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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bargeld, Blixa (Ich habe B.B. den Weg zum Neubauten-Konzert gewiesen)



megaklein
06.04.2001, 17:26
Sind Sie schon einmal vom Star, zu dessen Auftritt Sie unterwegs sind, gefragt worden, wo es denn bitteschön zu seinem Auftritt gehe? Nein? Ich schon. Im Herbst 1987 war ich mit einem Englisch-Kurs meiner Schule in London. Geübte London-Besucher, die wir waren - bereits zum zweiten Mal da -, kauften wir gleich am ersten Tag die bekannte Stadtzeitung Time Out. Und schnell wurde ein Konzert in unserer Woche ausgemacht, das zu besuchen Pflicht war: Einstürzende Neubauten waren in der Stadt. Bereits im Vorfeld ein legendäres Ereignis, spielte nämlich noch eine zweite Gruppe an diesem Abend in jenem Club: Showaddywaddy! Karottenmusterhosen, Post-Rock«n Roll, Under the Moon of Love! Showaddywaddy im Vorprogramm. Ich möchte es gerne noch einmal wiederholen: Einstürzende Neubauten und Showaddywaddy. An einem Abend. In einem Club, in London.
Mit der Tube wollten wir endlich hin. An irgendeiner Station mussten wir umsteigen und auf eine weitere Tube warten. Mit uns wartete noch jemand auf die Bahn zum Zielort. Es war Blixa Bargeld. Sowie ein weiteres Band-Mitglied, keine Ahnung, wer. Um mich zu überzeugen, ob er es denn wirklich ist, der knapp eine Stunde vor Konzertbeginn auf die Tube zum Einstürzende-Neubauten-Konzert wartete, ging ich etwas näher ran, stand schließlich in seiner unmittelbaren Nähe. Letzte Zweifel über seine Identität verflogen, als er mich überraschend ansprach und fragt, ob ich wüsste, an welcher Station er aussteigen müsste, um zu jenem Club, dessen Name ich vergessen habe, zu gelangen. Blixa Bargeld fragte mich also, wie er zum Einstürzende-Neubauten-Gig kommt. Ich sagte es ihm gerne und wollte das Gespräch jetzt bloß nicht mehr abreißen lassen. Leider fiel mir nichts Gescheites ein, der Terror der unvermittelten Situation war zu gewaltig. Ich fragte nur noch kurz, wie es denn zu der pittoresken Allianz mit Showaddywaddy gekommen sei, doch er wusste gar nichts von deren Auftritt oder Vorprogramm, womit unser Gespräch auch schon zu Ende war. Bald kam die Tube und wir fuhren im gleichen Wagen. An der Haltestelle angekommen, sprangen Bargeld und Kollege sogleich in das nächste Taxi. Wir mussten noch ein gutes Stück zu Fuß gehen. Aber dafür wurden wir belohnt: Wir verpassten keine Minute eines großartigen Doppelkonzerts: Halber Mensch under the Moon of Love! Und dazu das kleine Glücksgefühl, Blixa Bargeld den richtigen Weg zu den Einstürzenden Neubauten gewiesen zu haben.

Ruebenkraut
06.04.2001, 17:39
Herr oder Frau Megaklein, ein ultraschönes, gigamäßiges, suprawitziges Histörchen, das.
Hut ab!

Tex Rubinowitz
06.04.2001, 19:16
Als ich zum ersten Mal im Radio Showaddywaddys 'Hey Rock n Roll' hörte, bekam ich einen elektrischen Schlag.

Tex Rubinowitz
07.04.2001, 02:02
Das ist mir noch nie zuvor, und auch nie danach passiert mit einem Lied

been
07.04.2001, 15:17
bei mir im Kinderzimmer hat mal eine alte Uhr, die schon seit Jahren stillstand, zu einem Joy Division Lied geläutet. das war gruselig und ist glücklicherweise vorher und nacher auch nie wieder passiert.
(Beitrag wurde von been am 07.04.2001 um 14:18 Uhr bearbeitet.)

Ruebenkraut
08.04.2001, 12:57
Love will tear us apart?

been
08.04.2001, 14:12
Nein, das war ein Stück, dessen Name mir jetzt gerade nicht einfällt und ich zu faul bin in den Platten nachzuforschen. Es befindet sich gegen Ende des Live-Albums Still. Zuvor hatte mir Freund M. immer erzählt hat, dass genau bei dem Stück Ian Curtis einen Epileptischen Anfall bekam, weil einer der idiotischen Beleuchter permanent einen Spot auf ihn richtete. Grelles Licht soll laut M. von Epileptikern schlecht vertragen werden, aber das weiß ich selbst nicht so genau und will hier nicht mit medizinischem Halbwissen rumstümpern.
Ausserdem wollte ich nicht glech mit der Anfallgeschichte ankommen, um das alles nicht zu so einem Unheimlichkeitshistörchen zu hinzudrechseln. Aber hier am Rande kann es wohl erwähnt werden.

