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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Scharping, Rudolf (erklärt den Handtuchspender)



RHammer
27.10.2001, 20:14
Bevor Rudolf Scharping einer der mächtigsten Männer der 'zivilisierten Welt' wurde, war er einer der mächtigsten Männer von Rheinland-Pfalz.
Kurz nachdem er dort zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, ich glaube, es war 1991, wurde wieder einmal zu einer LandesschülerInnenkonferenz, einem Zusammentreffen von Schülerinnen und Schülern der rheinland-pfälzischen Gymnasien und Gesamtschulen, geladen, um dort über Demokratie, Satzungen, Lehrpläne und Umweltschutz zu diskutieren. Mir machte so etwas Spaß, außerdem gab es schulfrei, eine Party, Reisekostenerstattung und die Aussicht, bei der Abitursfeier für besonderes Engagement geehrt zu werden (was mir aber vorenthalten blieb).
Dieses Mal konnte unsere Konferenz sogar im Landtag stattfinden, weil sich eine von Scharpings Töchtern in unseren Reihen befand. Als ich mir gegen Ende der Konferenz meine nach einem Toilettenbesuch frisch gewaschenen Hände trocknen wollte, stand ich vor einem Problem: Auf dem Handtuchspender, einem dieser Dinger, aus denen sich normalerweise mittels Ziehens mit beiden Händen ein Stück Handtuch hervorzaubern lässt, stand warnend 'Nicht ziehen' geschrieben! Nun war guter Rat teuer.
Gerade als ich versuchte, trotz des Verbots doch zu ziehen, kam Rudolf Scharping zur Tür herein und ermahnte mich mit der Frage, ob ich denn das Schild nicht gelesen habe. Dann zeigte er mir die korrekte Bedienung des Apparates, den man - manchen Wasserarmaturen an Autobahnraststätten nicht unähnlich - durch eine schlichte Winkbewegung veranlassen konnte, einige Dezimeter gebügeltes Stoffhandtuch frei zu geben.Ich bedankte mich.
Damals wusste ich natürlich noch nicht, wozu dieser Mann später einmal fähig sein würde. Ich ahnte es nicht einmal.

Edding Kaiser
27.10.2001, 20:20
Das nenne ich doch einen schönen Einstieg.
Willkommen, Herr Hammer.

Dreizehn Koestlichkeiten
27.10.2001, 20:22
Ein schönes Debüt, RHammer! Auch ich stehe häufig wild gestikulierend vor irgendwelchen störrischen Automaten und warte darauf, daß jemand um die Ecke kommt, der etwas davon versteht.
Ich weiß, Sie sind nicht verwandt oder verschwägert mit BSemmer, aber die gibts hier auch und die ist genauso prima wie Sie!

Dreizehn Koestlichkeiten
27.10.2001, 20:23
Menno, immer ist Tobler schneller.

Toblers Unke
27.10.2001, 20:24
Oh, das ist er bestimmt nicht mehr lange...
------------------
Es wird böse enden.

marie battisti
27.10.2001, 20:27
als würd ich nie mit nassen händen vor solchen apparaten stehn, aber 13k war schneller

Mumin
27.10.2001, 20:29
wollt schreiben was marie schrieb, aber die ist einfach zu schnell für mich

Mumin
27.10.2001, 20:29
Wollt dasselbe wie Mumin über mir schreiben, aber dann stands schon da.
(Beitrag wurde von Mumin am 27.10.2001 um 19:30 Uhr bearbeitet.)

