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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Lennox, Annie (Mundraub bei Annie Lennox)



vinzi
22.10.2001, 12:52
Es war in meiner Pubertät!
Dieser Prolog erscheint mir angesichts der nachfolgenden Short-Story ziemlich wichtig, denn was macht man nicht alles, wenn die Hormone Achterbahn fahren und man nicht weiss, ob man nun die Stimme von Hans Clarin oder Jean Reno bekommt...
Aaaalso, es war in irgendeinem Sommer der 80er Jahre, leider weiss ich nicht mehr genau in welchem, schätze mal so 84 oder 85. Das war die Zeit, als bei uns im Sommer im Fussballstadion immer die grossen Open-Air Konzerte abgehalten wurden. Diesen Sommer war's mal wieder so ein Mega-Event mit Joe Cocker, Tina Turner und sonstwem... aber das Wichtigste waren natürlich die Eurythmics.
Ich lungere also vor dem Stadion herum, fest entschlossen (aber mit mulmigem Gefühl im Magen) mir auf dem Schwarzmarkt ein Ticket zu ergattern, da kommt schon nach dem ersten Konzert des Tages die Meute raus um ihre Tickets loszuwerden. Ich kratze also mein ganzes Taschengeld zusammen und löhne einen Schwarzhändler. Die Eurythmics sind als nächste dran, und auch an diesem Tag die einzigen, die mich interessieren. Ich steh also da und ergötze mich an der blondierten Annie, welche unter ihrer Lederjacke nichts weiteres trägt, als einen roten Spitzen-BH.... Pubertäres Paradies, ich seh dich winken! Als dann die Lederjacke in der Sommerhitze auch noch fällt bin ich nicht mehr zu halten...ich johle meine geschundenen Stimmbänder sprachlos bis zur Heiserkeit.
Nachdem Konzert mutiere ich flugs selber zum Schwarzhändler und versuche nun meinerseits, mein Ticket wieder loszuwerden, denn als Jüngling konnte ich damals mit Joe C. und Tina T. nicht so viel anfangen... der eine zu bärtig, die andere zu alt (damals schon...).
Ich verkaufe also mein Ticket nur mit ca. 5 Franken Verlust (ca. 9 DM) und zu diesem Preis ein Eurythmics-Konzert gesehen zu haben, hat sich schon gelohnt. Es kommt aber noch besser!
Am selben Abend (Die Konzerte waren am Nachmittag) geh ich also mit meinen Kumpels in die Stadt; wir wollen zum Chinesen. 'Pagode' nennt sich der Schuppen, und ich betrete zum ersten Mal in meinem Leben einen orientalischen Essens-Tempel. Wir werden von einem freundlichen Chinesen in die hinteren Gefilde des Schuppens geführt, in eine Ecke mit schummrigem rotem Licht aus orientalischen Lampen.
Wir konzentrieren uns zunächst auf die Speisekarte und ich bin mir nicht sicher, was ich bestellen soll, denn, zum ersten Mal mit der Chinesischen Küche konfrontiert sagen mir die Begriffe wie 'Szechuan', 'Chop Suey' oder 'Sweet Sour' nicht so viel. Ich bestelle also aufs Geratewohl ein Pork Szechuan (ich weiss es noch genau! Auch heute noch eines meiner Lieblingsgerichte...).
Nachdem also die Speisenwahl und -orderung glücklich über die Runden gegangen ist kann ich mich endlich des Studiums der Lokalität widmen. Drachenfiguren, Kunstdrucke auf Seidenpapier, und aus den Lautsprechern das obligate Gejammere irgend eines chinesischen Starlets.
