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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rowohlt, Harry (auf der Buchmesse)



Dominik Bauer
25.10.2001, 12:19
Während der letzten Buchmesse hatte Harry Rowohlt eine sogenannte Late Night Lesung im Sendesaal des HR. Dort war ich auch.
Vor Beginn der Lesung standen meine Zufallsbekanntschaft und ich noch ein bißchen im Foyer herum und tranken Bier, als er plötzlich auftauchte. Nicht im Jeansjöppchen diesmal, sogar ohne -käppchen, aber natürlich doch und trotz Anzug unverkennbar: Harry Rowohlt.
Im Foyer kehrte ehrfürchtige Stille ein, das vornehme Pendant zum Raunen der Mittelschicht, und Harry Rowohlt strebte ohne Umschweife auf unseren Tisch zu. ³Darf ich das hier mal ablegen?ã brummte er, legte ab und ging weiter, irgendwelche Leute begrüßen.
Was nun auf unserem Tisch lag, war eine nicht mehr ganz weiße und um es höflich zu sagen: prall gefüllte Baumwolltasche. Auf ihr spannte sich in verwaschenem Blau das Logo der Lindenstraße.
Es war kein Zweifel, daß sich in dieser Tasche mindestens das komplette Leseprogramm des heutigen Abends befand. Mehrere spitze Buchkanten waren schon daran, sich einen Weg ins Freie zu bohren, aber noch hielt der Stoff gut dagegen.
Meine Zufallsbekanntschaft und ich sahen uns an. Wir konnten, wenn wir wollten. Die Tasche hier, Harry Rowohlt irgendwo. Aber es war, als habe uns der Herrgott selbst seine Tasche anvertraut, nur um unsere Diskretion auf das Grausamste zu testen.
Wir hielten in stillem Einverständnis durch.
Harry Rowohlt näherte sich irgendwann wieder unserem Tisch. Noch einmal wurde er von einem Offiziellen wortreich aufgehalten, wobei er, mehr aus Ungeduld denn aus Ergebenheit, viele kleine Verbeugungen machte.
Und dann war er wieder bei uns. Brummte ein freundliches ³Dankeã und zog seine Baumwolltasche wieder vom Tisch. Wir hatten bestanden. Wir hatten, wie wir jetzt, aber auch erst jetzt ehrlich sagen konnten, auf die Tasche von Harry Rowohlt aufgepasst.
Als wir nur wenig später erlebten, wie prompt und gnadenlos der große Harry Rowohlt unhöfliches Paparazzen bestrafte, empfand ich dann auch weder Mitleid, noch Schadenfreude. Es war Gerechtigkeit.
Die junge HR-Moderatorin, die mit der eigentlich überflüssigen Aufgabe betraut war, Harry Rowohlt vorzustellen, konnte sich nämlich nicht beherrschen. Mitten auf der Bühne steckte sie ihre Nase tief in die berühmte Tasche. Und damit nicht genug, berichtete sie auch noch allen anwesenden Damen und Herren: ³Ahaaa ... ich sehe ein Deodorant!ã
Harry Rowohlt überlegte etwa zwei Sekunden und brummte dann laut und ruhig: ³Dabei hättÎ ich das gar nicht gebraucht. Sie riechen überhaupt nicht streng.ã

Andrea Maria
25.10.2001, 12:57
Was hatten Sie denn gehofft, in der Tasche von HR zu entdecken? Der Inhalt der Bücher kann es ja nicht gewesen sein, denn der kam ja offenbar zum Vortrag.

Chavez
25.10.2001, 12:59
Aber das Deo war sehr schön und typisch gekontert von Herrn Rohwohlt!

lacoste
25.10.2001, 15:58
'Aber es war, als habe uns der Herrgott selbst seine Tasche anvertraut...'
Was für ein Quatsch!!!
Harry Rowohlt auf der Buchmesse NICHT zu begegnen, DAS wäre berichtenswert!!!

Kathrin Passig
25.10.2001, 18:05
Ich habe vor vielen Jahren mal mit Harry Rowohlt telefoniert, und das kam so: (ich zitiere aus der Mail, in der ich damals meinem Freund davon berichtete)
'Gegen viertel nach vier (nachts, d. Red.) hat das Telefon geklingelt und Herr H. war dran. Er hat sich gefreut, daß ich noch wach bin, viel dummes Zeug geredet und mich dann an einen anderen Herrn weitergereicht, der auch viel dummes Zeug geredet und mich dann an einen weiteren Herrn ... es war so ein Treffen in Marburg. Über kurz oder lang hat mir Herr H. auch verraten, mit wem ich alles telefoniert hatte, nämlich Wenzel Storch (das ist der mit diesem Hippiefilm), Funny van Dannen (so ein Liedermacher, aber ein tausendmal besserer als C.s Stecher), Christian Schmidt (ein Depp von der Titanic) (ich war jung und wusste es nicht besser, d. Red.) und Harry Rowohlt. Harry Rowohlt! Er hat mir viele schöne Geschichten von der Lindenstraße erzählt, mir sein Lied aus der Silvestergala vorgesungen und vorgeführt, daß er alle Dialekte nachmachen kann, deren alte Postleitzahlen hinten mindestens zwei Nullen haben. Ich war sehr gerührt. Irgendwann nach sechs haben sie dann wieder aufgelegt, und dabei hatten sie vom Gästehaus der Uni Marburg aus angerufen, wo die Einheit 30 Pfennig kostet. Bloß weil die Jungs zu blöd waren, ein paar blonde Germanistinnen aus Marburg mit aufs Zimmer zu nehmen. Oder die mußten früh heimgehen, keine Ahnung. Harry Rowohlt! Nie wieder wasch ich mir das linke Ohr!'
Ja, so lebten wir Autorengroupies alle Tage ...
kratzt sich nostalgisch am Ohr

Dominik Bauer
26.10.2001, 11:24
Mit einem Tag Abstand muß ich sagen, Frau Lacoste hat Recht, sie hat aber nur die zweitschlimmste Stelle gefunden. Die schlimmste ist: 'Es war Gerechtigkeit.'
Ich weiß auch nicht, ich habe am Vorabend indische Linsen gegessen. Vielleicht war es das, was die Geschichte so gebläht hat.
Kathrin Passig hätte aber beinahe das Genre des Telefonischen Paparazzens erfunden. Leider traf schon mal jemand Gerhard Schröder am Telefon.
(Beitrag wurde von Dominik Bauer am 26.10.2001 um 10:32 Uhr bearbeitet.)

kat-o
16.06.2015, 16:16
Trauriger Punkt.

Alberto Balsam
17.06.2015, 02:29
Wenn alles nur schiefgeht, egal, was man macht, und gar nichts zu klappen mehr scheint, wenns Leben so schwarz wie die Stunde der Nacht, IST EIN PORTER DEIN EINZIGER FREUND

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