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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Giller, Walter (erwischte uns beim Kiffen)



Peter Bean
02.11.2001, 18:52
Das waren noch Zeiten, Anfang der Neunziger. Ich war auf Sinnsuche und suchte vor allem eine Hochschule, die mein schauspielerisches Talent entdecken sollte. Das war nicht so einfach, denn meine Sinnkrise war sehr tief und von Schauspiel hatte ich keinen blassen Schimmer. Aber ich hatte einen guten Freund, bzw. eine gute Freundin, deren Freund ich auch gut kannte und der mit seinen Ambitionen inzwischen wesentlich mehr Erfolg hat, als ich. Aber der Reihe nach.

Besagte Sinnkrise hatte mich dazu gebracht, ein ganzes Jahr in einem Kirchenverein als Praktikant (sic!) zu arbeiten, nur um bald zu begreifen, dass der Weg zur hauptamtlichen Kirchentätigkeit zumindest genauso unmenschlich ist, wie der Weg in den hauptamtlichen Dienst bei der Staatssicherheit wohl gewesen sein muss. Als ich also erkannte, dass ich mich auf dem geraden Weg in eine barttragende, gittarrespielende und ansonsten nicht weniger kranke Zukunft befand, stoppte ich das drohende Unheil und wollte Schauspieler werden. Also bewarb ich mich ohne großes Nachdenken und zum Ärgernis meines Praktikumsleiters, der übrigens bald nach mir diesen Job schmiss, an zwei Hochschulen.

Frankfurt am Main sollte es sein und genau dort wohnte eine geliebte Freundin mit ihrem Freund und damaligen Inspizienten am wunderschönen Fritz-Remond-Theater im Zoo. Die beiden wohnten dort wirklich IM Theater und ich durfte ebenfalls zwei wunderschöne Nächte da verbringen, in einem Ballettübungsraum, der voller Spiegel und Stangen und einer riesigen Fensterfront mit Blick auf den Zoo war. Ihr Freund, der Bauer, Andre und heutige Musicalstar bei 'Mozart', bewarb sich genau zu der Zeit ebenda an der Frankfurter Hochschule. In meiner Erinnerung waren diese drei Tage, in ihrem historischen Kontext, die schönsten meines Lebens. Ja... Ich glaube, es waren die schönsten.

Unsere Texte probend verbrachten wir den ersten Vormittag und am Abend hatte Andre Bühnendienst und ich durfte der Vorstellung lauschen. Es lief ein Broadway-Stück, dessen Titel mir entfallen ist und das in einem Hotelzimmer spielte. Stars des Abends: Walter Giller und Nadja Tiller. Es war, glaube ich, sehr amüsant und ich sah mich in Gedanken schon auf den Brettern, die eine Welt bedeuten sollen. Die Vorstellung ging zu Ende und wir trafen uns in der Kammer der Kostüm- und Maskenbildnerin, einer hippen, freundlichen und überaus sympatischen Person. Und die hatte was zu Kiffen dabei.

Andre war ganz aufgeregt. Andre war Nichtraucher und erklärte mir vorab, wie ein Joint wirken würde. Um es kurz zu machen: Ich spürte nix. Nur Andre sog tief an der filterlosen Fluppe und sagte mehrmals euphorisch: 'Spürst du, wie es ankommt? Spürst du es?' Sein Lächeln wirkte in der Tat etwas irre in diesem Moment, aber ich glaube bis heute, dass ein Joint-Anfänger prinzipiell nichts spürt und Andre einen anständigen Nikotin-Kick hatte.
Plötzlich stand Walter Giller im Raum. Er suchte irgendwas. Ich glaube, es war Andre. Giller stand vor mir, persönlich, in der Hand eine Leine mit einem kleinen Pinscher dran, den er wahrscheinlich gleich Gassi führen wollte. Ich glaube, Walter Giller war besoffen.

Wir versuchten ungeschickt die Rauchschwaden zu verscheuchen. Aber ich glaube, Giller war zu benebelt, als dass er irgendwas mitbekommen hat. Andre Bauer hatte inzwischen seinen Verstand wieder erlangt und erinnerte sich manisch mit den Armen fuchtelnd, dass wir (ja, ich und er!) Walter Giller kurz vorsprechen wollten. Nur hatte mir Andre nichts davon gesagt. Wir sprachen also über dies und das. Und aus irgend einem Grunde fand das Vorsprechen dann doch nicht statt. Ich weiss auch nicht mehr warum. Vielleicht, weil wir doch zu bekifft waren oder weil Walter einfach müde war. Jedenfalls sehe ich mich heute noch auf der Remond-Bühne Schillers Kabale proben, vor einem leeren Zuschauerraum.

