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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Menasse, Robert und Robert Schindel (Menasses Koffer und Schindels Telephon)



leosinger
28.10.2001, 15:21
Wie Robert Schindel einmal meinen Vater anrief und ich Robert Menasse einmal half, den Koffer zuzumachen
Ich stand kurz vor dem Abschluß meines Studiums und hatte mich entschlossen, mich in meiner anstehenden Magisterarbeit den Romanen von Robert Menasse und Robert Schindel zu widmen. Viel hatte ich nicht gelernt beim Studieren; immerhin war mir aber das Bewußtsein für das vermitteln worden, was 'wissenschaftliches Arbeiten' genannt wird. In diesem konkreten Fall bedeutete das, daß ich mich einer großen Zahl offener Fragen ausgesetzt sah, die mir jedoch nicht die Sekundärliteratur beantworten konnte, denn die gab es nur spärlich zu den beiden Autoren. Also schrieb ich zwei Briefe, einen an Schindel, einen an Menasse.
Als erstes antwortete der letzgenannte. Er war zu dieser Zeit gerade in New York, würde aber bald wieder in Wien sein, schrieb er mir damals. Monate später sollte ich ihn dann kennenlernen. In Berlin hielt man ein Hauptseminar über österreichische Gegenwartsliteratur ab, und zum Abschluß lud man Menasse ein. Ich reiste dorthin. Im Innenhof der TU las er aus seinen Romanen und beantwortete anschließend Fragen, die sich in nichts von den Fragen unterschieden, die immer auf Dichterlesungen gestellt werden. Mittlerweile wußte ich schon gar nicht mehr, was ich ihn hatte eigentlich hatte fragen wollen. Aber da war Robert Menasse, ich war da, also ging ich zu ihm und wollte mich ihm vorstellen.
Menasse, der ungeniert rauchte, obwohl es verboten war, versuchte gerade, die Bücher in seinen Koffer zurückzustopfen. Der Koffer ging nicht mehr zu. Da stand er, der Dichter, und bemühte sich, die 'Seligen Zeiten' zu verstauen. Kurz entschlossen half ich ihm dabei, setzte mich auf den Koffer und schließlich war der Koffer zu. Der Anfang war gemacht. Als ich sagte, wer ich sei und daß ich ihm geschrieben hätte, sagte Menasse nur: 'Ah, Sie san des.' Später wollte ich ihn dann in Wien besuchen, aber ich habe es nie getan.
Robert Menasse ist sehr groß, jedenfalls größer, als man denkt, wenn man ihn nur von Photos kennt. Er raucht Gauloises Blondes legeres und scheint eine Schwäche für schwarze Polo-Hemden zu haben.
Robert Schindel habe ich bis heute nicht kennengelernt. Er hat meinen Brief auch nie beantwortet. Aber nicht etwa deswegen, weil er unhöflich wäre, sondern weil er offenbar lieber telephoniert als schreibt. Kurz nachdem ich ihm geschrieben hatte, rief mich mein Vater an. Da hätte irgendjemand aus Wien bei ihm angerufen und gefragt, ob er, mein Vater, mich kenne. Anstatt meinen Brief zu beantworten, hatte Schindel eine Reihe meiner Verwandten angerufen, in der Hoffnung, mich so ausfindig zu machen und war schließlich an meinen Vater geraten. Sein Glück, daß mein Nachname sehr selten ist.
Am Abend habe ich dann mit ihm telephoniert. Es war an dem Tag, als Viktor Klima gerade Bundeskanzler geworden war. Trotzdem war Schindel gut gelaunt. Er hat eine warme, sehr tiefe Stimme. Er lud mich nach Wien ein, aber auch ihn habe ich nie besucht. Ich hätte einfach nicht gewußt, was ich ihn fragen sollte.
Meine Magisterarbeit habe ich schließlich über etwas völlig anderes geschrieben.
(Beitrag wurde von leosinger am 28.10.2001 um 17:27 Uhr bearbeitet.)

Walter Schmidtchen
28.10.2001, 16:43
Über was? Über Haselnüsse im Werk Wolfdietrich Schnurres?

Die Wucht
28.10.2001, 16:47
Ein Lehrstück über die Vergeblichkeit aller Bemühungen (der Etikettierungslust zuliebe lasse ich die wohl abgeschlossene Magisterarbeit aus). Schön, wie leicht erzählt diese unspektakulären, resignationsgeneigten Anflüge hier landen. Wenn ich nur wüßte, wer die genannten Herren sind... ist es vergeblich zu fragen?

