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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Büttner, Werner



tex
10.01.2001, 16:36
Wie ich den Künstler Werner Büttner kennengelernt habe:
Ich war mit Hans Werner Poschauko (siehe A.R.Penck-Kolumne) auf einer Ausstellung von Werner Buettner. Und wir waren Kunst-Groupies. Betrunkene noch dazu. Eine laestige Kombination.
Meine Brille war zu jener Zeit in der Mitte zerbrochen und mit Klebeband der Firma TIXO zusammengehalten.
Wir draengten uns an den Kuenstler, der gerade mit dem stadtbekannten Linguisten und Privatgelehrten Martin Prinzhorn dreckige Witze riss, so schien es zumindest, denn Buettner hat eine unglaublich dreckige Art zu lachen, so schnarrend wie Ernie aus der Sesamstrasse, synchronisiert von Gerd Duwner.
Wir luden beide zu einer noch am selben Abend stattfindenden Party bei Doris G. ein, gaben ihnen die Adresse, sie sagten, sie wuerden es sich ueberlegen.
HWP und ich torkelten noch ein bisschen in der Galerie herum, da entdeckten wir ein interessantes Kunstwerk, eine Holzsaeule, in die eine Bar geschnitzt war, darauf lag ein deutscher Reisepass, auf dem ein geschnitzter Widderkopf stand. Den nehmen wir uns mit, raunte ich HWP zu, den Reisepass, der duerre, kaum Sichtschutz bietende Hans Werner sollte sich so stellen, dass niemand den Kunstraub bemerkt, leider war das Dokument angenagelt, alles wackelte, ich musste den Widderkopf abheben, unter die Achsel klemmen, um dann den Pass an mich zu reissen, NATUERLICH hat das jeder mitbekommen, spaetestens als wir aus der Galerie LIEFEN!, statt uns diskret fortzuSTEHLEN.
Die Party war dann ganz lustig, glaube ich, ich war wie ueblich der letzte Gast, blieb der Einfachheit halber gleich dort schlafen.
Um 1o Uhr klingelt das Telefon, Doris G. geht ran 'War gestern bei ihnen ein Typ mit einer geklebten Brille, er moege bis 11 den Reisepass (von Buettner uebrigens) wieder zurueckbringen, andernfalls schalte ich die Polizei ein' , das war der Galerist.
Ich LIEF wieder in die Galerie, bloede grinsend, und gab den Pass ab, niemand lachte. Diesmal STAHL ich mich raus.
Viele Jahre spaeter wollte ich einen Text von Werner Buettner haben, der auch Autor ist, ihn zu erreichen ist aeusserst schwer, er lebt in Hamburg, aber wo weiss keiner, er ist untergetaucht, auf der Flucht vor einer Frau, auf einer Flucht (jetzt wirds pathetisch), auf der man keinen Reispass braucht, sondern nur ein gutes Versteck

(Beitrag wurde von tex am 11.01.2001 um 04:06 Uhr bearbeitet.)

Karl Lagerfeld
10.01.2001, 17:39
Was soll diese Story? Ich dachte es geht hier um Prominente. Brad Pitt oder wie der Junge heisst, okay, gut, aber Walter Bittner oder so, nee. Claudia is Promi, Vollpromi, oder Andy Warhol, oder Karajan. Und wer ist dieser Tex? Ist ja ein lustiges Kerlchen, der!
love, peace, chanel grande
KL

tex
10.01.2001, 18:53
Karl, zick nicht rum, WERNER Buettner war einer der Hohepriester der sog. 'Wilden Malerei' Anfang der 80er Jahre, Stichwort Kippenberger, Oehlen usw,
sein Schluesselbild (kann man so sagen?)
'Selbstbildnis, im Pornokino onanierend', nie gesehen?
Und jetzt lass endlich mal die SMS-Nummer von Claudia rueberwachsen!

