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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rebroff, Ivan



reden
08.04.2001, 20:04
Sommer 1976. Meine Eltern haben die hippieske Idee mit der Ente nach Griechenland zu fahren . Meine Erinnerungen an die Fahrt sind nur noch bruchstückhaft: Der Motor überhitzt auf dem Wurzenpass, Lastwagen zählen gegen die Langeweile auf dem Autoput durch Jugoslawien, verrostete Autowracks in smaragtgrünem Wasser in Griechenland. Eine Woche im Auto ö eine Tortur für einen Achtjährigen. Doch am Ziel, der kleinen Sporaden-Insel Skopelos, erwartet uns ein kleines Hotel mit Feigenbäumen im Garten. Zikaden zirpen unablässig, die Luft riecht nach Rosmarin - ein kleines Paradies.
Damals war mein großes Vorbild Jacques Cousteau. Wenn seine Tierfilme im Fernsehen liefen, durfte ich länger aufbleiben, ich hatte ein Modell von Cousteaus Schiff Calypso (mit extra Haikäfig) und meine Mutter, eine Buchhändlerin, versorgte mich immer mit allen 'Was ist Was'- und 'Kinder Kosmos'-Büchern, die irgendwas mit Meeresthemen zu tun hatten. Auf der langen Fahrt nach Skopelos konnte ich mir aber leider nicht mit meinen neuen 'Kinder Kosmos ö Tiere an Strand und Meer' die Zeit vertreiben, weil mir beim Lesen im Auto immer schlecht wurde. Also saß ich eines vormittags im Hotelgarten (aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatten wir Vollpension und sind immer erst nachmittags zum Meer) und schaute mir die Bilder im Buch genau an, in der Hoffnung, die Tiere am Strand oder beim Schnorcheln auch mal in Natura zu erleben. An einem der ersten Tage sprach mich ein freundlicher Mann mit rötlichem Fusselbart an und fragte, was ich da für ein tolles Buch hätte. Mir viel sofort seine seltsame Physiognomie auf: Auch unter dem weißen Wallegewand zeichnete sich sein massiger Rumpf und Bauch gut ab, aber Beine und Arme waren im Verhältnis ganz spinnig, wie bei einer Figur aus einem Asterix-Comic. Offensichtlich interessierte sich der Mann auch für Meeresgetier, also lieh ich ihm das Buch aus. Er versprach es, in ein paar Tagen zurückzugeben.
Als der lustige dicke Mann weg war, kam mein Vater ein wenig aufgeregt zu mir und meinte, dass sei der berühmte Sänger Ivan Rebroff gewesen. Dann machte er noch ein paar abfällige Bemerkungen über dessen musikalische Meriten ö mein Vater stand damals mehr auf Pink Floyd. Es stellte sich heraus, dass Rebroff in der Nähe ein Haus hatte (er ist mittlerweile Ehrenbürger von Skopelos) und dass er öfter zum Mittagessen in unser Hotel kam, immer in Begleitung von einer Schar von Jünglingen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er auch einmal im Speisesaal auf Anfrage für alle Anwesenden ein Lied gesungen (natürlich umsonst, da sollte sich Herr Angeli mal ein Beispiel dran nehmen). Ich bekam mein Buch schon am nächsten Tag zurück mit einer langen Widmung auf der inneren Umschlagseite. Ein bisschen war ich ja sauer, dass dieser fremde Mann mein schönes neues Buch vollgeschmiert hatte, aber wir haben uns noch ein paar mal nett über Fische und Muscheln unterhalten. Mein Vater hatte uns dabei immer fest im Blick, ich glaube, er hielt Rebroff für einen üblen Lustmolch.
Als wir später in der Schule griechische Mythologie durchgenommen haben, habe ich mir Rebroff immer als Reinkarnation von Dionysos vorgestellt. In meiner Erinnerung hat er jetzt auch immer so einen mit Efeu und Weinreben umrankten Stab in der Hand. Aber eigentlich habe ich seit vielen Jahren nicht mehr an die Geschichte gedacht, bis ich letztens beim nächtlichen zappen über ein Interview mit Rebroff gestolpert bin, dass ungefähr aus der Zeit unseres Zusammentreffens stammte. Ich war ziemlich baff mit welcher Souveränität der 'Einmann Kosakenchor' auf die 'Enthüllung' des Interviewers reagierte, er, Rebroff, sei gar kein Russe, sondern in Berlin geboren. Achelzuckend stellte Rebroff, offensichtlich Warhol-geschult, das ganze Authentizitätskonzept des Journalisten in Frage und reklamierte das Recht, sich nach seinen Vorstellungen selber zu erfinden (ok, seinen Geldbeutel wird er dabei auch nicht vergessen haben). Dennoch: ein zu Unrecht vergessener Identitätsverwirrer in der Tradition der großen Yma Sumac. Auf jeden Fall war der Mann 1976 definitiv cooler als Pink Floyd.