Aporie
28.10.2001, 17:04
Aber Wucht. Dass es zwei österreichische Autoren sind, geht aus der Geschichte hervor. Um sie auseinanderzuhalten: Schindel ist der, der sich am Ingeborg Bachmann - Wettbewerb beim Reden ständig an allen auf dem Bildschirm sichtbaren Körperteilen kratzt. Deshalb kann er nicht schreiben, denn dazu braucht man mindestens eine Hand.
Die Beschreibung der im Ansatz misslungenen Sekundärliteratur reicht Schindel spielend das Wasser.

Die Wucht
28.10.2001, 17:19
Klein-Doof ist zwar klein-doof, aber dass es sich um Schriftsteller handelt, war klein-doof klar. Schriftsteller als Synonym für Bildschirm-Kratzer war klein-doof neu. Klein-Doof hat trotz der ausgiebigen aporieschen Antwort noch eine Frage: Was schreiben die denn so, oder kratzen die nur?

Walter Schmidtchen
28.10.2001, 17:23
Jüdisches, Politisches

Aporie
28.10.2001, 18:07
Auh weih, Schmidtchen. Das kann ins Auge gehen.

Aporie
28.10.2001, 18:14
Nun Frau Wucht, bei dem, was mir zu diesen beiden Autoren einfällt, wäre jedes Urteil ungerecht, denn mehr als zehn Seiten habe ich nur von Robert Schindel gelesen. Und zwar in 'Gebürtig'. Ist glaub ich auch sein einziger Roman. Wird aber schon verfilmt. Schindel hat sich bis zur Co-Regie durchgekratzt.

Walter Schmidtchen
28.10.2001, 21:05
Wieso Au weih?
Worum gehts nochmal in Gebürtig?
Worum gehts im neuen Menasse?

Aporie
28.10.2001, 22:01
Guck doch bei amazon nach. Aber gib bitte nicht 'Jüdisches' ein.

Die Wucht
28.10.2001, 22:11
Kratzen.
Spindel.
Menasse.
Für Ihre dürftigen Kenntnisse, Herr Aporie, waren Ihre Augenbrauen im Anbetracht allgemeiner Unkenntnis zu hoch gezogen.

Die Wucht
28.10.2001, 22:13
Nachtrag, Frage: Ist leosinger in Analogie zu den lassiesingers entstanden?

Aporie
28.10.2001, 23:17
Um das Ausmass meiner literarischen Ungebildetheit zu vervollkommnen, liebe Frau Wucht: Hier noch einige weitere Autoren, die ich nicht oder nur angelesen habe, zunächst mal nur die, die mir gerade einfallen:
Joan Rowling, Marcel Reich-Ranitzki,Donna Leon, Ludwig Uhland, Leon Winter,
Paulo Coelho, Alexandre Dumas, Isabelle Allende, Peter Rosegger, Elke Heidenreich, Christian Kracht,Patricia Highsmith,Siegfried Lenz, Stephen King, Ingrid Noll, V.,S. Naipaul, Ephraim Kishon, Joseph Haslinger.....

Die echte Marion
29.10.2001, 00:13
menasse an der uni paparazzen ist wie bischöfe im vatikan zu paparazzen. anscheinend raucht er immer in seminare, wo er nicht darf. macht nichts, kann man ja schön mitrauchen.
seine bücher sind klug, aber eher ein fall fürs bücherforum. sehen wir uns ja vielleicht da mal, leosinger. vielleicht sind Sie aber auch schon vorher phänomenal entgeistert von der erkenntnis, daß auch in diesem forum dummheit machbar ist.

Ignaz Wrobel
29.10.2001, 11:51
Dummheit ist grundsätzlich überall machbar. Der Herr Singer (heißen Sie wirklich so?) tut mir leid: So viele Annäherungsversuche, und dann fällt ihm immer nicht ein, was er fragen soll.
Den 'neuen Menasse' in Taschenbuchform sah ich mal auf einer Party junge Männer mit Heiner-Müller-Brillen verschwiegenen Blickes herumreichen. Ich habe, glaub ich, ein Buch von ihm, hab mich aber seither nicht getraut, reinzuschauen. Vielleicht hat Menasse so eine Ausstrahlung?
Menasse-Besprechung im Buchforum: Her damit!
Und mal wieder ein netter Dialog, der zwischen Wucht und Aporie.