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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jürgens, Udo (in New York)



HopSingh
02.03.2001, 15:34
Zusammen mit einem Freund war ich im Oktober 1996 zum Indian Summer erst in New York und spaeter Richtung Boston.
Es war ein milder Herbst-Nachmittag. Ermuedet vom shoppen in Soho und East Village lagen wir im ausgetrockneten Brunnen am Washington Square (ich glaube so hiess er: mit einem Siegestor irgendwo mittendrauf, nicht weit von der Uni), liessen uns von der milden Sonne waermen und lauschten den Klaengen eines anscheinend Wohnungslosen, der, auf einem Maeuerchen sitzend, etwas unmotiviert zwischen verschiedenen Melodien und Rhythmen (Soul, Gospel, Raggae, Blues und so) auf seiner Gitarre, nicht weit von uns entfernt, seiner Kreativitaet zu mittelmaessigem Ausdruck verhalf. Wir sahen ihn nicht, zum einen, weil wir Richtung Sonne, also nach schraeg oben, unsere Gesichter gewandt hatten, zum anderen aber auch, weil unsere Augen, entsprechend unserem Muedigkeitsgrad, geschlossen waren. Meine Gedanken schweiften ab, die vielen Ereignisse der vergangene Tage, die vielen Eindruecke, all das beschaeftigte mich, und meinem Freund neben mir ging es wohl aehnlich.
Fast zeitgleich jedoch oeffneten wir unsere Augen und blickten uns an: Diese Musik, die bislang fast unbeachtet hinter uns plaetscherte, erhielt ploetzlich Ausdruck und fing unsere Aufmerksamkeit ein. Welche Intuition war in den bislang gelangweilten Spieler geraten? Wir hoerten auch eine Gesangs-Stimme, es wurde temperamtenvoller, wir waren von der Musik ploetzlich gebannt. Wir drehten uns aus unserer bequemen Sonnenanbetungsposition (ruecklings) in die Spaeherposition (baeuchlings), um einen Blick auf das Musikensemble hinter uns zu erlangen: Der Gitarrenspieler war der selbe, doch neben ihm auf dem Maeuerchen sass Udo Juergens. Die zwei waren in einer Session, in der sie ihre gemeinsame Liebe zur Musik entwickelten, mit ihr spielten und sich auf unglaublich kreative Weise gegenseitig befruchteten. Sie hatten sichtlich grossen Spass dabei. Es war schoen zu beobachten, wie zwei Menschen Ausdruck eines Synergie-Effektes werden. Und es war doppelt schoen anzusehen, weil einer von den beiden es sichtlich genoss, irgendwo zu sein, wo ihn niemand kannte, wo er wieder ganz normal seiner Liebe zur Musik im improvisierten Spiel Ausdruck geben konnte, zusammen mit einem anderen Musikliebhaber, der ihn NUR wegen seiner Musikalitaet, und nicht wegen seines Namens achtete und sich mit ihm in der Musik vereinigte. Udo Juergens beeindruckte nicht nur durch sein Musiktalent (Erfolg in der Musikbranche besagt ja bekanntlich wenig ueber Musiktalent), sondern eben auch durch seine Down-to-Earth-Haltung: Er macht eben nicht nur mit Profis im Studio Musik, sondern auch mit 'Hippies' auf der Strasse.
Wir genossen das kleine Konzert, und wir waren nicht die einzigen: Ein paar Skater, ein paar Studenten, auch ein aelterer Herr schlossen sich der losen Publikums-Struktur an. Aber ich glaube, wir waren die einzigen, die Udo Juergens erkannten.
Ohne uns als Kenner seiner Person zu outen, sind wir dann irgendwann weiter. Ich kenn' da noch eine tolle mexikanische Bar in der Naehe, wo es leckere Cocktails gibt, genau richtig fuer einen vertraeumten Nachmittag in New York...
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(Beitrag wurde von HopSingh am 02.03.2001 um 15:00 Uhr bearbeitet.)
(Beitrag wurde von HopSingh am 02.03.2001 um 15:05 Uhr bearbeitet.)
(Beitrag wurde von HopSingh am 02.03.2001 um 16:45 Uhr bearbeitet.)

Angelika Maisch
02.03.2001, 16:39
Lieber Hopsingh, who ever you are, diese Geschichte ist bezaubernd. Sage ich jetzt mal, obwohl ich nicht der Vorsitzende des Udo Jürgens Fan-club bin. Aber manchmal und das ist ja ganz was arges, muß man es sich gefallen lassen, ein Vorurteil zur Disposition zu stellen. Ich sag nur: Karajan.
Dies hier ist ein minder schwerer Fall.

elle otto
02.03.2001, 17:18
Obigem Kommentar moechte ich mich gerne anschliessen, besonders was die Freude ueber die Geschichte an sich betrifft.
Und doch hat sie auch etwas Bedrohliches, wenn sie zeigt, dass man noch nicht einmal mehr in den Strassen New Yorks sicher ist vor dem ungenierten und anscheinend leider nie ganz ausgelebten musikalischen Mitteilungsdrang solcherart Kuenstler aus Eurovisionslanden.
Ich will das lieber nicht zu Ende denken.

(Beitrag wurde von elle otto am 02.03.2001 um 16:40 Uhr bearbeitet.)

