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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Matta, Roberto (Eine beinahe klassiche Künstlergeschichte)



Hartmut Andryczuk
04.02.2001, 18:55
Mein Freund Freddy Flores Knistoff, der in den 70er Jahren unter der Militärdiktatur Pinochets Chile verlassen musste und sein Exil in den Niederlanden fand, erzählte mir vor einigen Tagen über seine Begegnung mit Roberto Matta in Brüssel. Freddy hat nicht die finanziellen Möglichkeiten eines Internetanschlusses und bezeichnet sich selbst gern als Mittelstands-Clochard. Deshalb versuche ich seinen kurzen Bericht wahrheitsgemäss wiederzugeben.
Ich weiss, dass er den Künstler und Menschen Matta verehrt. Es war keine groupieeske Absicht, die ihn zu seiner Ausstellung nach Brüssel führte. Zu diesem Anlass hatte er sich sogar einen Anzug geliehen. Matta wohnte diese Tage über im Hotel Amigo und wurde natürlich von den Medien, Kunsthändlern und Käufern umschwärmt. Er ist ein relativ kleiner, zartgebauter Mann, der irgendwie clownesk vor dem ihm folgenden Tross von Menschen in der Galerie wirkte, aber zu jeder Frage Stellung bezog und unaufgesetzt lächelte. Irgendwo im Raum war ein Tisch mit einem Stuhl, wo sich Matta nach dem Empfang setzten musste. (Er ist ja nun schon auch über 80 Jahre alt und immer noch sehr aktiv). Sofort bildete sich ein Pulk von Menschen um diesen Tisch, bis Matta nach einer kurzen Zeit ins Publikum bestimmt aber freundlich sagte: 'Entschuldigung, aber ich kann hier nur Köpfe erkennen. Können Sie denn nicht einmal kurz zur Seite treten, da ich gern meine Bilder sehen möchte?' So geschah es dann wohl auch. Als die Ausstellungseröffnung weiter fortgeschritten war und Matta noch immer sass, aber weiterhin noch gesprächsbereit war, sagte Freddy geradezu: 'Meister, ich bin ein Künstler aus Chile und möchte mit ihnen über automatische Malerei sprechen.' Matta sah ihn an und meinte: 'Ja, natürlich. Das können wir machen, aber erst in einer Woche, wenn all die Leute weg sind.' Freddy fragte ihn daraufhin nach einem Gedicht, welches er ihm überlassen könne und Matta notierte auf dem Briefpapier des Hotel Amigos ein kurzes Gedicht für den Freund Flores Knistoff, den er darin anonym mit Amigo ansprach. Die Zeilen waren auf Spanisch und Freddy gab mir soweit es ging, eine englische Übersetzung dazu. Der Sinn war etwa folgender: Du bist das Metall, die Mine und der Minenbesitzer (Mattas Eltern besassen eine Mine in Chile) und endete mit dem Hinweis, ein tiefes Loch in die Erde zu graben. Unterschrieben war der Brief mit 'ein Abwesender'. Ich glaube, dieses Poem war wirklich sehr persönlich für meinen Freund, denn er erzählte mir von der Freundschaft von Matta und Marcel Duchamp und die Geschichte, dass ein junger Künstler Duchamp einmal gefragt habe, was er tun müsse, um bedeutend zu werden. Duchamp antwortete ihm: 'Zuerst müssen sie unsichtbar werden'. Freddy ist kein junger Künstler mehr; er ist auch schon Mitte 50.
(Beitrag wurde von Hartmut Andryczuk am 04.02.2001 um 18:01 Uhr bearbeitet.)
(Beitrag wurde von Hartmut Andryczuk am 04.02.2001 um 21:15 Uhr bearbeitet.)

vir
29.10.2004, 16:56
Nostalgie wie noch nie.


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Ach, ach.