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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Stipe, Michael (in New York - und fast Robert de Niro)



Lenin
14.10.2001, 12:58
Michael Stipe in New York
Ein Bekannter hatte ein prächtig ausgestattetes Stipendium in New York und eine prächtig gelegene Wohnung am West Broadway in Tribeca. Da ich mit einer Freundin eine Woche in der Stadt war (Weihnachtseinkäufe! Damals hatte ich noch Geld...), besuchte ich ihn dort. Die Wohnung trug auf dem Türschild den schönen Namen Caramelle. Die ganze Gegend war ungeheuer promilastig. Selbst die Restaurants gehörten Promis. Wenn man sich aus dem Caramelle-Fenster lehnte, konnte man sogar das Loft von Robert de Niro sehen. Der Winkel war allerdings so spitz, dass man nicht in die Fenster hineinsah, so hatte Robert de Niro sich das wohl auch vorgestellt. Ich schaute nochmal rüber, vielleicht schaute er ja auch gerade raus. Er schaute aber nicht.
Es war ein sonniger Dezembertag, in der Nähe grüßten noch die Twin Towers des World Trade Centers. Die Stadt war im Kaufrausch, da die Börsenhändler gerade ihre schwindelerregend hohen Jahresgratifikationen in Waren umsetzten. Soviel Geld hatte ich natürlich nicht, aber zum Ausgehen taugte es noch. Wir frühstückten in einem Café, in dem das Publikum so aussah, als verwunderte es keineswegs, wenn Robert de Niro sich an den Nebentisch setzte. Er hätte nur über die Straße gehen müssen. Er kam aber nicht.
Abends trafen wir uns dann am West Broadway im sehr beliebten Restaurant Odeon, wo es gegen alle Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung sogar ohne Reservierung einen Tisch für uns gab. Es war ein guter Tisch, groß genug für uns fünf, zentral und wir waren glücklich, sehr glücklich. Zum Rauchen oder telefonieren mussten alle Gäste natürlich auf die Straße, wo das Restaurant eine Raucher- und Telefoniererbank abgestellt hatte. Das fanden wir sehr praktisch. Ein Nebentisch war reserviert, aber es saß noch niemand dort. Wir bestellten und ich bemühte mich, die unverschämten Preise zu ignorieren, die ich zahlen sollte. Geld hatte ich ja damals noch, ein bisschen zumindest. Und vielleicht setzte sich ja Robert de Niro an den reserveirten Tisch! Während wir auf das Essen freuten, wurde auch der Tisch besetzt. Aber es war natürlich nicht Robert de Niro. Ich schaute schon wieder auf den Teller, da stieß mich mein Bekannter an: Das ist Michael Stipe von R.E.M. Er hat bei Warner gerade einen Vertrag über 25 Millionen Dollar unterschrieben. Ich schaute mir die Gruppe genauer an: Der kleine Glatzkopf, ja das könnte er sein, das war er. Sehr klein, fast zart, Anzug und T-Shirt, die großen Augen. Die anderen vier kannte ich nicht, aber es waren zwei große, schlanke Frauen in paradiesvogelhafter Aufmachung dabei, so wie man sich die Begleitung von Rockstars eben vorstellt. Nicht Robert de Niro, aber immerhin. Wir waren etwas aufgeregt und schauten immer wieder verstohlen zum Nachbartisch herüber. Ich war prächtiger Stimmung. Immer wieder verschwanden Leute zum Rauchen.
Als wir beim Nachtisch waren, bemerkte ich, dass an einem anderen Nebentisch ein bulliger Mann, Typ Junk-Bond-Händler, eine Zigarre rauchte. Ich war irritiert. Das ist doch Amerika, wie kann er sich über das Rauchverbot hinwegsetzen?! Die Kellner taten so, als bemerkten sie nichts. Aber sie sahen alles. Meine russische Bekannte entschied, dass wir nun auch rauchen könnten und schon aschten wir auf die Kaffee-Untertassen. Das war auch dem Michael-Stipe-Tisch nicht verborgen geblieben, der sich in der Folge ebenfalls in Rauch hüllte. Als die Kellner DAS bemerkten, wurden an alle Tische Aschenbecher verteilt. Das Rauchverbot existierte nicht mehr. Alles rauchte. Mir gab das zu denken. Als wir gingen, telefonierte Michael Stipe gerade auf der Raucherbank vor der Tür. Ich bat ihn um ein Autogramm, das er mir telefonierend gab. Ein Mensch, der in einem New Yorker Restaurant trotz Rauchverbot alle Tische mit Aschenbechern versorgen lässt, hat Gewicht. Auch wenn er so klein und zart aussieht. Und nicht Robert de Niro ist.
(Beitrag wurde von Lenin am 14.10.2001 um 12:12 Uhr bearbeitet.)