gelbpferd
27.10.2001, 20:41
Wie kommt es, daß Sozialdemokraten vorzugsweise auf stillen Örtchen anzutreffen sind? Erst neulich erzählte mir ein Freund (seinerzeit Ost-Juso, mittlerweile Polit-Ruheständler), wie er 1990 auf dem SPD-Vereinigungsparteitag mit Willy Brandt auf dem Parteitagsklo (falls es so etwas gibt) ins Gespräch kam, und auch meine einzige Begegnung mit einem Genossenboss war mit Franz Müntefering auf der Herrentoilette des Flughafens Berlin-Tegel. Da war Müntefering noch Beauftragter für den Hauptstadtumzug und -- so schließt sich der Kreis -- verzweifelte am Herumwürgen am Handtuchspender. Weswegen er, um beide Hände frei zu haben, einen Teil seiner Akten auf beiseite packte -- wo er sie nach erfolgreichem Händetrocknen prompt liegen ließ, so daß ich sie ihm anschließend hinterhertragen mußte. Hätte ich damals schneller geschaltet, hätte ich natürlich die Akten (Kabinettsvorlagen) an ein Hamburger Nachrichtenmagazin weitergeleitet (immerhin stand da was von 'Aufbau eines Rundfunknetzes im früheren Jugoslawien', womit vermutlich nicht die kostenlose Abgabe von Satellitenschüsseln für den Deutsche-Welle-Empfang gemeint war); so aber mußte ich mit dem ministerlichen Lob 'Das ist aber lieb von Ihnen' bescheiden.

Mumin
27.10.2001, 20:46
Hach, jetzt gibts hier auch noch ein ganz tolles Gelbpferd! Schon gesehen, Tobler? Diesmal war ich schneller!
Gelbpferd, auch bei Ihnen ein schöner Beginn, und noch so dezent als Appendix!
Und jetzt hör ich auf zu loben.

marie battisti
27.10.2001, 20:48
ja ganz meisterlicher einstieg
(leider war mumin schneller)

Die Wucht
27.10.2001, 20:48
Kofferträger,
Aktenhengst,
Spiegelleser!
Das Händewaschen hast Du darüber sicherlich vergessen,gp, pfui.

gelbpferd
27.10.2001, 20:49
Tschuldigung, Wucht, ich hol's gleich nach. ('Brav. Setzen.')

Larry Erbs
27.10.2001, 20:51
Bei mir haben diese Geräte oft die Angewohnheit nicht zu funktionieren. Auch automatisch öffnende Türen verweigern manchmal den Dienst und öffnen sich erst in letzter Sekunde. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, weil ich meist sehr schnell gehe. Es ist aber eine grosse Demütigung von einem automatischen Wasserhahn oder Handtuchspender nicht beachtet zu werden. Vielleicht ist meine Aura abgestumpft. Sozialdemokraten haben mir noch nie auf Toiletten geholfen.

Die Wucht
27.10.2001, 20:51
Richtig, brav und gut (letzteres gilt Deiner Anekdote),gp!
(Beitrag wurde von Die Wucht am 27.10.2001 um 19:52 Uhr bearbeitet.)

Hilde
27.10.2001, 20:51
ein Gedrängel hier um den Handtuchhalter, ich möchte mal mitdrängeln und mitloben

marie battisti
27.10.2001, 20:54
und so vorbildlich höflich, ich bin entzückt

jkika
27.10.2001, 22:23
Ja, so kennt man Ihn den Rudolf Scharping, schnelle Auffassungsgabe, eine zupackende Art. Heute hat er vermutlich immer ein Blatt gräfliches Toilettenpapier dabei.
Jetzt wünsche ich mir noch folgende Story:
Carolin Reiber meets Rrrrudolf Scharrping auf dem Bahnhofsklo.

rz
27.10.2001, 22:47
@Gelbpferd
Es ist nicht so bekannt, dass wichtige Entscheidungen in der Politik auf dem Klo fallen. Dabei ist die Couleur unwichtig, es gilt für Sozialdemkraten ebenso wie für Christen und Freie. (bei den anderen war ich noch nicht auf dem Klo)
Ich habe sogar schon erlebt, dass einer auf dem Klo ein Ministerium angetragen bekam (und annahm und dann recht erfolgreich führte).
Einmal, und damit soll das Paparazzi-Forum auch mit einem Namen gefüttert werden, stand ich am Becken, als mir jemand die Hand hinstreckte und sagte: 'Guten Abend, ich bin Gerhard Baum.' Ich hatte meine Rechte irgendwo, was sollte ich tun? Sie dort weg nehmen und einen Freund allein lassen? Ich zog es vor, Baum zu verprellen und nur wortlos zu nicken. Baum ging wieder und verlor kurze Zeit später sein Ministeramt.
rz