Andrea Maria
02.03.2001, 18:00
Ja wirklich, eine sehr ergreifende Geschichte, die zeigt, dass sich Österreicher im Ausland stets besser benehmen als im Inland. Udo Jürgens heisst in Wirklichkeit Jürgen Bockelmann. (Falls das jemand noch nicht wusste.)

elle otto
02.03.2001, 18:38
.. und studierte in Wien Dirigieren bei einem der seinerzeit gefragtesten Lehrer in diesem Fache, Hans Swarowski, wie u.a. auch Zubin Mehta und Claudio Abbado.
Aber das macht alles noch viel 'ergreifender'.
(Beitrag wurde von elle otto am 02.03.2001 um 17:39 Uhr bearbeitet.)

Phettberg
02.03.2001, 20:24
Ich glaube das Geheimnis Udo Jürgens ist seine Lust an der Askese. Dadurch ist er an Nachmittagen dann nicht müde. So wie eben auch Kardinäle die ältest werdende Berufsgruppe der Erde ist. Oder denken wir an den großen Musiker Erwin Berlin der über 100 wurde. Oh könnte ich zur Askese zurückkehren! Ein halber Golden Delicious am Nachmittag als Nachtmahl und ein bisschen Leinsamenbrot. Übrigens HopSingh soll der Koch der Bonanza-Ranch gewesen sein, hab ich aber auch bis vor einer Viertelstunde nicht gewusst, liebe Maisch. Ein Golden Delicious den der HopSingh verschmitzt aus der Hose zieht, auf der Schürze abwischt, und mit einem Kräftigen Ruck halbiert. Eine Hälfte für sich und eine für mich... Einsam am Freitag Abend.

Walter Groebchen
05.03.2001, 02:16
En gammal men framgŒngsrik stämningshöjare som aldrig blir inaktuell! Kom ihŒg - nästa gŒng kanske du fŒr bära hatten!
http://come.to/hatten

Andrea Maria
05.03.2001, 09:53
Hatten är din, hatten är min, nu ska vi hjälper lille Walter lärar sig svensk! Hej hop!
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OProfPap. Andrea Maria Dusl
Meisterklasse für politischen Paparazzismus

Berndti
15.07.2001, 22:09
Was man bei Udo nicht vergessen sollte, ist seine Kärntner Heimat. Er selbst hat mir davon erzählt, weil ich im Rahmen meiner Recherchen entdeckt habe, dass sowohl sein 'Onkel Reinhold' wie auch der Mann, in dessen Cafe Udo zum ersten Mal auftrat, in der engen Gruppe um Odilo Globocnik gewesen waren, jenes Mannes, der in Lublin im Zweiten Weltkrieg die Vernichtungslager betrieben hat. All das ist nachzulesen in meinem Buch 'Visitation der Vernichtung', erhältlich u.a. bei amazon.de für DM 23.50. Wer Udos interessante und nette Persönlichkeit verstehen will, muß den Kontrast sehen, den dieser gruselige Hintergrund bildet.
Berndt Rieger
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Andrea Maria
15.07.2001, 22:14
Geschätzter Berndt, hier in diesem Forum herrschen raue Sitten, da musst Du aufpassen, dass Du nicht verposert wirst. Werbung für ein Buch, sowas! Buchhändler und Literaten fristen hier traditionellerweise ein, von Kontroversen begleitetes, nicht unverhängnisvolles Dasein.
(Beitrag wurde von Andrea Maria am 16.07.2001 um 10:04 Uhr bearbeitet.)

Angelika Maisch
15.07.2001, 22:53
Verhängnisvoll ist etwas stark, Herr Rieger.
sagen wir mal- kontrovers. Aber schön diesen Strang mal wieder zu sehen, in dem Hermes noch mitgemacht hat und Elle Otto.

Andrea Maria
16.07.2001, 11:07
Wenn ihr wüsstet, wieviele Leute Hermes höflich paparazziert hat! Er ist sicher der König des höflichen Paparazzierens. Und er würde sich eher die Zunge abbeissen, als hier damit anzugeben.
Ach Hermes, wir vermissen Dich!
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OProfPap. Andrea Maria Dusl
Meisterklasse für politischen Paparazzismus

klak
08.01.2002, 15:04
ich hab udo jürgens auch mal gesehen. er kam in velden am wörthersee aus einem hotel und schlenderte die strasse entlang, wo er schließlich in der menschenmasse verschwand. mir fiel der schluss vom "schweigen der lämmer" ein; da verschwindet hannibal lecter auch langsam in der menschenmasse, wie udo jürgens eines tages in velden, als ich - weiß der teufel warum - zufällig zur stelle war.

Christopher Wurmdobler
12.03.2002, 21:49
udo jürgens sscheint noch echte zähne zu haben. meine freunin tina rief mich gestern aus einer filiale der drogeriemarktkette "dm" an, um mir zu berichten, dass soeben udo jürgens 6 (!) tuben colgate zahncreme und ein herrenpflegeprodukt von nivea gekauft hat.

DerCaptain
14.03.2002, 11:17
Ein "Herrenpflegeprodukt von nivew"?!?

Meine Herren. Dem scheints ja gut zu gehen...