PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vox, Valentine



lacoste
23.01.2001, 00:20
Vor ein paar Jahren besuchte ich in Begleitung eines Wiener Unterweltbarons die schöne Glücksspiel- und Entertainment-Stadt Las Vegas hinter den Rocky Mountains. Da mein Begleiter wirklich fast ausschließlich bei den Pferdewettbezirken in den großen Casinos abhing (er selbst besitzt eine Wettbürokette in Wien)trieb ich mich oft allein in der Stadt herum. Ein Varieté-Theater am Strip, das ist die Hauptamüsiermeile von Las Vegas, warb für seine Show auf einem bunten Plakat damit, dass der Auftritt des Bauchredners 'The famous Valentine Vox' den Höhepunkt der Darbietung darstellen sollte, und zog mich mit dieser Verbrauerinformation sofort wie magisch in seinen Bann. Willenlos bezahlte ich den hohen Eintrittspreis, hauchte mich in einen der ungefähr hundertfünfzig roten Plüschsessel und erwartete gespannt die Vorstellung. Es traten zwei oder drei Zauberkünstler auf, sie waren nicht drittklassig, nein, wirklich nicht drittklassig, aber bei weitem auch nicht erstklassig. Zwischendurch gab es drei zweitklassige Ballettdamen mit ein wenig glitzernder Kleidung, und dann kam der Auftritt von 'The famous Valentine Vox' und seiner Puppe, deren Namen ich vergessen habe. Mein Verhältnis zu Bauchrednern ist ein wenig zwiegespalten. Zum einen bewundere ich ihre Kunst über alle Maßen, wirklich! Zum anderen ekle ich mich ein bißchen vor ihnen. Bauchredner grinsen immer so schmierig. Sie müssen das, das weiß ich genau, Bauchredner müssen ununterbrochen schmierig grinsen, damit man nicht sehen kann, wie sich kaum merklich ihre Lippen bewegen. Ich weiß das genau, aber es ekelt mich an. Valentine Vox hatte aber wirklich das Potenzial eines ganz Großen, denn er hat innerhalb des Theaters ein eigenes kleines Museum in das man, wenn man noch was extra zahlt, auch hinein kann. Offensichtlich kann er nicht nur Bauchreden sondern auch Hypnose, denn ich zahlte tatsächlich noch was extra und streifte nach der wirklich schönen Show durch das Fotoalbum bzw. durch den Presseordner eines etwa 60-jährigen Varietékünstlers, der in früheren Jahren - den Fotos und Artikeln nach zu urteilen - tatsächlich mal auf dem Weg nach 'ganz oben' gewesen sein muss, dessen Karriere dann aber (aus Gründen, die man dem Museum nicht entnehmen konnte) nicht nur den erfreulichen Weitergang nach oben verweigerte, sondern gar dem Künstler gegenüber ihren Abfall nach unten durchgesetzt hatte. Auf meinem Streifzug gelangete ich auch in einen Raum in dem eine lebendige 'Tion'-Dame (Mischling zwischen Tiger und Löwe), die zuvor auch aufgetreten war, zur Ansicht ausgestellt wurde und auch Valentine Vox stand persönlich daneben und ließ es bürgernah und gegen einen gewissen Aufpreis zu, dass Touristen ihn mit dem Tier fotografierten. Ich hatte keinen Fotoapparat dabei, desshalb nutzte ich diese hübsche Gelegenheit, mich fünf Minuten mit dem Künstler zu unterhalten. Dabei habe ich ihm gesagt, dass ich diesen kleinen Gag, bei dem seine Puppe ihn darauf aufmerksam macht, dass sie sehen kann, wie sich Valentines Lippen bewegen, besonders lustig fand. Valentine zuckte daraufhin traurig mit den Schultern und sagte: 'Yes. That's life.' Nur ein paar Abende später saß ich mit meinem Begleiter, dem Wiener Unterweltbaron an der Bar unseres Lieblingscasinos, der 'Barbary Coast' und wir tranken Pina Colada. Plötzlich setzte sich 'The famous Valentine Vox' direkt neben meinen Begleiter, den Wiener Unterweltbaron und bestellte einen Whisky. 'Ja leck mich doch am Arsch', raunte ich, 'wenn das nicht Valentine Vox ist, der berühmte Bauchredner!' 'Wo?' fragte mich mein Begleiter, der Pate, und blickte aufgeregt um sich. 'Da, direkt neben Dir', antwortete ich. Valentine Vox hatte seinen Namen gehört und schaute zu mir herüber. 'Hello, Mr. Valentine Vox!' rief ich. 'Ah, hello, hello!' rief Valentine zurück. Keine Ahnung, ob der mich wirklich wiedererkannt hat, auf jeden Fall, ein großes Hallo und Händeschütteln war die Folge. 'Wen Du alles kennst', raunte mir der Wiener Unterweltbaron bewundernd zu.