Plötzlich vernehme ich aus der uns gegenüberliegenden Ecke ein perlendes, weibliches Lachen und lauter werdende Gesprächsfetzen auf Englisch. Was ich bis dahin nicht bemerkt hatte wird mir auf einen Schlag bewusst:
DA SITZT ANNIE LENNOX !!!
Sämtliches Blut scheint es plötzlich sehr eilig zu haben, den höchsten Punkt meines Körpers zu erreichen, um auch bessere Aussicht auf die Göttin zu haben. Mein Kopf wird warm, der Mund wird trocken, die Hände feucht. Ein Restbestand meines Blutes hat's nicht bis zum Kopf geschafft, rauscht in meine Lendengegend und sorgt dort für Unruhe...
Ich widme also meine ganze pubertäre Aufmerksamkeit dem anderen Tisch, meine Freunde und das Pork Szechuan vergessend. Mittlerweile züchtig in eine weisse Bluse gekleidet, aber immer noch so schön wie auf der Bühne schwatzt Annie fröhlich mit ihren Begleitern.
Ab und zu blickt sie in die Runde, und als sie mich zufällig mal ansieht und merkt, dass ich ungeniert rüberstarre, zwinkert sie mir zu, was ein erneutes Aufwallen meiner Blutzirkulation und eine erneute Achterbahnfahrt meiner Hormone bewirkt.
Da die Guppe schon vor uns im Lokal war, sind sie natürlich auch früher fertig. Lautstark werden an Annie's Tisch die Zahlungsmodalitäten ausdiskutiert, Gesichter werden mit heissen Lappen abgerieben und Pflaumenschnäpse als Verdauungsbeschleuniger heruntergestürzt.
Als sich die Meute auf und davon macht, schnappe ich mir meine Tischunterlage und klappere meine Kollegen verzweifelt nach einem Kugelschreiber ab. Endlich findet einer einen und übergibt ihn mir.. Ich renne zu Annie und bitte sie noch um ein Autogramm, welches sie mir auch gibt... sie schaut mich an und ein Hauch ihres Parfums weht in meine Nase. Nachdem sie ihre Pflicht getan hat, dreht sie sich um und verlässt ohne Hast das Lokal.
Ich steh nun ein wenig verlegen da mit meiner signierten Tischunterlage, schaue Annie bei ihrem Gang aus dem Lokal zu und hab noch ihr Parfum in der Nase... da kommt mir auf einmal noch die zündende Idee. Ich schleiche rüber zu Annie's Tisch, auf dem immer noch die Paraphernalia des Essens in wildem Chaos rumstehen, schnappe mir die benutzten Ess-Stäbchen der Göttin und lasse sie in den Tiefen meiner Jackentaschen verschwinden. Ha! Die Kellner haben glücklicherweise nix gemerkt und machen sich nun daran, das Chaos der Engländer wieder aufzuräumen. Ich falte sorgfältig meine Tischunterlage, stecke sie auch ein und setze mich wieder zu meinen Freunden.
Die Ess-Stäbchen hab ich immer noch. (Damals gab's in den Restaurants noch diese Edel-Stäbchen aus Plastik welche gewaschen und wiederverwendet wurden. Nicht so wie heute diese Wegwerf-Holzdinger).
Natürlich hab ich die Dinger zuerst nicht gewaschen, sondern einfach so aufbewahrt, inklusive Annies Speichel und Essensresten, in Frischhaltefolie eingewickelt..... Als dann mein pubertärer Annie-Fetischismus mit den Jahren nachliess, mussten auch die Stäbchen dran glauben, sie wurden gewaschen und werden nun ab und zu benutzt, wenn ich mal wieder vom Take-Away eine Ladung Pork Szechuan ordere.
Chinesisches Essen mit Annie Lennox' Ess-Stäbchen schmeckt halt doppelt so gut!
(Ach übrigens...bin neu hier...Hallo alle!)

