PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Droste, Wiglaf (mit fast leerem Wagen)



Bartholmy
19.05.2001, 00:55
Vor einigen Jahren, ich wohnte da in Berlin-Kreuzberg, ging ich die Wrangelstraße herunter, vorbei an der katholischen Obdachlosenspeisung des Ordens von Mutter Teresa, wo indische Nonnen deutschen alkoholkranken Männern warme Mahlzeiten bereiten. Da ich damals schon einen eigenen Herd hatte, ging ich wenige Schritte weiter, zu Kaisers. Dort habe ich Lebensmittel gekauft, was, das weiß ich nicht mehr, es war so Anfang, Mitte der 90er Jahre, so genau merke ich mir das nicht, den Einkaufszettel habe ich auch nicht aufgehoben. Ich hatte aber jedenfalls meinen weidengeflochtenen Einkaufkorb dabei, der gut in den Kaiserswagen passte, und da habe ich dann wohl Essen und Getränke hineingepackt.
Als ich fast an der Kasse war, stand hinterm Wagen vor mir Wiglaf Droste. Er war mittem im Gang stehen geblieben, so als hätte er vergessen, was er noch brauchte - vielleicht für ein Essen oder auch fürs Badezimmer. Jedenfalls blockierte er mit seinem Wagen den engen Gang des sehr kleinen Kaisers-Marktes. Ich dachte schon, etwas zu sagen, warf dann aber erstmal einen gekonnten Fleischerhakenblick um ihn herum auf seinen Wagen und die Einkäufe darin: Fünf Dosen Pilsner Urquell.
Er fasste dann seinen Wagen beherzt am Henkel und schob ihn ohne weitere Zuladung zur Kasse hin. Kurz zuvor hatte er gerade eine Glosse geschrieben über Kreuzberg und seine Autonomen in der irgendwie der Görlitzer Park (damals eher noch Brache) und der hübsche Vers: 'Kreuzberg ist kein Käsekiez / den Käse fraß die Kiezmiliz' vorkamen. Grund: Wiglaf Droste hatte (in der Glosse) versucht in SO 36 Greyerzer (vielleicht hieß es auch Gruyre ?) zu kaufen. Gab es aber nicht. Nicht in Kreuzberg 36. Worauf ein mit Liebe für die Liebste zu kochendes Mahl entfallen musste. So ungefähr.
Und jetzt mit fünf Dosen Pilsner Urquell. Ich bin dann schnell noch mal zurück zur Käsetheke. Da gab es Greyerzer, gar nicht mal wenig davon. Gerne hätte ich ihn darauf hingewiesen, traute mich das aber natürlich nicht. Kaisers-Käse sollte man wahrscheinlich sowieso nicht mit Glossen-Käse vermischen - ungute Gemengelage.
Selbst hab ich mir dann auch keinen Greyerzer gekauft. Aber was ich wirklich gekauft habe, das weiß ich nicht mehr.
Vielleicht ein gutes Kriterium für Prominenz im Supermarkt: Hernach weiß man noch, was die gekauft haben, vielleicht sogar noch, was man selbst nicht gekauft hat; das was man selber brauchte hat man aber jedenfalls sofort vergessen. Ausnahme: Mutter Teresa. Ihre alkoholkranken Männer wissen, Suff hin oder her, noch genau, was es am Vortag gegeben hat.
Womit ich nicht sagen will, die Katholische Kirche sei ein Supermarkt.

------------------
MBart

tschisi
19.05.2001, 02:23
Was wär ein Orden, in dem deutsche Nonnen indischen warmen Männern alkoholische Mahlzeiten bereiten würden? Ich denke extravagant. Mit Sicherheit extravaganter, als nur zum Zwecke der Dosenbierbeschaffung einen Supermarkt aufzusuchen. Das finde ich nämlich hinwiederum reichlich trostlos. vom Anblick her.

Bakasone
19.05.2001, 19:12
Na, na, na... höre ich da den Klassenhass eines ins revoluzionäre Kreuzberg ausgewanderten Franken heraus, der sich über einen konsumbewussten Citoyen geärgert hat? 'Hernach' ist schon ein deutlicher Hinweis...

