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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kohl, Helmut (Die Kohls winken mir zu. Beide! Zweimal!)



Heiko Fischer
15.03.2001, 21:24
Die Kohls winken mir zu (beide! zweimal!), - dann trete ich aus dem Musikverein aus. Also. Ich war so ungefaehr fuenfzehn und ein arger Rebell. Mit der Sexualitaet erwacht ja bekanntlich auch das politische Bewusstsein (so war das zumindest bei mir) und damals hat sich das dann so geaeusert, dass ich mich eben ganz gerne ālinksā und in jedem fall in schaerfster Opposition zum regierenden Bundeskanzler Helmut Kohl sah. Seinen Namen sprach ich nur zur Not und dann veraechtlich aus, auch viel es mir leicht alles was ich Īrechterā als meinen Standpunkt waehnte mit jugendlicher Arroganz und scharfen Worten vom Tisch zu schmaehen. Ich trug eine alte Motorradjacke mit angestecktem roten Stern und eine Īproletarischeā Muetze, das konnte man Ende der achziger als Jugendlicher durchaus bringen, zumindest in der Provinz bei Stuttgart, und trotzdem oder gerade deswegen einigermassen hip sein.
Nun war ich Mitglied im Musikverein meines Ortes. Ich war da irgendwie so reingeraten und hatte eigentlich auch einigermassen Spass am Spielen meines Instrumentes: Waldhorn in es-Dur. Die Leute waren ganz akzeptabel, aber, wie das mit Musikvereinen so zu sein scheint (zumindest in Sueddeutschland), doch eher ziemlich konservativ und reaktionaer, auch die juengeren. Wir kamen aber ganz gut klar- so radikalisiert war ich ja auch wieder nicht und in dem Alter sind das ja eben auch so Posen, die man ausprobiert. Ich habā bloss immer gemault, wenn ich Samstagnachmittags in irgendeinem Kaff in irgendeinem Bierzelt sitzen musste, war aber zweites von vier Hoernern und doch irgendwie stolz und eitel wegen meiner ĪFast-Unverzichtbarkeitā.
Es nahte das ĪBundesmusikfestā und es war klar, dass ich mit musste. Beim Bundesmusikfest blasen alle Kapellen aus dem ganzen Bundesgebiet, die was auf sich halten um die Wette. Es gibt vier Kategorien, glaube ich: super, gut, akzeptabel, nicht so toll. Wir waren immer Īsuperā, was wirklich eine Leistung ist und auch dieses Jahr sollte es das begehrte Zertifikat geben. Mir hatte schon vorher vor dem Wochenende gegraust, weil ich zu Recht annahm die ganze Sache wuerde sich als Ībocklangweiligā herausstellen und definitiv am falschen Ende des politischen Spektrums stattfinden. Ich will es kurz machen: ich hatte recht.
Der Hoehepunkt des Bundesmusikfestes jedoch, das in jenem Jahr in Trier stattfand war dann, dass sich alle Kapellen in einem Stadium (!) trafen wo die Kohls (!!) mit dem Hubschrauber einflogen um sich anzuhoeren wie die jetzt gebildete Riesenkapelle die Nationalhymne(!!!) spielte. Wie mir dies gegen den Strich ging brauche ich wohl nicht weiter zu erklaeren und ich konnnte nicht anders als mich an den Nuernberger Parteitag erinnert fuehlen: doch da stand ich, in meiner Uniform, mit meinem Waldhorn und musste mitspielen im warsten Sinne des Wortes. Ich war milde gesagt beschaemt.
Der Plan war, dass anschliessend, einer ausgekluegelten Choreographie folgend alle Vereine aus dem Stadium hinaus, durch die Stadt und zu einem anderen Stadium marschierten. Ich war schlecht im marschieren und es hatte zuvor auch nicht genuegend Gelegenheit zum Training gegeben. Was die Sache noch erschwerte waren weisse Baumwollhandschuhe, als Teil unserere etwas siebzigerjahremaessigen Uniform, die erwiesen sich als gar nicht griffig auf dem Messing meines Instruments. Ich fand mich also bald nach Abmarsch ungefaehr einen halben Meter hinter der Reihe in der mein Platz war, kaempfte mit meinem Notenhalter, der an meinem Instrument angeschraubt war versuchte selbiges am Īmir-durch-die-Finger-gleitenā zu hindern und wenigsten nicht off-beat hinterher zu humpeln. Klar, dass so einer auffaellt. Und prompt...
Wir sind irgendwo in der Mitte von Trier, die Strassen sind gesaeumt von Menschenmengen, ich kaempfe mit gerade beschriebenen Widrigkeiten, als ich aufblicke und mich auf gleicher Hoehe mit einer hoelzernen Tribuene wiederfinde. Und auf dieser Tribuene, keine drei Meter von mir entfernt, etwas erhoeht aber: das Ehepaar Kohl. Sie strahlt mich an und winkt mir huldvoll zu, er laechelt onkelhaft-milde und nickt. Ich bin erst zu Tode erschrocken und fuehlte mich tief gedemuetigt sobald ich mich an meinen Teenagerstolz wiedererinnert hatte.
Das war schon ziemlich hart: direkt von den Kohls wahrgenommen werden und unfreiwilligerweise auch noch eine Reaktion, ja einen Gruss!, zu provozieren. Aber das war noch nicht alles.
Nachdem der ganze Zauber vorbei war und wir unser Zertifikat ausgehaendigt bekommen hatten, stieg unser Verein in den angemieteten Bus um wieder gen Stuttgart zu duesen. Man hatte aber vor vorher noch einzukehren und hatte in einem ĪLandgasthofā entsprechend reserviert. Der Gasthof lag inmitten praechtiger Weinberge, es gab einen Blick auf die (mir ist der Name des Flusses entfallen), alles prospektmaessig ueppig.Dort angekommen stellten wir fest, dass ausser drei Streifenwagen mit lungerenden Beamten, sowie zwei schwarzen, verdaechtig gepanzert aussehenden Limousinen keine anderen Autos auf dem Gaesteparkplatz geparkt waren. Und sofort nach betreten des Lokal wurden wir aufgeklaert: Kohl isst im selben Etablissement! Die Bedienungen waren alle extranervoes und obwohl wir in einem anderen Saal zu Mittag assen glaubte ich die sonnenkoenigartige Praesenz des Staatsoberhauptes durch die Waende spueren zu koennen.
Nach dem Essen entschlossen zwei Mitmusikanten und ich uns etwas die Beine zu vertreten und ein paar Zigaretten zu rauchen. Wir standen also so fuenfzehn Meter vom Eingang entfernt in der von Blumenbeeten gesaeumten Auffahrt. Und dann geschah es wieder:
Eine der Limousinen faehrt vor. Ein Typ im Anzug kommt aus dem Gasthof, oeffnet die Wagentuer und das Ehepaar Kohl tritt aus dem Haus. Sie ist bei ihm untergehakt. Er blickt sich um (vielleicht in Erwartung von Menschenmengen), entdeckt uns auf der anderen Seite der Einfahrt, laechelt onkelhaft und sagt: ćgāten tachä . Sie laechelt tantig. Beide steigen ein und fahren an uns vorbei wieder hinaus auf die weltpolitische Buehne.
Das ist dann echt too much. Die anderen beiden sind ausser sich vor Begeisterung, mir ist es mehr als nur ein bisschen peinlich. Ich bin ziemlich durch nach diesem Wochenende und entscheide mich auch kurz darauf aus dem Musikverein auszutreten.