Walter Schmidtchen
15.10.2001, 01:23
hallo Lenin, ich finde diese Geschichte nicht so gut, es kommt zu oft Robert deNiro vor, ich finde aber dennoch ein Bild ganz hübsch, wie der kleine Michael Stipe Dir telefonierend und rauchend ein Autogramm gibt.

Andrea Maria
15.10.2001, 01:26
B
I
N
G
O
Eine sehr schöne Geschichte, Wladimir Ilitsch!

Murmel
15.10.2001, 01:28
Ich finde das ganz nett. Besonders, da herausgestellt wird, dass es schlimmer ist, im Restaurant zu telefonieren als zu rauchen.

oha
15.10.2001, 01:31
Genosse, Bruder, Mitpappe,
die ewige Suche nach de Niro und was man so auf dem Wege aufliest - das ist ein wenig wie bei Pippi Langstrumpf und dem Spunk und birgt darob stets Unterhaltsamkeit, noch dazu wenn eherne Gesetze gebrochen werden und Aschenbecher ausgeteilt.
Gerne hätte ich - und jaja, mir ist bewusst, dass ich mich wiederhole und man mir Detailsucht vorwerfen wird - mehr Einzelheiten über REMs Fronthasi und seine Begleiter gelesen. Auch wenn er nicht de Niro ist: Was aßen, tranken sie, was taten sie, was sprachen sie, waren sie beschwingt, war man vertraut und guter Stimmung, bewegte der Sänger die Arme ähnlich seltsam, wie auf der Bühne?
Haben Sie Details, Lenin? Dann heraus damit. Harre gespannt.
herzlichst,
oha

honz
15.10.2001, 01:49
nett, Murmel, ganz nett? Du Schlächter!
Ich mag die Espisode mit Rauchen am Besten, da bekommt das Wort Kettenrauchen eine ganz neue Bedeutung.

Murmel
15.10.2001, 01:52
Tja, ich kann eben auch anders...

Tristram Shandy
15.10.2001, 01:52
Die Geschichte ist super, Lenin! Mach Dir keine Gedanken um Schmidtchen - er hat eine Michael-Stipe-Allergie und muss tourettieren, wenn er den Namen nur liest. Dafür hat er sich sogar noch zurückgehalten. Wahrscheinlich, weil er die Geschichte insgeheim DOCH gut findet.

Angelika Maisch
15.10.2001, 01:52
Gut geschrieben. Ganz insgeheim.

Tristram Shandy
15.10.2001, 01:52
Angelika!

Angelika Maisch
15.10.2001, 01:52
Tristram!

Andrea Maria
15.10.2001, 01:52
Angelika!

Angelika Maisch
15.10.2001, 01:52
AndreaMaria!

