Hundertsasa
28.10.2001, 03:36
Guten Abend erst einmal. Ich bin neu hier und habe mich in den diversen Beiträgen geradezu festgelesen. Und natürlich kann und muss ich mit einer Anekdote aufwarten, die sich im Januar diesen Jahres in Los Angeles zugetragen hat.
Nach Abschluss meines Studiums bin ich für ein paar Wochen in die USA geflogen. Ich hatte keine allzu konkreten Pläne, wie ich dort herumreisen wollte, aber ich wusste, dass ich unbedingt längere Zeit in LA verbringen wollte. 1986 war ich dort zum ersten Mal gewesen.
Was ich genau mit LA verband: vielleicht das, was in diesem Forum auch immer wieder anklingt. Descartes sagte: Ich denke, also bin ich. Nixon soll gesagt haben: Ich bin im Fernsehen, also bin ich. Und jetzt, nach der Lektüre verschiedener Beiträge in diesem Forum, drängt sich mir der Verdacht auf, dass der geupdatete Existenzbeweis lauten müsste: Ich habe den oder die aus dem Fernsehen außerhalb des Fernsehens gesehen, also bin ich.
Jedenfalls, LA. 1986, auf Familienurlaub, waren wir im Century Plaza Hotel abgestiegen, gegenüber des Shubert-Theaters und gegenüber der Century City Twin Towers. Vom Balkon des Hotelzimmers aus konnte man durch den schmalen Grad zwischen den Türmen die Hollywood Mountains sehen. In einiger Entfernung und meistens im Dunst. Und einen länglichen weißen Fleck darin: das musste der Schriftzug HOLLYWOOD sein.
Das war, als ich Januar dieses Jahres wieder nach LA kam, jenes Bild, was sich durch die Jahre hin in meinem Hirn ein- und quasi festgefräst hatte. Und dieses Bild habe ich dann, ob ich es wollte oder nicht, wieder gesucht. Ich wollte irgendwo einen Star treffen. Ich wollte dieses HOLLYWOOD finden. Ich wollte sein.
Natürlich interpretiere ich jetzt maßlos. Natürlich hätte ich das im Januar so niemals formuliert. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich durchstreifte Beverly Hills, kaufte für 6$ eine Star-Map, die mit dem LA Stadtplan nicht in Übereinstimmung zu bringen war, weil ganze Straßenzüge darauf schlichtweg vergessen worden waren, lungerte am Sunset Boulevard in Tower Records und im Virgin Mega Store herum und tat wie ich glaubte alles, was man bewusst tun muss, um Stars zufällig zu kreuzen.
Aber irgendwann die Enttäuschung: dieses HOLLYWOOD-Schild ist vom Highway 10 aus betrachtet geradezu popelig klein, keiner fährt mehr diese fancy cars, sondern nur riesige SUVs, alles ist irgendwie verkommen und das Century Plaza Hotel von damals wird konsequenterweise gerade renoviert. Oder aber: ich habe mich damals, 1986, ganz einfach in meiner Wahrnehmung getäuscht. Oder aber: LA hat sich weiterentwickelt, obgleich es aus meinem Horizont verschwunden war. Oder aber: was soll die Kinderei. Schluss. Aus. Angekommen. Und dennoch: dieses Gefühl, nicht zu sein, weil ich niemanden gekreuzt habe, der ist, weil er oder sie auf Leinwänden und Flimmerkisten erscheint.
Eine erste kleine Erlösung kam, als ich im Hotelzimmer Fern sah und ein Interview mit Tom Hanks zu seinem letzten Film äCast Awayä ausgestrahlt wurde. Er saß auf der Terasse eines der Hotelrestaurants am Strand von Santa Monica, wo ich am Vortag gewesen war. Das gab mir zumindest das Gefühl, schon mal am richtigen Ort gewesen zu sein. Gleich dahinter waren wir geinlineskatet.
