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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Falco, Tav



anko
20.03.2001, 18:56
meine 80er jahre zeichnen sich dadurch aus, dass ich sie phasenweise verdaemmerte. daher habe ich an bestimmte ereignisse nur ungenaue erinnerungen. dieses gehoert dazu.
eines tages also fragte mich freund tex, ob ich nicht einen ihm (und einer eingeschworenen fangruppe) bekannten us-amerikanischen popmusiker beherbergen koenne. er sei in wien und bleibe erst mal in wien und muesse wo wohnen.
da ich eine fuer einen allein wohnenden menschen sehr grosse wohnung in wien besass (140 qm), willigte ich ein und meinte: 'soll kommen. kann wohnen.'
und er kam. legte sein haupt auf eine meiner matratzen - und ging nicht wieder weg. wer mich kennt weiss, dass ich eher hoeflich bin und wenig draengend, dass man mir zusetzen kann, indem man von mir verlangt, jemanden 'mal ordentlich die meinung' zu sagen usf.
mein gast zeichnete sich nicht nur dadurch aus, dass er wochenlang blieb und ich mich wg besetztseins meiner wohnung kaum mehr nach hause wagte und auswaerts naechtigte, nein, nicht nur dadurch, sondern auch durch den unmaessigen konsum von vitamin-pillen. die haben bekanntlich den nachteil, dass man eigenartig zu riechen beginnt. nach, nach - eben, nach zu vielen bunten pillen mit eigenartigen namen. die ganze wohnung roch danach. noch ein grund, nicht mehr nach hause zu gehen und mich mit dem gedanken anzufreunden, dass nur mehr die kuendigung des mietvertrags das problem loesen koenne.
als ich kurz vor weihnachten doch noch einmal nach hause ging, um was zu holen, traf ich nicht nur auf den gast, sondern auch noch auf dessen mutter - eine dicke dame, die es sich auf meiner couch gemuetlich gemacht hatte und mich gross ansah, als ich ueber ihre ausgestreckten beine stieg.
DA schritt ich zur tat uns sagte: 'ich fuerchte, das geht jetzt nicht mehr.' und tatsaechlich. eine woche spaeter war tav falco verschwunden - irgendwo habe ich noch ein paar zeilen, in denen sich der popsaenger bei mir bedankt. ob ich auch im besitz einer CD von ihm bin, habe ich vergessen.
so long, anko

(Beitrag wurde von anko am 20.03.2001 um 17:58 Uhr bearbeitet.)

Angelika Maisch
21.03.2001, 02:05
Lieber Anko, auch dies eine wundersame Geschichte, die einen das Staunen lehrt. Insgesamt häufen sich gerade die seltsamen Begegnungen in diesem Haus. Da ist zum einen die Geschichte von Tex über den Sechzigerjahremissionar. Dann wird im Angelika Milster Strang von einer Verfolgung durch Prominente berichtet. Und nun das. Ein Erdenbürger wird ums Haar zum Obdachlosen, weil ein Prominenter seine Wohnung besetzt.
Ein merkwürdiges Licht, in welchem die Berühmtheiten da aufzuschimmern beginnen, unter der dämmerigen Laterne dieses Forums.

Wilfried Wieser
21.03.2001, 03:19
anko hier beinahe: der zu höfliche Paparazzo.

Tex Rubinowitz
21.03.2001, 15:31
Wordtrack zu dieser Geschichte wäre 'Bartleby', ein Büchlein von Herman Melville. Handelt von einem Mann, der nicht mehr weggehen will, nichts mehr tun will, bis alle um ihn herum resignierend verschwinden. Eines der besten Bücher, die je höfliche Beharrlichkeit dargestellt haben, und die Kapitulation davor. Ich kenne andererseits auch kein anderes. Des Autors Ruf fusst allerdings auf einem fetten Wal.
Tav Falco hat auch mal bei mir gewohnt, in Bernds Zimmer (siehe Strang 'Bernd und das Zimmer'), ich weiss aber nicht, ob vor oder nach Anko. Er wohnte insgesammt sehr lang in Wien, wurde quasi immer weiter herumgereicht, bis es der Gastgeber irgendwie höflich unhöflich geschafft hatte, ihn zu entsorgen. Mir signierte er zumindest eine LP, die ich mir auf sein Geheiss hin kaufen sollte, mit:
For my 'friend' Tex - a gentleman, an artist, AND a real humanitarian.
Ich weiss nicht, warum er den Freund in ironieanzeigende Gänsefüsschen gesetzt hat.
Wegen meiner ihn abschiebenden höflichen Unhöflichkeit wohl.
(Beitrag wurde von Tex Rubinowitz am 21.03.2001 um 22:20 Uhr bearbeitet.)

anko
21.03.2001, 16:22
tex, koenntest du hier noch ein paar details beisteuern, wie der kontakt zu herrn falco ueberhaupt zustande kam? mir sagten sein name und seine brennenden panther ja nichts - eigentlich bis heute nicht. auch war ich damals nicht der meinung, eine beruehmtheit beherbergt zu haben, was mir eine konstante zu sein scheint: die besten geschichten erlebt man im zustand der absoluten naivitaet. daher auch im alter schwerer zu bekommen.
so long, anko

oli
21.03.2001, 16:53
dass alter vor naivität schützen soll, habe ich bislang noch nicht mitbekommen. wie alt muss man da denn werden?
oli

