EgonWellenbrinck_w
13.10.2001, 03:48
Abends im diesigen Norden ziehe ich mein flugreisenhandgepäckkompatibles sogenanntes Boardcase und trinke einen Plastikbecherkaffee. Ich will Hamburg und seinen hanseatischen Urschlamm aus Automaten fliegend verlassen. Das elektronischkartengestütztevielflieger Einchecken und das sichere Abchecken lasse ich hinter mir und reihe mich ein an Schalter B14 des finales Abflugs und der Hoffnung der Warteliste. Ich lächle höflich den müdehöflich lächelnden Mann neben mir an, der etwas von überbucht und ziemlich voll murmelt. Verständliches Unverständnis ernte ich für meine Bemerkung über den Rubikon in Form des letzten Abcheckens des Eincheckens und meine doch nur den sicheren Warteraum, den ich erreichen will, damit ich endlich nach Hause darf. Auch meine erläuternden Ausführungen über verwirrenden Automatenkaffee bleiben nebulös. Aber wir lächeln uns an. Nun darf mein Handgepäck eben dies nicht sein, zu meiner eigenen Bequemlichkeit und der meiner Mitreisenden lasse ich es einchecken und los. Und ich darf passieren, eintreten in die Gewissheit des Wegfliegens . Ich lasse die hoffungslos Wartenden zurück und widme mich den schlammigen Resten im liebgeschwitzten Plastikbecher. Ein vage bekanntes Gesicht taucht auf zusammen mit Erinnerungen an fiebrige Erkältung, Kopfschmerzen, Dauerfernsehen, in allen Kanälen schwimmend, die Stätten meiner norddeutschen Kindheit televisionierend, an den freundlichen Doktor an der Schlei, eine Nebenfigur mit markant gesunden roten Bäckchen. Die gesunden Pausbacken ziehen einen grauen Hartschalenkoffer vorbei an den vergeblich Wartenden der Liste. Der blonde Seitenscheitel mit scharfem Profil verlangt mit norddeutsch forscher Fröhlichkeit nach Beförderung seiner seriellen Prominenz mitsamt seines Hartschalenkoffers. Ich dürfte an Bord, aber ich leere meinen Kaffee und will wissen, ob der Koffer mitdarf. Sein Herr weist auf die Wichtigkeit seiner
Person und seines Anliegens hin, beflirtet das Bodenpersonal der Weiblichkeit und obsiegt. Ich werfe den Kaffeebecher weg und steige ein. Nach dem Start gibt es immer Kaffee. Und ich freu mich drauf und auf meine Zeitung. Allein, der Kaffee kommt nicht. Aufgehalten durch die ferngesehene Berühmtheit, weil doch sein Koffer im Weg ist, und überhaupt dieser dringend in der Pantry bleiben muss, weil der Herr doch Termine hat und ausserdem einen G & T möchte. Geistreiche Scherze und weltmännische Gewandheit zerstreuen die Zweifel der flugbegleitenden Dame ob des Koffers und des Kürzels. Sein Charme wirkt, wie auch mein Sitznachbar
(der müde Höfliche) etwas entnervt von professionellatemgestützter Schauspielerstimme bemerkt. Vielleicht sinkt auch nur unser Koffeinspiegel. Irgend wann wird dem abgeholfen, und der Kaffee ist gut. Eingebettet in den kollektiv steigenden Unmut meiner Mitreisenden ob weiterer Intermezzi mit G & T blende ich aus und lande dösend in Frankfurt. Der eilige Seriendarsteller becharmt weiterhin die Stewardess, und man drückt sich vorbei am Stilleben mit grauem Koffer. Froh und koffeinbeseelt laufe ich durch die erstaunlich langen Gänge und vergesse Schleswig-Holstein und seine Serien. Mein Nichtboardcase wartet, und ich freu mich auf zuhause. Am nächsten Automaten ziehe ich mir wiederum unbelehrbar einen weiteren Automatenkaffeeursuppenschlamm schwarz, und setze mich auf ein stillgelegtes Gepäckband. Müde Reisenden sammeln ihr Gepäck ein; ich warte und trinke zuviel schlechten Kaffee. Als ich einsehe, dass ich an diesem Abend meinen Koffer nicht wiedersehen werde, kommt der graue Hartschalenkoffer in mein resigniert gesenktes Blickfeld. Fröhlich scherzend und mit fliegender Serienbegleitung zieht sein Besitzer Richtung Ausgang. Ich bin schlicht neidisch, wende mich höflich lächelnd an eine ebenso höflich lächelnde Dame, die meinen Koffer als vermisst aufnimmt. Ich nehme einen Schluck Kaffee und unterschreibe das Formular. Wir wünschen uns einen schönen Abend, und ich fühle mich dumm. Automatenkaffee macht höflich, und in Frankfurt regnet es.