Und dann der vorletzte Tag, vor dem Rückflug. In der Nähe des Santa Monica Piers war ich in einem Restaurant namens Cha Cha Chicken zum Essen verabredet. Es liegt hinter Hecken direkt an der Straße und sieht eher schäbig aus. Getränke werden nicht einfach wieder aufgefüllt, sondern man muss für jedes Getränk extra zahlen. Um aufs Klo zu gehen durchquert man durch die Küche. So was Typisches für lonely planet Reiseführer. Meine Bekannte aus LA meinte aber, dass dies gerade der Ort sei, wo man hinginge. Ins Cha Cha Chicken, nicht auf dessen Toilette.
Wie wir da draußen sitzen und essen und uns unterhalten, kommt eine falsche Brünette mit zwei anderen Mädels rein, bestellt an dem holzverschlagenen Fenster das Essen und dann setzen sie sich an einen Tisch, schräg gegenüber von uns. Sie können sich vorstellen, was passiert. Es rattert in mir. Diekennstdudochdiekennstdudochverdammtnochmalweristdenndas. Ich sage meiner Bekannten, sag mal, die kommt mir so bekannt vor. Fiona schaut vom Chicken auf und sagt, die sehe aus wie Alanis Morisette. Dann geht alles ganz schnell. Der am holzverschlagenen Bestellannahmefenster ruft die fertigen Chicken aus, die falsche Brünette steht auf zusammen mit einer der beiden Begleiterinnen, ich stürze den Rest Sevenup runter und gehe mit dem leeren Becher zum holzverschlagenen Bestellannahmefenster, und ich denke: ich werde, während ich lässig um refill bitte, ihr sagen, you look like Alanis Morisette, was höflich genug ist, wenn sie«s tatsächlich ist, und ein schönes Kompliment im anderen Falle, das zugleich die Relativität menschlicher Wahrnehmung als einzige Gewissheit unterstreicht.
Ich überlasse es Ihnen, sich auszumalen, wie ich mich gefühlt habe, als ich schließlich neben ihr und der anderen stehe, mit meinem leeren Becher natürlich, und auf mein todsicheres You-look-like-Alanis-Morisette ein
I-am-Alanis-Morisette
verabreicht bekomme, worauf sie zwei Teller Chicken und Getränke geschickt ausbalanzierend zu ihrem Tisch zurückkehrt.
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Allerdings, antwortete er; das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.
Nach Abschluss meines Studiums bin ich für ein paar Wochen in die USA geflogen. Ich hatte keine allzu konkreten Pläne, wie ich dort herumreisen wollte, aber ich wusste, dass ich unbedingt längere Zeit in LA verbringen wollte. 1986 war ich dort zum ersten Mal gewesen.
Was ich genau mit LA verband: vielleicht das, was in diesem Forum auch immer wieder anklingt. Descartes sagte: Ich denke, also bin ich. Nixon soll gesagt haben: Ich bin im Fernsehen, also bin ich. Und jetzt, nach der Lektüre verschiedener Beiträge in diesem Forum, drängt sich mir der Verdacht auf, dass der geupdatete Existenzbeweis lauten müsste: Ich habe den oder die aus dem Fernsehen außerhalb des Fernsehens gesehen, also bin ich.
Jedenfalls, LA. 1986, auf Familienurlaub, waren wir im Century Plaza Hotel abgestiegen, gegenüber des Shubert-Theaters und gegenüber der Century City Twin Towers. Vom Balkon des Hotelzimmers aus konnte man durch den schmalen Grad zwischen den Türmen die Hollywood Mountains sehen. In einiger Entfernung und meistens im Dunst. Und einen länglichen weißen Fleck darin: das musste der Schriftzug HOLLYWOOD sein.
Das war, als ich Januar dieses Jahres wieder nach LA kam, jenes Bild, was sich durch die Jahre hin in meinem Hirn ein- und quasi festgefräst hatte. Und dieses Bild habe ich dann, ob ich es wollte oder nicht, wieder gesucht. Ich wollte irgendwo einen Star treffen. Ich wollte dieses HOLLYWOOD finden. Ich wollte sein.