Tex Rubinowitz
21.03.2001, 18:20
Naja, wie oder von wem mir dieser kleine Mann, der übrigens wie Charlie Chaplin aussieht, untergeschoben wurde, weiss ich auch nicht mehr. Ich weiss nur, dass seine dauernde Anwesenheit beklemmend war, noch dazu war das ein sehr heisser Sommer, er war ununterbrochen im Zimmer, bei geschlossenen Fenstern und Tür, wegen seiner panischen Angst vor Fliegen, einmal kam eine Fliege rein, und er ist ihr schreiend mit einem Handtuch hinterhergelaufen, um sie totzuschlagen.
Einmal war ich auch mit ihm in einem Lokal, er trank aber nur Orangensaft, und sprach sehr leise, eine vernünftige Kommunikationsebene konnte so nicht entstehen.
Die zahllosen Orangensäfte musste ich übrigens zahlen, er redete sich immer darauf aus, dass er demnächst viel Geld durch den Verkauf einer Harley Davidson bekäme, die er sich angeblich aus Amerika hat nachschicken lassen. Mein Englisch oder meine hitzebedigte Lethargie reichten nicht aus, um ihn zu fragen, warum er das Verkaufen nicht in Amerika macht, um sich die Transportkosten zu ersparen.
Erinnert an Herrn Kloßen, einer Romangestalt aus Eckhard Henscheids epochalem Roman 'Die Vollidioten', der sich immer Beträge wie 13 Mark 50 beim Hauptprotagonisten und anderen auslieh und sie vertröstete auf einen 'Großkredit aus Stuttgart'
Zu seiner (TFs) musikalischen Wichtigkeit, die mir schon bewusst war, könnte Walter Gröbchen sicher etwas beisteuern, aber ich fürchte, ich hab ihn jetzt endgültig vertrieben aus diesen Hallen.
Neben den Gruppen Cramps und Gun Club macht
(e) er so eine Art Psychobilly in Cajuntradition, das ist die Musik, die aus den Sümpfen Louisianas kommt. Irgendwas in der Art.
Die brennenden Panther, das war seine Band 'Tav Falco and the Panther Burns', die war schon längst wieder abgereist, und bezieht sich auf eine Südstaatentradition, Panther zu jagen und sie abzufackeln.
Tav ist übrigens eine Kurzform vom italienischen Gustavo, weil einer seiner Vorfahren italienischen Ursprungs war. Er heisst aber irgendwie anglisch unglamourös Roger, oder so.
Das ist das einzige, was haften geblieben ist vom Orangensaftabend, währendessen ich immer mehr alkoholbeding zusammensackte und er gesünder und gesünder wurde.
Viel später habe ich erfahren, dass die Fliege ein biblisches Symbol für den Antichristen ist. Besonders gläubig kam er mir aber nicht vor, ungläubig aber auch nicht, er versteckte sich ja immer im Zimmer.


(Beitrag wurde von Tex Rubinowitz am 21.03.2001 um 23:48 Uhr bearbeitet.)

Truthahn
21.03.2001, 18:25
Diese sehr amuesante Geschichte von anko, die mehr ueber ihn sagt als ueber sonstige, erinnert mich an die Zeiten, da Wohnungen und Haeuser offen waren, weil die Bewohner nicht nur Privateigentum, sondern auch Privatsphaere irgendwie obskur fanden. In meinem WG-Haus wohnten zahlreiche Leute, aus denen gewiss manchmal Promis wurden, aber weiss man es? Viele blieben lang, assen und tranken, machten Musik und verschwanden unbemerkt. Einige liessen Koffer mit Schmutzwaesche zurueck, andere nahmen Koffer voller Gebrauchsgegenstaende mit. Alle hinterliessen erstaunliche Telefonrechnungen.
Das wollte ich mal erzaehlen, auch in Gedanken an die Nachgeborenen (heute gibt es nur noch selten Haeuser ohne Tuerschloss, soweit ich sehe).
Seht mir die Abschweifung nach!
(Beitrag wurde von Truthahn am 21.03.2001 um 17:36 Uhr bearbeitet.)