Lenin
15.10.2001, 01:52
Walter Schmidtchen: ich gestehe, dass mich die Idee, Robert de Niro (deNiro?) in fast greifbarer Nähe meines Bekannten wohnend zu wissen, an diesem Tag ein wenig verfixfolgte und damit bin ich meiner Begleitung damals wohl auch ein bisschen auf die Nerven gegangen. Selbst vom Restaurant aus war es nur ein Katzensprung, ja ein Flohhüpfer zur Wohnung des großen Mimen, den ich nun mal verehre. (Was mich gewiss nicht aus der Masse hebt. Auch nicht schlimm.)
Als mir Michael Stipe das Autogramm gab, hat er übrigens nicht geraucht. Ich glaube er raucht gar nicht. Er saß einfach allein auf der Raucher- und Telefonierbank, den linken Fuß auf dieselbe gestellt, seinen linken Arm irgendwie ums Knie geschlungen (oha, aufgemerkt!) und signierte ins Telefon horchend die Kunstpostkarte, die ich aus der MoMA-Dependance mitgebracht hatte. Ich hatte sie zu diesem Zweck nach mimischer Aufforderung durch ihn auf sein Knie zu legen. Unterschrift und Widmung waren völlig unleserlich. War mir auch egal. Die Karte schenkte ich dem Bewohner der Caramelle-Wohnung, aber der weiß heute leider nicht mehr, wo er sie hat. Ist halt selbst so ein Künstler.
oha: Fehlanzeige. Ich bin kein Anhänger der Band und so sehr hat mich die Anwesenheit von Michael Stipe auch nicht fasziniert, dass ich alles aufsaugen zu müssen meinte. An meinem Tisch saßen ja auch interessante Menschen. Auch ist das jetzt schon fast vier Jahre her. Stopp! Eins weiss ich noch: Eine der Frauen war schwarz.
honz: welche Bedeutung hat das Wort Kettenrauchen durch meine Geschichte Deiner Meinung nach denn bekommen? Das würde mich mal interessieren. Ansonsten: Danke für das warme Lob. Es war ja meine erste Geschichte und deshalb war ich heute den halben Tag ein wenig aufgeregt...
Andrea Maria: ebenso danke. Du wohnst doch in New York: Gibt es das Odeon am West Broadway noch?
Murmel Clausen: ich pflichte Dir nochmal bei. Telefonieren nur auf der Außenbank (aber überdacht muss sie schon sein, wie fast alles Gute! Cabrio, Nein Danke)
Tristram Shandy! und Angelika Maisch! Danke!

Andrea Maria
15.10.2001, 01:52
Das Odeon gibts noch, natürlich und auch die Odeon Bar. Ich bin auch gerne in Raimo's Pizzeria on Duane. Aber am Liebsten bin ich in Tony's in Little Italy. Bob DeNirosta, der eigentlich ein elender Nörgler sein soll ist da auch manchmal. Franco Sinatra war da viel und Dino Martino, als sie noch lebten.

Ignaz Wrobel
15.10.2001, 01:52
Schöne, persönliche Geschichte.
Äh, Andrea Maria, wie alt bist Du eigentlich?
Hast Du auch Freddie Astaire noch gekannt?

Walter Schmidtchen
15.10.2001, 01:52
genau, ich HASSSSSSSSSSE michael Stipe, und mittlerweile geht mir auch Robert DeNiro auf die Nerven, aber eigentlich ist das die Schuld seines widerlichen Synchronsprechers,
Giorgio Scherl, der Mann, der die Robert deniro Geschichte erzählt hat, ist grad in Wien, und er hat als der 'Twintowersalat' (Pierre Brice) passierte, Harvey Keitel gesehen, mit 2 Pizzas in Pappschachteln, wie ein armer Bote an einer Tür läuten, ringsum Staub, ihn hat das ziemlich erheitert

Lenin
15.10.2001, 01:52
@Andrea Maria: Ist De Niro nun im Odeon oder im Tony's? Nur so, für meinen nächsten Besuch in vier Jahren.
Auch sagte mir mein Bekannter, das er bei Eröffnungen gerne dabei ist, als jemand, der auf den Kunstwerken die ominösen Punkte anbringen lässt, die Galeristen- und Künstlerherzen höher schlagen lassen. Als Käufer.

Andrea Maria
15.10.2001, 01:52
Klar hab ich den gekannt. Und Ginger. Nein, natürlich kenne ich die alle nur vom Film, aber in dieser Bar Tony's in Little Italy war ich öfter und da hab ich das erfahren. In der Bar Tony's gibt es einen Wiener-Stammtisch, der Little Ottakring heisst. Tony's Bar sieht eigentlich nicht aus wie ein Mafia-Lokal, sondern wie ein Western Saloon, so mit Sägespänen am Boden, (ja und Einschusslöchern in der Wand). Dazwischen viele viele Bilder von Hochzeiten. Das ist allerdings schlimmer und übertriebener als jedes Klischee es sich erlauben könnte. Im Film sähe man da 14 Familienmitglieder. Auf diesen Bildern sind aber mindestens 7 Dutzend Italoamerikaner drauf! Fred Astair war übrigens Burgenländer.

