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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jürgens, Udo (ist kurzsichtig)



Chavez
16.10.2001, 16:04
Ich sah weiter unten bereits einen Udo-Jürgens-Strang. Da der jedoch abgeschlossen ist, hier also noch einer.
Ich glaube, es war im Jahr 1997, als Udo Jürgens auf seiner 'Gestern-Morgen-Heute' Tour in der örtlichen Stadthalle gastierte. Als Rahmenprogramm veranstaltete die Beschallungs-Firma Führungen für Studio-Techniker. Ein Bekannter leitet eine solche Firma und hatte sich mit zwei Personen angemeldet, fand aber niemand anderen, der ihn begleiten wollte. Ich hatte nichts besseres vor, also ging ich mit, da die Veranstalter uns ein warmes Abendmahl in Aussicht gestellt hatten.
Nach einem langweiligen Dia-Vortrag in einem der Backstage-Räume durften wir dann dem Soundcheck der Band beiwohnen. Danach wurden wir im Rahmen des Band-Caterings abgefüttert. Da die Pepe-Lienhard-Band 17-köpfig antritt und wir auch ca. 20 Leute waren, verteilte man sich mit dem Essen bunt vermischt auf zwei Räume.
Irgendwann betrat Udo Jürgens den Raum, man müßte eigentlich sagen, rauschte er herein, das bekannte Klischee bedienend, indem er eine weibliche Person jüngeren Baujahrs an der Hand hinter sich her zog. Herr Jürgens fing augenblicklich an, uns mit großer Gestik einen Vortrag zu halten. Es ging darum, welche Bühnenpositionen am Abend unbedingt eingenommen und auch gehalten werden mußten. 'Das mir das auch ja alles so klappt!' habe ich noch im Ohr.
Wir sahen verständnislos von unserer Pasta auf und sahen uns dann gegenseitig an, um vielleicht beim Sitznachbarn Verständnis zu erkennen. Das war nicht der Fall. In diesem Moment kam Udo's persönlicher Betreuer in den Raum, erkannte sofort die Situation, zupfte seinen Chef am Ärmel und raunte ihm zu: 'Udo, komm, falscher Raum!'
Udo Jürgens sah ihn an, sah dann wieder uns mit zusammengekniffenen Augen an und entspannte gekonnt die Situation mit einem fröhlichen 'Ach so, ich hatte mich schon gewundert, daß hier alle so fremd aussehen!' Damit erntete er natürlich schallendes, aber freundliches Gelächter aller Beteiligten.
Nach dem Essen erklärte uns der äußerst kompetente Mann am Mischpult die Technik und den Bühnenaufbau in allen Einzelheiten. Der Mann hieß Sherif El Barbari und arbeitet normalerweise für Monserrat Caballe. Er erklärte sehr interessant, und ich durfte bei der Gelegenheit sogar an des Meisters gläsernem 600.000 DM-Flügel klappern. Später sah ich Udo in einem der Gänge auch nochmal mit Brille, aber er scheint eitel zu sein und setzte sie sofort ab, als er fremde Menschen sah.
Zum Konzert wurden uns hervorragende Plätze direkt neben dem Mischpult zugewiesen. Udo's Musik ist Geschmackssache, aber der Sound war brilliant, und die Band ist technisch sehr versiert. Damals sang übrigens im Background-Chor eine junge Frau namens Maike Tatzig, die später auf RTL nächtlich das Big-Brother-Quiz moderieren sollte. Sie sang gut!
In der Pause hatte ich genug und wollte nach Hause. Also ging ich zurück in den Backstage-Bereich, wo die Schließfächer für die Angestellten waren und wo wir unsere Jacken deponiert hatten. Mir wurde eine Urkunde überreicht, auf der mir die Teilnahme an dieser Veranstaltung bescheinigt wurde. Weiter erhielt ich einige Werbegeschenke der Sound-Firma, und das beste von allem: Eine wunderschöne, qualitativ hochwertige, dunkelgraue Udo-Jürgens-Tourjacke mit abgesetzten Leder-Ärmeln, die ich heute noch mit Freude trage! Der eingestickte Udo-Jürgens-Schriftzug auf der Rückseite war kaum lesbar und ließ sich leicht mit einem Edding völlig unsichtbar machen.
Auf dem Weg nach draußen bemerkte ich am Bühneneingang einen Aufruhr. Als ich näher kam, sah ich, daß man einen Deinhard-Stand aufgebaut hatte und unzählige Sektgläser an die ersten beiden Sitzreihen im Konzert verteilte, die man zu diesem Zweck komplett hinter die Bühne gebracht hatte. Es handelte sich ausschließlich um ca. 55-jährige Bürgermeister-Gattinnen. Inmitten dieser Versammlung stand Udo Jürgens in einem weißen Bademantel, verschwitzt, aber glücklich, und ließ sich feiern.
Später erfuhr ich dann von einem Mitarbeiter der Stadthalle, daß diese Bürgermeister-Gattinen jeweils 260 DM für ein Ticket bezahlt hatten, das sie zu diesem unvergeßlichen Erlebnis berechtigte.
Nachdenklich und schwer bepackt mit meinen Geschenken ging ich an dieser Szenerie vorbei und nach Hause.

Walter Schmidtchen
16.10.2001, 16:12
hübscher, unaufgeregter Einstand Cavez, ich musste 2mal lachen, einmal bei Sherif El Barbari und einmal bei 'Komm, Udo, falscher Raum'

Chavez
16.10.2001, 16:16
Der Mann heißt wirklich so, aber er scheint es gewohnt zu sein, daß Menschen bei der Nennung seines Namens schmunzeln.
Für Interessierte hier noch ein Link zur Tour:
http://www.production-partner.de/themen/0697/ls_ujr.htm

Angelika Maisch
16.10.2001, 18:27
Sehr angenehmes Kino, Chavez.
Reich beschenkt verläßt man diesen Strang.