Kai Herrmann
10.01.2001, 19:19
Kurzes zu Oehlen!
Ich besuchte einst einen herzlich lustigen Dia-Vortrag von Albert Oehlen in der 'freien Klasse'. Er kommentierte verschiedene Kunstwerkdias von verschiedensten Künstlern.
In einem anschliessenden Gespräch belaberte ihn eine Kunststudentin so dermaßen langweilig und penetrant klugscheisserisch (A.Oehlen war auch sichtlich genervt), daß ich kurz davor war sie darauf aufmerksam zu machen.
Meine Aktion die Kunstprofessorin ihrer eigenen Klasse zu verweisen blieb mir Gott sei Dank erspart, da sich kurzerhand Aufklärte dass es sich um Gastprofessorin Isabela Graf handelte.

tex
11.01.2001, 15:56
Vor Albert Oehlen hab ich mich mal auf den Fussboden geworfen, in einem Lokal, das vorher ein Autosalon war, und mit einem dicken Filzstift auf den Boden geschrieben: WER DAS LIEST, IST ALBERT OEHLEN
Der anwesende Regisseur Oliver Hirschbiegel meinte nur lakonisch/spoettisch: 'Er hat deinen Namen sogar richtig geschrieben'
Diese Begegnung wuerde ich sehr gerne ungeschehen machen. Geht das?

grenzfurthner
11.01.2001, 23:26
autogenes training.

Hartmut Andryczuk
11.01.2001, 23:30
Der Name Albert Oehlen ist schon komisch genug. Oliver Hirschbiegel war früher glaube ich einmal Mitglied der Performancegruppe M. Raskin Stichting und die Attraktion des Performance-Festivals-International in der Werkstatt Odem in Hannover, wo ich mit der Gruppe 'Solypse - Charmante Schamanen' aufgetreten bin und die zu Recht (oder Unrecht?) in Vergessenheit geraten ist. Das war 1982. Einige Jahre zuvor sind Performancekünstler immer nackt aufgetreten. Jetzt nicht mehr. Sie trugen schwarze Anzüge und wollten wie Geheimagenten aussehen. Im gleichen jahr lernte ich Wolf Vostell kennen und habe eher unangenehme Erinnerungen daran. Anlässlich der Veranstaltung 'Pro Musica Nova' gab es eine Art 'Environment' von ihm in der Weserburg zu besichtigen. Zu sehen waren Tische mit weissen Tischdecken und pedantisch angeordneten Tellern, worauf Salatblätter lagen. Vom Band lief ein pseudo-orientalischer Gesang der Libidogefährtin von Vostell: 'Isch berühre deine Brüste; isch berühre deine Schenkel...' etc. Im ganzen Raum war feinster weisser Sand verteilt worden. Mein Solipsisten-Freund Reinhard Moeller langweilten uns bei dieser abstrakt-sinnlichen Installation. Irgendwo stand ein Besen mit Kehrichtschaufel in der Ecke und wir begannen den Sand zusammenzufegen, was die Umherstehenden amüsierte. Nicht sehr lange dauerte dieser Zeitvertreib, bis Vostell mit seiner langen roten Zipfelmütze einschritt und uns die Geräte mit den Worten wegnahm: 'Das hat hier alles ein wenig Stil'. Ich war mir sicher, dass er sich nur mühsam beherrschte und innerlich kochte. Er wollte keinen Kontakt zu jungen Künstlern; er wollte nur gefeiert werden. Ganz anders war da John Cage: er signierte sehr gern ein Polaroid, welches ihn beim Signieren zeigte. Georg Baselitz war entgegen meiner Vermutung sehr freundlich am Telefon, hatte aber keine Zeit, mir sein Schloss zu zeigen. Timm Ulrichs sah sich sogar meine Polaroidverfremdungen 1982 bei einem Besuch in seiner 'Hochgarage' an, fand einige gut, meinte aber, dass Affen eventuell auch gute Fotos machen können.