Lenin
15.10.2001, 01:52
@Andrea Maria: ob des ganzen barnamedropping habe ich Ihnen ja den elenden Nörgler völlig kommentarlos durchgehen lassen. Wer behauptet denn das schon wieder? Man muss ihn da eventuell in Schutz nehmen: Es steht nicht zum besten mit der Welt. Und auch ein gutes Essen ungestört zu essen, ist nicht immer einfach. Auch wenn es sich so anhört. Oder nörgelt er auch an anderen Sachen herum?

Andrea Maria
15.10.2001, 01:52
Er nörgelt privat. Lesen Sie mal den Robert-DeNiro-und das-Kind-mit-der-blauen-Schaufel-im-Park-Strang .

Murmel
05.07.2003, 21:15
Machmal weiß man ja, dass ein Konzert stattfindet. Z.B., wenn die Stones nach München kommen. Dann weiß man das. Oder wenn die drei Tenöre auftreten. Klar, bekommt man mit. Oder Superstar, äh, Dings. Dann ist die gesamte Stadt mit Plakaten zugekleistert.

Um heute aber noch irgendwie mitzubekommen, dass REM in München spielt, muss man schon Glück haben. Gut, ich halte es jetzt nicht ganz für das größte Glück meines Lebens, zu wissen, dass heute REM auf dem Könisgplatz ein Konzert gibt, aber andere, die würden sich bestimmt freuen, wären sie denn statt meiner heute Nachmittag an den Fünf Höfen vorbeigelaufen. Denn da kam mir Michael Stipe entgegen. Einfach so. Völlig unbewacht und geschickt eingemünchenert. Nur eben einen Tick zu klein, um nicht trotzdem aufzufallen. Und wenn ich jetzt klein sage, dann meine ich nicht sowas wie "Steppke" oder "Stoppele", sondern wirklich klein. Vielleicht einsfünfundsechzig, dafür aber mit drei Tage altem Graubart und einer Sonnenbrille, mit der auch Stealthfigther Piloten noch einen Tick cooler wären.

Michael Stipe kammir also entgegen und schwupp, war er auch schon vorbei. Ich drehte mich noch mal nach ihm um, dachte, Clausen, du alte Sau, das musst du doch aufschreiben, gleichzeitig aber, dass es so fad war. Und da sah ich, dass er auf seinem Jackett hinten das Wort "Toughie (http://dictionary.reference.com/search?q=toughie)" in Runenschrift aufgestickt hatte. Natürlich habe ich das Wort sofort Kopf Bildergoggelt, und wusste, dass dieses Bild gefunden werden würde:

http://www.victorianchocolatemolds.com/p85s.jpg

Das war dann die Pointe, das Konzert habe ich auch gegoogelt, es ist heute auf dem Königsplatz, die Information reicht mir, muss ich nicht mehr hin. Und ich konnte eine sehr schöne Geschichte wuchten. Danke, REM.

Auge
05.07.2003, 21:40
Bei uns saß mal einer in der Küche, der mit Stipe "was hatte", einer von Fischerspooner, ich war aber nicht anwesend, es war auch irgendwie anders, also so: In unserer Küche war so ein Spieleabend, wo ich immer fliehen muss, weil da so rumgeschrien wird, jetzt nicht mehr so, weil ja Petra nicht mehr anwesend ist, wegen Kind, die schrie ja immer am lautesten, aber es waren anwesend ua zwei von der Künstlergruppe Gelatin, Florian und Tobias und Martin P, der ja beim Radio ist, und mit dem ich immer noch, bevor ich fliehe, ein bisschen rede (er war auch bei Turbonegro), und er erzählte, dass einer von Fischerspooner (waren ja früher auch Künstler) gerade in der Stadt sei, mit einem von Gelatin (Ali) ziehe er gerade rum, die haben sich in New York kennengelernt als Gelatin das World Trade Ding machten (http://www.artbook.com/3883755079.html), und Martin es eigentlich bedaure da nicht mitzuziehen, aber er blieb. Später rief dann aber Gelatin-Ali noch bei Martin an, und Martin sprach dann noch mit Fischer oder Spooner, der wie gesagt, mal was mit Stipe hatte, Gott, ist das langweilig

honz
05.07.2003, 21:57
Was mich wundert: warum der Name Caramelle hier noch gar nicht gewürdigt wurde, an anderer Stelle in einem anderen Strang aber schon, ich weiss nur nicht mehr wo. Vielleicht mochte Schmidtchen die Geschichte deshalb nicht.