PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Prinz Charles (Lange Rede, kurzer Sinn)



vinzi
23.10.2001, 11:46
Während meines Studiums der Germanistik und Anglistik organisierte das englische Seminar meiner Uni zweijährlich einen Ausflug nach Stratford-on-Avon, der Wirkstätte des ollen Billy Shakespeare. Man verbrachte eine Woche dort in einem privaten Bed&Breakfast, besuchte jeweils am Morgen Vorlesungen mit Regisseuren, Schauspielerinnen oder Komponisten, besuchte abends die Vorstellung eines Theaterstücks (manchmal auch mittags, denn man sah 7 Stücke in sechs Tagen) in einem der Theater des Städtchens und betrank sich regelmässig nach den Vorstellungen im 'Dirty Duck', immer in der (bis dahin vergeblichen) Hoffnung, mit einer der jungen Schauspielerinnen (oder Schauspieler, im Falle meiner weiblichen Kommilitoninnen) ins Gespräch zu kommen, weil die nach den Vorstellungen auch immer dort hinpilgerten und sich betranken.
Ich teilte mein B&B Zimmer durch Los-Entscheid mit F.B., einem etwas bleichen, wortkargen aber hochintelligenten Italo-Schweizer, dabei hätte ich doch viel lieber, wie auf der Anmeldung frech angegeben, mit F.G. ein Zimmer bezogen, meinem unerreichbaren Schwarm vom Gymnasium quer über alle Klassengrenzen, etliche Jahre zuvor. Sie studierte nun auch Anglistik und das wäre in meinen Augen DIE Gelegenheit gewesen, Verpasstes nachzuholen. Aber weder das Organisationsteam der Reise, noch die Landlady war davon zu überzeugen, mich mein Zimmer mit einer Frau teilen zu lassen. Naja, sei's drum, tut eh nichts zur Sache.
Wir sassen also beim english breakfast und hörten schockiert zu, als am Fernseher verkündet wurde, man habe Yitzhak Rabin erschossen, was natürlich zu hitzigen Diskussionen unter den Kommilitonen und Kommilitoninnen führte. Alles Diskutieren half aber nichts, wir mussten los, zur morgendlichen Vorlesung. Wissen war stärker als Macht, gewissermassen.
Beim Theater angekommen, staunten wir allerdings nicht schlecht. Die Strasse war über Nacht mit Blumen geschmückt worden, alle Fenster der Geschäfte, welche die Strassse säumten, waren spiegelblank und die Strasse selber war mit Barrieren abgesperrt Bei einem dekorativ herausgeputzten Bobby erkundigten wir uns, was denn hier plötzlich los sei. Etwas unwirsch wurden wir mit der Auskunft 'royal visit' abgespiesen. Da unser Professor auch in der Menge auszumachen war, gesellten wir uns dazu und warteten. Plötzlich kam sie dann angefahren, die prototypische Staatskarosse; ein schwarzer Rolls Royce mit den Wimpeln des Königshauses. Man fuhr langsam, majestätisch die Strasse hoch und hielt dort, wo wir uns aufhielten, in der Nähe der Vorlesungsräumlichkeiten. Die Tür wurde geöffnet und heraus trat Prince Charles im eleganten dunkelblauen Anzug.
Sofort waren wir in ein Meer von Union Jack Wimpeln gehüllt, welche von begeisterten Hausfrauen euphorisch geschwenkt wurden. Der Prinz war sich seines PR Effektes natürlich vollkommen bewusst, und schritt auf die Menge zu. Der Absperrung entlang schüttelte er Hände, berührte Kleinkinder und führte Small Talk. Als er endlich auf unserer Höhe war, war sein Lächeln schon etwas eingefroren. Meine Nachbarin A.D. (übrigens die Schwester einer unserer 'Wort zum Sonntag'-Fernsehpredigerinnen) streckte ihm erfreut ihre Hand entgegen, welche der Prinz charmant ergriff und sanft schüttelte. Als er dann erfuhr, dass wir eine Gruppe Anglistikstudierender aus der Schweiz seien, hielt er inne, die security Männer kamen leicht ins Schwitzen, liessen sich aber nix anmerken, und wir diskutierten ein Weilchen zusammen über englische Literatur im Allgemeinen und den alten Shakespeare im Speziellen, denn eine seiner (des Prinzen, nicht Shakespeares) offiziellen Funktionen war offenbar 'Patron der Shakespeare-Bibliothek zu Stratford-on-Avon'. Wir bemühten uns natürlich, mit unseren hervorragenden Kenntnissen der englischen Literatur zu glänzen, und so hagelte es nur so auf ihn herab·'Metatextualität', 'Hermeneutik', 'gender studies' und was uns sonst noch alles einfiel. Der Prinz war um keine Antwort verlegen und stellte sich als profunder Kenner des Jargons und der Inhalte heraus. Alles in allem ein erfrischendes open-air Kurz-Seminar mit einem Blaublüter.
Abends betranken wir uns dann wieder im 'Dirty Duck', und dank dem Erlebnis mit Prince Charles kamen wir nun endlich sogar mit den schönen Schauspielerinnen ins Gespräch.
Danke Euch, ewiger Prinz!