Heute denke ich natuerlich mit Vergnuegen an diese Anekdote und gebe sie gerne zum besten.

Tex Rubinowitz
15.03.2001, 21:40
Eine lange Geschichte.
Danke.
Hübsch finde ich, dass Du Dir eingebildet hast, den Wendekanzler durch die Wände gespürt zu haben.

Heiko Fischer
16.03.2001, 15:22
aber ich habe ihn gespuert, ganz gewiss!
sorry, uebrigens. ich haette den beitrag wahrscheinlich unter den Kohl-Strang kleben sollen.
den hab ich jetzt entdeckt. ich kann bestatetigen, dass Kohl tatsaechlich RIESIG ist. auch scheint das unterhaken etwas zu sein, das die Kohls gerne und legelmaessig praktizieren wenn sie zusammen gemessenen schrittes schlendern bzw. vom tisch zu limousine gehen. und seine frau hannelore hatte so eine dumme frisur. unglaublich.

le_reptile
16.03.2001, 16:16
...von ihm ganz zu schweigen.

Heiko Fischer
16.03.2001, 16:24
wohl wahr. aber seine frisur schrie nicht nach aufmerksamkeit, sondern kann ganz locker uebersehehn und ignoriert werden. es handelt sich um die 0815 frisur der herren, die 'es zu was gebracht haben'. vom mittelstaendischen unternehmer bis hinauf zum budeskanzler:
patriarchenhaartracht- kein schlechtes wort

Tex Rubinowitz
16.03.2001, 17:14
Helmut Kohl hat doch keine Frisur. Der hat doch nur Haare

Heiko Fischer
16.03.2001, 17:55
kann man so sehen. und wahrscheinlich immer weniger, weil er sich dieselben immer raufen musste wegen all den affaeren und abrechnungen und soweiter.
aber nein, was red' ich: jeder weiss doch das Helmut 'der Elefant' Kohl fuer seine dickhaeutigkeit beruehmt ist und dass die lage die ihn zum 'haare raufen' bringen wuerde eine rein fiktive sein muss.
vorschlaege hierfuer?