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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blanco, Roberto (Ein Festival der Liebe)



vir
31.08.2001, 18:50
Im Frühling 1998 war ich mit meiner gutmütigen Freundin und zwei untereinander sowie mit uns befreundeten Familien, plus deren Brut, im schönsten Restaurant der Welt, der Kronenhalle, die alleine schon die Reise nach Zürich wert ist. Bereits beim Hinsetzen bemerkten wir, dass in einem der Alkoven in der Nähe unseres Tisches Udo Jürgens in Gesellschaft von zwei jüngeren, adrett gekleideten Herren speiste. Promipräsenz wird von uns Einheimischen nur kurz und möglichst unauffällig registriert, und zwar nicht unbedingt nur aus höflichem Paparazzentum sondern weil wir Schweizer uns erstens was darauf einbilden, dass zum Beispiel die Tina Turner und der Michael Schuhmacher bei uns wohnen und wir sie deshalb natürlich möglichst unbehelligt sein lassen wollen und zweitens der Herr Jürgens, geb. Bockelmann, in Zürich wohnt und einem deshalb eh dauernd über den Weg läuft.
Als die drei Kinder unserer Freunde nach langem Gequengel endlich ihre respektiven Schnitzel, Nudeln, Breichen und wir unseren Braten hatten, stiess mich einer der Väter an und sagte leiseheut ist glaub FestivalÎ, denn soeben hatte Roberto Blanco durch die Hintertür den Saal betreten. Er trug einen intensiv leuchtenden roten Veston und seine Haare schimmerten schwarz, braun und grau zugleich. Im Schlepptau hatte er eine aufgetakelte Blondine, die einen künstlichen Fellmantel mit Leopardenmuster trug und die ich ihres Alters wegen als die Ehefrau oder Schwester einstufte und nicht als die Mätresse. Ohne jedes Brimborium begaben sich Herr und Frau Blanco zu Tisch. Sie hatten den beim Haupteingang - mit dem unterschriebenen Calder-Photo und dem gezeichneten Joyce-Porträt; wir sassen unter dem grossen Miro, ausser dem ältesten Jungen, Carlo, der lag bereits schlafend darunter. Da das Blancopaar beim Eintreten eigentlich freien Blick auf die Gesellschaft Jürgens- jedoch keine Miene verzogen hatte, kamen wir nach diskreter Beratung zum Schluss, dass zwischen den beiden Unterhaltungstitanen (beide katholisch, nicht?) wohl böses Blut geflossen sein musste. Vielleicht war ja Roberto neidisch, dass Udo mehr Omas mobilisieren kann? Oder verübelte Udo dem Roberto dass dessen Autogrammpostkarte in einer der Vitrinen in der Bodeguita del Medio steht, seine aber nicht? Bevor wir unsere Schlagerfehdentheorien weiterspinnen konnten war aber der kleine Paolo davongewetzt um sich mit wildfremden Leuten anzufreunden. Schade, dass er nicht zu Jürgens oder Blanco gewatschelt war, denn sonst hätte man sofort hinrennen können; und den Kurzen hochzuheben und ein Gespräch im Sinne von Ja-ja, die kleinen Rangen, ha, ha, verzeihen Sie bitteÎ anzuzetteln und daraufhin ein prominentes Verbrüderungslächeln einzufangen, wären eins gewesen. Kurz nachdem hingegen der Racker wieder eingefangen war, bemerkten wir, dass die Blancos fertig gegessen hatten und ohne bei Digestif oder Cigarre zu verweilen ihre Rechnung beglichen. Und siehe da: Hatten sie beim Reinkommen den Autor von Unterm Smoking GänsehautÎ noch plump übersehen, wurde beim Hinausgehen, offenbar initiiert von Herrn Jürgens, doch noch Augenkontakt geknüpft. Darauf folgt die herzlichste und brüderlichste Begrüssung der zwei alten Sängerknaben, die erst durch mehrfache Wangenküsse zum Abschluss kam. Das rührte mich doch seltsam ans Herz. Es kam mir vor als küssten sich hier zwei - zur Begrüssung und zum Abschied in einem - im Wissen, dass die Götterdämmerung ihres Metiers nicht mehr weit ist.
Meine besinnliche Simmung nahm dann aber schnell wieder ab, als bei unserem Aufbruch die Kleinste meiner Freunde einen milchigen Kotzstrahl auf die an der Gardeobe hängenden Kaschmirmäntel kleisterte.

Alexej
31.08.2001, 19:01
Vielleicht war die Begleitung von Herrn Blanco doch eher seine Mätresse.
Angesichts seines fortgeschrittenen Alters und noch immer ausbleibenden Erfolges wäre das nicht weiter verwunderlich.
Daß sich die Herren Blanco und Jürgens doch noch verbrüderten, stimmt mich traurig.
Ich hatte geglaubt, Herr Jürgens gehöre in eine andere Liga als Herr Blanco.