Kai Herrmann
12.01.2001, 19:46
Ich weiß nicht mehr 100%ig.
Entweder Albert Oehlen oder Martin Kippenberger, also einer von beiden hat in einem Video folgendes auf eine Straße geschrieben:
'Petting statt Fetting'
falls ich da nichts vertausche glaube ich daß er zuvor mit einem Kartoffelsack angehüpft kam.
Rainer Fetting ist auch ein Künstler zugehörend der Malergeneration dieser Kolumne.

tex
12.01.2001, 20:06
Klingt nach Kippenberger.
Der hat mal eine Zeit in Wien gewohnt und in meinem damaligen Lieblingsrestaurant immer Mau-Mau gespielt.
Jetzt ist er mausetot.

Angelika Maisch
14.01.2001, 03:09
Das kommt vom fiffen, faufen und ferfaufen,sag ich dir.

Hartmut Andryczuk
14.01.2001, 13:15
Kippenberger traf ich nur einmal in Hamburg in den frühen 80er Jahren. Ich war mit dem ehemaligen Verleger Michael Kellner, Hannes Hatje (dem Sohn des Verlegers Hatje,) und einem Regisseur unterwegs, der ziemlich abgerissen aussah und den alle irgendwie bewunderten. Der Typ sah aus, als wäre er der Remy-Martin-Werbung entstiegen. Kippenberger kam uns auf der anderen Strassenseite mit zwei jungen Frauen, vermutlich Kunststudentinnen, entgegen. Hatje tauschte mit ihm einen kaum wahrnehmbaren, lächelnden Gruss, sozusagen von Macho zu Macho. Wenig später sah ich ihn in einer Kunstzeitschrift wieder, in derselben Pose: 'Künstler mit zwei Frauen'. Auf der gegenüberliegenden Seite ein Foto von Beuys - sozusagen als 'alter Hut'. Mit den 80er Jahren war auch das Potenzgehabe zurückgekehrt.

tex
15.01.2001, 19:06
Ich moechte fuer den folgenden Beitrag nicht extra eine eigene Kolumne eroeffnen, weil er sowieso hier besser aufgehoben ist, es auch schon soviele gibt, und den Mann, um den es hier geht, die wenigsten kennen duerften:
DONALD BAECHLER
ich habe diesen amerikanischen Maler einmal sehr verehrt, und tue das noch immer, aber frueher vielleicht mit groesserer Inbrunst.
Er malt in einer Art Art Brut/Popart-Manier und ist mittlerweile in dieser Branche ein Superstar.
Er war ein paar Wochen in Wien fuer eine Ausstellung, weil er die Bilder der Einfachheit halber immer vor Ort malt.
Und wir Kunstgroupies, eigentlich nur Hans Werner Poschauko und ich, bedraengten ihn, weil wir noch so richtig schamlos und naiv sein konnten.
Einmal gab seine Galeristin fuer ihn und ein Rudel anderer amerikanischer Kuenstler ein Mittagessen, wo auch wir uneingeladen mit reinflutschten.
Es gab auch schon Alkohol.
Geschwaecht zog sich danach jeder auf sein Hotelzimmer zurueck, um sich fit zu schlafen fuer den Abend.
Donald lockte mich Arglosen in seines, mit dem Angebot dort MTV schauen zu koennen, das war damals neu und ich besass keinen Fernseher.
Oben gab er mir Whiskey und eine dicke Zigarre, von der mir sogleich schlecht wurde, weil ich sie unvorsichtigerweise inhalierte, und ich hing wie gebannt vor dem Fernseher, gierig wie die Fliege auf der Wurstscheibe.
Es lief ein Video mit Peter Gabriel und Kate Bush, sie umarmten sich, vor Sonnenuntergang oder so einem Quatsch, purer Kitsch halt, aber ein schoenes Lied, mir wurde inwendig ganz wohl.
Donald jedoch wurde unruhig, ging im Zimmer auf und ab.
Ich fragte ihn, wie er das faende, ob das nicht schoen sei? Das sei Pornografie, meinte er abfaellig.
Als ich nicht abliess von dem unhoeflichen Gestarre, fragte er barsch, ob er meine Socken haben koenne, ich zog sie aus und gab sie ihm, ohne mein Augenmerk von den fuer mich aufregenden Bildern zu loesen. Er schnupperte demonstrativ an ihnen, sog hoerbar ihren Odeur ein.
Irgendwann sprang er auf, knipste den Fernseher aus, machte die Tuer auf und befahl:'Raus!'
Mit einemmal fand ich mich in der Realitaet wieder- und barfuessig.
Ob ich denn meine Socken nicht wiederhaben koenne? 'Nein!'
Wenigstens Ersatz?
Absichtlich umstaendlich fummelte er ein Paar Nylonfuesslinge hervor, viel zu duenne.
Meine waeren aber dicker gewesen, ob er nicht gleichwertige haette, er gab mir noch so ein Paar mit den Worten, jetzt reichts, ich solle schnell verschwinden.
Auf dem Gang zog ich mich an, und sah zu, dass ich Land gewann.
Die Socken hab ich nur noch einmal tragen koennen, dann waren sie kaputt.