Die Vorstellung an der Hochschule dauerte nur drei Minuten. Ich durfte Becket von Anouilh nicht mal zu Ende sprechen. Dann empfahl man mir, besser Kellner zu werden, oder Lehrer. Andre erging es nicht besser. Dennoch war es wunderschön in Frankfurt und bis heute liebe ich diese Stadt dafür. Vielleicht auch nur für die Tatsache, dass ich am Morgen nach der langen Nacht mit einem zweiten, höllischen Joint, der mir mein Kleinhirn in den Remote-Modus versetzte, aus Versehen ins Bad stürmte, als sich seine Freundin gerade den BH auszog. Ich stellte fest, dass ihr Busen größer war, als ich erwartet hatte und bedauerte etwas, dass ich damals, vier Jahre zuvor, nicht energischer bei IHR vorgesprochen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte.

In Hannover verlief mein Vorsprechen etwas erfolgreicher. Allerdings scheiterte ich bei dem Versuch, Handkes Publikumsbeschimpfung (Sie atmen ja! Sie sammeln ja Speichel!) weniger diabolisch, sondern kommunikativ und freundlich darzubieten. Aber ich verfiel immer wieder in den bösen Ton und das war der Jury dann doch zu uninspiriert und statisch. Vielleicht auch besser so.

Die Sinnkrise hat inzwischen ein Ende und musste anderen Krisen Platz machen. Andre Bauer ist wie gesagt Musicalstar. Ich bin weder Lehrer noch Kellner geworden, sondern was anderes. Seine und (meine Freundin) hat sich irgendwann von ihm getrennt und lebt jetzt in den USA. Wenn Andre mal so richtig berühmt ist, erzähle ich vielleicht die Geschichte, wie wir betrunken durch die Altstadt gezogen sind und zweistimmig einen Song aus My Fair Lady gesungen haben. Wenn es dann noch jemanden interessiert...

Dominik Bauer
02.11.2001, 19:11
Erst das Scheitern der Ehe, und jetzt die 3 schönsten Tage des Lebens! Was mir an Ihnen gefällt, Peter Bean, ist dass Sie Ihr Herz immer so weit öffnen. Ehrlich.
Ich werde vom Kiffen bloß müde. Nein, einmal habe ich Leberwurst geschmeckt.

Aporie
02.11.2001, 19:21
Jaja, interessiert mich (gucken Sie scharf hin Herr rron calli ³mich' nicht ³uns') Ich mag Geschichten, die so lakonisch und beiläufig erzählt werden. Äußerst angenehm zu lesen.
Natürlich hat Giller die Gin-Flasche gesucht. Ich habe mal 21 Drehtage mit Walter Giller verbracht. Er hat 21 Tage die Gin-Flasche gesucht. Nur wenn er gerade daraus getrunken hat, nicht. Nadja Tiller, die nur 3 Drehtage hatte, suchte derweil nach Worten. Man musste ihr jeden dämlichen Satz auf einen Neger (Filmterminus für schwarze Tafel, die Kreidestaub annimmt und vom Regieassistenten während der Aufnahme hochgehalten wird) schreiben. Aus diesem Dreh stammen auch die geflügelten Worte ³Hoch mit dem Neger' (Nadja Tiller) und ³Runter mit dem Neger' (Kameramann)

frau schmick
02.11.2001, 19:36
grossartige geschichte.
gin ist ja ein fieses getränk.
ich war mal bei der aufnahme einer ganz widerlichen fernsehshow zugegen, da war rex gildo gast. er war so betrunken, dass man angst hatte, er würde die showtreppe niemals lebend runterkommen. überall waren markierungen für ihn geklebt, damit er wenigstens die grobe richtung wusste - runter halt. im off stand ein tischchen mit einer flasche vodka drauf. ich fragte eine rumstehende maskenbildnerin (sie hatte eine puderquaste in der hand, darum denke ich, sie war eine)warum der tisch mit der flasche dort stünde. sie sagte:'ooch, das ist für den gildo, zur belohnung, wenn er fertig ist.'
ich ging dann. so viel elend wollte ich nicht sehen.
(Beitrag wurde von frau schmick am 02.11.2001 um 18:41 Uhr bearbeitet.)