Goodwill
16.10.2001, 19:03
Eine wunderschöne, qualitativ hochwertige, hellgraue Udo-Jürgens-Geschichte mit abgesetzten Leder-Ärmeln, die ich heute mit Freude gelesen habe!
Ich hätte mir bei einem so weißgewaschenen Bademantel-Star mehr schmutzige Ausdrücke in der Art Èeine weibliche Person jüngeren BaujahrsÇ gewünscht. Und: Woher wissen Sie, Chavez, wie die Damen im Background-Chor hießen? Insbesondere diese Maike T. hat es Ihnen damals wohl angetan. Richtig?

Die Wucht
16.10.2001, 19:10
In düsteren Zeiten werde ich Dich hochwuchten, Chavez. Und jetzt schon mal hochloben.

Ignaz Wrobel
16.10.2001, 20:25
War das die, die sich pseudo-lasziv barfuss auf einer Liege räkeln musste? Iih.

Edding Kaiser
16.10.2001, 20:28
Dass Udo Jürgens soeben das Wegstück Corso-Kino/Spaghetti-Factory/Confiserie Sprüngli-Stadelhofen im blauen Bentley Cabriolet incl. brünetter Schickse auf dem Bürgersteig zurücklegte, dass meine Begleitung das mit den Worten 'Brömmelmeier protzt wieder' kommentierte und dass die Dame am Nebentisch dann korrigierte 'Nein, Bockelmann protzt'... All das nehme ich zum Wuchtanlass für diesen sympathischen Strang.

Andrea Maria
16.10.2001, 20:35
Eine sehr geglückte Geschichte. Chavez ist der Chevrolet dieses Forums. Nach den vielen rostigen Golfs ein schönes Fahrerlebnis. Chavez hat sicher auch noch Cabrios in der Garage.

Ignaz Wrobel
16.10.2001, 20:44
Vielleicht eher der Opel Vectra des Forums?

Ignaz Wrobel
16.10.2001, 21:51
Der zählt doch auch schon zur Oberklasse, oder?

Ignaz Wrobel
16.10.2001, 21:52
Oder ist das der Zafira?

Ignaz Wrobel
16.10.2001, 21:53
Früher hießen die Kadett, Kapitän, Admiral, da wußte man doch noch, in welcher Klasse man war! Scheißglobalisierung.

Ruebenkraut
16.10.2001, 22:04
Als Udo Jürgens einmal vor Jahren in Dresden open air auftreten sollte, gab es nachmittags, wenige Stunden vor dem geplanten Auftritt einen Riesen-Wolkenbruch, ein veritables Unwetter. Es dauerte nur wenige Minuten, reichte aber, um soviel Wasser auf die (professionelle und wetterfeste) Zeltkonstruktion zu befördern, die die Bühne und Udos Glasflügel schützen sollte, dass sie einstürzte.
Die Veranstaltung musste abgesagt werden, es gab einen Riesenschaden, über dessen Regulierung sich diverse Stellen und Versicherungen jahrelang stritten...
Im Mittelpunkt: Das Klavier, das Klavier.

Goodwill
16.10.2001, 22:22
Wenn ich hier lese: ÈNachdenklich und schwer bepackt mit meinen Geschenken ging ich an dieser Szenerie vorbei und nach Hause.Ç dann denke ich eher an den Vaneo.

rron
16.10.2001, 23:40
Wir hatten schon einiges gesehen, meine damalige Hardrockkapelle und ich, Clubs mit und ohne Toilette, Clubs, die nur eine Toilette waren, Clubs, die von Hartgeldluden betrieben wurden , die das Motto "nimm Wenig, gib Viel" nicht auf die Gagenauszahlung, sondern ausschließlich auf ihre Boxeinlagen anwendeten. Deshalb fürchteten wir uns auch nicht vor einer Einladung des Schweizer Rockmagazins "Die Höhlenbewohner" zum "Rock-Zischtig im mascotte!" in Zürich am 5.11.91.
Wir konnten ja nicht wissen, dass Zürich seine Diskotheken in den ersten Stock neobarocker Prachtbauten in unmittelbarer Nachbarschaft der Oper packt, dort wo die funkelnde Limmat den Zürichsee küsst.
Kaum hatten wir den Transporter hinter dem Gebäude geparkt, sprangen uns auch schon willfährige Eidgenossen hilfreich anpackend zur Seite. Ihr Hochdeutsch war besser als das unsere und die Instrumente und Verstärker waren im Nu in den ersten Stock transportiert und aufgebaut. All die schönen Klischees innerhalb von zehn Minuten zerstört.
Nach dem Soundcheck nahm uns der Chefhöhlenbewohner unter seine Fittiche und erklärte uns, dass das Fehlen von belegten Broten in unserer Garderobe schon seinen Grund hätte, wir seien nämlich alle in die Spaghetti Factory im Erdgeschoss eingeladen. Auch hier wurde der Tag nicht schlechter.
Später am Abend erfuhren wir dann den Grund für seine grenzenlose Höflichkeit: Im Hallenstadion traten am gleichen Abend Extreme auf, die zu der Zeit mit "More than Words" einen #1-Hit hatten, sich von uns ansonsten äusserlich und inhaltlich aber nicht weiter unterschieden. Man rechnete mit dem schlimmsten, evtl. würden wir mit Glück zweistellige Zuschauerzahlen erreichen. Hier hätte der Tag schlecht werden können.
Wir einigten uns darauf, mit unserem Auftritt bis zum spätmöglichsten Zeitpunkt zu warten, der Höhlenbewohner hatte am Hallenstadion ein Team postiert, das die Extreme-Aftershowparty ins mascotte delegieren würde.
Um halb eins lief unser Intro, das mascotte war inzwischen zum Brechen gefüllt, man musste Leute nach Hause schicken, das Höhlenbewohnerteam hatte schon wieder nicht enttäuscht.
Wir rockten sehr angestrengt, ich gab gerade Alles, da sah ich Udo Jürgens am Mischpult stehen, den Daumen nach oben gerichtet, in Richtung Bühne grinsen. Dachte noch kurz: die Lichter, der Schweiss, die Matte, die mir vor den Augen hängt, es könnte ein beliebiger Tennislehrer sein. Nein, ganz sicher, er war es.
Nach der letzten Zugabe fing er uns vor der Umkleide ab. "Ich musste selber nachschauen, welche Band an einem Wochentag um die Zeit den Laden voll macht. Das hab ich hier noch nie erlebt. Ihr kommt nachher zu mir hoch."
Udo wohnte im zweiten Stock des Hauses, über dem Club auf ca. 300 qm. Der gläserne Flügel stand im Wohnzimmer, wir durften ihn alle berühren, unser Keyboarder auch darauf spielen. Udo gab uns noch einen aus und ein paar Weisheiten auf den Weg: "Ihr schreibt super Songs ..., weiter so ..., gute Stimme ..., immer dran glauben..., auf alle Fälle zusammenbleiben...". Nach einer Stunde gingen wir, wir waren ja da gewesen.
Am nächsten Tag mussten wir unseren abgeschleppten Bus auslösen, ein Jahr später haben wir uns aufgelöst.