(Beitrag wurde von vinzi am 23.10.2001 um 11:19 Uhr bearbeitet.)

Vompapstgekuessteerde
23.10.2001, 12:43
Schöne Geschichte, allerdings mit einem kleinen Wermutstropfen, weil sie leider abbricht, als die Schauspielerinnen endlich angebaggert werden.

DerCaptain
24.10.2001, 01:24
Stimmt. Gerade wirds spannend und Schluß.
Außerdem besserwisserisch heißt es doch 'Stratford-UPon-Avon', oder?
Nein, ich hör ja schon auf, schöne, dezente Geschichte das. Besonders durch das Drumherum.
------------------
'd'oh!'

honz
24.10.2001, 01:27
bla bla bla, Studentengeschreibsel!
jetzt kriegen sie es doch noch tatsächlich mit mir zu tun, lieber Herr Vinzi, nehmen sie es bitte nicht persönlich, aber sie glauben ja wohl nicht im Ernst, sie seien der einzige Neue, der es schafft nicht abgesnobbt zu werden, so sorry.
Grund mich mit Ihnen etwas näher auseindander zu setzen ist, daß ich meine, sie übertreiben es doch etwas sehr. Ich kenne das euphorische Gefühl beim Betreten dieser geweihten Hallen, habe ihre Kommentaren auch in anderen Strängen gelesen, und ich ich bin mir sicher sie fahren gerade mit Vollgas an die Wand.
Erst kam die schöne Annie Lennox Geschichte, dann mußte gleich was hinterher, sie hatten nichts, deshalb musst die Moulinettengurke geschaffen werden, und jetzt das, Prince Charles, sie ist schlamping und banal. Ich sage Ihnen auch warum:
Die Episode mit ihrem Schwarm vermisst jegliche Wärme, Schwärmen, Sehnsucht, sie ist aus auf den schnellen Fick.
Die Episode mit Rabin ist vollkommen verschenkt. Rabins Tod war Weltschmerz.
Formulierungen wie:
'Der Prinz war sich seines PR Effektes natürlich vollkommen bewußt' - Natürlich der Mann hat mindestens 2 Auftritt pro Tag, seit über 30 Jahren!
'profunder Kenner' bäh. uvm.
Nun, was berechtigt mich pompous old fart überhaupt zu ranickisieren, es wurden schon genug mittelmäßige Geschichten geschrieben, einige auch von mir. Aber selten in dieser Euphorie und Geschwindigkeit.
Also der Tip, den man hier gebetsmühlenartig herunter murmelt: Lesen sie, lesen sie präzise, schreiben sie, schrieben sie präszise, überdenken sie die Geschichte, schleifen sie an Struktur, und Formulierungen das hier ist keine Wettbewerb im schnellem Pulver verschiessen.
Und, bitte nicht beleidigt sein!

Honz, kann es nicht lassen.

vinzi
24.10.2001, 01:27
Alles klar Herr Honz. Wurde notiert. Zum Thema 'Schrieben sie präszise' nur dies: In der Schweiz schreibt man immer 'ss', nicht 'ß' falls Sie das meinen, aber das wissen Sie ja sicher.
Konstruktive Kritik kann nie beleidigen, höchstens die Euphorie dämpfen.
(Beitrag wurde von vinzi am 23.10.2001 um 13:23 Uhr bearbeitet.)