DerCaptain
03.11.2001, 04:14
Lange, aber schöne Geschichte. Lesen, Schmidtchen!
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standard disclaimer: Ich finde das neue Forum gut und habe unseren Hausmeister lieb.

Ignaz Wrobel
03.11.2001, 10:25
Genau, Schmidtchen, lesen!
Interessant mal wieder, wie viele ehemals kirchlich Engagierte hierhergefunden haben. Nachdem alle Sinnkrisen überstanden sind werden hier dann endlich die letzten Fragen der Menschheit beantwortet.

Lenin
03.11.2001, 12:33
Herr Wrobel, was haben Sie denn in der Kirche getan? Ich erzähle dann später auch die Geschichte, wie ich fast Manager der (flächenmäßig) größten Kirche der Welt wurde.

Ignaz Wrobel
04.11.2001, 01:25
Man hat versucht, mich auf einem Internat der badischen evangelischen Landeskirche zu erziehen.

Lenin
04.11.2001, 01:39
Aha, dann war es ja weniger Ihr eigener Entschluß, nehme ich an.
Meine Geschichte muss noch etwas warten, bis ich sie an Licht dieses Forums hebe, da ich etwas weiter ausholen muss. Allein schon dieses große Land...

Ullysses
05.11.2001, 15:40
.

Treutwein
08.11.2001, 14:12
Schöne Geschichte, die unaufhaltsam nach unten rutscht, schade. Joints wirken bei mir auch nicht, wahrscheinlich ist die Wirkung der Teile ohnehin nur eine Legende. Strangvorschlag: Legenden, die sich um die Wirkungsweisen von Drogen ranken.

vinzi
08.11.2001, 14:19
Das mit den Joints kann ich bezeugen. Die ersten 3 haben gar nichts bewirkt, aber ab dem Vierten oder so wurde es dann lustig!
Allerdings haben wir auch mal ein fieses Spiel mit einem doofen Holländer getrieben, dem wir vorgaben, einen Joint zu rauchen, dabei war's nur Tabak. Er wurde von dem Placebo auch high..... oder tat zumindest so um 'dabei' zu sein. Trottel.

frau schmick
08.11.2001, 14:22
wir rauchten früher gerne sachen aus dem gewürzregal. besonders gut waren die kräuter der provence, aber nur die von fuchs. mein mitbewohner percy liebte es, dill zu rauchen. den mag ich aber nur im gurkensalat.

Heinzel
08.11.2001, 14:29
Runterziehen...
Einfach richtig runterziehen, das Zeug...

Conchitta Dill
10.11.2001, 01:40
Dill rauchen? Geht denn das?

Frau H aus B
10.11.2001, 01:48
Schon Dill toll, so Conchitta eine Suchfunktion!

Conchitta Dill
10.11.2001, 01:48
FrauHausB, ich weiß, dass Sie mich nicht mögen. Aber ich versichere Ihnen: Ich brauche keine Suchfunktion, denn ich lese ALLES in diesem Forum.

frau schmick
10.11.2001, 01:48
conchitta, hallo! das mit dem dill ist eine gute frage. ich kann sie nicht beantworten, aber ich werde den ehemaligen mitbewohner fragen. ich kann es mir auch nicht richtig vorstellen - dill ist doch so rieselig.

(Beitrag wurde von frau schmick am 09.11.2001 um 13:24 Uhr bearbeitet.)

Frau H aus B
10.11.2001, 01:48
Es stimmt nicht, daß ich Sie nicht mag, O Forumssphinx, ich finde Sie bloß räselhaft. Und daß Ihre seltenen Wortmeldungen meist im Zusammenhang mit gewissen Reizwörtern stehen, ist nicht nur mir aufgefallen. Da lag dieser Schluß ja wohl nahe. Sie lesen also alles. Ok, ich glaube Ihnen. Peace?
(Beitrag wurde von Frau H aus B am 09.11.2001 um 13:43 Uhr bearbeitet.)

Aporie
10.11.2001, 01:48
Sie sollten Ihre Kräuter nicht in der
Mc Cormick's - Version kaufen Frau Schmick. Dill ist langbättrig und nicht rieselfähig.

Conchitta Dill
10.11.2001, 01:48
Gerne, FrauHausB, gerne. Peace.