(Beitrag wurde von tex am 15.01.2001 um 18:42 Uhr bearbeitet.)
(Beitrag wurde von tex am 15.01.2001 um 23:32 Uhr bearbeitet.)

Hartmut Andryczuk
15.01.2001, 20:12
Eine wirklich sehr schöne Geschichte. Obwohl ich diesen Künstler nicht kenne, möchte ich in diesen 'Kunst-Forum' eine andere Geschichte hinzufügen. Kennt jemand noch Bernd Mattheus aus Kassel? Mattheus machte sich damals einen Namen als Herausgeber der Schriften von Antonin Artaud und Georges Bataille. Ebenso gab es Recherchen und Textcollagen zu den verstorbenen Wiener Aktionisten Rudolf Schwarzkogler. Es existieren auch sehr gut geschriebene, umfangreiche Biografien zu Artaud und Bataille von Mattheus. Damals, etwa 1980 oder 1981, waren diese Artaudübersetzungen neu in Deutschland. Ich entwickelte mich geradezu zu einen Artaudfan, verschlang jedes Buch und folgte die Wege von Mattheus ersten Publikationen in ganz kleinen, alternativen Literaturzeitschriften, bevor Matthes & Seitz ihn für sich entdeckten. Der Gedanke, ihn zu besuchen, spornte mich an. Ich erwartete, dass sich Seelenverwandte treffen würden. Also fuhr ich eines Tages nach Kassel, da ich seine Adresse ja von einen dieser früheren Herausgeber kannte und brauchte auch nicht lange, seinen Wohnplatz zu finden. Der lag in einer Hochhaussiedlung, die ähnlich dem 'Markischen Viertel' hier in Berlin ist. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Die zweite Verwunderung war, ein Namensschild aus Messing, welches völlig neu zu sein schien und den namen 'mattheus' schon klein schrieb. (Die Kleinschreibweise war damals noch nicht üblich, aber ein Mesiingschild hatte ich nciht erwartet). Ich nahm mir also ein Herz, klingelte und irgendwo in den oberen Stockwerken stand Bernd Mattheus vor mir; leicht irritiert und aus seinen Gedanken gerissen, da er keinen Besuch erwartet hatte. Merkwürdigerweise ließ er mich gleich in seine Wohnung, ohne zu fragen, wer ich sei. In seinem Arbeistzimmer lief die elektrische Kugelkopfschreibmaschine. Ich nahm unaufgefordert Platz und erst jetzt kniff Mattheus die Augen zusammen und fragte, ob wir uns kennen würden. Ich verneinte diese Frage und sagte, ich hätte seine Bücher gelesen, wobei ich alles andere als entspannt war. Mattheus war nicht der abgemagerte 'poet maudit' mit dem feurigen Blick, den ich erwartet hatte. Er war ein kleiner blasser Mann mit Bauchansatz; vielleicht Anfang 30. Es war eine sehr unangenehme Atmosphäre zwischen uns. Nachdem ich ihn gesagt hatte, dass ich seine Bücher kennen würde, nickte er die ganze Zeit geistesabwesend vor sich hin, ohne mich auch nur einmal anzuschauen. Das ging tatsächlich einige Minuten so. Schliesslich sagte er, 'dass das jetzt nichts mehr bringen würde', was mit anderen Worten soviel hiess, dass ich gehen solle. Also ging ich, frustriert und enttäuscht und mit dem merkwürdigen Gefühl, mich schlecht benommen zu haben.