(Beitrag wurde von vinzi am 22.10.2001 um 12:17 Uhr bearbeitet.)

Karl Raduns
22.10.2001, 13:15
Ich habe mal Wolf Biermann die Hand geschüttelt und seitdem wasche ich sie mir nicht mehr. Das ist nun auch schon 15 Jahre her.

lacoste
23.10.2001, 01:35
Die Geschichte ist toll!!! Willkommen, vinzi, ich hätte in der Situation bestimmt dasselbe gemacht. Vielleicht nicht unbedingt bei Annie, aber bei Christopher Lee zum Beispiel.
Herr Raduns, sollten wir uns tatsächlich mal begegnen, geben sie mir doch bei der Begrüßung bitte Ihre linke Hand. Nichts für ungut.

Walter Schmidtchen
23.10.2001, 01:35
hallo Vinzi, obwohl ich Annie Lennox grässlich finde, habe ich Deine Geschichte doch gerne gelesen, es gab übrigens schon mal eine Annie Lennox Geschichte (von Claus Eschemann)(kannst sie ja mal suchen).
Wohnt AL nicht in der Schweiz mit einem Hare Krishna Knaben? Genauso wie Tina Turner und Annifried von ABBA

vinzi
23.10.2001, 01:35
Ja Herr Schmidtchen...und der Bekannte wegen dem ich diese Seite gefunden hab, war mal Nachbar von Annifried.... da schliesst sich der Kreis wieder :-)

Walter Schmidtchen
23.10.2001, 01:35
Der Nachbar soll schreiben, ich fand Annifried immer besser als Agneta. Ich sass mal auf einem Schiff neben Annifried, allerdings der von Björn Again

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Liebe Frau Lacoste,
komme grade vom Händewaschen. Einer Begnung steht nichts mehr im Wege.

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Oh, nochwas: War Agneta die Blonde oder die Dunkelhaarige? Ich bringe immer alle Namen durcheinander.
'Gesichter vergess ich aber nie!'

lacoste
23.10.2001, 01:35
Herr Raduns - extra für mich???
Ich bin sprachlos...

vinzi
23.10.2001, 01:35
Annifried ist die dunkle. Und der Nachbar hat hier auch schon was geschrieben. Den Namen müsst ihr selbst rausfinden. Er hat einen Interview mit JC Van Damme vom Französischen ins Deutsche übersetzt.

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Dann mag ich aber Annegret lieber. Genau wie AL, um deren Essstäbchen ich Sie extrem beneide. Hatte sie denn in ihrem perlenden Lachen auch diese Vierteltöne, die sie so schön singen kann? ('It's alright, baby's coming back' etc.) Also ich fand das schön.

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Frau Lacoste,
wenn Sie die Umstände kennen würden, unter denen ich mir damals die Hände schmutzig gemacht habe, würden Sie auch sagen, daß es jetzt mal an der Zeit gewesen war.
In Wirklichkeit habe ich es nur für Lacoste getan!

vinzi
23.10.2001, 01:35
Dabei hab ich immer gedacht, im Sozialismus wäscht eine Hand die andere?

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Lieber Vinzi,
jetzt bringen Sie mich auf eine Idee, eine Geschichte über Heiner Geißler (Geissler?), wollen Sie die hören? Aber erstmal muß ich dem Kapitalismus dienen gehen. Herr Direktor, kommen Sie?

vinzi
23.10.2001, 01:35
Da hätt ich als Neuling gleich noch eine Frage. Siezt man sich hier aus Koketterie?
Ich postete sonst bisher nur auf englischsprachigen Foren. Im Sinne von 'you can say you to me' fällt dort dieses Dilemma gleich von vornherein weg, ob du oder sie.
Ich will ja hier in keine Fettnäpfchen treten, aber jedesmal wenn ich ein 'sie' anstelle eines 'du' lese, muss ich schmunzeln...

honz
23.10.2001, 01:35
das können sie halten mit wem du willst.

lacoste
23.10.2001, 01:35
Ich weiß gar nicht genau, nach welchen Kriterien ich duze oder sieze. Bei manchen würde es mir nie einfallen sie zu duzen und umgekehrt.
Ich glaube, es hängt mit spontanem Respekt oder spontaner Abneigung zusammen.
Karl Raduns hat eindeutig meinen Respekt.
------------------
Herr Weber auch!

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Hallo Vinzi,
das mit dem Siezen ist, weil ich ein recht verklemmter, dabei eiskalter Medienmanager bin. Fragen Sie den Calli.
Ok, es ist Koketterie

Walter Schmidtchen
23.10.2001, 01:35
Naja, Herrn Weber kann man schon duzen. Duhu, Herr Weber, wie gehts Dir? Herrn Genista muss man allerdings siezen

lacoste
23.10.2001, 01:35
Willst Du damit sagen, Du hast keinen Respekt vor Herrn Weber, Walter Schmidtchen???

Walter Schmidtchen
23.10.2001, 01:35
--------------
Herrndorf auch

rron
23.10.2001, 01:35
Das Du muss man sich verdienen. Eventuell auch durch Geschlechtsverkehr. Das kann jeder halten, wie er will.

lacoste
23.10.2001, 01:35
Was?

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Rron, gleich Siez ich dich.

lacoste
23.10.2001, 01:35
Sie sind doch alle schwul!!!

vinzi
23.10.2001, 01:35
Nicht vom Thema ablenken lacoste! (Wat bist du denn??)
Für meine Geschichte interessiert sich wieder kein Schwein.
(Bin aber dennoch kein Waechter!)

