stehe bei dir auf der veranda meines inneren steppenhauses und blicke mit geraldine chaplin an meiner seite auf die wölfe des kulturbetriebes, die sich geifernd und um sich beissend auf jeden fetzen originären schaffens stürzen. die dich ruiniert haben, wie sie auch einmal mich ruiniert haben werden.
ich gab viel geld für teure getränke aus um diesen schatz in meine leber zu tätowieren. irgendwann kam dann der produktionsassistent zurück und ich fiel ihm fast um den hals. er musste doch auch so ergriffen wie ich sein.
er klärte mich dann ziemlich schnell auf, dass mr sharif 'can you hear the owls?' gesagt hatte, was völlig natürlich sei, da er nämlich passionierter ornithologe ist.
das war mir sehr peinlich. später nahm ich dann, um mich zu trösten das wasserglas mit, aus dem omar sharif den abend über getrunken hatte, es steht (auch jetzt) auf meinem schreibtisch und man erkennt noch deutlich die spuren, die sharifs lippen darauf zurückgelassen haben.