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Es gibt davon Bilder, die werden nachgereicht, wenn ich sie aufgespürt habe.

(24.01.02: Beim Konvertieren verlorengegengene Sonderzeichen repariert)

Andrea Maria
16.10.2001, 23:44
Opel Chavez.
Jetzt haben wir's Ignaz.

Ignaz Wrobel
16.10.2001, 23:56
Hey Hey rron calli!
Der ist aber gut versteckt hier! Hast Du nur auf die Gelegenheit gewartet, weil Du dieses Meeting als professionell eingestuft hast? Wär's aber gar nicht gewesen, war doch zufällig! Super, super, vor allem diese gediegene Schweizer Neobarock-Hardrockszene. Ein luxussanierter Opel Admiral unter den Udo-Geschichten.

Karl Raduns
17.10.2001, 00:06
calli rroles. das dürft ihr mir aber glauben.
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Ich glaube, Sie gehen klar! C. Stegemann

rron
17.10.2001, 00:19
Ignaz, nicht doch. Ich bin halt nicht mehr der jüngste und da bedurfte es schon der schönen Chavez-Geschichte mit den keywords 'Udo' und 'Flügel', um längst verschüttetes wieder freizulegen.

Angelika Maisch
17.10.2001, 02:22
rron, Amigo, der Jürgens Udo ist aber auch zu beneiden, daß er dich hat paparazzen dürfen mit deiner Band. Das laß dir gesagt sein.

Chavez
17.10.2001, 10:32
Also, Opel hat mich bisher noch niemand genannt.
Aber vielen Dank erstmal für die herzliche Anteilnahme allerseits. Bei der Dame aus dem Background-Chor handelte es sich in der Tat um die sich Jahre später lasziv auf der Wipp-Liege Räkelnde, die seinerzeit alle Fußfetischisten der Nation stark beschäftigte. Ich stelle fest, Herr Wrobel ist kein Fußfetischist. Ich übrigens auch nicht.
Damals war sie noch nicht so sehr erblondet, aber in jedem Fall schon sympathischer als zum Beispiel Aleksandra Bechtel, die man dann mit der Betreuung der Hauptsendungen von Big Brother betreute.
Maike T. engagierte sich dann auch persönlich in einem der stark fluktuierenden Big Brother Foren und lud gar diverse verdiente Member in ihre nächtliche Sendung ein. Nach Absetzung der Container-Seuche hörte und las man dann aber auch von ihr nichts mehr.
Bevor ich mich heute weiter umsehe, werde ich mich erstmal zum Aufwachen einem starken Kaffee und der längeren Geschichte von rron calli widmen.
Ein Cabrio habe ich tatsächlich noch in petto, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Das hat aber nichts mit Herrn Bockelmann zu tun und muß warten, bis ich wach bin.

DonDahlmann
17.10.2001, 10:56
Beide Geschichten sind sozusagen die gläsernen Steinways unter vielen verstimmten ollen Pianos hier.
Besonders neidisch bin ich auf die Lederjacke. Hätte ich auch gerne.

Andrea Maria
17.10.2001, 11:04
Da fällt mir ein, dass Jürgens eigentlich nur der 2te aller Udos ist. Denn, gesetzt den Fall, jemand sagte er hätte 'Udo singen gehört', man doch vorrangig an Udo Lindenberg denken würde.
Kann man eigentlich Fussballer 'spielen hören'? Das wär doch was für Gottschalk's Sofa. Herr Tristram Shandy wettet, dass Herr DonDahlmann 'Fusballer am Klang ihres Spiels erkennen kann.' Im Smalltalk könnte Don dann sagen, er hätte 'als Kind viel Uwe Seeler gehört.'

Chavez
17.10.2001, 11:18
Herr Dahlmann, das mit der Jacke würden Sie anders sehen, wenn Sie mal den krassen Fehler begangen hätten, mit ihr bekleidet vor dem Huxley's in Berlin auf den Einlaß zu einem Foo Fighters Konzert zu warten. Ich konnte mich aber auch nur gerade so eben damit herausreden, ich hätte sie geschenkt bekommen und sie würde mich nur warm halten. Aus der Nähe betrachtet sieht man nämlich sehr wohl, wem zu Ehren sie gestrickt wurde!
Jaja, mein Fehler, was gehe ich auch eine Schrammel-Kapelle wie die Foos gucken, deren Fans gröbstenteils noch bei Nirvana steckengeblieben sind und auch niemals älter oer weiser werden...
Zu meiner Ehrenrettung muß ich gestehen, es ging mir nur darum, einen bevorzugten Trommler meiner Wahl aus der Nähe zu beobachten. Sein Name ist Taylor 'Animal' Hawkins, ein begnadeter Kiffer vor dem Herrn, wegen dem gerade neulich erst der europäische Tour-Strang abgesagt werden mußte, da er sich mit den Chili Peppers, bei denen er auch mal aushilfs-trommelte, auf einem Festival zu heftig die Kante gegeben hatte und hospitalisiert werden mußte.
Ich mochte ihn aber wegen seines innovativen Hau-Draufs aus seiner Zeit vorher, er arbeitete für Alanis Morissette seit '95, und er hat unter anderem den 'Jam Block' publik gemacht, eine Art Kuhglocke aus Fiberglas. rron calli wird das einordnen können.
Womit ich wieder bei rron calli's sagenhafter Geschichte wäre, die sich hier erst langsam setzen muß. Den Grund liefere ich nach einem weiteren Kaffee nach.