Bartholmy
19.05.2001, 22:45
Lieber Linguist,
leider weit gefehlt, bin nicht entfernt aus Franken. Das schöne Wörtchen 'hernach' ist mir nicht aufgeprägt worden, ich hab's im Laufe meines Lebens einmal gelernt.
Und wo kommt in der kleinen Schilderung etwas citoyenartiges vor? Klassenneidisches kann ich darin auch nicht finden - wäre ja auch uninteressant, oder? Im Vergleich zu einem merkwürdig wenig gefüllten Einkaufswagen jedenfalls.
------------------
MBart

Yvonne Caldenberg
20.05.2001, 00:04
Wiglaf Droste ist mir auch einmal begegnet. Beziehungsweise, das war anders:
Vor ca. drei Jahren war ich zu einer Wohnungseinweihung eingeladen. Im nördlichen Neukölln, also fast auch in Kreuzberg. Nachdem wir schon einige Zeit saßen, betraten Wiglaf Droste und eine Frau die Wohnung. Beide hatten ein blaues Auge, die Frau aber mehr. Das war seine Freundin.
Aber:
Erklärung 1: Sie waren gerade vom Boxen gekommen. Die Freundin hatte in ihrem Kampf ein Veilchen abbekommen.
Erklärung 2: Wiglaf Droste nahm auch Boxunterricht. Daher sein schon ins Graue sich auflösendes Hämatom.
Erklärung 3: Dann war es aber gar nicht Wiglaf Droste, sondern, wie die Gastgeber mich aufklärten, sein Bruder, der ihm aber recht ähnlich sieht. Und einen von der Grobkategorie ähnlichen Vornamen hatte er auch - den habe ich aber vergessen.
Außerdem habe ich mir heute nachmittag vier Dosen Bier gekauft. Allerdings im Spätkauf und Budweiser. Aber immerhin: Koinzidenzen, Koinzidenzen.

Ruebenkraut
20.05.2001, 01:20
Beinahe hätte ich hier schon von meiner Wiglaf Droste Begegnung gepostet. Es war aber leider nicht so ein dolles Erlebnis. Eines Tages saßen wir (mit Kind und Kegel) in einem unserer Kreuzberger Lieblingsrestaurants in der Straße, in der auch Walter Momper (Ex-Regierender Bürgermeister, siehe auch gleichnamiger Strang weiter unten) wohnt. Am Nebentisch saß Wiglaf und redete mit eienm männlichen Bekannten. Leider war infolge ständigen Kindergenerves vom Gespräch nix zu verstehen.
Aber vielleicht wars ja auch nur der Bruder vom Wiglaf, wie ich jetzt weiß, dann wars ja auch nicht schlimm, nichts zu verstehen vom Gespräch.

Edmund
20.05.2001, 13:25
Ich bin wohl nicht der Einzige, der zunächst glaubte, es sei von Wiglafs leerem MAGEN die Rede? Zumal der Strang sich just über Arabellas Essensmarke befand.
Tschisi muss ich beipflichten: Eine solche Wagen- und später Magenladung IST kläglich. Sie wird nur noch getoppt von der Kombination Dosenbierpalette + Vitaminsprudeltabletten. Oder Weinbrand + Kondensmilch.
Übrigens kenne ich jemanden, bei dem Wiglaf Droste mal übernachtet hat.
------------------
Muss früh Gehen,
Edmund

Bartholmy
20.05.2001, 19:23
Ja, stimmt.
Aber: Magen / Wagen - beim Einkaufswagen kommt es tatsächlich auf das ziemlich selbe hinaus. Mittelfristig zumindest.
------------------
MBart

pinkas
21.05.2001, 15:42
Wiglaf Droste oder sein Bruder (Humbert? Reimar?) stand im Nieselregen vor der Ankerklause (einem Lokal an der Kottbusser Brücke in Kreuzberg) und beäugte mich missmutig. Vielleicht störte ihn die ausgelassene Stimmung, in der sich meine Begleitung und ich näherten, vielleicht der zwar abgetragene, aber immerhin doch: Anzug, den ich trug. Sonst sind wir uns nie begegnet.