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Lieber Vinzi,
ich finde, für Ihre Geschichte interessieren sich durchaus einige! Bedenken Sie, daß nicht alle Leute Zeit haben, am hellichten Tage Lobeshymnen anzustimmen, bzw. irgendwas anzustimmen, manche müssen nämlich, siehe oben, dne hellichten Tag über dem Kapitalismus dienen. Mehr oder weniger erfolgreich. Zumindest ab und zu.

vinzi
23.10.2001, 01:35
ich will ja auch nicht lobgehudelt werden, das liegt mir fern.... auch ich diene dem Kapitalismus, ab und zu.
Ich hab auch noch ne Geschichte mit Prince Charles, wenn ich dann mal nicht dem Kapitalismus diene, erzähl ich die dann auch.
Aber nur wenn's interessiert.
Man muss ja sparsam sein mit seinen Anekdoten....

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
Keine Angst, ich lobhudel Sie schon nicht. Immer rein mit dem ewigen Prinzen. Aber nur, wenn Sie nicht ewiger Prinz schreiben.
Und jetzt ist mal Schluss.

honz
23.10.2001, 01:35
Wieso Schluss? Der ach so feine Herr Raduns darf hier doch gar nicht mitreden, er hat Grass die Hand ja nur GESCHÜTTELT!. Ich finde es gelten nur Devotionalien von Prominenten, wenn sie schon in irgendeiner Körperöffnung drin waren, also Handschütteln und Autogrammkarten gilden beim besten Willen nicht.

Karl Raduns
23.10.2001, 01:35
schnippt sich ein Stäubchen von der Schulter, denkt Grass? Grass, ach so, die Havanna, stimmt, wo die so steckte, oha, die geh ich gleich mal rauchen hält inne, denkt Honz? Ist das nicht der subtile Ironist? Ach nein... geht Frau Lacoste mailen

Goodwill
23.10.2001, 01:35
Für mich gehört Ihre Geschichte zu den 12 Köstlichkeiten der vergangenen Wochen. Scharf fand ich, dass man den Text sogar traditionell mit Messer und Gabel zu sich nehmen konnte. Mit Stäbchen genossen ist er wahrscheinlich doppelt so gut. Aber das haben Sie ja selbst schon angedeutet. Süß der Einleitungssatz und die Beschreibung der vielen damit zusammenhängenden Blutdruckschwankungen.
Bitter, dass Sie bis heute die Parfüm-Marke nicht herausfinden konnten. Sowas interessiert sicher die Damen in diesem Forum und auch wir Langnasen-Männer würden gerne erahnen können, nach was Annie abends so duftet. Solche Details gelten hier nicht zu Unrecht als Sahnehäubchen. Sauer macht mich bei diesem Text eigentlich nichts. Vielleicht können Sie die für meinen Geschmack etwas zu geradlinige
Geschwätzigkeit dämpfen. Auf jeden Fall freue ich mich darauf, in Bälde die Ewige-Prinz-Geschichte serviert zu bekommen. Bis dahin wünsche ich uns allen himmlischen Frieden.

vinzi
23.10.2001, 01:35
ui ui ui...die Erwartungshaltung steigt ins fast schon Unermessliche...und das mir, einem Neuling im Land der Anekdoten...dabei ist meine ewige Prinzengeschichte gar nicht ewig...und längst nicht so spannend und lang wie die von der Annie...aber da war ja auch noch das Bier mit Knarf Rellöm, oder der Zusammenstoss mit Susanne Uhlen auf dem Kurfürstendamm....aber immer schön in homöopathischen Dosen, gell?
'geradlinige Geschwätzigkeit' Herr oder Frau oder Ding*) Goodwill ?? Ich glaube, Stephen King hat das mal 'Diarrhea of the typewriter' genannt....wenn ich schon mal am schwadrulieren bin, kann man mich kaum mehr brähmsen (neue dt. Rechtschreibung...von 'Brahms').
Macht Spass hier!
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*) Die Anrede 'Herr oder Frau oder Ding' ist wohl die letzte Konsequenz an politischer Korrektheit. Stammt allerdings nicht von mir sondern aus dem Game/Buch/Hörspiel 'Raumschiff Titanic' von Douglas Adams. Man hat ja gelernt, alles zu bibliographieren, was nicht von einem selbst kommt, ne? Also bitte keine Vorwürfe des Plagiarismus!
(Beitrag wurde von vinzi am 22.10.2001 um 18:27 Uhr bearbeitet.)