Frau H aus B
17.10.2001, 11:32
Ein vierhändiges Galakonzert am gläsernen Flügel. DEM gläsernen Flügel. Wenn Rron jetzt noch die Fotos reinstellt, bin ich wunschlos glücklich.

Ignaz Wrobel
17.10.2001, 12:09
Nicht zu vergessen eine kleine Stepeinlage aus Zürich.

Frau H aus B
17.10.2001, 12:13
In der Tat. Eine furioses Intermezzo von Karlo 'Astaire' Tobler. Wie würde er sagen? 'Hach, ist das schön, Kinder!'

Chavez
17.10.2001, 12:27
A propos Fotos, zu der Cabrio-Geschichte müßte ich zum besseren Verständnis auch ein oder zwei Fotos beisteuern. Das geht mittlerweise nur noch im Bildbeschreibungs-Forum?
Nun aber zu Rron. Vorab: Existiert die besagte Hardrock-Kapelle noch? Falls nicht, existieren akustische Dokumente?
Mir liegt Fan-tümelei eigentlich grundsätzlich fern, aber wenn ich lese...
Im Hallenstadion traten am gleichen Abend Extreme auf, die zu der Zeit mit ³More than Wordsã einen #1-Hit hatten, sich von uns ansonsten äusserlich und inhaltlich aber nicht weiter unterschieden.
...werde ich schwach! Extreme waren eine der unterbewertetsten Bands, die ich kenne, und ich gebe gern zu, ein absoluter Fan dieser Band zu sein. Leider hat man sie auf diese Barhocker-Schnulze reduziert, aber wer sie je live gesehen hat, weiß, wie absurd das ist.
Obwohl sie nur 4 Alben herausgebracht haben, besitze ich ca. 50, Bootlegs vor allem, von endlosen Videostrecken gar nicht zu reden, und ich bin heilfroh, den gesamten deutschen Strang ihrer letzten Tour '95 begleitet haben zu dürfen, bevor sie sich leider aufgelöst haben.
Der Sänger, Gary Cherone, verfolgte danach eine unglückliche Karriere als Frontmann von Van Halen, was leider gar nicht paßte. Mittlerweile hat er eine neue Band, 'Tribe of Judah', in der bis auf Nuno Bettencourt alle Ex-Extreme-Mitglieder mitspielen. Leider noch ohne Vertrag bisher, aber nicht mehr lange.
Rron, mach einen Menschen glücklich und erzähl mehr von der After-Show-Party mit Extreme!
Who the fuck is Bockelmän... japst sabbernd vor sich hin...

rron
17.10.2001, 12:55
Chavez, mit dem zitierten Satz wollte ich lediglich andeuten, dass wir die selbe Zielgruppe berockten wie Extreme; es sind aber natürlich schon deutliche Unterschiede hörbar (sowohl Qualität als auch Stil betreffend).
Wie beschrieben lösten wir uns noch 1992 auf, im Netz gibt's daher nicht viel zu finden.
http://home.t-online.de/home/thommy.de/ezlivin.htm ist auch nicht toll.
Die After-Show-Party fand zwar mit Extreme-Publikum, aber ohne die Band statt. Allerdings traten sie ca. eine Woche später in der Rudi-Sedlmayer-Halle in München auf.
Da war ich dann Backstage, trank ein Bier mit Pat Badger, es wurde über Ampegs gesprochen und war wenig spektakulär.

Chavez
17.10.2001, 13:09
Danke für den Link! Die Titel klingen schon sehr rockig, geradezu hairig teilweise. Spielst Du was oder singst Du?
Ja, Pat Badger ist eher unspektakulär, aber sehr höflich. Und spielt grundsolide. Wenn man mit Herrn Bettencourt in einer Band spielt, muß man aber auch was dagegenzusetzen haben. Ich war damals schon froh, Nuno's Ego unbeschadet überlebt zu haben. Er kann schon sehr launisch sein. Aber Genies haben ja Narrenfreiheit. Schade, daß er inzwischen diesen Prog-Grunge macht. Perlen vor die Säue...
Das schweift jetzt aber sehr ab...

Edding Kaiser
18.10.2001, 01:09
Wenn schon, dann würde ich sagen 'Ach, herrlich, Kinder!'

Aporie
18.10.2001, 01:09
Ich bin Mitglied eines Fussballklubs, dem auch Pepe Lienhard ( Chef von Udos Begleitband) angehört. Die Grundvoraussetzungen für einen Beitritt sind: Man muß mindestens ein Buch über Fussball gelesen haben (und zwar von Ror Wolf oder Nick Hornby), und man darf nicht Fußball spielen können. Natürlich verlieren wir gegen jede x-beliebige Kneipen-Mannschaft. Das Training findet jeden Dienstagabend auf einem Fußballplatz in der Nähe der Irrenanstalt Burghölzli statt, und nachher gehen wir in die Kneipe, in der an diesem Tag immer ein langer Tisch für uns reserviert ist. Das Lokal liegt noch näher bei Udos Zürcher Wohnung als der Bahnhof Stadelhofen, nur in der entgegengesetzten Richtung, aber mit dem blauen Bentley-Cabriolet auch im Schritttempo bequem in 25 Sekunden zu erreichen. Karlo Tobler ahnt jetzt wohl schon, dass es sich bei dem Wirtshaus um die Kronenhalle handelt, neben dem das El Greco in puncto paparazzen wie eine Döner-Bude dasteht.
Vor ein paar Jahren saßen wir also an unserm Tisch, als aus der Tiefe des Raums plötzlich Udo Jürgens auftauchte. Und zwar allein. Wie es so seine Art ist gockelte er an den Tischen vorbei und betrachtete erst mal ausgiebig die Damen. Mit Blicken, die etwa so glasig waren, wie der Flügel, auf dem er spielt. Dann trat er grußlos an unsern Tisch und beugte sich über das Wiener Schnitzel von Pepe Lienhard, diesen harsch fragend: ³Hast Du Ralph Siegel* schon angerufen?' Was uns andere betraf, setzten wir unsere Tischgespräche ungerührt fort, denn wir haben es nicht gern, wenn sich Fremde unserer Tafel nähern. Allerdings erinnere ich mich genau an Pepe Lienhards Antwort. Er sagte nämlich: ³Komm Udo, falscher Tisch.' Dann erhob er sich und ging mit dem Wiener Schnitzel und Udo Jürgens an einen Nebentisch. Es scheint also, dass Udo Jürgens nicht nur kurzsichtig ist, sondern auch ohne Ball einen ziemlich unglücklichen Fuß hat.
*Name geändert

(Beitrag wurde von Aporie am 17.10.2001 um 13:59 Uhr bearbeitet.)

