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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schwarzer, Alice (Alice und ich im Wunderland)



Peter Bean
01.11.2001, 12:21
Die Geschichte, die sich hier zugetragen hat, ist eigentlich eine Geschichte des Scheiterns. Obwohl ich durchaus Verständnis für die Ursachen ultrafeministischer Ansichten habe, bewahrte mich der Rat der Galionsfigur dieser Bewegung nicht vor einer äusserst unangenehmen Ehescheidung.
Weiberfastnacht in Köln am Rhein ist ein besonderes Spektakel, besonders wenn man sich mit einer Gruppe spanischer und ausschliesslich männlicher Mitstudenten dazu entschliesst, sich freiwillig dieser Meute kölschseeliger Frauen auszuliefern. Die feuchtfröhliche Zugfahrt in einem relativ kalten und dreckigen Regionalzug von der ehemaligen Bundeshauptstadt in die Domstadt war bereits ein Erlebnis für sich. Angetrunkene und zu allem bereite Frauen waren vor allem für meine spanischen Freunde Ismael, Antonio und Carlos von ungeheurem Reiz. Dick aufgetragene Karnevalsschminke und putzige Kätzchenkostüme eröffneten auch der reiz- und beziehungslosesten Bankangestellten Chancen auf feuchtfrivole Abwechslung. Wir waren natürlich vollkommen unkostümiert - schliesslich hatten wir auch nichts zu verbergen. Allein ein kleines Hütchen an einem Gummiband diente der Kenntlichmachung als williges Opfer auf der Schlachtplatte wild weiblicher Amüsierwut.
Köln selbst war vom Hauptbahnhof an ein Irrenhaus. Für diejenigen, die rheinische Frohnaturen nie live erlebt haben, muss die übersteigerte Form dieser Spezies - weibliche rheinische Frohnatur - so fernab jeglicher Vorstellungskraft sein, wie es E.T. einst der Mutter von Elliot war. An jeder Ecke gab es Kölsch - eine helle Biersorte mit etwas weniger Stammwürze, aber, um den gängigen Irrtum auszuräumen, mit ähnlich hohem Alkoholgehalt wie Pils. Wir waren wirklich in Gottes Land angekommen. So ungefähr müssen sich Moslems den Himmel voller Jungfrauen vorstellen - vielleicht mit etwas weniger Alkohol und etwas zarteren, jungfräulicheren Geschöpfen, dafür aber mit dem selben Frauen-Männer-Verhältnis um die zehntausend zu eins. Das hektoliterweise vertilgte Bier suchte sich natürlich seinen Weg durch den menschlichen Körper und Frauen haben in dieser Hinsicht einen entscheidenden Nachteil, noch dazu, wenn sie alberne Ganzkörper-Fellkostüme tragen, am besten noch mit puscheligem Schwanz.
Alter Markt war das Epizentrum des wüsten geschlechtsspezifischen Ausbruchs: Wild tanzende und schreiende Menschenmassen inmitten von Bierständen und laut dröhnender Musik. Es war herrlich! An der Wand zum Rathaus standen reihenweise Sattelschlepper und Übertragungswagen einiger Fernsehstationen, die versuchten, die Stimmung und das Lebensgefühl am Rhein in die Wohnzimmer der karnevalistisch arg strapazierten Gebührenzahler zu transportieren. Viel entscheidender war aber der schmale Gang zwischen Übertragungswagen und Rathauswand. Dort wurde nämlich von besonders verzweifelten Menschen beiderlei Geschlechts das überschüssige Kölsch entsorgt. So war es möglich, dass neben einem selbstverständlicherweise stehendem Mann eine Mietzekatze ihr Fellkostüm in Beckenhöhe mittels eines Reissverschlußes öffnete, sich hinhockte und der Natur freien Lauf liess. Das war ein Bild, welches sich für immer in mein Gedächtnis brannte, war es doch der natürlichste und sichtbarste Erfolg feministischen Kampfes.
Wen wundert es, dass mir kurz nach diesem Erlebnis eine Gruppe ringelreintanzender Frauen auffiel, deren eine einen (ich hoffe) künstlichen Leopardenmantel trug und die offenen Haare wild schüttelte. Sofort erkannte ich, um wen es sich handelte: Alice Schwarzer selbst fröhnte der Ausschweifung und dem Kölsch. Nichts hielt mich mehr, es war ein Drang von innen, meine Seele schien mich in ihre Arme zu treiben. Dann plötzlich stand ich hinter ihr: 'Frau Schwarzer?' Etwas erstaunt drehte sie sich um und lachte: 'Ja, junger Mann?'
Und dann musste ich ihr in fünf Sekunden meine Seele ausschütten und in meine Worte flossen ungesagt auch meine Erinnerungen am meine gestresste, arbeitende Mutter und meinen Pascha-Papa ein. Ich wollte soviel sagen, von der Ungerechtigkeit gegenüber den Frauen und von mir und von Afrika und ich brachte es nur zu einem 'Danke, Frau Schwarzer! Sie sind Großartig!'
Dann küsste sie mich fett auf die Stelle zwischen Mund und Wange. Und sie sah meinen goldenen Ehering, nahm meine Hand und fragte: 'Du bist verheiratet?'
'Ja, ganz glücklich seit ein paar Monaten.'
'Dann sei mal immer schön nett zu deiner Frau', ermahnte sie mich freundlich bestimmt und mein 'Werde ich!' bekam sie schon nicht mehr mit. Alice Schwarzer sieht in Wahrheit wesentlich älter aus, als auf dem Bildschirm. Auch dieses Bild blieb in meinem Kopf.
Meine spanischen Freunde hatten völlig verständnislos mein Treiben beobachtet. 'Wer war das?' fragte Ismael. Ich versuchte es ihm zu erklären, aber eigentlich ist Weiberfastnacht nicht so recht die Zeit dafür. Versuche einem Macho-Spanier einmal inmitten gröhlender, saufender und hemmungslos baggernder Weibsbilder etwas von Feminismus und dem Recht der Frauen zu erzählen. Ich gab auf und wir liessen uns im Gewühl weiblicher Körper treiben, bis es Nacht wurde.
Nachtrag: Ich habe Alices Rat befolgt und war immer nett zu meiner Frau. Es hat nichts genützt. Im Laufe einer der vergeblichen Eheberatungen bescheinigte mir der Berater ein etwas übersteigertes Verständnisgefühl für Frauen. Schade, dass Alice nicht dabei war. Denn es kostete viel Kraft und Mühe irgendwann als Mann aufzustehen und zu sagen: 'Es reicht mir! Ich bin auch ein Mensch!'

