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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : von Schnitzler, Karl-Eduard (ich wollt mir die hand nicht mehr waschen - der baron)



camilla
06.09.2001, 09:34
liebe gemeinde,
lassen sie mich Ihnen eine geschichte erzählen, die mir geschehen ist.
vor einigen jahren, die DDR bestand noch und war stolz auf sich (*sing* 'da sind wir aber immernoch, und der staat ist noch da, den arbeiter erbaun...') begab es sich, daß die halbwüchsige camilla irgendwie ihr taschengeld aufbessern mußte. und so führten mich meine schritte in das hiesige schloß- und puppenmuseum der kleinen thüringischen kreisstadt A. in dortigem museum verbrachte ich nun meine wochenenden als aufsicht und als museumsführerin. als aufsicht hatte man meist mit wichtigem gesicht herumzugehen und die leute zu erschrecken, wenn sie an der mit glasperlen und allerlei anderem straß bestickten stofftapete (frühes 18. jhd) die perlen abknaubeln wollten oder sich gar in die hysterische - verzeihung: historische - wohnlandschaft setzten wollten. gelegentlich schritt man auch mit gelangweiltem gesichte umher (man kannte ja schließlich schon alles und auch die touristen gaben sich alle gleich) und amüsierte sich über die eintragungen im gästebuch. ich schweife ab. dies ist aber für unsere kleine geschichte nicht weiter interessant.
nun geschah es aber, daß unangemeldet hoher besuch kam: Karl-Eduard von Schnitzler! vielen auch bekannt als Sudel-Ede. Er erschien mit seinem XII. eheweibe (einer alternden rumänischen hupfdohle). das gab ein großes hallo: ungläubiges staunen, kopfschütteln, angewidertes abwenden. genosse museumsdirektor kam auch gleich nach kurzem telefonat ('schnitzler ist da!' - '?' - 'na DER schnitzler!!' - '!') wieselflink mit dem güldenen buche angerannt, um dem hohen gaste gebührende ehre zu erweisen. klein-camilla, ganz tapfer!, holte flugs eine ansichtskarte, tat es dem genossen museumsdirektor gleich und lies den baron unterschreiben: 'Der Besuch war ein Erlebnis! Karl-Eduard von Schnitzler'. aber dem nicht genug: zum abschied bekam ich von ihm höchstselbst seine hand dargeboten und ich berührte mit meiner rechten seine rechte! zuhause wurde allergrößtes unverständnis geäußert, wie man sich von 'so einem' ein autogramm geben lassen und als krönung auch noch die hand reichen kann.
die karte verwahre ich heute noch. und gelgentlich (republikgeburtstag, erster mai...) hebe ich meine rechte wie zum schwure und rufe: 'seht her, diese hand berührte karl-eduard von schnitzler!'
sollten wir nicht alle ein wenig über diese kleine geschichte nachdenken? ich wünche Ihnen einen schönen sonntag.
camilla
wegen einiger rechtschreibfehler:
(Beitrag wurde von camilla am 06.09.2001 um 08:56 Uhr bearbeitet.)

Murmel
06.09.2001, 09:44
denkt nach und freut sich über die schöne Geschichte
Schnitzler ist auch ohne 'von' einer der besten Namen der Welt. Mehr Geschichten über Menschen, die Schnitzler heissen!

Poser Rosenberg
06.09.2001, 11:13
Arnstadt.

Frau H aus B
06.09.2001, 11:14
Was für ein schöner Einstand! Willkommen in den endlosen Zimmerfluchten von Schloß Bonanza, Camilla.
- Bitte nichts berühren und keine Pseudonyme abknaubeln -

Frau H aus B
06.09.2001, 11:15
Oh, das Schloßgespenst! Ham Sie mich erschreckt, Poser.

oha
06.09.2001, 11:16
schon seit einigen tagen verspürte ich das distinkte bedürfnis, einmal wieder zu loben. guter anlass, schöne geschichte, großes lob.

bettyford
06.09.2001, 11:28
.
(Beitrag wurde von bettyford am 06.09.2001 um 10:35 Uhr bearbeitet.)

bettyford
06.09.2001, 11:29
gefaellt mir gut. die ddr ist ein bisschen wie oldenburg....so wie alles, was trist und oede ist. diese geschichte ist nicht wie oldenburg. chapeau.