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Diese Geschichte ist nicht neu und nicht höflich. Ausserdem will mir der Name des werten Herren nicht einfallen. Aber niemand muss sich jetzt deswegen die Serie ansehen. Und falls doch, schliesse ich jedwede Haftung hiermit aus.
Person und seines Anliegens hin, beflirtet das Bodenpersonal der Weiblichkeit und obsiegt. Ich werfe den Kaffeebecher weg und steige ein. Nach dem Start gibt es immer Kaffee. Und ich freu mich drauf und auf meine Zeitung. Allein, der Kaffee kommt nicht. Aufgehalten durch die ferngesehene Berühmtheit, weil doch sein Koffer im Weg ist, und überhaupt dieser dringend in der Pantry bleiben muss, weil der Herr doch Termine hat und ausserdem einen G & T möchte. Geistreiche Scherze und weltmännische Gewandheit zerstreuen die Zweifel der flugbegleitenden Dame ob des Koffers und des Kürzels. Sein Charme wirkt, wie auch mein Sitznachbar
(der müde Höfliche) etwas entnervt von professionellatemgestützter Schauspielerstimme bemerkt. Vielleicht sinkt auch nur unser Koffeinspiegel. Irgend wann wird dem abgeholfen, und der Kaffee ist gut. Eingebettet in den kollektiv steigenden Unmut meiner Mitreisenden ob weiterer Intermezzi mit G & T blende ich aus und lande dösend in Frankfurt. Der eilige Seriendarsteller becharmt weiterhin die Stewardess, und man drückt sich vorbei am Stilleben mit grauem Koffer. Froh und koffeinbeseelt laufe ich durch die erstaunlich langen Gänge und vergesse Schleswig-Holstein und seine Serien. Mein Nichtboardcase wartet, und ich freu mich auf zuhause. Am nächsten Automaten ziehe ich mir wiederum unbelehrbar einen weiteren Automatenkaffeeursuppenschlamm schwarz, und setze mich auf ein stillgelegtes Gepäckband. Müde Reisenden sammeln ihr Gepäck ein; ich warte und trinke zuviel schlechten Kaffee. Als ich einsehe, dass ich an diesem Abend meinen Koffer nicht wiedersehen werde, kommt der graue Hartschalenkoffer in mein resigniert gesenktes Blickfeld. Fröhlich scherzend und mit fliegender Serienbegleitung zieht sein Besitzer Richtung Ausgang. Ich bin schlicht neidisch, wende mich höflich lächelnd an eine ebenso höflich lächelnde Dame, die meinen Koffer als vermisst aufnimmt. Ich nehme einen Schluck Kaffee und unterschreibe das Formular. Wir wünschen uns einen schönen Abend, und ich fühle mich dumm. Automatenkaffee macht höflich, und in Frankfurt regnet es.
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Diese Geschichte ist nicht neu und nicht höflich. Ausserdem will mir der Name des werten Herren nicht einfallen. Aber niemand muss sich jetzt deswegen die Serie ansehen. Und falls doch, schliesse ich jedwede Haftung hiermit aus.