(Beitrag wurde von Peter Bean am 01.11.2001 um 14:40 Uhr bearbeitet.)

Murmel
01.11.2001, 12:31
Perlen, die man nicht vom Gurkenglasboden hochtauchen muss, sollten am Versinken gehindert werden.
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DerCaptain
01.11.2001, 12:39
Zweitschönstes Wort der Woche: 'übersteigertes Verständnisgefühl '
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the only thing that looks good on me is you

Die Wucht
01.11.2001, 12:47
Peter Bean, Sie werden mir immer sympathischer. Sie vestehen, warum.

honz
02.11.2001, 01:27
Großes Drama, große Geschichte.
Vielleicht könnten sie ja allzu Menschliches in einem Srang, der von unserem Frauenschwarm Poser Rosenberg mal eingerichtet wurde loswerden, oder moderieren sie ihn, er ist in letzter Zeit etws vernachlässigt worden.
Frauenverhauraum:
http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10263

Ignaz Wrobel
02.11.2001, 01:27
Mein Gott, Peter Bean, klasse! Selten fühlte ich mich so verstanden wie heute. Lassen Sie uns eine Männergruppe gründen.

Peter Bean
02.11.2001, 01:27
Danke, Herr Wrobel. Was halten sie von einem ganzen Männernetzwerk?

Dominik Bauer
02.11.2001, 01:27
Ich hab die Geschichte eben diagonal gelesen und dachte einen Moment wirklich, Alice Schwarzer hätte gesagt: 'Sei mal immer schön nett zu Deiner Frau! Werde ICH!'

Peter Bean
02.11.2001, 01:27
Herr Bauer, das ist wirklich eine goethegleiche Entlarvung meines Verständnisgefühls-Problems: 'Werde ICH!' liess ich unbewusst Frau Schwarzer zu mir sagen. Klasse!
Aber ich habe mich emanzipiert!

Walter Schmidtchen
02.11.2001, 01:27
danke Peter Bean, schulligung nochmal wegen neulich, als ich Sie wegen unserer Quadratqualle angebellt habe.
Warum nur, warum kommen immer neue, immer grossartigere Geschichten, und nicht wie befürchtet lauter Müll?

Peter Bean
02.11.2001, 01:27
Ihr Lob ehrt mich wahrhaftig, Herr Schmidtchen. Aber entschuldigen müssen Sie sich doch nicht. Nicht hier!

vir
02.11.2001, 01:27
Die Einladung zum Schulterklopfen am Schluss irritiert mich ein wenig. Ansonsten recht gute Geschichte - 'Ich gab auf und wir liessen uns im Gewühl weiblicher Körper treiben, bis es Nacht wurde' - sehr schöner, viele Assoziationen auslösender Satz.


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Omnia vincit amor

julia mantel
02.11.2001, 01:27
ich hatte mal einen mac-job beim hr, da mußte ich eingeladene, meist prominente menschen durch die gegend führen und ihnen die sendung, für die ich arbeitete, schmackhaft machen. vor zwei jahren auf der buchmesse war dann auch alice schwarzer bei uns.
ich war auch ganz fassungslos vor rührung und erzählte ihr, daß ich nach meinem abi ein praktikum bei emma machen wollte, ursprünglich.
'ja, wir nehmen ja gar keine praktikanten', so ihre antwort.
ich fand sie nett und charmant und sehr bodenständig.

Walter Schmidtchen
02.11.2001, 01:27
sie hat PraktikantEN gesagt?

DerCaptain
02.11.2001, 01:27
Ha! Diese Sexistin, die Schwarze. Ich wußt's immer.
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the only thing that looks good on me is you

Ullysses
08.11.2001, 01:28
Pappinnen und Pappen, lesen Sie die obige Erzählung und den neuen Bean!
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zwei l sind ein l zu viel

(Beitrag wurde von Ullysses am 07.11.2001 um 12:35 Uhr bearbeitet.)

le_reptile
31.01.2005, 15:07
frauenfaschismus! bald!