lacoste
24.10.2001, 01:27
vinzi, Du musst wissen, dass honz sich momentan in einer Phase befindet, in der er glaubt, er sei der Einzige, der gut schriebe und überhaupt irgendeine Checkung habe.
Ich weiß auch, was diese Phase ausgelöst hat, aber das gehört hier nicht her, es wird sich wieder legen.
Beachte ihn einfach nicht, auch wenn es schwer ist, so penetrant, arrogant und nervtötend, wie er momentan ist.
Leider verrät er seine e-mail Adresse nicht, ich wollte ihm nämlich eigentlich mailen.
ß/ss

rron
24.10.2001, 01:27
vinzi, das von Ihnen zitierte war keineswegs eine Kritik betreffs fehlender 'ß', eher ging's um überschüssige kleine Finger an der linken Hand, aber nicht an der Ihren.
(Beitrag wurde von rron calli am 23.10.2001 um 13:46 Uhr bearbeitet.)

Walter Schmidtchen
24.10.2001, 01:27
vinzi, warte mal, wenn Mariola Brillowska kommt, was dann passiert, Du wirst staunen

marie battisti
24.10.2001, 01:27
hat honz einen kurzgeschichten-wettbewerb gewonnen?

honz
24.10.2001, 01:27
Nein, höchstens verloren, aber das wenigstens mit eigenen Geschichten.
Ansonsten schreibe ich wie viele andere hier im Forum gut, aber auch nur das und nicht mehr, es gibt hier einige wenige, die wirklich besonders sind, zu diesen zähle ich mich nicht.

vinzi
24.10.2001, 01:27
@lacoste: Wie ich sehe, haben Sie zum Du gewechselt. Danke auch für Deine angedeuteten Hintergrund-Informationen. Ich bin ja wirklich erst seit gestern hier und hab noch nicht die Checkung, und mein jugendlicher Euphorismus (Euphemie?) scheint bei den Alten nur so la la anzukommen. Hm...
Ich werde mich also wohl in der nächsten Zeit mal an die tantrische Formel von Honz machen (übrigens auch die meines ehemaligen Professors: 'lesen, lesen, lesen'...oder doch lieber Hanny van Dannen (oder wie hiess der nochmal)...'saufen, fressen, fi**en'?
Man wird sehen. Alles wird gut.

(Beitrag wurde von vinzi am 23.10.2001 um 15:52 Uhr bearbeitet.)

Aporie
24.10.2001, 01:27
Ich muß Honz verteidigen. Dieser Text plätschert nun wirklich zu unbekümmert in seichtem Wasser dahin. Die Hauptfigur heißt offensichtlich ³Man'. ³Man verbrachte eine Woche dort', ³man sah 7 Stücke in 6 Tagen' ³man besuchte die Vorstellung eines Theaterstücks (sic!), ³man betrank sich regelmäßig', ³man habe Yitzak Rabin erschossen', ³man fuhr langsam, majestätisch die Straße hoch'.
³Da unser Professor auch in der Menge auszumachen war, gesellten wir uns dazu' (?). Zu wem? Zum Professor? Zur Menge? Zu ³man'?
Der Autor hülle sich künftig besser in Schweigen als ³in ein Meer von Wimpeln'.

Pomito
24.10.2001, 01:27
Hausmeister, seit wann ist das hier ein Seminar für kreatives Schreiben? Ändern Sie doch bitte das Schild am Eingang, die zahlreichen Dozenten wird's freuen!
Vinzi, kein schlechtes Stück. Ein bißchen anglistik-lastig, ein wenig unentschlossen ('tut eh nix zur Sache'), aber ansonsten...
Nehmen Sie's gelassen, wenn man (sic) mit der Dudenkeule auf sie eindrischt.

Ignaz Wrobel
24.10.2001, 01:27
Hat der Charme des Unbekümmerten, die Geschichte! 'Der olle Billy Shakespeare' - naja, im Deutschen Theater sollte man das nicht unbedingt vortragen. Trotzdem nett subjektiv, wie's halt erlebt wurde. Und bestätigt mal wieder, daß Prinz Charles der kompetenteste und zugleich unarroganteste Thronanwärter der Welt ist. Der Mann kennt sich wirklich überall aus, hat es gewagt, sich mit den Architekten seines Landes anzulegen, führt eine Öko-Musterfarm und überraschte neulich Frau Künast bei einer Führung nicht nur damit, daß er jedes seiner Schweine beim Namen kennt, sondern auch sämtliche Details der deutschen Verbraucherschutzordnung. Ein Jammer, daß die Queen ihn partout nicht ranlassen will, so wird es sein Sohn werden, als männliches Diana-Double der Herzen.