rupertjahn
21.05.2001, 15:51
Wiglaf Droste - der belangloseste Mensch unter der Sonne.

pinkas
21.05.2001, 16:13
Da wird's doch schon noch ein paar geben.

reno nonsens
06.06.2001, 00:53
Ich habe Wiglaf Droste Ende 80er / Anfang 90er mehrmals in Berlin gesehen, er war damals (er schrieb noch für die TAZ und besuchte gerne 'gaskammervolle' Clubs zwischen SO36 und 61) schon so quallenhaft aufgedunsen, stoppelbärtig, und hielt u.a. Lesungen (z.B kann ich mich an eine im Flöz erinnern, mit vielen Texten über den Ostwestfalen-Frust).
Das ist ja alles, denke ich, bekannt; mein prägendes Erlebnis W. Droste betreffend war aber ein anderes: mit 16 (also so um 82/83) hörte ich zum ersten mal in meinem Leben ein etwas lauteres Rockkonzert, und mir flogen dabei fast die Ohren weg. Es war das 'Alternative Schulkonzert' des Ceciliengymnasiums in Bielefeld, die Band nannte sich 'Fickelpauls Bumskapelle' und der Leadsänger war Wiglaf Droste. Die Texte waren deutsch, und Wiglaf trug Locken und ein Palestinensertuch (auf dem besagten Konzert spielte auch der z.Z. in Berlin aktve DJ und Moderator Admiral Tuff: 'Arbeiterlieder zur Gitarre'). Einige Zeit später sah ich Droste auf einer Friedensdemo in Bielefeld (wahrscheinlich gegen Pershing etc.) mit einem Plakat vor dem Bauch: 'Wir wollen den totalen Krieg'.
Ein ernsthaftes Kompliment: damals gehörte Mut dazu.

Bartholmy
06.06.2001, 13:08
'Gaskammervoll', das kam doch von Herrn Kapielski, der deswegen aus der taz rausfolg, oder?
Andererseits: zum Droste-Zusammenhang passt es dennoch auch.
Gerade wegen des Palästinenser-T(o)uchs, irgendwie.

ingwer
26.01.2002, 22:20
einer meiner geschätzten freunde hatte in einer brutheißen sommernacht des jahres 1991 den grandiosen einfall, einfach mal spontan bei einem sehr beliebten radiosender auf der potsdamer straße vorbeizuschauen, schließlich - so behauptete er - kenne er den moderator fast richtig gut.

jene stets chaotische sendung begann um ein uhr nachts und endete um fünf uhr früh. wir hatten also noch ein bisschen zeit und setzten uns ins cafe swing, um unter nicht unbeträchtlichem alkoholeinfluß unseren besuch zu planen. dabei malten wir uns unter verhaltenem gekreische und grunzendem gelächter vor allem sämtliche möglichkeiten des scheiterns in den buntesten farben aus.

ich krabbelte gerade wieder unter dem tisch hervor, als meine beiden begleiter mit einem mal verstummten. mit unbewegter miene, nur mit dezentem augenrollen bedeuteten sie mir, dass wiglaf droste am nebentisch platz genommen habe.
und tatsächlich, da saß er allein, hatte ein notizbuch auf dem tisch und sah erwartungsvoll zu uns herüber.

zu dieser zeit aber hatte sich herr droste vermehrt durch beschreibungen zufällig mitgehörter gespräche im ice und anderswo hervorgetan.
wir verstummten in folge gänzlich und guckten verdrießlich ins glas, hatten wir doch keine lust, uns in einer kolumne verhohnepipelt wieder zu finden. auch erwogen wir, uns woanders hinzusetzen, waren jedoch unentschlossen, blieben mißmutig und gaben unsere radio-pläne für diesen abend auf.

-------
so wars gewesen, herr droste hat mir den abend versaut.

Ella Roc
26.01.2002, 22:34
zu diesem hervorragenden Glossen-Käse trinke ich einen Santa Cristina 1998, Antinori Toscana. wirklich, schmeckt ausgezeichnet.

DerCaptain
27.01.2002, 19:36
Ich würde eher einen Port bevorzugen.