Goodwill
23.10.2001, 01:35
Ne, also ÈPlagiarismusÇ kann man Ihnen nicht vorwerfen, dafür verschärft Geschwätzigkeit. Das ist ja schon fast Manie. Bitte keine Antwort hierauf, Vinzi.

vinzi
23.10.2001, 01:35
Schade.

Elpenor
23.10.2001, 01:35
Das Faktum, dass normale Gebrauchsgegenstände durch die bloße Benutzung einer Prominenz zu Devotionalien geadelt werden, blieb mir stets fremd. Ebenso wie ein Autogramm oder auch ein Autogramm mit einer Widmung zusammen keinen Schauder hervorruft. Es sei denn, ich hätte die jeweilige Persönlichkeit privat kennen und schätzen gelernt, dann bedeutete es eine schöne Erinnerung an die gemeinsamen Stunden. Doch herrschen über diesen Punkt unterschiedliche Meinungen vor, ohne dass man sich deswegen inâs Gehege kommen sollte. Auch wurde das Thema schon anderen Ortes im Forum diskutiert.
Neu ist hingegen die Frage der unterschiedlichen Anrede. Einmal schrieb ich jemandem eine E-Mail und siezte ihn dort, während ich ihn vorher im Forum schon geduzt hatte, was mir erst hinterher auffiel. Das Sie war respektvoll gemeint, da ich mich im Forum auf ihn als eine Art Spielfigur bezogen hatte, der Brief sich jedoch auf sein berufliches Leben bezog und mir eine allzu schnelle Verbrüderung unangebracht schien. Umgekehrt passiert es durchaus, dass man aus einer Laune heraus Personen siezt, die man im tatsächlichen Leben duzt. Desweiteren kam es mehrfach vor, dass Einzelne geduzt und später im Sie-Ton beschimpft wurden: ³Lieber Sowieso, da hast Du ganz rechtã, einst, ³Sie sind unfähig, die einfachsten Dinge zu verstehen.ã später. Eine Modulation von einem privatem Du zu einem privaten Sie scheint jedoch ganz ausgestorben zu sein. Anfang des letzten Jahrhunderts gab es einmal einen Briefwechsel zwischen einem Schriftsteller und einer Journalistin, der sich zu einer Liebesbeziehung ausweitete, welche dann verebbte. Nachdem sie sich vorher Monate lang in den Briefen geduzt hatten, begann ein nach zweijähriger Pause geschriebener Brief mit den Worten: ³Nun habe ich Ihnen schon so lange nicht geschrieben Frau X, und auch heute schreibe ich nur infolge eines Zufalls. Entschuldigen müßte ich mein Nichtschreiben eigentlich nicht, Sie wissen ja, wie ich Briefe hasse.ã

marie battisti
23.10.2001, 01:35
'sie wissen ja wie ich briefe hasse'
lacht
was für ein schönes zitat

marie battisti
23.10.2001, 01:35
moment, habe auch eines:
'bitte sag mir einmal wieder - nicht immer, das will ich gar nicht - sag mir einmal DU'
(das soll irgendwie quer über dem eigentlichen brief hängen, habe die anmerkung dazu nicht ganz verstanden)

Elpenor
23.10.2001, 01:35
Jetzt habe ich gerade nochmals den Briefband zur Hand genommen, um den entscheidenen Moment der Sie zur Du Verwandlung ausfindig zu machen, habe die ganzen Junitage durchflogen, und was stellte ich fest? Ihr Zitat, Frau Marie Battisti, Ihr Zitat stammt aus dem gleichen Werk. Genauer gesagt vom 11. Juni. Erstaunlich dabei, dass der Autor schon am 2. Juni auf vertrauten Du-Pfaden wandelte, dies jedoch in den Briefen vom 3., nochmals 3., 4., nochmals 4., 5., nochmals 5. sowie 6. wieder zurückgenommen wurde.

marie battisti
23.10.2001, 01:35
moment elp, langsam blättern, am 2. juni spricht er zu sich selbst: 'du bist 38 jahre alt und so müde...' und von ihr in der dritten person
(Beitrag wurde von marie battisti am 22.10.2001 um 22:05 Uhr bearbeitet.)

