PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wenders, Wim (dicke blonde Begleitung mißbilligt mich)



Jasper Nicolaisen
07.05.2001, 16:20
Letzten Donnerstag befand ich mich auf dem Rückweg vom Poetry Slam im 'bastard'.Mich begleiten tat meine Freundin, die sich trotz Unlust dorthin hatte mitschleppen lassen ('Können die nicht alle zu uns nach Hause kommen ?').Gleichsam aus Rache bekam sie, kaum daß wir das Etablissement verlassen hatten, einen heftigen Migräneanfall, und verwandelte sich in ein nöliges Schlechtelaunebündel ('Können die in der Scheiß - UBahn nicht mal das Licht ausmachen ?'), das keinerlei Ähnlichkeit mit der liebreizenden Person hatte, die sich ansonsten an meiner Seite befindet.Ich wurde nun aber vorlesungsaufgeregtheitbedingt noch immer kräftig von Adrenalin geschüttelt, und hatte überhaupt keine Lust, mich auf Migränetantennöligkeit einzulassen.Meine Tröstungsversuche fielen dementsprechend halherzig aus.Ich gehe an dieser Stelle so ausführlich auf mein persönliches Tun und Machen ein, weil diese Umstände entscheidende Bedeutung für das paparazzen von Wim Wenders und seiner dicken blonden Begleitung hatten.
Man stelle sich also folgende Szenerie vor:
Die Türen der U-Bahn öffnen sich, herein steigt ein Paar, der Mann rotgesichtig, nervös, genervt, die Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, verschwitzt, verkrampft und durchaus verheult aussehend.
Sie setzen sich, sie vergräbt ihren Kopf an seiner Schulter, er schweigt und streichelt halbherzig.
Das waren wir.
Uns gegenüber Wim Wenders, sehr casual, in Ringelsöckchen rotgesichtig, nervös, genervt und unablässig redend, an seiner Seite eine dicke blonde Frau, Schmerzen im Gesicht, verschwitzt und verkrampft, durchaus dem Weinen nahe.Während Wim angestrengt vor sich hin schwafelte ('Der Schwarze, auch großartig, ganz großartig, warum der noch nicht weiter hochgekommen ist, ja ?'), ließ seine Begleitung, sichtlich gelangweilt, ihre Blicke über mich und meine Freundin schweifen, setzte im Kopf ihre Beobachtungen zu einem Gesamtbild zusammen, und erkor meine Migränetante wohl zur Schwester im Leiden.Was sie sich beim großen Wim nicht getraute, tat sie mir an: Sie betrachtete mich mit äußerster Mißbilligung.Ich weiß es genau, sie nannte mich bei sich Chauvi, Frauenmißhandler, unsensibler Tropf, und ließ meiner Freundin zugleich all jene Zärtlichkeiten angedeihen, wie nur Frauen sie Frauen zu schenken in der Lage sind.
Je länger der schreckliche Wim vor sich hin brabbelte, je länger sie uns dabei mit ihren Blicken durchborte, desdo mehr begann ich zu fürchten, sie könne im nächsten Moment aufspringen, und mich an den Haaren durch den Waggon schleifen.Zum Glück mußten wir am Alex raus, aber ich möchte an diesem Abend nicht Wim Wenders gewesen sein. ( Ansonsten wäre ich das gerne mal für einen Tag oder so, nur um mal zu gucken, was den Mann so bewegt. )

Ruebenkraut
08.05.2001, 00:21
Dein Beitrag bringt vieles, was die höflichen Paps auszeichnet. Und das so geschildert, dass man mitlebt und -leidet.
Und wegen des Spiegelbilds, das sich ergibt, meint man gar, die Gedanken von Wim erraten zu können: Ungefähr die deinen, vielleicht.

Kathrin Passig
08.05.2001, 15:57
Ich lobe nicht gern, ich komme mir immer so blöd vor dabei, aber es ist ja nicht mitanzusehen, wie dieser liebliche Beitrag vor sich hinkümmert. Schon der Name des Autors ist toll. Und seine Fähigkeit, Wim Wenders zu erkennen: auch toll. Und eine wunderbare Geschichte überhaupt. Nur dass Herr Nicolaisen implizit zu gestehen scheint, er habe selbst aktiv an diesem Poetry Slam teilgenommen, das will mir nicht so gefallen. So ein Poetry Slam ist doch vermutlich eine unerbauliche, pubertär-prätentiöse Veranstaltung? So stelle ich mir das jedenfalls vor, und dann noch ein Poetry Slam, der zu einem nach Hause kommt: das wäre bestimmt der anderthalbte bis zweite Kreis der Hölle.
(Beitrag wurde von Kathrin Passig am 08.05.2001 um 14:58 Uhr bearbeitet.)

PeterLu
08.05.2001, 16:27
Wunderbar, wie sich das liest, solche Geschichten liebe ich! Dass Herr Nicolaisen aktiv mitgeslamt haben soll, habe ich aus dieser Story aber nicht herausgelesen. Eher, dass seine leidende Liebste lieber das ganze Lokal samt Slammer und Zuhörer im Wohnzimmer gehabt hätte, um sich nicht vom Sofa hochwuchten zu müssen. Ich vermute mal, wäre dieser Wunsch in Erfüllung gegangen (durch Zauberei etwa), wärs ihr auch nicht recht gewesen.

Kathrin Passig
08.05.2001, 16:30
Aber warum wäre er denn dann 'vorlesungsaufgeregtheitsbedingt von Adrenalin geschüttelt' gewesen? Wenn andere Leute vorlesen, wird man doch bestenfalls von Gähnen geschüttelt. Nein, er wird schon selbst beteiligt gewesen sein.

Poser Rosenberg
09.05.2001, 10:18
Dieser Verbrecher!

Jasper Nicolaisen
10.05.2001, 15:28
Ja, ich geb«s zu, ich war dabei.Es war auch ganz lustig, und nur teilweise 'pubertär' oder so.

Tex Rubinowitz
10.05.2001, 19:08
Ich hätt auch lieber gelesen, dass Du eine Adrenalinausschüttung vom Gähnen bekommen hast.
Aber was ich bei der feinen, athmosphärischen Geschichte nicht verstehe, das ist die Stelle, wo Deine Freundin meinte, dass man das ganze doch in Eurer Bleibe auch hätte veranstalten können, dann hätte sie doch viel eher Migräne bekommen, oder, aus einem Lokal kann man weggehen, aus seiner Wohnung nicht.
Wie lange gebt Ihr Euch noch?