Natürlich interpretiere ich jetzt maßlos. Natürlich hätte ich das im Januar so niemals formuliert. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich durchstreifte Beverly Hills, kaufte für 6$ eine Star-Map, die mit dem LA Stadtplan nicht in Übereinstimmung zu bringen war, weil ganze Straßenzüge darauf schlichtweg vergessen worden waren, lungerte am Sunset Boulevard in Tower Records und im Virgin Mega Store herum und tat wie ich glaubte alles, was man bewusst tun muss, um Stars zufällig zu kreuzen.
Aber irgendwann die Enttäuschung: dieses HOLLYWOOD-Schild ist vom Highway 10 aus betrachtet geradezu popelig klein, keiner fährt mehr diese fancy cars, sondern nur riesige SUVs, alles ist irgendwie verkommen und das Century Plaza Hotel von damals wird konsequenterweise gerade renoviert. Oder aber: ich habe mich damals, 1986, ganz einfach in meiner Wahrnehmung getäuscht. Oder aber: LA hat sich weiterentwickelt, obgleich es aus meinem Horizont verschwunden war. Oder aber: was soll die Kinderei. Schluss. Aus. Angekommen. Und dennoch: dieses Gefühl, nicht zu sein, weil ich niemanden gekreuzt habe, der ist, weil er oder sie auf Leinwänden und Flimmerkisten erscheint.
Eine erste kleine Erlösung kam, als ich im Hotelzimmer Fern sah und ein Interview mit Tom Hanks zu seinem letzten Film äCast Awayä ausgestrahlt wurde. Er saß auf der Terasse eines der Hotelrestaurants am Strand von Santa Monica, wo ich am Vortag gewesen war. Das gab mir zumindest das Gefühl, schon mal am richtigen Ort gewesen zu sein. Gleich dahinter waren wir geinlineskatet.
Und dann der vorletzte Tag, vor dem Rückflug. In der Nähe des Santa Monica Piers war ich in einem Restaurant namens Cha Cha Chicken zum Essen verabredet. Es liegt hinter Hecken direkt an der Straße und sieht eher schäbig aus. Getränke werden nicht einfach wieder aufgefüllt, sondern man muss für jedes Getränk extra zahlen. Um aufs Klo zu gehen durchquert man durch die Küche. So was Typisches für lonely planet Reiseführer. Meine Bekannte aus LA meinte aber, dass dies gerade der Ort sei, wo man hinginge. Ins Cha Cha Chicken, nicht auf dessen Toilette.
Wie wir da draußen sitzen und essen und uns unterhalten, kommt eine falsche Brünette mit zwei anderen Mädels rein, bestellt an dem holzverschlagenen Fenster das Essen und dann setzen sie sich an einen Tisch, schräg gegenüber von uns. Sie können sich vorstellen, was passiert. Es rattert in mir. Diekennstdudochdiekennstdudochverdammtnochmalweristdenndas. Ich sage meiner Bekannten, sag mal, die kommt mir so bekannt vor. Fiona schaut vom Chicken auf und sagt, die sehe aus wie Alanis Morisette. Dann geht alles ganz schnell. Der am holzverschlagenen Bestellannahmefenster ruft die fertigen Chicken aus, die falsche Brünette steht auf zusammen mit einer der beiden Begleiterinnen, ich stürze den Rest Sevenup runter und gehe mit dem leeren Becher zum holzverschlagenen Bestellannahmefenster, und ich denke: ich werde, während ich lässig um refill bitte, ihr sagen, you look like Alanis Morisette, was höflich genug ist, wenn sie«s tatsächlich ist, und ein schönes Kompliment im anderen Falle, das zugleich die Relativität menschlicher Wahrnehmung als einzige Gewissheit unterstreicht.
Ich überlasse es Ihnen, sich auszumalen, wie ich mich gefühlt habe, als ich schließlich neben ihr und der anderen stehe, mit meinem leeren Becher natürlich, und auf mein todsicheres You-look-like-Alanis-Morisette ein
I-am-Alanis-Morisette
verabreicht bekomme, worauf sie zwei Teller Chicken und Getränke geschickt ausbalanzierend zu ihrem Tisch zurückkehrt.
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Allerdings, antwortete er; das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.