Elpenor
23.10.2001, 01:35
Stimmt. Aber es ist schon auffällig, was für eine Lawine an Dus an diesem Tag losbricht, sei sie auch noch dem eigenen Ich gewidmet.

marie battisti
23.10.2001, 01:35
wenn wer, der ja eigentlich briefe hasse, diese ausbreitet und in sie den kopf legt um den verstand zu verlieren, kann das schon mal passieren

Elpenor
23.10.2001, 06:20
Und dann nicht den Kopf verliert, da es das Geröll nie gegeben hat und der Kopf nur ein Briefkopf war? Im übrigen ist der Irrtum kein bloßes Nichts, kein Schein dem man aufgessen hätte und der dann bei der Nachbetrachtung ins Unsichtbare zerstäubt. Sondern die Verdopplung von Gegebenem und Wegnahme, welches ein Mehr an Nichts bedeutet, da die Setzung schon etwas ist. Schustermetaphysik? In diesem Fall nicht, denn dadurch, dass etwas ausgeräumt wird, der Strahl auf die Leere gerichtet wird, richten sich schon wieder die Grenzbestimmungen auf. So gibt es keinen Betrug, keine Gespenster, kein Aussaugen, sondern ein Abtropfen von Wirklichkeitsbeständen, welcher sich hinter dem Rücken vollzieht.

honz
23.10.2001, 13:46
Ich habe ja gar nichts gegen Privatissima, aber wäre es den beiden in sich selbst Versunkenen möglich, mal Ross und Reiter zu benennen?

Walter Schmidtchen
24.10.2001, 01:52
Ein Briefwechsel zwischen einem Menschen und einem Gaul?
Aaaargh, Honz bist DU krank!

Walter Schmidtchen
24.10.2001, 01:54
Ausserdem:
Sie können noch nicht antworten
1.weil Marie Battisti in der Schule ist
2. El P noch schläft
3. Du den Briefwechsel sowieso nicht kaufen würdest

marie battisti
24.10.2001, 01:54
danke walter, dass du mich entschuldigt hast, martin ameisenbär will per mail das gleiche wissen wie honz, nur höflicher, wenn der gewusst hätte wie sehr ich ameisenlöwen mag.
lp, glaubst du das hatte er von vornherein so geplant? eiskalt

Walter Schmidtchen
24.10.2001, 01:54
Martin Ameisenbär?
Ist das Karl Heinz Frosch2s richtiger Name?

Ignaz Wrobel
24.10.2001, 01:54
honz, da kannst du lange warten, bis die was verraten, die beiden Mystiker.

Elpenor
24.10.2001, 02:48
Geplant, wie man eine Tat im Traum plant. Und so geplant wie ein Haus, bei dem das erste Stockwerk leicht verschoben ist.

vir
26.10.2001, 21:52
Meine Mutter sagte immer 'Sie Arschloch' trifft viel härter als 'Du Arschloch'. Ich finde heute noch sie hatte recht. Das würde eigentlich auch die These unterstützen, dass affirmative Beiträge in Duzform abgefasst werden während Kritik eher förmlich geäussert wird. Ich hielt mich aber eher an den Spitznamen - wie soll man denn schon Pappen die sich Frau H oder Herr Weber nennen spontan duzen? Wer aber (s)einen Vornamen aufführt, läd zum vertraulichen Ton ein, nicht?
Das Schönste zum Thema, 1844:
..
Es sind die grauen Mäntel noch
Mit den hohen, roten Kragen -
(Das Rot bedeutet Franzosenblut,
Sang Körner in früheren Tagen.)
Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel.
Sie stelzen noch immer so steif herum,
So kerzengerade geschniegelt,
Als hätten sie verschluckt den Stock,
Womit man sie einst geprügelt.
Ja, ganz verschwand die Fuchtel nie,
Sie tragen sie jetzt im innern;
Das trauliche Du wird immer noch
An das alte Er erinnern.

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Ultra posse nemo tenetur



(Beitrag wurde von virchow am 27.10.2001 um 13:00 Uhr bearbeitet.)

Aporie
26.10.2001, 23:42
Der erste Strang, von dem ich mich stranguliert fühle.

marie battisti
27.10.2001, 10:10
dabei ist elps erstes stockwerk nur leicht verschoben, schon gut: die vielen türen und gänge könnten verwirren, und aus seinem traum baumelt kein strick, nur ein feines hübsches netz