Tex Rubinowitz
08.04.2001, 18:43
Die Kombination Grimmige Band/Arglose Band ist nichts seltenes. Nirvana sind auch mit Björn Again, der ABBA-Klon-Band aus Australien getourt. (Siehe auch ABBA-Strang),
vielleicht war Blixa Showaddywaddy peinlich, und sie wurden von FM Einheit als Support gewünscht, bei dem Showaddywaddy möglicherweise auch eine ähnliche elektrisierende Hör-Initiation hatte wie bei mir.

reden
08.04.2001, 22:53
Ich habe mal auf einem Flohmarkt eine alte Buzzcocks Platte gekauft. Als ich sie Zuhause auflegte, war ich arg verwirrt: Auf der zweiten Seite war irgendwelche Discomusik a la Frank Farian (nichts gegen Diskomusik im Allgemeinen, aber ich war gerade in Punkrock-Laune). Scheinbar eine Fehlpressung. Aber Showaddywaddy und Einstürzende Neubauten im Doppelpack ist kaum zu toppen.

derpruegelprinz
08.04.2001, 22:58
Und ich habe eine selbst aufgenommene Kassette, auf der auf Seite A das Live Album von Frank Zappa and the Mothers (Fillmore East-June 1971) und auf Seite B eine CD von Brunner und Brunner ist.

Felix Kubinski
09.04.2001, 13:24
Das ist natürlich ein großartiges Thema: unvereinbare Dinge auf Datenträgern oder an lebenden Personen, zB Frisuren, Schuhe, falsche Schnürbander, Norweger-Pullover etc. (die Engländer sagen zu Vokuhilas 'the men with the two haircuts').
Ich glaube, ich habe NUR Kassetten mit unvereinbarem Gerümpel. Max Goldt meinte mal zu mir, man müßte diese alten Kassetten 1:1 auf Platte pressen. Beispiel: ich habe als Kind 'Mark Of The Mole' von den Residents aus dem Radio aufgenommen, unterbrochen von Loriot (hat mein Bruder gemacht), dann kommt eine Schweizer Punk-Avantgardeband, dann 'Sing-Song-Ding-a-Dong' von irgendwelchen Hippieidioten usw. Oder ganz schlimm: DAFs 'Nachtarbeit', ein hartes, unbarmherziges Wavepunkjuwel, wird abrupt abgebrochen und Reinhard May sing 'Du bist doch auch nur ein armes kleines Würstchen'.
Natürlich paßt das auch irgendwie, jetzt wo ich darüber nachdenke...wahrscheinlich habe ich Burroughs' Cut-Up-Technik angewandt, ohne es zu wissen...toll...
Videokombinationen:
Charles Chaplins 'König von New York', dann Fragmente einer Liveaufzeichnung meiner Teenagerband 'Die Egozentrischen 2', dann 'Faster Pussycat, Kill, Kill!'
oder: 'Eraserhead' v. David Lynch und dann 'Johnny Flash' mit Helge Schneider
..bizarr...

Tex Rubinowitz
09.04.2001, 15:21
Der Strang fängt an, Spass zu machen, er hat sich 'gefunden', jetzt kann er noch so ein bisschen laufen, dann wild herummäandern und dann veröden.

Felix Kubinski
09.04.2001, 15:43
Tex, Du bist doch so ein Spezialist des Unvereinbaren (s. Punk und Bärte), jetzt pack Du doch mal was aus, wie war das früher mit Afrolook und Kunsthochschule? Oder wie ist das jetzt ohne diese Kontraste?

megaklein
10.04.2001, 11:08
Schön auch eine Morgengabe des DDR-Punks Anfang der 90er. Mit dem vorläufigen Ende des Ostens machten ja auch Punks von drüben nach hüben, und am Kölner Hauptbahnhof waren sie immer leicht von ihren West-Kumpels zu unterscheiden, trugen sie doch 2 Ästhetiken in einer: Neben den üblichen Devotionalien (Haar grün, Schäferhund mit menschlichem Namen, Exploited- oder Clash-Lederjacke, Nietenarmband...) trugen sie mitten im Gesicht einen Schnäuzer, einen richtigen, kräftigen, dunklen Polizisten-Schnubbes. Das sah stark aus! Vielleicht waren es aber auch V-Männer der Polizei, die sich mit dem Gegenstand ihrer Observation nicht hinreichend befasst hatten, man weiß es nicht, so vieles lässt sich ja heute nicht mehr klären. Gauck, übernehmen Sie!