tex
16.01.2001, 16:16
Ach wir armen Kunstgroupies, wie gut, dass wir das nicht mehr sein muessen.
Ich hab mal in einer Art, denn nicht anderes konnte das sein, Fieberwahn, 1982 auf der dokumenta 7 vorgehabt, die erste von 7000 Eichen von Joseph Beuyss abzuhacken, das waere auesserst unhoeflich und mies gewesen, ich wollte es mit einem Haufen ranziger Punks machen, mit denen ich in der Jugendherberge in einem Zimmer wohnte.
Die waren aber zu schwach, visionslos oder was weiss ich.
Einmal haben wir auf einem Parkplatz gefruehstueckt, da hab ich Milch verschuettet, meint der eine Punk: 'Macht nichts, fressen die Bienen'
Das ist haften geblieben: FRESSEN DIE BIENEN!

MILCH!!

Hartmut Andryczuk
16.01.2001, 23:09
Wolfgang Müller machte mir heute am Telefon den Vorschlag, hier eine Kolumne 'Über die Dümmlichkeiten bildender Künstler' zu moderieren. Ich glaube, ein Buch würde dabei nicht ausreichen - und eine Enzyklopädie wäre schon angemessener. (Aber ich möchte mich auch nicht kleinkariert und kunstfeindlich geben, was ja auch oft zu einer Attitüde von Künstlern geworden ist). Ausserdem ist die Büttner-Kolumne dafür doch ganz praktisch.
Mit den 'Charmanten Schamanen' wollten wir zur 'documenta' einmal einen Hubschrauber ausleihen und Flugblätter gegen das Kunstspektabel verstreuen. Das war aber nur so eine Idee für eine Aktion, mit der man unbedingt Aufmerksamkeit erregen konnte - und auch nicht sehr originell. Wir vergaßen das Ganze wieder. Eine Bewerbung hatte sowieso keinen Sinn. Und Kataloge zu einem Organisator zu senden, um sich darzustellen, war ziemlich aussichtslos. Also haben wir die 'documenta' nie besucht - nach dem Motto, wer uns nicht beachtet, den beachten wir auch nicht.
Ich habe einmal den Fehler begangen, mich an einer Kunsthochschule zu bewerben - bei einem F.E. Walther in Hamburg. Der sagte nur, was will der hier - das ist ein fertiger Künstler und nahm lieber eine Schauspielerin, die ihren Beruf an den Nagel gehängt hatte und erst vor einer Woche angefangen hatte zu malen. Dieses Girlie hiess Nadine, war sehr affektiert und spielte ein wenig die nymphomanisch veranlangte Hexerin, durch deren Ausstrahluung die Jungs schon einmal einen epileptischen Anfall bekamen. Irgendwann sah ich sie einmal beiläufig als Groupie und Statistin in einem Middendorf-Projekt.
Diese Art von Kunst-Girlies mit angehendem Managerinnen-Charme sind mir noch einige Male begegnet, aber zum Glück gab es beiderseits keine weiteren Interessen. Eine davon hiess Jill Mercedes, die sich damit büstete, direkt aus Paris zu kommen und mir gönnerhaft die Adresse von Brion Gysin gab, der wiederum ein Freund von Burroughs war. Es gab einmal eine Zeit in der 'Eisfabrik' Hannover, wo jeder Künstler in Jill Mercedes verliebt war, weil Jill Mercedes mit jedem etwas hatte, aber mit jedem nicht zuviel. Als ich in Paris war, konnte ich Mr. Gysin nicht erreichen.
Das war auch zu der Zeit, als ich den Erfinder der WEST-Werbung Jürgen Mau aus Hamburg kennenlernte. Ein sehr angenehmer Mensch, der es nicht nötig hat, anzugeben und der seine Konzeptkunst als exklusives Hobby betreibt.
Irgendwie empfand ich Hamburg aber immer etwas schoffelig. In der Buchhandlung 'Welt' sprachen alle immer von Kiev Stingl, aber der war nicht mehr dort. Stingl las einmal bei der verstorbenen Schauspielerin Vera Ziegler, die eine Art literarischen Salon in ihrer Wohnung in Berlin-Friedenau unterhielt. Es gab keine Einladungskarten, nur kurzfristige Telefonanrufe. Da ich dort auch einmal gelesen hatte, wurde ich immer wieder eingeladen. Kiev Stingl machte beschwörende Gesten bei dem Vortrag seiner Gedichte, was wohl an einen düsteren, klassichen Dichter erinnern sollte: vielleicht Lord Byron. Das fand ich ein wenig übertrieben, kann aber ansonsten nichts Abfälliges über ihn sagen. In Berlin hatte ich ein Wiedersehen mit Hilka Nordhausen, die ich sehr schätzte und welche ich noch zu einigen kleinen Projekten einladen konnte. Hilka war schon sehr krank, aber ich durfte das Wort 'Krebs' in ihrer Nähe nie erwähnen. Unsere letzte Begegnung fand im Urbankrankenhaus statt, wo sie mir ihre letzte Publikation 'Glücklichsein für Doofe' signierte. Ein grossartiges Buch, welches viel zu wenig beachtet wurde. Ich weiss noch, dass Hilka dem Pflegepersonal misstraute, weil sie meinte, sie würden ihr die frisch gedruckten Bücher stehlen.