Hartmut Andryczuk
24.01.2001, 01:38
Diese Geschichte könnte man gleich drucken, obwohl ich Bauchredner und ihre Puppen nicht ausstehen kann. Sie sind mir unheimlich.

Marc Einhellig
24.01.2001, 01:38
Was für eine bezaubernde Bauchredner-Geschichte, die auf beeindruckende Weise die Schwesterstädte Wien und Las Vegas vereint.

Tex Rubinowitz
24.01.2001, 01:38
Und wenn Bauchredner selbst reden, also wenn die Puppe mal die KLAPPE haelt, erledigen sie das mimisch so uebertrieben, um davon abzulenken, dass, wenn ihr kleiner Kamerad redet, es ja sie sind.
Gabs nicht bei 'Am laufenden Band' immer einen Mann mit sprechendem Emu?
Im Hals des Vogels steckte der Arm von dem Typ.
Ich glaube sogar, dass der Emu gar nichts sprach, die kaempften wohl nur, Bauchrednerpantomime - Mein Gott, was fuer eine Kunst!
PS Ich finde auch, dass wir hier mal wieder ein schoenes grosses Kleinod haben, man denkt immer, da kommt nichts mehr, aber dann sowas, danke dass Du mir nicht die Hoffnung nimmst, La Corinna!
(Beitrag wurde von Tex Rubinowitz am 23.01.2001 um 17:22 Uhr bearbeitet.)

lacoste
24.01.2001, 01:38
Der Mann mit dem Emu war dort nur einmal zu Gast, als Gaststar. Aber ich kann mich daran auch noch ganz genau erinnern, obwohl ich erst zehn oder so war. Das stimmt, der Vogel hat nicht gesprochen, aber immer so seinen Schnabel verknautscht, wenn er z.B. Trotz oder freche Gedanken darstellen wollte. Ich habe damals fast Bauchschmerzen gekriegt vor Lachen. Der Emu-Künstler war zu der Zeit sehr berühmt, ist aber nach kurzer Zeit dann wieder von der Bildfläche verschwunden. Ein Buschfeuer - ausgebrannt.

Andrea Maria
24.01.2001, 01:38
Eine ganz bezaubernde Geschichte Corinna!!!
An den Emu-Mann kann ich mich auch bestens erinnern. Ich glaube aber, dass der öfter zugegen war. Kennt eigentlich wer von uns Ösen hier noch den Buchklub-Maxi? Das war eine grauenhafte Matrosenanzug-Puppe, in der hinten drin (!) die Hand eines gewissen 'Onkel Tassilo' steckte. Der Buchklub-Maxi sollte fürd den 'Buchklub der Jugend' werben, eine ungeheuer bescheuerte Organistation.

honz
08.07.2001, 18:37
Es gibt zu Valentine Vox nichts neues zu sagen, trotzdem will ich diesen Diamanten wuchten. Ich habe gestern lacoste auf dem Heckradschlepper Jeseniky im Hafen getroffen, zusammen mit Elpenor und meiner Königin. Sie erzählte noch mehr von ihrem Wiener Unterweltbaron, was für ein Mann, ein wahrer Ritter, ich war ein wenig neidisch, denn ich kannte ja nur Pepi Taschner, den König der Taschendiebe.
Doch ich konnte mich ein wenig fühlen wie lacoste in der Barbary Coast Bar, kamen doch allerhand Schiffer vorbei die mich erkannten, leider der etwas beschränkteren Sorte, so wie Kuchen-Udo und der Graue Wolf.
Elpenor erweiterte dann mein Halbwissen über Nietzsche, ich wußte, daß er es wußte, ich habe jetzt, sagen wir man ein aufstrebendes 5/8- Wissen.

Ignaz Wrobel
08.07.2001, 20:04
Sehr hübsche Geschichte, ja, lacostes Geschichten sind alle so wie sie sein sollten! Wann kommt der neue honz?

C Schulte Richtering
09.07.2001, 17:26
Höhöhö. Der Bauchredner hieß übrigens Kliby und der doofe Vogel Caroline. Und wenn ich einem Kollegen glauben darf, hat seine Großmutter einen unsterblichen Kommentar zu dem Auftritt von Kliby und Caroline gemacht: 'Nää, wat die den Tieren heutzutage alles beibringen können...'

lacoste
11.07.2001, 01:52
Oh, wie schön! Valentine Vox ist wieder aufgetaucht! Ich nutze die Gunst der Stunde, um die Geschichte nachträglich Herrn Weber zu widmen, der gerade Bauchreden lernt, um mich schwer zu beeindrucken. Ich bin gespannt...

Herr Weber
11.07.2001, 01:52
Ich bin sprachlos. Und gerührt. Und bin jetzt wieder still. Damit ich möglichst schnell ein fulminanter Bauchredner ohne ekelhaft verzerrte Lippen werde.

honz
25.01.2002, 13:52
Herzlichst, und alles Gute zum Geburtstag

Herr Weber
03.12.2002, 01:49
Alles Gute auch von mir!