Ruebenkraut
08.04.2001, 20:26
Dass der Ivan kein Russe ist, wusste ich schon als Kind. Immer wenn wir im Taunus an seinem Haus vorbeifuhren, hoffte ich, diesen ersten Promi meines Lebens mal zu sehen - er war aber offenbar nie zu Hause. Mein Vater: 'Ist doch egal, der ist sowieso kein echter Russe'.
(Beitrag wurde von Ruebenkraut am 08.04.2001 um 20:20 Uhr bearbeitet.)

Angelika Maisch
08.04.2001, 21:58
Das ist mal aber auch so was von einer coolen Geschichte, Reden. Bewunderung und Lob und Preis.

Wolfgang Mueller
08.04.2001, 22:29
Ivan Rebroff ist - wie ich des öfteren hörte - ein recht offener Berliner Ledermann, der seinen Fetisch mit dem Russenkittel vertauscht hat. Das finde ich ziemlich originell.

reden
08.04.2001, 22:43
Danke für das Lob. Irgendwo im Netz habe ich gelesen, Rebroff lebe jetzt in Lissabon. Wenn seine Biografie auf www.ivan-rebroff.de stimmt, wird er am 31. Juli 70 Jahre alt (sein Geburtsort wird dezent verschwiegen). Man kann ihm nur beste Virilität wünschen.

Ruebenkraut
08.04.2001, 23:15
In Lissabon hat er sicher auch ein Haus. Der Mann sammelt Häuser!

reden
08.04.2001, 23:51
Häuser kann man nie genug haben.

DerCaptain
09.04.2001, 00:50
reden, eine schöne Geschichte. Lob!
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'Von ganzem Herzen, für alle Zeit...'

pinkas
09.04.2001, 14:15
Iwan Rebroff und Yma Sumac - was heisst denn rebroff von hinten? Sein deutscher Akzent ist jedenfalls beträchtlich. Das hartnäckige Gerücht, dass er ein Päderast sei, ist mir wiederholt begegnet; vielleicht tat Vater Reden gut daran, Euch im Aug zu behalten.
(Beitrag wurde von pinkas am 09.04.2001 um 15:54 Uhr bearbeitet.)

Tex Rubinowitz
09.04.2001, 16:37
Ganz besonders hübsch an dieser hübschen Geschichte finde ich, dass ein 8jähriger sich an dem Duft von Rosmarin ergötzt

Ruebenkraut
09.04.2001, 21:38
Hey, meine Partnerin hat gerade töpfeweise Rosmarin und Thymian auf dem Balkon gepflanzt und der Duft zieht gerade so rüber. Das erinnert micht an meine erste Fahrt nach Griechenland, nicht Skopelos sondern Patmos und da hats genauso gerochen, ich war elf Jahre alt und durchaus geruchszugetan - Kinder sind gar nicht so.
reden hat recht.

Tex Rubinowitz
10.04.2001, 01:09
aber, dass sich Achtjährige an Rosmarin erquicken ist doch seltsam, am Duft von Pommes Frites, oder Zucker, das verstehe ich schon, aber ROSMARIN?
(Beitrag wurde von Tex Rubinowitz am 10.04.2001 um 00:15 Uhr bearbeitet.)

reden
10.04.2001, 01:23
Lieber Tex Rubinowitz,
es mag sein, dass ich mich noch so positiv an den Geruch von Rosmarin erinnern kann, weil meine Mutter vor meinem Kinderzimmer einen kleinen Kräutergarten hegte und pflegte, in dem trotz des feindlichen Wetters im Bergischen Land auch Rosmarin gedeihte. Und da ich als Kind zu Heimweh neigte, hat mich der Geruch wahrscheinlich an Zuhause erinnert.
Ich kann mich auch noch an den fürchterlichen Geruch von Schiffsdiesel auf der Fähre nach Skopelos erinnern, leider aber nicht mehr, ob Herr Rebroffs Aftershave eher aufdringlich oder dezent roch.

reden
10.04.2001, 01:27
Riecht Zucker überhaupt?
(Beitrag wurde von reden am 10.04.2001 um 00:30 Uhr bearbeitet.)

Pomito
10.04.2001, 11:26
Kinder sind tatsächlich gar nicht so: Ich bin seit frühester Kindheit sowohl ein Freund des Geruchs von Schiffsdiesel als auch von einer annähernd perversen Leidenschaft für Benzindämpfe generell befallen. Wenn ich mit Vater an der Tanke vorfuhr, konnte man mich nur mit Gewalt vom Schnüffeln an der Zapfpistole abhalten. Auch die später aufgekommene Diskussion über die kreberregende Wirkung solcher Dämpfe geht seit eh und je an mir vollkommen spurlos vorüber. Rosmarin hingegen erinnere ich nicht.
bleifrei schnüffelnd
Pomito

Dominik Bauer
10.04.2001, 12:53
Ich erinnere mich eben an einen hervorragenden Geruch aus dem Haus meiner Oma.
Auf ihrem Wohnzimmertisch lagen immer sehr aromatische Äpfel, die sie für überraschenden Besuch und für sich selbst bereit hielt. Im hinteren Teil des Hauses dagegen führte die Oma einen kleinen Laden, in dem sie Schuhe verkaufte.
So kams, dass der Dielenabschnitt, der zwischen Wohnzimmer und Laden lag, stets von einer einzigartigen Duftmischung aus reifen Äpfeln und neuen Schuhen erfüllt war.
Schade, den Geruch gibts nicht mehr, ich bin mir sicher, daß er kein zweites Mal existiert.