Kai Herrmann
25.01.2001, 14:38
Dieses Lokal wo Kippenberger Mau-Mau spielte:
War das der 'Engländer' am Karl-Lueger-Platz.

Tex Rubinowitz
25.01.2001, 15:52
Nein, Alt-Wien, Englaender gabs damals noch gar nicht

Venus
25.01.2001, 21:35
Als Kippenberger in Wien lebte - Herbst 1984 bis Frühjahr 1985 war ich seine Assistentin. Also - Leinwände grundieren, vorher alles einkaufen, viel Farbe mit Moulinex Mixer zusammenbrauen und die meisten Hintergründe malen. (Ich hab da Geschichten auf Lager, die sind unglaublich...)Später kam auch Oehlen nach Wien, der brauchte aber keine Assistentin, da er sich alles immer selber machte. Der stand da irgendwie drauf. Wa ihm authenischer oder ehrlicher. Seine Hände waren schon ganz verschrumpelt und alt vom vielen Arbeiten mit Terpentin und Kassler Braun. Einmal nahm ich Kippenberger mit zu einem privaten 'Vortrag' den Markus Brüderlin über... irgendeine enorm wichtige Ausstellung hielt. Wahrscheinlich eine Neo-Geo SAche mit viel Armleder, Federle, usw. Die halbe Wiener Kunstszene saß da rum und lauschte andächtig den ernsten Ausführungen von Brüderlin. Kippenberger und ich saßen eher weiter hinten. Es waren vielleicht 10 Leute da, alle ganz still udn ehrfürchtig. Kippenberger soff Bier und Wodka, rauchte eine nach der anderen (in Brüderlins Nichtraucherwohnung!) und stänkerte so gnadenlos und frech herum, dass sie uns am liebsten rausgeschmissen hätten. Aber der er ja so 'berühmt ' war,traute sich das keiner. Ich kicherte in mich hinein.

Tex Rubinowitz
25.01.2001, 21:54
Geschichten auf Lager? Unglaubliche gar?
Her damit!

Venus
25.01.2001, 22:12
Kippi und Oehlen fuhren mal mit dem Taxi von Köln nach Florenz, oder wars Mailand? Grund: Ganz spontaner Entschluss - ein paar Tuben Brera-Ölfarbe kaufen. (Das Taxi kostete angeblich 4000 DM.) Die hielten das einfach an der Strasse auf und sagten nicht - 'Messegelände oder Hauptbahnhof sondern...Florenz'! Was sich da wohl der Mann im Auto dachte? Seufz, ja so war'n diese Jungs - und die doofe Geschichte erzählen sich noch 20 Jahre später alle, das war wohl schon die paar Mark wert.
Geld spielte keine Rolle und Kippi war der erste mir bekannte Künstler, der mit so viel Geld herumschmiss, und das so herrlich unmoralisch und sinnlos, dass den Wiener Jungkünstlern Mitte der 80-er Jahre die Spucke weg blieb.

