Edmund
01.07.2001, 15:06
Georgia, the Peach State, also famous for ist peanuts, poultry, Presidents and pine trees: Dort arbeitete ich als Gastforscher in einer landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in der Mitte des Nichts. Als Kollegen hatte ich zum einen unentwegt frömmelnde Einheimische, und zum anderen kulturell fremdelnde Ostasiaten unterschiedlichster Provenienz. Und dann gab es da noch einen Inder, der bei einer Landlady wohnte und als einziger mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr. Er war knapp 40, von hagerer Gestalt, bronzenem Teint und jungenhaftem Gemüt. Seine schulterpatschenden Kontaktfreude ('We will go for a beer, yes?') begegnete ich zunächst hanseatisch reserviert, da ich Balzversuche eines einsamen Homophilen vermutete und Missverständnisse vermeiden wollte.
Nun, schließlich wir gingen für ein Bier, und bald war klar, dass seine in Kanada lebende Familie eine real existierende war und er einfach nur nett und auf der Suche nach jemandem, der Bier nicht für Teufelsgebräu hielt oder es enzymatisch nicht verdauen konnte. Ich hatte inzwischen für $8 den Führerschein gemacht und für $800 einen großzügig motorisierten Wagen erworben, der es uns fortan erlauben sollte, zahllose Ausflüge zu den 3 Sehenswürdigkeiten Georgias (Küstenstadt Savannah, Appalachen, Atlanta) zu unternehmen.
In den Bergen buchten wir ein Motel in Alpine Helen, einem gottverlassenen Holzfällerdorf, das 1970 beschlossen hatte, nicht zur Geisterstadt zu verfallen, sondern lieber deutsch zu werden, und zwar gründlich. Tagsüber ließ es sich dort gut aushalten - wir tranken hier und dort ein Bier, streifte durch Andenkenläden und besuchten ein etwa 10 mal 5 mal 2 Meter großes Märklin-Deutschlandmodell mit den bemerkenswert undeutschen Namen Charlemagne’s Kingkom. Nach 19 Uhr setzte indes in der alpinen Hölle der Helgolandeffekt ein. Die Frage,.wie man die verbleibenden Stunden bis zu einer akzeptablen Bettgehzeit totschlagen könnte, bereitete mir Sorgen, denn als Deutscher fühlte ich mich verpflichtet, dem Inder hier Zerstreuung zu bieten.
Wir spazierten bis zum Ortsschild, kehrten um, hielten inne, beschlugen uns rat und schauten dann doch noch um die nächste Kurve herum, wo ein 'Hofbraühaus' am Waldrand kauerte. Drinnen Licht, aber kaum Gäste. Schlussendlich war es der Inder, der mich überredete, dort einzukehren, 'just for one beer'. Obzwar ich noch nie im echten Hofbräuhaus war, vermag ich jegliche atmosphärische Ähnlichkeit auszuschließen. Immerhin gab Bier, und gar nicht mal schlechtes. Es waren nur 4 weitere Gäste zugegen, deren weibliche Fraktion sich 2-3 Biere später an unserem Tisch befand: 2 Junganwältinnen aus Atlanta, die den Tag bergwandernd verbracht hatten. Sie waren nicht unknülle und fanden alles, aber auch wirklich alles, was man Ihnen erzählte, mindestens 'awesome'.
Ihre Aufgekratztheit lockte alsbald einen etwa 50jährigen, vierschrötigen Herren an den Tisch, dessen naive Freundlichkeit an einen seelisch gestörten Bernhardiner gemahnte, der plötzlich sehr aggressiv werden kann. Meine Skepsis ihm gegenüber würde ich den ganzen Abend nicht ablegen können. Eine friedliche Aura strahlte dagegen sein Begleiter aus, der sich im Hintergrund hielt: Ein korpulenter schwarzer Schrank mit langen Haaren. Er war taubstumm.
Ab nun alle Getränke bezahlend, hielt der Vierschrötige mit seiner finanziellen Potenz nicht hinterm Berg. Das stünde ihm ja wohl auch zu, als mehrmaligem Welt- und Europameister. Natürlich heuchelten wir eifrig Respekt und Bewunderung ("awesome!"), wenngleich er bloß in einer mafiös und inflationär organisierten Zirkussportart wie Wrestling oder Catchen zu Meisterehren und offenbar zu Reichtum gekommen war. Mir gegenüber prahlte er mit Kämpfen, die er in den 70er Jahren in Deutschland gewonnen habe, ich glaube, besonders oft fiel das Wort 'Karlsruhe'. Seine schwarz-weiße Schreckmaske hatte er noch dabei.
Später ging es dann noch weiter in einem Nachtclub in der weniger alpinen Vorstadt. Der Zerstörer zahlte weiterhin das Bier, und das war gut so. Gegen 2 Uhr zogen sich die jungen Damen sich aus der Affäre, indem sie vorgaben, um 9 Uhr morgens vor Gericht erscheinen zu müssen. Dort würden sie als Anklägerinnen in einem Vergewaltigungsprozess debütieren. Mit Müh und Not gelang es dem Inder und mir, die offensichtlich Fahruntüchtigen vom Lenkrad zu zerren und ihnen die Vorzüge einer Übernachtung vor Ort deutlich zu machen.