Walter Schmidtchen
10.10.2001, 22:10
Vor genau 6 Monaten das letzte Posting, wenn das kein Hochwuchtgratulationsgrund ist, was dann?
Genau, diese Geschichte!
Reden war da, und kam nie wieder, oder ist reden stimmen?

nougat
11.10.2001, 11:04
ich sag euch jetzt mal was:
als kind wollte ich ivan rebroff heiraten, weil er so einen schönen bart hatte..

nougat
11.10.2001, 11:06
ich sag euch jetzt mal was:
als kind wollte ich ivan rebroff heiraten, weil er so einen schönen bart hatte..

Prof_Bienlein
24.10.2001, 23:45
Also, um das mal klar zu stellen: Der Herr heißt Hans-Joachim Rippert, nannte sich aber schon vor seiner Russen-'Masche' Iwan Rebroff, nämlich in den 60er Jahren als Ensemblemitglied der Frankfurter Oper, wo er auch beachtliche Partien wie z.B. den Ochs auf Lerchenau im 'Rosenkavalier' sang!
Künstlernamen sind in dieser Branche etwas absolut Übliches, und warum soll sich ein Bass nicht einen russischen Namen geben?

Walter Schmidtchen
25.10.2001, 01:30
Warum keinen kyrillischen Namen?

Walter Schmidtchen
08.02.2002, 17:54
Ich möchte auch mal wieder etwas machen, was etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint, das freitägliche Tieftauchen und Hochwuchten.
Hier für alle Neuen: Eine schöne Perle unter vielen schönen Perlen.
was ich mich frage: ob wohl jemals Iwan Rebroff etwas "hatte" mit Freddy Quinn (gleiche "Interessen").


Hö. ich seh grad, ich habs ja schonmal hochgeschoben, bin ich jetzt der Rebroffbeauftragte hier im Haus?

und was wurde aus derFrage: Stimmt es, dass Reden Stimmen ist?

Larry Erbs
04.10.2002, 23:42
.

Tristram Shandy
10.02.2006, 13:46
Freitagsgewuchtet, weil ich Iwan Rebroff gegoogelt habe und dabei auf dieses Forum gestoßen bin.

vir
10.02.2006, 14:55
Das schönste auf der Welt wäre, einmal Ivan Rebroff und Demis Roussos zusammen auf der Bühne zu sehen.

Alberto Balsam
10.02.2006, 15:08
Warum?

Alberto Balsam
10.02.2006, 15:11
Ich meine, ein doofer Dicker und ein guter Dicker, was soll dabei herauskommen?

vir
10.02.2006, 17:01
Man würde ihnen ein gutes Repertoire zum Singen aufgeben. Der eine sänge Bass, der andere Kontertenor, klänge sicher gut und sähe bestimmt noch besser aus.

Knappe Wamba
29.02.2008, 12:00
Finale Wuchtung.

(Wird Peter Orl off jetzt der neue Rebr off)

AntonH
31.08.2013, 09:10
---

Frau H aus B
31.08.2013, 09:46
Völlig blödsinnige Frage, aber 2002, als sie gestellt wurde, war das Forum ja noch jung und man hatte Stimmens Tonfall vielleicht noch nicht so verinnerlicht.

Alberto Balsam
31.08.2013, 09:46
Reden ist Sven von Reden, schreibt manchmal im Standard über Film und Musik (http://www.kunst-der-vermittlung.de/dossiers/kino-im-fernsehen-wdr/gesprach-mit-sven-von-reden/), wie oft er wohl den Satz hören musste: "Reden, wir müssen reden", ich kenne einen, der heisst Geringer, der muss sich dauernd anhören: Ah, da ist ja kein Geringerer als Geringer

Wheezy Clausini
31.08.2013, 10:26
Damals dachte wohl jeder: Stimmen könnte stimmen, um sich kurz darauf für den Gedanken zu schämen. Lustig, dass noch niemandem aufgefallen ist, dass sich mein Name auch hervorragend für kleine Späszchen eignet. "In sich reinmurmeln", "Hallo, Schusser!" oder "Du hast vermutlich geschlagen wie ein Nagetier" sind nur einige Beispiele. Aber, wie gesagt, kam noch nie, bin gespannt, wann ich das mal endlich hören werde. Habe mir fest vorgenommen, den Menschen reich zu beschenken.