MrMachin
11.01.2002, 14:46
Rudolf Scharping war als Ministerpräsident auch einmal in unserem Dorf. Ich weiß noch, wie wir als kleine Schar von Schülern um ihn rum standen und über Bildungspolitik diskutierten, und wie er meinte, es sollen sich doch auch die Eltern mal engagieren.



Als die Diskussion langsam dahinsiechte, meinte er, ein guter Freund von ihm feiere Geburtstag (dezenter Blick auf die Uhr), allerdings finde das ganze in Kaiserslautern statt. (Damals verstand ich "Bratislava" und wunderte mich) Deshalb müsse er jetzt weg. Dann strecke er uns seine Hand entgegend, auf daß wir sie ergriffen... er wußte, daß das der Grundstein des Personenkults ist.

klak
11.01.2002, 17:05
scharping und der handtuchspender - eine meisteranekdote. aber wundert es wen, dass sich bin baden mit sowas auskennt?

Edmund
11.01.2002, 23:13
Eine ausgesprochen schön beschriebene Begegnung - elegant!

In England gibt es Klopapierspender (dispenser), auf denen "the indispensable" steht. Fand ich witzig.

Hilde
14.01.2002, 22:39
unbedingt wuchtenswert

Perlen nach oben, Mist nach unten!

marie battisti
20.01.2002, 02:00
schließe mich hilde an, war scxhon gemütlich hier

Ruebenkraut
03.08.2002, 01:14
Jaja, es ist zwei Wochen zu spät, um aktuell zu sein, aber ich wuchte trotzdem.
RHammer hat leider nie wieder (unter diesem Namen) gepostet. Schade eigentlich und erstaunlich bei soviel Lob.

Spaszgang Mischnick
03.08.2002, 01:33
Toilettentür schlagend

Oh Verzeihung, falsche Wiese!

yellowshark
07.02.2004, 17:17
.

Juri
29.03.2011, 08:46
Rudolf Scharping war als Ministerpräsident auch einmal in unserem Dorf. Ich weiß noch, wie wir als kleine Schar von Schülern um ihn rum standen und über Bildungspolitik diskutierten, und wie er meinte, es sollen sich doch auch die Eltern mal engagieren.

Als die Diskussion langsam dahinsiechte, meinte er, ein guter Freund von ihm feiere Geburtstag (dezenter Blick auf die Uhr), allerdings finde das ganze in Kaiserslautern statt. (Damals verstand ich "Bratislava" und wunderte mich) Deshalb müsse er jetzt weg. Dann strecke er uns seine Hand entgegend, auf daß wir sie ergriffen... er wußte, daß das der Grundstein des Personenkults ist.

Händeschütteln mit Politikern kann anscheinend eine beängstigend intensive Erfahrung sein. Ein mir nahestehender Mann erzählt heute noch davon, wie er kurz nach der friedlichen Revolution auf den Marktplatz rannte, weil es hieß, Helmut Kohl sei da. Er (10) und sein Bruder (11) standen hinter einer Absperrung, aber Kohls Patsche war nicht zurückzuhalten. Wie ein riesiges weiches Kissen, wie ein Hausschuh, nie vorher und nie danach habe er eine solche Hand berührt.
Auch eine Sprechstundenhilfe meiner Mutter schüttelte in den Zeiten des Umbruchs Kohls Hand und war tief beeindruckt; danach wählte sie CDU.

Thrud
10.05.2012, 19:28
Wunderbare Geschichte!