Venus
25.01.2001, 22:12
Kippi und Oehlen fuhren mal mit dem Taxi von Köln nach Florenz, oder wars Mailand? Grund: Ganz spontaner Entschluss - ein paar Tuben Brera-Ölfarbe kaufen. (Das Taxi kostete angeblich 4000 DM.) Die hielten das einfach an der Strasse auf und sagten nicht - 'Messegelände oder Hauptbahnhof sondern...Florenz'! Was sich da wohl der Mann im Auto dachte? Seufz, ja so war'n diese Jungs - und die doofe Geschichte erzählen sich noch 20 Jahre später alle, das war wohl schon die paar Mark wert.
Geld spielte keine Rolle und Kippi war der erste mir bekannte Künstler, der mit so viel Geld herumschmiss, und das so herrlich unmoralisch und sinnlos, dass den Wiener Jungkünstlern Mitte der 80-er Jahre die Spucke weg blieb.

Venus
25.01.2001, 22:15
Hey-Moderater. Können Sie da mal einen meiner Beiträge löschen. Das war nicht ich - das 2.Mal - sondern meine unkontrollierte linke Hand. Au

Tex Rubinowitz
25.01.2001, 22:44
Ich kann das nicht loeschen, das kann nur der Hausmeister!
Ich bin auch mal mit dem Taxi gefahren,von Budapest nach Wien, hat aber nur 1000 Schilling (ung 150 DM) gekostet, ich sagte zum Taxifahrer am Flughafen sinngemaess, er moege mich zu dem der drei budapester Bahnhoefe fahren, von wo die Zuege nach Wien abgehen, er verstand aber nicht nur nicht Bahnhof, sondern nur Wien, fuhr und fuhr, bald merkte ich den Fehler, mir wurde heiss, aber der Fahrpreis, den er nannte , war dann doch noch verschmerzbar.

Hartmut Andryczuk
25.01.2001, 23:07
Soviel ich weiss, war das aber nicht selbst verdiente Kohle von Kippenberger, sondern die seiner wohlhabenden Verwandtschaft. Kein Grund also, sich zu wundern, oder? Mit ein wenig Bataillscher Zeitgeist-Philosophie, die ja damals en vogue war, liess sich das aber schon rechtfertigen.
(Beitrag wurde von Hartmut Andryczuk am 25.01.2001 um 22:16 Uhr bearbeitet.)

Kai Herrmann
26.01.2001, 00:47
Warum is der Kippenberger eigentlich nach Wien? Hatte er dort einen engen Freundeskreis? Wenn ja, wer? Konte er dort besser arbeiten?
Oder war das einfach cool in Wien zu wohnen?
zu hartmut:
ich glaube er hätte die Taxifahrt auch mit eigenem Geld gemacht. Es hätte ihm dann sogar noch mehr Spaß gemacht.
Liebe venus:
noch eine Grundierungsgeschichte. Bitte!

