Max DeRire
16.10.2001, 02:16
Oder: Wie mir Noel Redding mal einen Abend mit Noel Redding versaut hat
Zu den schönsten Erfahrungen meiner Jugend zählen (a. o.):
1. Brauner Bär (das unangefochten beste Eis aller Generationen)
2. Spaziergang durch das nächtliche Vrouwenpolder / Niederlande
3. Jimi Hendrix Experience
Zu 1: Brauner Bär findet, trotz wenig inspiriertem Relaunch im Frühsommer 1997,
nie wieder eine Kühltruhe.
Zu 2: Vrouwenpolder ist, schade, schade, nicht mehr das Vrouwenpolder von 1982.
Zu 3: Jimi. Ach Jimi. Sein Geist lebe immerfort. Und es gibt ja noch Noel Redding.
1997 war wirklich ein, hier in aller Deutlichkeit, Mistjahr. Beruflich wie privat, ein Mistjahr. Selbst die Grauzonen (eigentlich Bunt-Zonen), das Inter-Esse.
Alles, was das Private wie das Berufliche oft um Kilowattstunden spannender macht, weil es im Einklang miteinander existiert. Und nicht, wie sonst, der anderen Seite den Saft abdreht. Spaß haben im Job. Nette Leute kennenlernen. Und abends Tortellini al Forno mit der Diva meines Herzens.
Stattdessen Pustekuchen. Im Oktober 1997 der Anruf. Einladung zum Gitarrenfestival nach Hamburg. Noel Redding spielt. Klasse, denke ich, danach sind es noch knapp drei Monate bis 1998, dann Bilanz ziehen, dann vergessen.
Das Konzert ist so schlecht, dass das Vergessen augenblicklich mit dem zweiten Songs des Sets eintritt. Aufnimmerwiederhören. Noel Redding fällt nach den ersten drei Takten von 'Hey Joe' über eine Monitorbox, betrunken, beäugt, aber beseelt vom Gedanken, etwas
fa-bel-haftes für die Rezensenten geliefert zu haben. Peinlich. Noch peinlicher: der legendäre Bassist der Experience hat Gitarre gespielt. No comment. Ein Musikredakteur setzt mir während dieser Nummer seinen wirklich üblen Atem in Ohr und Nase, als er wissend meint, Redding hätte nie seinen Anteil an den Experience-Tantiemen erhalten. Der alte Al, Hendrix« Vater, habe alles eingesackt. Daher der traurige Anblick.
Der Redakteur stank, jetzt fällt es mir wieder ein, nach Catering-Käse.
Wir verlassen das Etablissement gegen 0h30. Geladen wird zu einem 'netten Aftershow-Essen'. Noel Redding wird gestützt, vorneweg, dahinter sämtliche Besitzer von Hamburger Gitarrenläden nebst Familien. Grässliche Familien. Plus Prominenz, kein Papping wert.
Im Italiener. Neben mir ein verschwitzer Untersetzter, gezwängt in ein viel zu enges Bunthemd. Du Made, denke ich, ersticke eine von einem angeflogenen Tropfen Rotz angekündigte Konversation im Keim. Mir gegenüber Noel Redding, fertig, nebst einer älteren Bourgeoise, auch fertig. Noel Redding hüstelt tuberkulös. One more beer, please, entnehme ich dem Unverständlichen und schließe mich der Order mit einem Victory-Zeichen (zwei Bier, bitte) an.
Eine Suppe wird gereicht. Ein Kellner muss sich weit vorbeugen, um Redding
den für ihn bestimmten tiefen Teller zu reichen. Ilias, seinen Namen verrät ein kleines, etwas zu gelbes Namensschild am Revers seiner Kellnerkluft, scheint ob des amüsierten, klimpernden Menschenhaufens zwar engagiert, aber reichlich übel gelaunt. Redding nimmt den Teller, das heißt, er stützt ihn mit drei langen Fingern seiner rechten Hand und will ihn dann mit viel Geschick vor sich platzieren. Geschick mangelhaft. 20cl ergießen sich über Kleid und Bourgeoise. Die Versuche, die Terrine aus der rot-weiß gesäumten Bluse zu wischen, sehen sehr zappelig aus. Mitleidig fragende Blicke der Hamburger Prominenz. Eine Anwort bleibt er nicht schuldig; feine, wenn auch traurige Gesten, markieren das heranrückende Finale dieses ohnehin legendär vermaledeiten Abends. Dumm gelaufen, hechelt mich der Dicke von der Seite an. Das ist mein Stichwort. Nichts wie raus. Noch zweieinhalb Monate bis `98.