Frau H aus B
10.11.2001, 01:48
So nehmen Sie denn dieses Pfeifchen. Es enthält Dill und Hanf aus B. Schmeckt gar nicht mal schlecht.

frau schmick
10.11.2001, 01:48
darf ich wohl mal ziehen???

Ignaz Wrobel
10.11.2001, 01:48
Dill nervt. Der- oder diejenige soll sich mal outen oder für immer schweigen.

Reno Schmittchen
16.11.2001, 01:39
Beim Lesen kam mir gerade hoch, dass ich Walter Giller auch mal gesehen habe, nicht auf einer Bühne, sondern als Verkäufer hinter der Theke eines Tabak- und Zeitschriftenbüdchens. An diesem kam ich alle paar Tage vorbei und kuckte dann auch immer - gleichzeitig weiter gehend - durchs Schaufenster in den Laden. Warum weiß ich nicht mehr, ich glaube, ich kuckte in alle Schaufenster aller Läden, an denen ich vorbei ging. Normalerweise sah man da die Ladenbesitzerin, Typ propere Kegelschwester. Und eines Tages wirkte da an ihrer Stelle Walter Giller. Er machte gerade den Kauf eines Päckchens Ernte 23 perfekt. Ich blieb natürlich vor der Scheibe stehen und dachte darüber nach, was ich wohl versehentlich eingeworfen haben könnte, aber es war wirklich Walter Giller. Zur endgültigen Bestätigung wollte ich noch seine Stimme hören, also ging ich hinein und kaufte, da Nichtraucher, ein Exemplar der damals populären Zeitschrift TEMPO (die später eingestellt wurde, weil das jeweilige Heft immer erst einen Monat später als aufgedruckt erschien). Walter Giller nahm die 5,- und sagte irgend etwas, das ihn endgültig auswies. Ich habe mir den ganzen Tag ernste Gedanken über die soziale Absicherung alter Schauspieler gemacht, las dann aber später in der Lokalpresse, die Besitzerin des Ladens habe bei einem Preisausschreiben Walter Giller für einen Vormittag als Verkäufer gewonnen, was mich sehr beruhigte.

frau schmick
16.11.2001, 01:39
toll, schmittchen! was für ein sagenhafter preisausschreibengewinn!
'er machte gerade den kauf eines päckchens ernte 23 perfekt' - zu schön.

Walter Schmidtchen
16.11.2001, 01:39
Ignaz, sei nicht so hart zu Conchitta, das ist nicht Dein Stil.
A propos Zigarettenkauf:ich stand mal hinter einem Mann am Zigarettenautomat, in den man Scheine schieben konnte, bei Eingabe der Nummer für die gewünschten Zigaretten machte er den typischen Bogenrücken derjenigen, die am Geldautomat gerade ihre Geheimnummer eintippen
(Beitrag wurde von Walter Schmidtchen am 15.11.2001 um 13:49 Uhr bearbeitet.)

rron
16.11.2001, 01:39
Schmidtchen, das glaubt Dir doch wieder mal kein Schwein. 'Ein Mann in den man Scheine schieben konnte.' Was denn noch?

tschisi
16.11.2001, 01:39
also ich ließe mir gerne ein paar Scheine reinschieben.

Walter Schmidtchen
16.11.2001, 01:39
in München gibts das vielleicht nicht, aber bei uns in Bochum kann man schon Scheine in Männer schieben, Mann seid ihr rückständig, ihr hört wahrscheinlich auch Nu Metal, das neue Ding aus USA, wie heute in der Literaturbeilage (!) der Zeit zu lesen stand (Slipknot etc).
In Bochum hört man natürlich schon wieder True Metal!
Stratovarius, Iced Earth, Rhapsody, die Köpfe müssen kreisen, die Haare müssen fliegen, die Stimmen müssen kreischen!

Caliste
06.10.2003, 01:29
°

Williams Christ
23.08.2004, 15:13
HAPPY BIRTHDAY, WALTER!

Peter Bean
23.12.2011, 19:48
ich erlaube es mir mal.

Angelika Maisch
23.12.2011, 19:56
hallo Herr Bean!

Peter Bean
23.12.2011, 23:22
Hallo Frau Maisch , herzlichen Gruss nach Karlsruhe!

honz
24.12.2011, 01:29
Hallo Bean! Was macht die Förde?

Peter Bean
25.12.2011, 18:08
Die Förde ist kalt und nass, und im Februar kommt der BVB angeschwommen und wird wohl untergehen :-)