Larry Erbs
18.10.2001, 01:09
'Udo, komm, falscher Raum!'
'Komm Udo, falscher Tisch.'
welche Kreise schliessen sich noch in diesem Wunderstrang?

Walter Schmidtchen
18.10.2001, 01:09
was ist los? ist doch nur ein ganz normaler Mittwoch, wo kommen all die hübschen Geschichten her?
Und sowas gabs wohl auch noch nicht, 3 tolle geschichten IN EINEM STRANG

Ignaz Wrobel
18.10.2001, 01:09
dreieinhalb, genau gesagt.

Chavez
18.10.2001, 01:09
'Komm Udo, falscher Strang!' könnte noch fehlen. Aber er wird sich wohl kaum hierher verirren.

Walter Schmidtchen
18.10.2001, 01:09
sag das nicht, Smudo von der Rockgruppe Fantastische 4 liest hier mit, und der amerikanische Rocker Tav Falco hat sich mal über seinen Strang aufgeregt, obwohl er kein Wort Deutsch kann

Angelika Maisch
18.10.2001, 01:09
Aporie, wenn ich dir garantiere, daß ich nicht Fußball spielen kann und darüberhinaus verspreche, die genannten Bücher zu lesen, könntest du dir dann vorstellen, in Erwägung zu ziehen, mich bei der nächsten Vereinssitzung als untergeordneten Phantomcheerleader vorzuschlagen?
Ich bin von deinem Fußballverein dermaßen begeistert, ich will da Mitglied werden.
Warte gespannt auf Antwort.

Aporie
18.10.2001, 01:09
Dein Interesse ehrt mich, Angelika Maisch. Sich freilich als Phantom in unserem Fussballklub zu bewerben ist vielleicht insofern etwas ungünstig, als wir diesen Ausdruck unter uns für Spieler verwenden, deren Vorhandensein im Match wir erst unter der Dusche realisieren. Zwar ist in den Vereinsstatuten vermerkt, dass die Mitglieder verpflichtet sind, möglichst viele Frauen zu den Matchs anzuschleppen. Diese sollten dann durch das Absingen von aufreizenden Kampfliedern und die Andeutung von Beinscheren den Gegner verunsichern und einschüchtern, was in etwa den Aufgaben von Cheerleadern entspricht. Das fanden die Frauen aber bald auch nicht mehr so toll, und der Spielerfrauenrat beschloß dann aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit, nur noch zu Spielen mit einigermaßen intakten Siegeschancen zu erscheinen. Damit hat sich dann das Thema von selbst erledigt.

Aporie
18.10.2001, 01:09
Warum geht das Ding da oben nicht ins Strangverzeichnis? Ist dieser Strang tot?

Angelika Maisch
18.10.2001, 01:09
aber ihr werdet doch irgend ein unbedeutendes Aufgäbchen, eine Minifunktion für mich finden können.Ich kann ja auch nur einmal im Jahr oder so vorbeischauen. Wegen Entfernung.Deshalb was phantomiges.
Dein Verein begeistert mich immer mehr.
Erzähle doch mehr darüber.

Ullysses
18.10.2001, 01:09
Aporie, dieser Strang ist sowas von untot und wunderbar, man muss zwischendurch nur manchmal 'reload' drücken.

Andrea Maria
18.10.2001, 01:09
Aporie, ich möchte da auch ganz unbedingt dabeisein und Beinscheren anbeten. Ich bin für jegliche Miniarbeit zu missbrauchen. Ich könnte Seife in den Vereinsfarbe sieden, zum duschen, Trikotnummern schneidern und aufbügeln und allerlei anderes Fingerfertiges.

Ullysses
18.10.2001, 01:09
Frau Maria, mochten Sie Beinscheren anbeten oder anbieten?
fragt U.

Andrea Maria
18.10.2001, 01:09
Anbeten.

Ullysses
18.10.2001, 01:09
Wenn ich das nun aber richtig verstanden haben sollte, erscheint es mir, dass man Dinge aktiv bestreiten muss, um aktiv dabei zu sein. Irre ich mich?

Andrea Maria
18.10.2001, 01:09
Sind sie nur neidisch oder auch bei dem aporischen Verein und möchten genau wissen, was mir so vorschwöbe an Vereinsarbeit. Aporie und Pepe Lienhard. Das ist doch schon was, da möchte man dabei sein als AM. Pepe heisst übrigens der Mundhobel von Joe Zawinul. Das ist so eine Chimäre aus Melodika und Synthesizer. Und eine Pepe spielt weltweit NUR Joe Zawinul. Wäre interessant zu wissen, ob er das Instrument nach Pepe Lienhard benannt hat.
In diesem Strang kommt Smudo von den Fanta4 vor.
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Suchmaschinentourette

Ullysses
18.10.2001, 01:09
zu den ersten beiden Fragen: ja; nein; interessant wäre es allerdings allemal, zu wissen, was Ihnen vorschwöbe, Frau Maria
(Beitrag wurde von Ullysses am 18.10.2001 um 00:06 Uhr bearbeitet.)

Angelika Maisch
18.10.2001, 13:36
Also zunächst mal, meine Lieben, ich habe mich aber zuerst beworben.
Nur so zur Info.
Aber vielleicht könnten wir ja gemeinsam als
phantomige cheerleaderaufbügelnde Beinscheerenanbeterinnen bereichern.