Tex Rubinowitz
10.04.2001, 12:26
Bei uns im Haus ist ein winziges tschechisches Theater, manchmal arbeiten da jugendliche Tschechen, eine Punkette war gepierct, und zwar war ihre dicke Brille gepierct, mit einer Sicherheitsnadel, die baumelte da am Bügel.

been
10.04.2001, 14:45
als ich 14 war, wollte ich auch unbedingt Punk sein und glaubte, mich diesem Zustand nähern zu können, indem ich meine Wange mit einer Sicherheitsnadel durchbohre. Ganz einsam und allein wollte ich diesen Akt der Selbstverzierung natürlich nicht zelebrieren. Da es 14 Uhr war, ich wohl aus der Schule kam und es sich um die langweiligste aller Tageszeiten handelte, blieb als Publikum nur meine Mutter, die gerade bügelte. Praktisch, weil sich das ganze Nähzeug in der Nähe befand.
Ich nahm also eine Nadel und erhitzte sie mit einem Feuerzeug, wischte den Russ weg und stach (sanft) zu. Wangen sind härter, als man denkt.
Meine Mutter tat nichts weiter, als mich spöttischen Blicken zu bedenken.
Beim ersten Blutströpflein hab ich aufgegeben. ich Memme.
Meine Mutter hat gekichert und mich mitleidsvoll angeschaut.
Später haben meine Eltern übrigens mal gestanden, dass sie des öfteren morgens, wenn ich das Haus verlassen hatte über meine absurde Kleidung gekichert haben.
Gut, ich hatte meine Ruhe, denn gefordert, dass ich mich umziehe haben sie nie, aber ich frage mich, ob das nicht eigentlich ziemlich gemein von Ihnen war.

been
10.04.2001, 14:46
doppelt gesendeten beitrag gelöscht
(Beitrag wurde von been am 11.04.2001 um 01:17 Uhr bearbeitet.)

been
10.04.2001, 14:48
nochmal. wie kommt denn sowas?
(Beitrag wurde von been am 11.04.2001 um 01:18 Uhr bearbeitet.)

Felix Kubinski
10.04.2001, 15:53
Hallo been,
da hast Du ja etwas ganz bezauberndes geschrieben: 'Nähzeug, das sich in der Nähe befindet.' So wie Schreibzeug, das sich in der Schreibe befindet.
Ich stimme aber überhaupt nicht zu (GEGENSATZ!), daß 14 Uhr die langweiligste tageszeit ist. Da lief hier in Hamburg immer 'Musik für junge Leute', so mit Residents 'Mark of the mole' ganz durchgespielt, oder Tödliche Doris 'Wir tanzen im Viereck'. Am hellichten Nachmittag!
Mir fällt übrigens auch gerade eine westdeutsche Punkband ein, die mir schon damals unstimmig vorkam: 'Die Straßenjungs'. Die sahen doch nicht aus wie frisch gestylte Pogobrüder, sondern eher wie abgewrackte Sozialhilfeempfänger, verlauste Hippies, Schleppenträger von schmierigen Sudelkerlen wie Zeltinger. Und Bärte, Schnurr- und Voll-, hatten sie meiner Ansicht nach auch.

Edding Kaiser
10.04.2001, 15:57
Ja, hatten sie. Und zur Melodie von 'Let's have a party' sangen sie:
Wir nehmen unser Bier / und setzen uns vor's Haus / die Leute bleiben stehen / s'wird 'ne Strassenfete drauss / Wir ham 'ne Party...
Unstimmig, in der Tat.
(Beitrag wurde von Karlo Tobler am 10.04.2001 um 14:57 Uhr bearbeitet.)

Ruebenkraut
10.04.2001, 23:18
Die Strassenjungs-LP habe ich mir damals gekauft. habe beim Zivildienstlehrgang einen Frankfurter kenngelernt, der darauf stand. Die Platte habe ich dann selten gehört - und jetzt schmort sie in irgendeinem Umzugskarton. Die Beschreibung stimmt - das waren eben kein Mode-Punks (wie wir damals abfällig sagten), sondern echte Prolo-Punks.
(Beitrag wurde von Ruebenkraut am 10.04.2001 um 23:20 Uhr bearbeitet.)

been
11.04.2001, 02:40
Lieber Felix Kubinski,
Meine 14 Uhrs waren aber langweilig! Ich muss aber wohl zugeben, das ich immer nur beim autofahren Radio höre und fahren konnte ich mit 14 noch nicht. Ausserdem befand ich mich ja in Gummersbach, wo es kein Hamburger Radio gab. Damals wie heute.
Jetzt hab ich über mein eigenes Geschreybe gelacht. Wie peinlich. Das ist Deine Schuld.
Nähe, Schreibe, Flicke, Tischtennisse.

