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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Brendel, Alfred (Urlaub mit Alfred)



rapsak
25.09.2001, 11:54
Eine Freundin meiner Mutter ist die Schwiegermutter Alfred Brendels. Es muß Ende der Siebziger Jahren gewesen sein, als sie uns einlud, einen Tag in ihrem toskanischen Ferienhaus zu verbringen, mit stolzem Hinweis auf die Anwesenheit des Meisters, der schon damals ziemlich Furore unter Klassikfans machte und seinen Urlaub in dem Haus verbrachte. Ich war so um die 12 Jahre alt, die Sonne schien, ich wollte um das Haus herum tollen und kreischen. Doch das ging nicht, das war zu laut, der Meister musste üben, da sollte ich Rücksicht nehmen. Also setzte ich mich auf die Terrasse und lauschte den Gesprächen der Erwachsenen, in denen die stolze Schwiegermama beiläufig die Tourneedaten ihres Privatvirtuosen einfließen ließ. Aus dem Inneren des Hauses hörte man über Stunden die selben Tonleitern als Lockerungsübungen.
Dann gab es Mittagessen, und tatsächlich: der bleichgesichtige Meister beehrte uns mit seiner Anwesenheit. Bei der Auswahl seiner Brille hat er sich schon damals vom Chefoptiker des ZK der KPDSU beraten lassen, dazu trug er trotz der Hitze eine graue, schlabberige Stickjacke. Während des Essens blieb der Maestro schweigsam und introvertiert, wie man das von so jemandem nicht anders erwartet haette. Er ließ andere über sich reden, vornehmlich seine Schwiegermutter. Nach dem Essen nahm er die Brille ab, drehte sich in die Sonne und ruhte fünf Minuten. Dann stand er auf, räkelte sich und sagte etwas wie: ³Herrlich, so ein Urlaub in Italien!' Darauf setzte er die Brille wieder auf, verabschiedete sich artig und verkroch sich zurück in seine Klavierhöhle. Die Gastgeberin erklärte uns, man werde ihn nun bis zum Abendessen nicht mehr sehen, nur hören. Aus der Ferne genossen wir nun 200 mal die ersten zwölf Takte einer Schubertsonate und beschlossen zu gehen.
An diesem Tag nahm ich mir fest vor, NIEMALS Klaviervirtuose zu werden.

Murmel
25.09.2001, 12:08
Das wird man noch besser verstehen, wenn man sich dieses Bild von ihm ansieht.
http://www.geocities.com/Vienna/2192/biograph.html
Interessant auch: Der Virtuose kommt aus Wiesenberg. Besteht da eine entfernte Verwandtschaft zu Herrn Wesenberg?
(Beitrag wurde von Murmel Clausen am 25.09.2001 um 11:09 Uhr bearbeitet.)

joq
25.09.2001, 12:28
Wunderbare Geschichte, wunderbares Bild.
Der Mann auf dem Bild hat die Orientierungslosigkeit eines Hellmuth Karasek, gepaart mit dem intelektuellen Witz eines Woody Allen.

Elpenor
25.09.2001, 12:32
Jo, schöne Geschichte. Brendel bekundete im Interview einst, dass er seinen Beruf gerne ausübt. Womit er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen steht. Rachmaninoff fragte einst einen ambitionierten Jüngling, der ihm beim Klavierspielen bewunderte, ob er Pianist werden wollte. Als dieser es bejahte erwiderte Rachmaninoff kurz und knapp: 'Tun sie es nicht, ist ein Scheißberuf.'

400 Betten
25.09.2001, 13:39
Find ich gut, dass er die Brille abnimmt, um Urlaub in Italien zu machen

Cat woman
25.09.2001, 14:33
Ich habe vor langer Zeit mal A.B. im Fernsehen beobachtet, wie er arg sehr virtuos Impromtus und Momentes Musicaux von Schubert spielte. Beim Blick auf des Meisters flinke Finger erschrak ich: die Fingerkuppen schienen ja völlig zerspielt, resp. zerfetzt. Was für ein Tier, dachte ich. Bei einer Kameraeinstellung, die seine Hände in Großaufnahme zeigte, sah ich dann, daß der Meister sich seine Fingerspitzen mit Pflaster umwickelt hatte, und das seit ca. 3 Wochen, so angeschmuddelt, wie die schon aussahen. Das passt völlig zu dem Bild, was rapsak so schön gezeichnet hat!