Tigerin
19.10.2001, 01:16
Würde mich gerne ebenfalls noch als cheerleadernde Beinschereanbeterin bewerben!
Herrliche Geschichten in diesem Strang, geradezu unglaublich! Nebst vielen anderen sprachlichen und inhaltlichen Kleinoden musste ich sehr über rroncallis
'all die schönen Klischees innerhalb von zehn Minuten zerstört'
lachen!
Und mit Aporie noch ein Zürcher in diesem Forum, sehr schön!

Murmel
19.10.2001, 01:18
Wo Smudo vorkommt, darf Thomas D. ruhig mal fehlen.
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Hans Albers ist tot!

Angelika Maisch
19.10.2001, 01:24
Hans Albers? Oh Gott, seit wann?
Und der Aporie scheint gerade heute sein Schweigegelübde anzutreten; hier brennen die Fragen auf den Nägeln und die Antworten machen sich nen schlauen Lenz.

Aporie
19.10.2001, 01:24
Zunächst zum Ursprung der Beinschere, die ja ein rein sportlicher bez. unsportlicher Begriff ist. Es handelt sich also nicht etwa um ein Instrument zur Durchsetzung der Scharia und ist damit auch keine Unterfütterung des Sprichworts ³Lügen haben kurze Beine'. Vielmehr schrieb die Beinschere in den 50er und 60er Jahren deutsche Fussballgeschichte, ehe sie nach einem kurzen Revival durch Berti Vogts geächtet wurde und dann endgültig ins Wrestling abwanderte. Das kann man bedauern, denn seither ist es um dem deutschen Fußball nicht mehr besonders gut bestellt. Aber soll man die Beinschere deswegen gleich anbeten? Wenn heute südländische Kicker die deutsche Verteidigung ausspielen, um dann den Ball an Oliver Kahn vorbei ins deutsche Tor zu schlenzen, fallen sie zwar sofort auf die Knie und küssen, weil sie katholisch sind, den Boden und schlagen eventuell sogar das Kreuzzeichen. Aber doch nur, weil sie der deutschen Beinschere ENTRONNEN sind.
Für Fussballlunkundige wie die Damen Maisch und Maria sei in Kurzform noch eine physikalische Beschreibung angefügt: Beinschere = mit gespreizten Beinen fussvoran den Gegner rammen.
Die in unserem Fußballclub (bloß angedeutete) Beinschere der Damen am Spielfeldrand gehört hingegen wie das Wackeln mit dem Gesäß zum weiblichen Arsenal (übrigens der Name eines Fußballclubs) erotische Aufmerksamkeit erheischender Gebärden. Es ist dabei nicht zwingend, sich zu Boden fallen zu lassen. Es genügt, mit gespreizten Beinen am Spielfeldrand zu stehen und dabei das Becken rhythmisch zu bewegen, als würden im Hintergrund Kruder&Dorfmeister mit 70p/m aufspielen, also langsam, was lasziver wirkt. Die Damen Maisch und Maria sollen sich das mal durch den Kopf gehen lassen bevor ich mit dem Vorstand spreche.

Dank an Ullysses für die technische Unterstützung. Hat aber gestern nichts genutzt, musste nachdoppeln.

DerCaptain
19.10.2001, 14:52
Also Frau Maisch traue ich das zu, der traue ich sowieso alles zu.
Ich hätte übrigens noch die 'Frohnauer Todesgrätsche' im Angebot, die ich Ende der 70er im Norden Berlins beim FSC mitentwickeln durfte.
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'd'oh!'

Angelika Maisch
19.10.2001, 17:40
Zurecht, mein Cap, vollkommen zurecht,traust dumir alles zu. Wie ich schon sagte, ich mach ALLES. Naja, fast. Können tu ichs nich, aber egal. Man könnte vielleicht die Frohnauer Todesgrätsche in Kombi mit irgendwas, schon hätte man eine Aufenthaltsgenehmigung im Verein.
Ein Looserfußballverein, der in der Nähe vom Irrenhaus spielt, das ist doch meine Verwandtschaft.

Aporie
19.10.2001, 17:51
Darf ich um eine detaillierte Beschreibung der Frohnauer Todesgrätsche bitten. Sie könnte unseren Verein wieder hochwuchten.

Angelika Maisch
28.10.2001, 04:01
Für Hanswasheiri hochgewuchtet.

Walter Schmidtchen
28.10.2001, 04:05
Angelika, noch auf?
war MAN schon in Khe?
Er kommt am 3. nach Wien

vir
30.10.2001, 12:34
Bin erst heute dazugekommen dieses Gesamtkunstwerk (Sachbuch, Belletristik, Musik, Innenarchitektur, Fussball) in mich aufzunehmen. Grossartig.
Danke Chavez, mit UJ's Kurzsichtigkeit wäre jetzt auch erklärt, wieso er seinerzeit Roberto Blanco in der Kronenhalle nicht erkannt hat; die Frage wurde von mir in einer Geschichte namens 'Ein Festival der Liebe' aufgeworfen, die hier irgenwo im Keller vor sich hin gammelt.
ps.: Bei uns im SV Teutonia (da lebte ich noch in der BRD) gab es auch noch die 'Laubacher Hartplatzsense'.
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Ultra posse nemo tenetur

Chavez
30.10.2001, 12:58
Na da gehe ich doch gleich mal tauchen!
Der Dank geht zurück, mir ist soeben erstmals aufgefallen, daß Herr Jürgens und ich die selben Initialen teilen! Hätte er nur die auf die Tour-Jacke gestickt, hätte ich den Edding gar nicht benötigt!

honz
26.03.2002, 21:22
Dies ist eine MUSS LESEN STRANGVERLINKUNG (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=13604&perpage=10&pagenumber=1)

Aleks
26.10.2004, 22:22
Ein verstaubtes Universum voller Wunder, in dem neben so vielem anderen sowohl Physik als auch Smudo vorkommt. Wie in folgender Geschichte:

Schielmann ist ein Physiker. Ich muß dies wissen, denn ich studierte vier Jahre lang mit ihm. Andererseits sieht man es sofort, wenn man ihn einmal am Kaffeeautomaten erlebt: Er wirkt dabei hochkonzentriert, als würde er einen Reaktor bedienen, gleichzeitig aber leicht nervös, weil alle Schalter unglücklicherweise gleich aussehen. Man hat unwillkürlich das Gefühl, daß seine zitternden Finger über unser aller Schicksal entscheiden und beginnt still zu beten. Ein Physiker eben. Schielmann kann an keinem Schalter vorbeigehen, ohne darüber zu sprechen, was man mit diesem Gerät alles anstellen könnte. Dabei ist es egal, ob der Schalter zu einer Glühbirne oder einem Festkörperlaser gehört - Verhältnismäßigkeit liegt ihm nicht. Nach langen Zweifeln folgt dann immer leichtfertig: "Ach, erstmal einschalten." So war sein Weg von Rauchschwaden gesäumt. Ein weiterer Standardsatz von ihm beginnt so: "Was würde wohl passieren, wenn man..." - zum Beispiel die Fühler des Oszillographen an die 220V-Steckdose anschließt. Anderes Beispiel: einen halben Liter konzentrierte Salzsäure mit einem halben Liter konzentriertem Ammoniak vermengt. Zum Glück bin ich immer dabei.

Schielmann ist auch der einzige Mensch, den ich jemals Gänseklein essen sah, ein Gericht, das aussieht wie ein explodierter Hund. Alles muß er ausprobieren. Nichts hat er unter Kontrolle. Man muß zudem einräumen, daß er hochgradig verwirrt ist. Wenn man ihn fragt, wie alt er ist, dann überlegt er einige Minuten, bevor er seinen Personalausweis hervorholt. Manchmal spricht er nebenher davon, daß die Klos merkwürdigerweise alphabetisch durchsortiert wären. Das würde daraus folgen, so sagt er, daß er manchmal Klos benutzen würde, auf denen H steht, manchmal aber auch D. Es kann passieren, daß er im nächsten Satz anfängt von Bogolubov-Termen zu sprechen. Es ist wirklich nicht einfach mit ihm. Erschwerend kommt hinzu, daß er aussieht wie Mitte vierzig, obwohl er nicht älter ist als ich. Er sieht daher praktisch schon jetzt aus wie ein verwirrter Professor. So kommt er problemlos in jeden Hochsicherheitstrakt. Ich folge ihm überallhin, um das Schlimmste zu verhindern.

Eines Tages war ich mit ihm an den Niagarafällen. Aber darüber zu sprechen fällt mir schwer. Stattdessen möchte ich davon berichten, was in Hamburg geschah. Die Anfahrt mit ihm war anstrengend. Zuerst brachte er den Fahrplancomputer im ICE zum Absturz. Dann wurde er beinahe vom Bus überrollt. Alltag mit Schielmann ist eine endlose Folge von Pointen, eine vollkommen unlustige Sitcom, bei der ich im Abstand von drei Sekunden in Panik gerate, während er sich zum selben Zeitpunkt ausdauernd am Kopf kratzt. Noch schwieriger gestaltete sich der Nachmittag, denn wir besuchten einen sehr sehr großen Teilchenbeschleuniger. Weil es dort unglaublich viele Tasten und Computer gab, geriet er in einen geradezu ekstatischen Zustand. Er tat immer so, als würde er genau aufpassen, was ihm erklärt wurde, dagegen hörte er nur bei der ersten Hälfte des Satzes hin. Die zweite Hälfte konnte er ja leicht im Selbstversuch herausfinden. Zum Glück schaffte ich es, seine Experimentierlust schnell vom Beschleuniger auf den Getränkeautomaten umzuleiten. Es war alles viel zu aufregend für ihn.

Wir waren alle froh, als es vorbei war, und erhofften uns einen entspannten Abend. Zum ersten Mal würde ich mit Schielmann in einem Raum, in einem Doppelstockbett, übernachten. Allerdings war von Anfang an klar, daß er oben schlafen würde, was zwar für ihn gefährlicher, aber für mich sicherer war. Man weiß bei ihm nie. Mein Plan war, mit ihm den ganzen Abend durch Hamburg zu laufen, solange, bis er todmüde und somit berechenbar sein würde. Mein Fehler war, dabei auf die Reeperbahn zu geraten.

Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß Schielmann zwanzig Jahre älter aussieht, als er ist. Wenn man zudem berücksichtigt, daß ich zehn Jahre jünger aussehe, als ich bin, wird klar, daß ich neben ihm völlig abgemeldet war. Wir müssen wie Vater und minderjähriger Sohn ausgesehen haben. Das gesamte Nachtleben jedenfalls stürzte sich auf Schielmann, und mich damit in tiefe Depression. Denn Schielmann wurde nicht müde, sondern immer wacher. Mit jedem Türsteher, der ihn einlud, mit jeder Frau, die ihn ansprach, wuchs seine Aufmerksamkeit, er zappelte von einer Seite des Gehsteigs auf die andere, wedelte mit den Armen, sah mich verzweifelt an, und ungeheuerliche Gedanken liefen in seinem Kopf ab, das konnte man deutlich erkennen. Sein Mund stand die ganze Zeit offen, saugend und sabbernd taumelte er über die Straße. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Plötzlich ein enthemmter Schrei, unverständliches Gebrüll, wildes Gestikulieren (er zeigte gleichzeitig überall hin, bevor er sich auf eine Richtung einigte), dann folgte eine Art epileptischer Anfall, wobei er immer wieder die Wörter "vier" und "fantastisch" hervorstieß, allerdings vermengt mit Begriffen wie "Hasylab", "Gigaelektronenvolt", "Donnerbusen". Schweiß stand auf seiner Stirn. Nachdem ich ihn einigermaßen beruhigt hatte, blickte ich kurz in die angedeutete Richtung und sah gerade noch einen Mann mit hellbrauner Lederjacke verschwinden, der von hinten tatsächlich genauso aussah wie Smudo. Und weil der Anfall von Schielmann überaus überzeugend wirkte, mußte es praktisch Smudo gewesen sein. Der letzte Satz, den Schielmann auf der Reeperbahn hervorbrachte, war: "Wo zur Hölle bin ich hier?"