Felix Kubinski
11.04.2001, 04:42
Liebe been,
'Mut zur Peinlichkeit' ist mein Motto für das dritte Millenium. Hoch sollst Du leben. Ich möchte aber ergänzen, daß nur diejenigen süß peinlich sind, die nicht mit vollgepißter Hose den Neonazigruß machen. Ich treffe mich manchmal mit meinem Freund Asmus Tietchens, einem schrulligen Hamburger Atonal-Veteranen, und dann spielen wir uns - ich benutze jetzt ein peinliches Wort - peinliche Ergüsse unserer Jugend vor, 4-Spur-mäßig (ich bin allerdings immer noch mehr Jugendlicher als er). Also schmeisse ich jetzt auch eine relative Peinlichkeit aufs Parkett: ich habe einen alten Songtext meiner Teenagerband gefunden:
Songtitel: GEGENSÄTZE (denn darum geht es hier ja)
'Ich bin hier der König, ich hab hier das Sagen, ihr müßt alle folgen.
Ich bin der ganz Arme, ich hab nichts zu sagen, ich muß allen folgen'.
- 1983
Jetzt muß Modi-Tex wohl die Kiste dichtmachen, oder er macht ein Peinlich- oder Reinlichkeitsforum auf.
Moditex wäre übrigens ein guter Firmenname, zB für changierende indische Stoffe.

Felix Kubinski
11.04.2001, 04:49
Bevor Tex die Lady Embarrassing in die Tonne tritt, hier noch schnell ein peinlicher 'Straßenjungs'-Text:
'Wir liegen auf'm Rasen
und Du willst sofort blasen
kannst Du nicht'n bißchen rutschen
dann kann ich Dich auch lutschen -
ohhh, wir sind voll auf einer Welle:
wir machen's auf die Schnelle'
Das Peinliche daran ist, daß sich alles IMMER reimen muß. Extrem unpunkig.

Kaschmir von Elom Elom
12.04.2001, 01:41
Im heißen Frühsommer 1992 stand ich in Münster an der Ampel und wartete auf Punkergrün. Da stoppte neben mir ein Opel Rekord. Ein junger Mensch, der mir seltsam bekannt vorkam, fragte: 'Wo geht es denn zur Sputnikhalle?' Ich antwortete wahrheitsgemäß: 'Keine Ahnung.' Als das Hipstergefährt davonbrauste, dämmerte mir: Es war der Schlagzeuger der Hamburger Gruppe 'Blumfeld', der Rest der Band saß wohl im Fond.
Wie es der Zufall nun wollte, hatte ich im Sinn, Blumfeld am Abend in der mir unbekannten Sputnikhalle zu sehen. Meine Schwester wies mir den Weg.
Der Schlagzeuger von Blumfeld, angetan in einem Cowboyhemd, schaute kariert, als wir uns am Abend in der Sputnikhalle trafen. Das Konzert war mittel, aber damals waren Blumfeld ja noch mittel.

Klede
28.03.2003, 18:21
Lustig!

Klede
20.02.2004, 15:36
Habe heute in der FAZ gelesen, dass Blixa Bargeld die Geisterstimmen in "The Mummy" gesprochen hat, im Abspann steht: "Mummy Growling - Blixa Bargeld".

slowtiger
21.02.2004, 01:45
Vielen Dank fürs Wuchten - jetzt weiß ich, daß ich einst am selben Nachmittag wie Felix Kubin "Mark of the Mole" auf Cassette aufgenommen hab (Cassette kann auf Verlangen vorgezeigt werden). Da ich grad meine alten Tapes durchwühle, komme ich nicht umhin, dem NDR für sein damals wirklich hervorragendes Programm zu danken, vor allem eben der erwähnten "Musik für Junge Leute". Die Sendung mit dem größten Einfluß war aber sicher jene, in der Peter Urban The Flying Lizards "Fourth Wall" immer abwechselnd mit Renaldo & the Loaf "Songs for Swinging Larvae" gespielt hat. Die Fourth Wall suche ich seitdem vergebens zu kaufen, Hinweise werden dankbar entgegengenommen.

Marlon
21.02.2004, 16:43
Meine einzige Begegnung mit Blixa B. war an der Sushibar des Sapporo in Berlin. Er bestellte sehr entschlossen die große Auswahl, konzentrierte sich nur darauf, machte deutlich, nicht angesprochen werden zu wollen. Er wusste ganz eindeutig bestens über Sushi Bescheid, es war auch kurz nach der Halber-Mensch-Tour durch Japan. Fazit: Blixa B. kennt sich mit Sushiessen wesentlich besser aus als mit Konzerthallenfinden.