Zu viert schwankten wir also zur Motelrezeption, und die holde Männlichkeit bezahlte ein zusätzliches Zimmer. Selten hat ein Nachtportier so wissend gegrinst und sich doch geirrt. Als wir pünktlich (7:15 Uhr), rasiert und verkatert zum vereinbarten gemeinsamen Frühstück erschienen, waren die Kämpferinnen im Namen der Gerechtigkeit bereits abgereist, ohne irgendwo Dankesworte oder Gebaeck zu hinterlassen. Das fanden wir nicht sehr ladylike.
P.S.: Der Inder hieß übrigens Kulbir, kein Scherz.
Nun, schließlich wir gingen für ein Bier, und bald war klar, dass seine in Kanada lebende Familie eine real existierende war und er einfach nur nett und auf der Suche nach jemandem, der Bier nicht für Teufelsgebräu hielt oder es enzymatisch nicht verdauen konnte. Ich hatte inzwischen für $8 den Führerschein gemacht und für $800 einen großzügig motorisierten Wagen erworben, der es uns fortan erlauben sollte, zahllose Ausflüge zu den 3 Sehenswürdigkeiten Georgias (Küstenstadt Savannah, Appalachen, Atlanta) zu unternehmen.
In den Bergen buchten wir ein Motel in Alpine Helen, einem gottverlassenen Holzfällerdorf, das 1970 beschlossen hatte, nicht zur Geisterstadt zu verfallen, sondern lieber deutsch zu werden, und zwar gründlich. Tagsüber ließ es sich dort gut aushalten - wir tranken hier und dort ein Bier, streifte durch Andenkenläden und besuchten ein etwa 10 mal 5 mal 2 Meter großes Märklin-Deutschlandmodell mit den bemerkenswert undeutschen Namen Charlemagne’s Kingkom. Nach 19 Uhr setzte indes in der alpinen Hölle der Helgolandeffekt ein. Die Frage,.wie man die verbleibenden Stunden bis zu einer akzeptablen Bettgehzeit totschlagen könnte, bereitete mir Sorgen, denn als Deutscher fühlte ich mich verpflichtet, dem Inder hier Zerstreuung zu bieten.
Wir spazierten bis zum Ortsschild, kehrten um, hielten inne, beschlugen uns rat und schauten dann doch noch um die nächste Kurve herum, wo ein 'Hofbraühaus' am Waldrand kauerte. Drinnen Licht, aber kaum Gäste. Schlussendlich war es der Inder, der mich überredete, dort einzukehren, 'just for one beer'. Obzwar ich noch nie im echten Hofbräuhaus war, vermag ich jegliche atmosphärische Ähnlichkeit auszuschließen. Immerhin gab Bier, und gar nicht mal schlechtes. Es waren nur 4 weitere Gäste zugegen, deren weibliche Fraktion sich 2-3 Biere später an unserem Tisch befand: 2 Junganwältinnen aus Atlanta, die den Tag bergwandernd verbracht hatten. Sie waren nicht unknülle und fanden alles, aber auch wirklich alles, was man Ihnen erzählte, mindestens 'awesome'.
Ihre Aufgekratztheit lockte alsbald einen etwa 50jährigen, vierschrötigen Herren an den Tisch, dessen naive Freundlichkeit an einen seelisch gestörten Bernhardiner gemahnte, der plötzlich sehr aggressiv werden kann. Meine Skepsis ihm gegenüber würde ich den ganzen Abend nicht ablegen können. Eine friedliche Aura strahlte dagegen sein Begleiter aus, der sich im Hintergrund hielt: Ein korpulenter schwarzer Schrank mit langen Haaren. Er war taubstumm.
Ab nun alle Getränke bezahlend, hielt der Vierschrötige mit seiner finanziellen Potenz nicht hinterm Berg. Das stünde ihm ja wohl auch zu, als mehrmaligem Welt- und Europameister. Natürlich heuchelten wir eifrig Respekt und Bewunderung ("awesome!"), wenngleich er bloß in einer mafiös und inflationär organisierten Zirkussportart wie Wrestling oder Catchen zu Meisterehren und offenbar zu Reichtum gekommen war. Mir gegenüber prahlte er mit Kämpfen, die er in den 70er Jahren in Deutschland gewonnen habe, ich glaube, besonders oft fiel das Wort 'Karlsruhe'. Seine schwarz-weiße Schreckmaske hatte er noch dabei.
Später ging es dann noch weiter in einem Nachtclub in der weniger alpinen Vorstadt. Der Zerstörer zahlte weiterhin das Bier, und das war gut so. Gegen 2 Uhr zogen sich die jungen Damen sich aus der Affäre, indem sie vorgaben, um 9 Uhr morgens vor Gericht erscheinen zu müssen. Dort würden sie als Anklägerinnen in einem Vergewaltigungsprozess debütieren. Mit Müh und Not gelang es dem Inder und mir, die offensichtlich Fahruntüchtigen vom Lenkrad zu zerren und ihnen die Vorzüge einer Übernachtung vor Ort deutlich zu machen.
Zu viert schwankten wir also zur Motelrezeption, und die holde Männlichkeit bezahlte ein zusätzliches Zimmer. Selten hat ein Nachtportier so wissend gegrinst und sich doch geirrt. Als wir pünktlich (7:15 Uhr), rasiert und verkatert zum vereinbarten gemeinsamen Frühstück erschienen, waren die Kämpferinnen im Namen der Gerechtigkeit bereits abgereist, ohne irgendwo Dankesworte oder Gebaeck zu hinterlassen. Das fanden wir nicht sehr ladylike.
P.S.: Der Inder hieß übrigens Kulbir, kein Scherz.