Herr Genista
31.08.2001, 19:06
Schöne Begebenheit. Es ging mir aber ähnlich wie Alexej. Ist Jürgens nicht stolz darauf, seinem Rentnerpublikum Merkwürdigkeiten unterzujubeln und versteht sich also als Subversor? Und ist nicht Blanco umgekehrt CSU-Freund und Reaktionär? Vielleicht war es reine Gewerbehöflichkeit, und das Übersehen zu Beginn der ehrlichere Umgang?
Andererseits erfuhr ich unlängst, daß in solchen Fällen (Eine Partei ißt, eine weitere kommt an und müßte eigentlich begrüßt werden) die Benimmfibeln ebendieses Verhalten sogar vorschreiben: gekonnt übersehen und am Ende ansprechen. Hätte Herr Blanco das nicht so gemacht, so die Fibeln, hätte Udo aufspringen und 'Lassen Sie sich nicht stören!' rufen müssen. Und hätte dann weiteressen dürfen. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
(Beitrag wurde von Herr Genista am 31.08.2001 um 18:08 Uhr bearbeitet.)

honz
01.09.2001, 15:47
Virchow, was dir in dieser großartigen Geschichte bisher glaube ich gar nicht aufgefallen ist, ist deine geniale Wortschöpfung 'Blancopaar'.
Ich weiß zwar nicht genau was das sein könnte, vielleicht kann man ja solch ein Paar mieten, so im Prominentenverleih, ('Guten Tag, Dr. Reinhold, mein Name, ich bräuchte ein prominentes Ehepaar für einen Stehempfang, anlässlich meiner Habilitation über schizophrene Nazisöhne morgen Abend' - ' Ich weiß nicht wen ich morgen für sie bereitstellen kann Herr Dr. Reinhold, aber ich reserviere Ihnen schon mal ein Blancopaar.'), aber so ähnlich muss das sein.

Ignaz Wrobel
02.09.2001, 14:21
Hübsch, sehr hübsch.

Angelika Maisch
02.09.2001, 15:06
ganz ausgezeichnete Geschichte sogar.
Obwohl ich mir bei der Konfessionszugehörigkeit nicht ganz sicher bin; Udo Jürgens sendet merkwürdigerweise sowohl Katholen- als auch Evangelenstrahlung aus. Ja, sogar mehr Evangelenstrahlung.
Master Shandy? Weiß man was genaues?

vir
03.09.2001, 12:21
honz, tatsächlich, die Möglichkeiten von 'Blancopaar' waren mir bisher unbewusst. Seit ich Deinen Eintrag gelesen habe, ertappe ich mich allerdings dauernd dabei, neue Bedeutungen zu erdenken. So frage ich mich z.B. ob im Poker ein Blancopaar mehr wert ist als zwei Asse oder weniger als zwei Zweier.



(Beitrag wurde von virchow am 03.09.2001 um 11:22 Uhr bearbeitet.)
(Beitrag wurde von virchow am 03.09.2001 um 11:23 Uhr bearbeitet.)
(Beitrag wurde von virchow am 05.09.2001 um 14:33 Uhr bearbeitet.)

Chavez
31.10.2001, 01:25
Ein Klassiker! Ich schließe mich der Vermutung von Herrn Genista an; es war Gewerbehöflichkeit. UJ befindet sich tatsächlich in einer anderen Liga als Herr Blanco.
Ebenso klassisch, der honz in diesem Strang! Ist der Begriff 'Blancopaar' schon ins finale Forums-ABC eingefügt?
Roberto Blanco läßt sich sicher schwer paparazzen, da er quasi chronisch öffentlich ist. Ich vermute schon länger, daß er einen Zweitjob als permanenter Schnittchen-Tester bei allen Events hat, bei denen Kameras zugelassen sind.

honz
31.10.2001, 01:28
Von Roberto Blanco kann man nur träumen...

DREA
31.10.2001, 01:50
nee Honz, den trifft ihn auf dem Tennisplatz in Trudering, beim Stehitaliener um die Ecke, oder im Oberpollinger, oder, oder, oder. Zumindest in Muenchen kann man R.B. kaum entgehen, wobei er sich immer wieder als jovial bis zum Erbrechen erweist.
P.S.: Praechtige Geschichte, Herr Virchow!

rron
31.10.2001, 01:59
DREA, wie recht Du hast. Ich komme seit etwa 15 Jahren auf etwa 2-3 Blancosichtungen pro Quartal. Und es stimmt: Er ist Jon BonJovial bis zur Demenz.

Aporie
28.01.2002, 17:17
Nachträgliches reumütiges Zähneknirschen,Virchow, Deine schöne Geschichte über dieses Kronenhalledoppelpack nicht mitbekommen zu haben (war vor meiner Zeit) und mich mit meinem Kronenhallejürgens an einem anderen Rockzipfel durchs Forum schleifen gelassen zu haben.

Nicki Tuete
02.03.2007, 11:33
Freitag!