Ignaz Wrobel
06.09.2001, 11:36
Lobenswerte Lockerheit, genau! So also sieht heute das Wort zum Sonntag einer protestantischen Pastorin aus Erfurt aus, da könnte man direkt mal wieder in die Kirche gehen.

camilla
06.09.2001, 12:11
liebe bruder poser Poser Rosenberg, lieber bruder Ignaz Wrobel, liebe Frau H aus B, liebe bettyford, liebes oha, lieber Murmel Clausen, liebe forumsgemeinde!
recht herzlichen dank für die freundliche anteilnahme an meiner kleinen geschichte! es berührt mich außerordentlich, solch warmer worte gewärtig zu werden.
lieber poser, ich darf sie doch poser nennen, richtig: es handelt sich bei beschriebener kleinen kreisstadt um das liebliche Arnstadt, das tor zum thüringer walde, das sich luther als 'wie eine schüssel gesottener krebse, garniert mit petersilie' präsentierte, in dem bechstein seine ersten schreibversuche als apothekenlehrling machte, die martlitt ihre lezten schreibversuche machte, bevor sie die treppe in ihrem hause hinabstürzte (eine tragische geschichte - ein andermal mehr) und in der natürlich der große, unvergessene jsbach seine erste organistenstelle hatte!
lieber ignaz, sie darf ich doch auch so vertraulich benennen, nein, fröhlich wollte ich als evangelische pastorin nicht erscheinen. ich möchte nicht von unserer sog. 'evangelischen fröhlichkeit' ablenken. besuchen sie einen evangelischen kirchentag und erleben sie dort wahre 'evangelische freude'. oh! wie gern singen wir lebensbejahende gemeindegesänge aus unserem 'silberpfeil' - ein geschenk unserer bayerischen patengemeinde.
auch ihnen, liebe betty, dank für die warmen worte. leider habe ich unseren kleinen kirchsprengel noch nicht verlassen können, um nach oldenburg zu reisen. bitte tragen wir doch alle gemeinsam ein wenig von unserer 'evangelischen fröhlichkeit' nach oldenburg!
verehrtes, liebes oha, es ist mir ein wahrer brunn der freude, ihnen anlaß für ein lob gegeben zu haben!
und nicht zuletztt möchte ich mich auch bei unserem lieben murmel für die einführenden ersten worte zu meiner kleinen geschichte bedanken.
bestimm, liebe Frau H aus B, trage ich gern ein wenig licht in die endlosen zimmerfluchte auf schloß bonanza. und auch hier möchte ich an meine bewegte vergangenheit anknüpfen: 'das berühren der figüren... etc pp.' - der spruch ist sicher auch bei uns allen noch in unser aller munde!
oh daß ich tausend zungen hätte!
in diesem sinne noch einen schönen tag!
ihre treue Camilla

DerCaptain
06.09.2001, 12:29
Das mit dem Kirchentag kann ich bestätigen.
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'd'oh!'
(Beitrag wurde von DerCaptain am 06.09.2001 um 11:29 Uhr bearbeitet.)

honz
06.09.2001, 12:59
Ich wußte gar nicht, daß du dort auch äsen gehst Captain. Ansonsten, feine Geschichte das.

DerCaptain
07.09.2001, 01:15
Honz, der Kirchentag kommt immer zu mir, nicht ich zu ihm. Heuer in Frankfurt allerdings schon, aber nur nebenbei, als Einstimmung fürs Konzert.
Kirchentag rules!
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'd'oh!'
(Beitrag wurde von DerCaptain am 06.09.2001 um 12:15 Uhr bearbeitet.)

supersonic scientist
10.09.2001, 17:16
liebe camilla, doofe bettyford,
die Geschichte ist sehr schoen. Oldenburg aber auch.

Herr Genista
10.09.2001, 19:09
Die Geschichte ist wirklich eine schön erzählte kleine Perle. Willkommen camilla in diesem Spukschloß.
Die Verteidiger von Oldenburg dagegen sind unhöflich, genau wie man es erwarten würde. Alles ist also immer, wie man es erwarten würde. Wäre Oldenburg, wie ich es erwarte, es wäre ein tristes und ödes Nest. QED.

Andrea Maria
10.09.2001, 21:49
Eine wunderschöne Geschichte von poetischer Tiefe. Danke, Camilla!