Ignaz Wrobel
25.09.2001, 14:58
Ich hab mal eine Alfred Brendel-Platte sehr geliebt, Mozart in Moll, sehr langsam gespielt (sag ich mal so ganz subjektiv), die hab ich gehört, bis das Knistern irgendwann lauter wurde als Brendel.

honz
25.09.2001, 19:14
Jemand sagte mir mal, kaufe bei Brendel nie Karten in den vorderen Reihen, was ich aber dennpoch tat, als der Meister im Paulussaal in Freiburg Schubert gab.
Hinterher wusste ich endlich warum: Brendel stöhnt und miaut beim spielen, über die schönsten Passagen legt sich andauernd ein oaahaaaaahhuuuuaaaaooaoaoa miauuuuuuuiiaaa oaaaaauuuuuoooooaaa, es ist uneträglich, am Anfang fast sogar gespenstisch, weil man das Grauen nicht orten an, man schaut sich um und wirft verstohlene Blicke auf die Sitznachbarn mit der Hoffnung jemanden gleich erschlagen zu können, bis man merkt, es ist Brendel selbst.
Seitdem weiß ich auch warum bei so vielen meiner Brendelplatten früher Digitaly Remastered draufstand.

honz
25.09.2001, 19:15
OK. Die Pointe war schwach

Angelika Maisch
25.09.2001, 19:46
Aber seine Einspielungen der Beethovenklaviersonaten sind nicht schwach.
Glenn Gould singt bestimmt noch viel ärger mit. Immerhin, es ist auch Zeit geworden, hat denn sonst keiner einen der bedeutenden Interpreten paparazzt? Zum Beispiel Michelangeli? Sprecht euch aus, Leute.

honz
25.09.2001, 19:50
ANGELIKA !Jetzt fällts mir wieder ein!! MANN!!!! Ich habe mal Menuhin paparazzt ohne es zu wissen ich war zehn!!!! Geschichte folgt stande pedes.

honz
25.09.2001, 19:51
Nein, ich war 14. (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10878)

Angelika Maisch
25.09.2001, 20:50
Egal Honz. Her mit der Geschichte.
Ich bin schon ganz hibbelig.

Elpenor
25.09.2001, 22:05
Honz, ein Trost, ganz oben im Paulussaal hinten wäre es auch nicht besser gewesen. Dort saß ich 1994 (oder 1995) als Brendel dort spielte und bekam aufgrund der schlechten Akkustik nur einen verschluckten Klang zu hören.

naja
26.09.2001, 00:25
Schöne Geschichte, rapsak.
Angelika, ich hätte Menahem Pressler anzubieten...
(Beitrag wurde von naja am 26.09.2001 um 07:51 Uhr bearbeitet.)

Lautmakel
19.10.2001, 13:15
°

Ullysses
19.10.2001, 13:15
Ich habe in früherer Jugend sowohl Menuhin als auch Bernstein paparazzt. Na gut, es war nicht wirklicht paparazzt, denn es waren Veranstaltungen, bei denen man wusste, daß beide partizipieren. Ergo: nicht ganz passend. Allerdings, den Bernstein sah ich in einer Generalprobe zum Bethovenfest in Bonn - anno 89 - bei der nur Schüler geladen waren. Und der Maestro selbst trug zu seinen Jeans Cowboystiefel und Hawaihemd. Höchst gewöhnungsbedürftig, das, aber die Musik war dann dennoch sehr super, ich glaube, es war die 9. Synfonie.
Und Herr Menuhin - es war ebenfalls im Jahre 89 - diskutierte seinerzeit in Bonn mit Rita Süssmuth und ausgewählten Schülersprechern über eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands. Warum nun gerade er, ist mir heute noch etwas rätselhaft, aber immerhin gabs ein schönes Schubertkonzert eines Schulorchesters.
Und tot sind beide inzwischen auch!
(Beitrag wurde von Ullysses am 19.10.2001 um 01:55 Uhr bearbeitet.)

Walter Schmidtchen
19.10.2001, 13:15
Süssmut und Schubert sind tot?
seit wann?

Caliste
15.06.2002, 00:00
karottier

Caliste
15.06.2002, 00:14
karottier