Felix Kubinski
09.04.2001, 15:38
Irgendwie scheint der Hamburger Flughafen ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt der deutschen Komikerinnung zu sein, vielleicht sammeln und verteilen sie sich von dort aus in die ganze Welt, die Welt der Witze und Kalauer. Was für eine mächtige Vision: alle deutschen Spaßmacher von Helge Schneider über Stefan Raab, Dieter Hallervorden, Tex Rubinowitz, Heidi Kabel, Elke Heidenreich, Hape Kerkeling, Max Goldt, Gisela Schlüter, Dieter Krebs (lebte er noch) und Millionen anderer treffen gleichzeitig am Hamburger Flughafen ein, ohne voneinander zu wissen.
Ich stand jedenfalls müde nach 18stündigem Flug in jener von Hermes Phettberg (s. 'Die Doofen') beschriebenen Eingangshalle, da kam Mike Krüger aus der Absperrung. Sein Anblick war in jeder Hinsicht seltsam: kein Mantel, kein Koffer, ja nicht einmal ein Etui oder aus dem Jakett ragendes Taschentuch zierten ihn, er war ganz bloß und nüchtern wie ein Zollbeamter von höherem Stand. Seit Jahren fasziniert mich die ungeheure körperliche Veränderung, die Mike Krüger durchgemacht hat. Während in den 70er Jahren noch ein etwas mopsiger Jugendlicher mit halblangen Haaren und Pinselmund von der Schallplattenhülle in die Welt lacht (diese Hülle hatte ich seitdem nicht mehr gesehen, jetzt zeigte sie mir ein französischer Industrialfan, der sie wohl versehentlich für 'kultig' hielt), präsentierte sich nach der Nippel-durch-die-Lasche-Phase ein zusehends kloßigerer Fleischergeselle mit rosa Babyspeck im Fernsehen, an dem nur eines nicht stimmte: die Nase. Mikes Nase wirkte einfach immer wie ins Gesicht gesteckt. Sie war nicht des Komikers Eigentum. Sie blieb hart und herrisch, und ich glaube, daß sich an dieser Nase später Krügers neue Streamline Personality aufgerichtet hat, denn als ich ihn am Flughafen sah, war alles Wässrige aus seinen Augen verschwunden, war alles klar und unverrückbar, gab's keinen Klaps auf den Poschi der Wirtin im Quickborner Ecklokal, kein deftiges Witzchen zwischen Kimme und Korn.
Also, am Flughafen ergriff ich die Gelegenheit, meiner Verwirrung Herr zu werden und von diesem Phantombild Krüger ein für allemal Abschied zu nehmen, und streckte ihm meine Hand entgegen: 'Hey, Mike alles klar Digger?' Und er lächelte durchaus sympathisch zurück, ergriff meine Hand und sprach wie ein Seliggewordener hundert schöne Worte zu mir, sein Händedruck war wie eine ISDN-Standleitung, durch die in rasender Geschwindigkeit Bilder, Farben und Gefühle auf mich einströmten wie am Tage meiner Geburt. Dann schritt er von dannen und wieder fiel mir auf, daß sich seine Körperproportionen vollkommen neu arrangiert hatten. Er sah jetzt aus wie Verleihnix, sein dünner, bohnenförmiger Kopf ruhte auf einem glockenartigen Rumpf, die Beine wiederum waren straff und schritten zielbewußt einer ungewissen Zukunft entgegen, die Arme eher spittelig aber dabei durchaus nicht unmuskulös, im Gesicht die immergleiche Cäsarnase, darüber strenge aber nicht zur Verhärtung gereifte Querfalten, die der einen oder anderen Nachtwanze zum Hürdenspringen gereichen dürften. Die Haare waren 'angebürstet', aber nicht igelig.
So verließ er, halb Manager, halb Phantom die Eingangshalle des Flughafens. Mike, das physische Orakel, das spaßgebärende Baukastenmodell in unserer aller Körperwelt.
Ich stand jedenfalls müde nach 18stündigem Flug in jener von Hermes Phettberg (s. 'Die Doofen') beschriebenen Eingangshalle, da kam Mike Krüger aus der Absperrung. Sein Anblick war in jeder Hinsicht seltsam: kein Mantel, kein Koffer, ja nicht einmal ein Etui oder aus dem Jakett ragendes Taschentuch zierten ihn, er war ganz bloß und nüchtern wie ein Zollbeamter von höherem Stand. Seit Jahren fasziniert mich die ungeheure körperliche Veränderung, die Mike Krüger durchgemacht hat. Während in den 70er Jahren noch ein etwas mopsiger Jugendlicher mit halblangen Haaren und Pinselmund von der Schallplattenhülle in die Welt lacht (diese Hülle hatte ich seitdem nicht mehr gesehen, jetzt zeigte sie mir ein französischer Industrialfan, der sie wohl versehentlich für 'kultig' hielt), präsentierte sich nach der Nippel-durch-die-Lasche-Phase ein zusehends kloßigerer Fleischergeselle mit rosa Babyspeck im Fernsehen, an dem nur eines nicht stimmte: die Nase. Mikes Nase wirkte einfach immer wie ins Gesicht gesteckt. Sie war nicht des Komikers Eigentum. Sie blieb hart und herrisch, und ich glaube, daß sich an dieser Nase später Krügers neue Streamline Personality aufgerichtet hat, denn als ich ihn am Flughafen sah, war alles Wässrige aus seinen Augen verschwunden, war alles klar und unverrückbar, gab's keinen Klaps auf den Poschi der Wirtin im Quickborner Ecklokal, kein deftiges Witzchen zwischen Kimme und Korn.
Also, am Flughafen ergriff ich die Gelegenheit, meiner Verwirrung Herr zu werden und von diesem Phantombild Krüger ein für allemal Abschied zu nehmen, und streckte ihm meine Hand entgegen: 'Hey, Mike alles klar Digger?' Und er lächelte durchaus sympathisch zurück, ergriff meine Hand und sprach wie ein Seliggewordener hundert schöne Worte zu mir, sein Händedruck war wie eine ISDN-Standleitung, durch die in rasender Geschwindigkeit Bilder, Farben und Gefühle auf mich einströmten wie am Tage meiner Geburt. Dann schritt er von dannen und wieder fiel mir auf, daß sich seine Körperproportionen vollkommen neu arrangiert hatten. Er sah jetzt aus wie Verleihnix, sein dünner, bohnenförmiger Kopf ruhte auf einem glockenartigen Rumpf, die Beine wiederum waren straff und schritten zielbewußt einer ungewissen Zukunft entgegen, die Arme eher spittelig aber dabei durchaus nicht unmuskulös, im Gesicht die immergleiche Cäsarnase, darüber strenge aber nicht zur Verhärtung gereifte Querfalten, die der einen oder anderen Nachtwanze zum Hürdenspringen gereichen dürften. Die Haare waren 'angebürstet', aber nicht igelig.
So verließ er, halb Manager, halb Phantom die Eingangshalle des Flughafens. Mike, das physische Orakel, das spaßgebärende Baukastenmodell in unserer aller Körperwelt.