Tex Rubinowitz
22.03.2001, 11:18
Er hat nicht mal telefoniert, auch nichts gegessen, nichts Lebenserhaltendes gemacht. Vielleicht hat er sich in der Nacht rausgeschlichen und Menschen erwürgt

Walter Groebchen
22.03.2001, 11:52
Ich lustwandle in diesen Hallen, ungebrochen.
Zu Tav Falco kann ich nicht allzuviel beisteuern; seine Musik hat Ostermayer, Duller usw. mehr beschäftigt, wie mir schien, aber auch das nur kurze Zeit. In Erinerung geblieben sind mir jedenfalls ein paar tolle trashige 7'-Plattenhüllen ('Panther Burns').
Nur soviel: Tav saß nicht nur bei Tex daheim rum wie ein Stalaktit, sondern auch in der 'MusicBox'-Redaktion im Rundfunkgebäude in der Argentinierstrasse. Ein menschgewordenes Möbelstück, oder vice versa. Kein Mensch wußte so recht, was der Mann da machte oder wollte oder auch nicht, er schien ständig auf irgendetwas oder irgendwen zu warten. Meist auf Werner Geier. Der verdrehte immer die Augen, wenn er dann Tav sah. Später saß letzterer - eine biblische Mahnung in menschlicher Gestalt? - in der benachbarten Religions-Redaktion rum; ein Ausweichmanöver? Es muß ihm wohl auch auf die Nerven gegangen sein, daß ihn Unwissende gelegentlich mit dem Austro-Falco verwechselten, natürlich nur bei oberflächlicher Namensnennung.
Im U4 ist Tav Falco auch aufgetreten.
Weiß jemand, was aus dem Mann geworden ist? Er hätte einen guten Schauspieler abgegeben, z.B. in einer Neuverfilmung von 'Die Fliege'.

Tav Falco
01.08.2001, 10:36
Dear Tex Rubinowitz and Anko,
Sorry, but my understanding of German language has eroded since I left Vienna in 1997. Let me say that my experience living in Vienna for four years was one of the most rewarding, enlightening, and fulfilling periods of my life. That experience and the friendships I made in Vienna I value above all else, and I am grateful for those friendships and for those friends who invited me into their homes... however naieve I may have been. If it gives you pleasure to ridicule me now, I guess this small pleasure is all that I can give you in return. But if you must hurt me in your discussions... I can assure you that in reality you are only hurting yourselves.
Yours sincerely,
~tav falco
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Address remarks to Tex Rubinowitz and Anko re: my experience and my friendships in Vienna.
~tav falco

Reverend Tex
01.08.2001, 11:38
Au Backe, ich kann kein englisch, kann ihm bitte jemand in meinem Namen schreiben:
'Lieber Tav, das ist alles nicht als Verletzung gemeint, wir haben uns alle nur gewundert in Wien über Sie, wir fanden Sie interessant, aber eher seltsam, wie die Roman-Figur BARTLEBY in Herman Melvilles gleichnamigem Roman über einen Büroangestelten, der sich eines Tages schlicht weigert, so zu funktionieren, wie das die Gesellschaft von ihm erwartet. Eine sehr eigenwillige Person. Aber letztlich sind wir alle Bartlebys, mit mehr oder weniger Willen.'
Viele Grüsse und alles Gute
Tex Rubinowitz und Dr Christian Ankowitsch
(Beitrag wurde von Reverend Tex am 01.08.2001 um 10:39 Uhr bearbeitet.)

Sabeta
24.08.2002, 16:53
das hier muss mal wieder ans tageslicht.

BockII
22.02.2004, 14:31
Ich traf im Kölner Hbf zufälligerweise einen alten Bekannten, der Schringo heißt. Er schleppte einen kleinen Koffer und eine Gitarre. Offensichtlich handelte es sich um das Gepäck eines extrem coolen Pärchens in seiner Begleitung. Schringo stellte uns vor: Tav Falco und eine Dame, deren Namen ich leider nicht verstand. Beide kauten Gummis, trugen dunkle Sonnenbrillen und vermieden es irgendjemand ins Gesicht zu schauen.
Schringo drückte mir den Koffer in die Hand und wir eskortierten die Gäste zum Zug. Besonders prägte sich mir die Geste des Abschieds ein, mit der Herr Falco meinem Bekannten ein Geldstück zum Dank zusteckte. Sie war ironisch aber doch herabsetzend.
Nie wieder stieß ich auf den Namen Tav Falco, bis ich diesen Strang las. Und da fällt es mir wieder ein. Es war der Zug nach Wien.

Alberto Balsam
26.04.2010, 23:33
funny, am 14. Mai leg ich mit Tav Falco Platten auf in der Tanzbar Gerard (http://www.gerard-tanzbar.at/), vielleicht kommt ja Schringo auch (Posting 14)

BockII
27.04.2010, 10:46
Ja, am besten mit Band: Ganz in Rosen. (http://www.adamriese.info/wmrosen.htm)

Alberto Balsam
27.04.2010, 11:46
Peter Grammatikoff sieht eh so aus wie ich, und das mit seinem Alter kommt auch irgendwie hin

Alberto Balsam
31.12.2010, 17:52
Frohs Neus von Tav, dem Mann der aussieht wie eine Eule, die ein zu dickes Ei gelegt hat, und froh ist, dass sie es endlich hinter sich hat

BockII
31.12.2010, 22:13
Kein Wunder. Nach einer ordentlichen Portion Frikadellenbruch mit Käsemantel sieht man wohl so aus.

kat-o
01.01.2011, 01:54
Oder nach zu vielen Tischknallern mit englischen, französischen und deutschen Deppensprüchen. Hicks. Froh's Neu's oder wie es nochmal hieß. Jedenfalls, ihr wisst schon.