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life«s a soup.
Zu den schönsten Erfahrungen meiner Jugend zählen (a. o.):
1. Brauner Bär (das unangefochten beste Eis aller Generationen)
2. Spaziergang durch das nächtliche Vrouwenpolder / Niederlande
3. Jimi Hendrix Experience
Zu 1: Brauner Bär findet, trotz wenig inspiriertem Relaunch im Frühsommer 1997,
nie wieder eine Kühltruhe.
Zu 2: Vrouwenpolder ist, schade, schade, nicht mehr das Vrouwenpolder von 1982.
Zu 3: Jimi. Ach Jimi. Sein Geist lebe immerfort. Und es gibt ja noch Noel Redding.
1997 war wirklich ein, hier in aller Deutlichkeit, Mistjahr. Beruflich wie privat, ein Mistjahr. Selbst die Grauzonen (eigentlich Bunt-Zonen), das Inter-Esse.
Alles, was das Private wie das Berufliche oft um Kilowattstunden spannender macht, weil es im Einklang miteinander existiert. Und nicht, wie sonst, der anderen Seite den Saft abdreht. Spaß haben im Job. Nette Leute kennenlernen. Und abends Tortellini al Forno mit der Diva meines Herzens.
Stattdessen Pustekuchen. Im Oktober 1997 der Anruf. Einladung zum Gitarrenfestival nach Hamburg. Noel Redding spielt. Klasse, denke ich, danach sind es noch knapp drei Monate bis 1998, dann Bilanz ziehen, dann vergessen.
Das Konzert ist so schlecht, dass das Vergessen augenblicklich mit dem zweiten Songs des Sets eintritt. Aufnimmerwiederhören. Noel Redding fällt nach den ersten drei Takten von 'Hey Joe' über eine Monitorbox, betrunken, beäugt, aber beseelt vom Gedanken, etwas
fa-bel-haftes für die Rezensenten geliefert zu haben. Peinlich. Noch peinlicher: der legendäre Bassist der Experience hat Gitarre gespielt. No comment. Ein Musikredakteur setzt mir während dieser Nummer seinen wirklich üblen Atem in Ohr und Nase, als er wissend meint, Redding hätte nie seinen Anteil an den Experience-Tantiemen erhalten. Der alte Al, Hendrix« Vater, habe alles eingesackt. Daher der traurige Anblick.
Der Redakteur stank, jetzt fällt es mir wieder ein, nach Catering-Käse.
Wir verlassen das Etablissement gegen 0h30. Geladen wird zu einem 'netten Aftershow-Essen'. Noel Redding wird gestützt, vorneweg, dahinter sämtliche Besitzer von Hamburger Gitarrenläden nebst Familien. Grässliche Familien. Plus Prominenz, kein Papping wert.
Im Italiener. Neben mir ein verschwitzer Untersetzter, gezwängt in ein viel zu enges Bunthemd. Du Made, denke ich, ersticke eine von einem angeflogenen Tropfen Rotz angekündigte Konversation im Keim. Mir gegenüber Noel Redding, fertig, nebst einer älteren Bourgeoise, auch fertig. Noel Redding hüstelt tuberkulös. One more beer, please, entnehme ich dem Unverständlichen und schließe mich der Order mit einem Victory-Zeichen (zwei Bier, bitte) an.
Eine Suppe wird gereicht. Ein Kellner muss sich weit vorbeugen, um Redding
den für ihn bestimmten tiefen Teller zu reichen. Ilias, seinen Namen verrät ein kleines, etwas zu gelbes Namensschild am Revers seiner Kellnerkluft, scheint ob des amüsierten, klimpernden Menschenhaufens zwar engagiert, aber reichlich übel gelaunt. Redding nimmt den Teller, das heißt, er stützt ihn mit drei langen Fingern seiner rechten Hand und will ihn dann mit viel Geschick vor sich platzieren. Geschick mangelhaft. 20cl ergießen sich über Kleid und Bourgeoise. Die Versuche, die Terrine aus der rot-weiß gesäumten Bluse zu wischen, sehen sehr zappelig aus. Mitleidig fragende Blicke der Hamburger Prominenz. Eine Anwort bleibt er nicht schuldig; feine, wenn auch traurige Gesten, markieren das heranrückende Finale dieses ohnehin legendär vermaledeiten Abends. Dumm gelaufen, hechelt mich der Dicke von der Seite an. Das ist mein Stichwort. Nichts wie raus. Noch zweieinhalb Monate bis `98.
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life«s a soup.