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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Pilcher, Rosamunde (On the Couch with Rosamunde Pilcher)



Throatwobbler
28.03.2001, 16:48
Schon wieder auf der Buchmesse, dieses Mal allerdings in höherem Auftrag unterwegs, um für ein relativ unbekanntes Internetmagazin einen noch relativer unbekannten (zumindest mir) Jung-Schriftsteller zu interviewen. Das Team, mit dem ich nun wichtig herumzog, bestand aus einer professionellen Kamerafrau, der man eine völlig unprofessionelle Kamera mit nur einem einzigen und darüber hinaus nur halbvollen Akku und einem beinahe defekten Mikrophon zur Verfügung gestellt hatte, und einem gelangweilten bis genervten Produzenten, der sich lieber mit anderen Leuten unterhielt, als den Set zu kontrollieren.
Um 13 Uhr hatten wir einen Termin am Rowohlt-Stand, um besagten Jung-Schriftsteller zu interviewen. Wir konnten ihn allerdings nirgends ausmachen, wobei Wir allerdings zu viele sind, denn eigentlich wußte nur der Produzent, wie er überhaupt aussieht, die Kamerafrau und ich kannten gerade mal seinen Namen seit ein Paar Tagen. Unser Produzent begann also, sich mit den Presseleuten des Rowohlt-Verlages in Verbindung zu setzen. Es schien aber, daß auch diese ihren Jung-Schriftsteller nicht kannten. Die Kamerafrau und ich setzten uns derweil an einen Tisch und unterhielten uns über unsere Studienerfahrungen. Ein Mann mit Brille stellte sich an den Tisch und fragte, ob er uns nicht erst einmal einen Kaffee anbieten könne, was wir ihm gestatteten. Als wir dann zu dritt um seinen Tisch saßen, sprach er uns endlich auf die Kamera an. Wir erzählten ihm, daß wir einen Interviewtermin mit einem Jung-Schriftsteller seines Verlages hätten. Er hatte diesen Namen noch nie gehört, konnte aber sein Laptop auf dem Tisch aufklappen und sich ins Netzwerk einloggen, wo er unsere Zielperson als bei seinem Verlag verlegt verifiziert fand. Wir scherzten noch ein wenig darüber, daß wir ja einen Bericht über diese Suche machen könnten, dann hatte der Herr mit Brille allerdings wieder Wichtigeres zu tun.
Unser Produzent versuchte den Presseleuten immer noch zu erklären, daß es bei ihnen diesen Jung-Schriftsteller gab. Die Antworten konnten wir nicht verstehen, wir sahen aber diverse Schultern zucken, verschiedene Handy-Telephonate geführt und weitere Kollegen herbeigerufen werden. Der Kaffee schmeckte fürchterlich, die Stühle waren unbequem, also beschlossen die Kamerafrau und ich, uns schon mal auf die Suche nach einer geeigneten Location für das Interview zu machen, falls es denn doch stattfinden sollte. Kaum hatten wir uns vom Tisch weggedreht, da sprang sie uns auch schon gewissermaßen entgegen: eine große rote Couch vor einem indirekt beleuchteten roten Hintergrund auf einem dezenten Podest. Ihre rote Erscheinung ließ alles um sie herum und auf ihr drauf unwichtig werden, sie zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Sofort rannte ich durch die Menschen und hüpfte auf sie drauf. Die Kamerafrau war ebenso entzückt wie ich und begann, ihr Stativ auseinander zu ziehen. Ich saß in der westlichen Ecke dieser Couch, legte lässig meinen linken Arm auf die Lehne und bot ihr genau die ruhige Sitzhaltung, die sie brauchte, um die Kamera einzurichten.
Kaum hatte ich mich jedoch auf der Couch akklimatisiert, wurde die Umgebung wieder eingeblendet. Ich nahm die Menschen wahr, die durch den Gang strömten und hatte das komische Gefühl, daß sie mich beobachteten. Nicht nur daß, einige blieben sogar stehen, zeigten mit dem Finger in meine Richtung und flüsterten sich zu. Ich war verblüfft, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie mich kannten. Und selbst wenn sie mich kannten, warum sie dann diese Reaktion zeigen sollten. Ein Mädchen setzte sogar ihren Rucksack ab, öffnete ihn, kramte ein wenig herum und holte eine Pocketkamera heraus. Dann machte sie ein Blitzlichtphoto von mir. Auch wenn ich sehr geschmeichelt war, so langsam wurde mir die Sache unangenehm. Was fanden sie nur an mir? Warum hatte ich diese Reaktion noch niemals vorher provoziert, besonders dann, als ich es tatsächlich darauf angelegt hatte? Sollte ich aufspringen und nach ihren Telephonnummern fragen?
Genau in diesem Moment berührten sich unsere Beckenknochen. Neben mir auf der Couch saß eine ältere Dame, die eine dezente Konversation mit einer beinahe vor ihr knieenden Frau unterhielt. Sie trug ein dunkles Strickkleid mit einer dazu passenden Jacke und eine große Brosche. Meine ausladende Sitzhaltung, die zur Berührung unserer Körper geführt hatte, konnte sie in kultivierter Weise aushalten beziehungsweise ignorieren. Eine sehr nette alte Dame, dachte ich, und sah dabei an ihrem Kopf vorbei an die Wand des Rowohlt-Standes, die mit den Büchern einer einzigen Autorin geschmückt war. Mittendrin war ein großes Plakat, von dem mich die alte Dame neben mir anlächelte. Darunter stand in großer serifenloser Schrift ³Rosamunde Pilcherã. Ich blieb noch drei Sekunden sitzen auf ihrer Couch, ordnete für mich die Situation und erhob mich dann sehr sachte, um die Sitzfläche der Couch nicht zum Schaukeln zu bringen, so daß sie vielleicht mit ihrem Knie unter das Kinn der vor ihr knieenden Frau geschlagen hätte. Das hätte ich nicht gewollt.

Ruebenkraut
28.03.2001, 17:35
Lieber Throatwobbler, das scheint ja irgendwie dein Markenzeichen zu sein: Beim Termin mit einem Literaten von eben diesem versetzt zu werden (siehe Günter Grass). Hier immerhin gemildert durch das Schenkeldrücken mit Rosamunde.

Tex Rubinowitz
28.03.2001, 18:19
Was mich wundert, ist, dass Dir gar nicht aufgefallen ist, dass da jemand neben Dir saß.
Ist die denn so..ä..transparent?
Und wie hiess der Nachwuchsschriftsteller? Das müssen wir jetzt auch noch wissen. Bitte nicht Stuckrad-Dingsbums

Throatwobbler
28.03.2001, 18:28
Mir ist tatsächlich zuerst nicht aufgefallen, daß sie schon dort saß. Ich war so angetan von der roten Couch, daß ich sie erst einmal für unser Interview besetzen wollte.
Der Jung-Schriftsteller hieß Thor Kunkel, ich glaube, er ist eigentlich schon älter, aber im deutschen Literaturbetrieb ist ja alles, was U45 ist, Nachwuchskader.

Ruebenkraut
28.03.2001, 20:17
Thor Kunkel ist echt noch jung: 36 oder so.
Hat bereits vier Romane geschrieben.
Wer ihn trifft, dürfte mit Fug hier eine Geschichte erzählen. Schließlich kennt auch nicht jeder Hopkinson Smith.

Throatwobbler
28.03.2001, 23:59
Ich habe Thor Kunkel dann noch getroffen (also darf ich hier auch Geschichten erzählen). Er hat uns nicht versetzt, sondern sein Taxi steckte im Stau.