Nachdem mein Vorhaben so drastisch danebenging, brachte ich Schielmann zu den Landungsbrücken. Wasser wirkt ja oft besänftigend, besonders im Dunkeln. Dort saßen wir dann noch eine Weile, und tatsächlich verging die Nacht ohne weitere Zwischenfälle.

Klingeltonk
27.10.2004, 08:30
Das ist eine schöne Geschichte, und es paßt ja, daß Smudo bei Udo landet.

joq
27.10.2004, 08:57
Das ist genau genommen sogar eine völlig geile Geschichte. Danke.

Herr Uffelmann
27.10.2004, 10:38
Gorßartig Aleks, ich habe gerade sehr gelacht. Sind sie für Schielmann sowas wie die Sharona des Adrian Monk aus der TV-Serie "Monk"? Dann sollten sie mit Schliemann-Geschichten in Serie gehen. Also Niagarafälle klingt schon sehr spannend.....

DerCaptain
03.11.2004, 18:39
Ja, darüber würde ich auch gerne mehr erfahren. Aber, bei "Schielmann kann an keinem Schalter vorbeigehen, ohne darüber zu sprechen, was man mit diesem Gerät alles anstellen könnte." ist mir die kleine Geschichte von Clifford Stoll in "Kuckucksei" eingefallen. Er beschreibt den Rechnerraum seiner Uni, wo ein uralter Rechner steht, im Gehäuse ein nachträglich reingedengelter Schalter. Der Schalter hat die zwei Positionen "Magic" und "More Magic" und steht selbstverständlich auf "More Magic". Zu Beginn seines Studiums entfernte Stoll die Abdeckung des Rechnergehäuses und entdeckte, daß sinnloserweise nur ein Kabel zu besagtem Schalter führte. Dermaßen abgesichert legte er den Schalter um auf "Magic". Der Rechner stürzte ab.

Es war wohl sowas wie eine PDP-10, das Hochfahren dauerte ewig, natürlich legte er vor dem Neustart den Hebel wieder um auf "More Magic".

Jahre später besuchte er den Rechnerraum wieder, die Kiste brummte da immer noch und er erzählte irgendeinem Tutor die Geschichte. Der glaubte kein Wort, gemeinsam untersuchten sie erneut den ominösen Schalter; absurderweise war das einzelne Kabel auch noch mit dem Gehäuse verbunden, völliger Quatsch also.

Sie legten den Schalter um, der Rechner verreckte wieder.

Eigentlich unnötig zu erwähnen, daß mein erster PC von mir genau so einen Schalter verpasst bekam.

abendrot
17.11.2004, 11:41
Am vergangenen Wochenende war ich beruflich in Berlin und hielt mich im Hotel Adlon auf, in Begleitung eines Mitreisenden. Kurz vor unserer Abreise, genauer: um kurz vor 12 am Sonntagmittag, wollten wir gern noch ein letztes Mal im Hotelpool schwimmen gehen. Wir zogen also nur Bademäntel über die jeweiligen Schwimmklamotten und betraten den Lift.

Was wir nicht bedachten, war, dass man eine gültige Zimmer-Magnetkarte benötigt, um ins Pool-Untergeschoss zu kommen, und dass um Punkt 12 Schluss mit gültig war. Kein Schwimmen also und, was ja auch nicht unwichtig ist, kein Zugang mehr ins Zimmer. Kein Umziehen, keine Koffer, kein Geld.

Ich möchte hier beschämt erwähnen, dass ich mir a) noch nicht die Zähne geputzt hatte, b) aufgrund einer Allergie unschöne Pusteln an den Beinen aufwies und c) mir mein Bademantel sehr schlecht stand. Meine Körperfülle spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle, doch darum geht es hier nicht.

Im Erdgeschoss bat ich also meinen schlanken, wohlriechenden Mitreisenden, an der Rezeption das Problem zu lösen, indem er wenigstens noch ein Stündchen Gültigkeit für unsere Zimmerkarte erwirken möge. Er erklärte sich bereit und verließ mutig den Lift, ich solle auf ihn warten.

Zwei ältere und elegante Damen stiegen zu. Ich teilte ihnen mit, dass ich auf jemanden wartete und dies gern auch weiterhin tun würde, doch die Damen erkannten mein Problem nicht - es war ja auch nicht Grund genug, den Aufzug zu blockieren - und drückten beherzt auf den Knopf des obersten Stockwerkes, wo sie genauso beherzt den Aufzug verließen.

Das war auch der Moment, als Udo Jürgens einstieg. Die Damen schienen ihn nicht bemerkt zu haben oder waren seinen Anblick gewöhnt. Er trug einen schwarzen Anzug und sagte freundlich "Grüß Gott." Ich wäre sehr gern im Erdboden versunken, doch mangels Fluchtmöglichkeit drückte ich mich einfach in die Ecke und versuchte, nicht auszuatmen. Ich konnte erspähen, dass Herr Jürgens eine wohl nicht unbeträchtliche Rechnung seines Zimmerservice in der Hand hielt, auf der sehr viele Posten aufgeführt waren. Ansonsten verhielt er sich wie jeder normale Mensch in einem normalen Anzug und Aufzug, abgesehen von seiner beträchtlichen Contenance in Anbetracht der Gegenwart eines ungepflegten Menschen im zu kleinen Bademantel. Im Erdgeschoss verließ er den Aufzug und sagte höflich "Auf Wiedersehen." Ich glaube, Udo Jürgens muss ein Gentleman sein.

Oder aber, wie ich hier lesen durfte, er ist zum großen Glück für mich kurzsichtig genug.

hanswasheiri
21.12.2014, 20:54
#16 (http://www.hoeflichepaparazzi.de/forum/showthread.php?10992-J%FCrgens-Udo-(ist-kurzsichtig)&p=104116&viewfull=1#post104116)