Venus
26.01.2001, 08:57
Kippis Mutter starb 1977, da hatte er dann auf einmal viel Kohle und ging damit nach Berlin. Dort machte er das SO36 und Kippenbergers Büro. 1984 war nicht mehr viel übrig davon. Er ging nach Wien, weil 1) sein Galerist Peter Pakesch hier war 2) sein Freund Martin Prinzhorn (der auch ganz oben bei Büttners Vernissage die dreckigen Witze erzählte) ihn und mich den ganzen Sommer auf seiner Burg in Edlitz arbeiten ließ und 3) weil er gerne mal woanders lebte und den Humor hier liebte.
Grundiergeschichten?
Einmal kam Kippi mit einem kleinen Säckchen voll mit 10 Groschen Stücken und meinte, das wäre die Grundierung. Ich klebte eines neben das andere, ganz dicht auf die Leinwand, und die war ordentlich groß.
Dann dünn gemalt weiße Ölfarbe drüber und fertig war die subversive 'Grundierung'.
Schön war auch, wie er ein suprematistisches Bild von Malewitsch oder Larionov kopierte und über die Vorlage ein buntes Klebeband mit Blumenmuster klebte. Quer drüber. Meine Aufgabe bestand darin, dieses Klebeband zu malen. Türkis it lila Blümchen. Wieder so eine subversive Attacke auf die Säulenheiligen der Moderne. Obwohl ich mir jetzt nicht ganz sicher bin ob das nicht doch Oehlen war. Aber das war eben 1984 - heute macht sowas keinen Sinn mehr.

Wolfgang Mueller
27.01.2001, 18:26
Als die Schauspielerin und Künstlerin Tabea Blumenschein Mitte der 80er Jahre zur Totalverweigerin wurde, ins Obdachlosenaysl übersiedeln musste und von Sozialhilfe lebte, wurde sie von ihren Freunden Kippenberger und Vostell nicht mehr besucht. Mit ihrer Sozialhilfe rannte sie allerdings weiterhin in die schicksten und teuersten Clubs wie auch in die unbekanntesten Absturzläden. Einmal erzählte sie mir, dass sie Kippenberger in der Parisbar getroffen habe und er ihr dort gesagt hatte: 'Das bringst auch nur du fertig. Von einer 5-Zimmer Wohnung in Schöneberg auf ne Pritsche im Obdachlosenasyl.' Er war sicher beeindruckt, dass Tabea Tischdecken oder Zuckerstreuer nicht nur in der Parisbar und anderen Künstlerlokalen vom Tisch riss, sondern auch dort, wo es wirklich gefährlich werden konnte. Also in Läden wie Eddys Tanzschuppen oder im Gül-Imbiss. Zudem hatte sie ja kein Geld, den Schaden anschließend zu bezahlen, was für ihre alten Freunde eh kein Problem war. Deswegen musste sie zum Beispiel einmal mit einer Gartenreinigungskolonne Laubblätter einsammeln, gerichtlich angeordnet. Ein anderes Mal Akten entheften usw.
Mit Tabea und Ueli Etter machte ich Ende der 80er eine kleine Lesetour, die uns in allerlei Kneipen und Galerien führte und schließlich auch in den Frankfurter/Portikus. Tabea hatte kurz zuvor 'Tempo' ein Interview gegeben, in welchem sie unter anderem nach ihren alten Freunden gefragt wurde. Sie hatte dann gesagt, dass Kippenberger und Vostell sie nicht mehr besuchten, seitdem sie im Heim lebe. Das war aber bestimmt kein Vorwurf von ihr, ich glaube, sie wollte damit einfach provozieren.
Klar, dass Kippenberger das gelesen hatte, als wir im Portikus waren. Leicht angetrunken kam er herein und redete sofort auf Tabea ein, dass sie zusammen einen trinken gehen sollten. Es war klar, dass Tabea davon nicht zurückkehren würde und so sagte ich zu Kippenberger, er könne Tabea doch gern mal in Berlin in ihrem Zimmer besuchen und eine Zeichnung von ihr kaufen. Tabea sei auf die 400 DM, die sie heute hier mit der Lesung verdiene, angewiesen. Das war natürlich hochmoralisch gesprochen, aber es hatte die Wirkung, dass Kippenberger schliesslich abzog - ohne sich die Lesung von Tabea anzuschauen. Ich war überrascht, denn eigentlich hatte ich nicht geglaubt, dass das so funktionieren würde. Es war übrigens meine erste und letzte Begegnung mit ihm.
(Beitrag wurde von Wolfgang Mueller am 28.01.2001 um 21:34 Uhr bearbeitet.)

miki
02.04.2001, 17:12
hab a. oehlen mal im hamburger goldpudelklub getroffen. hatte dort eine ausstellung mit kugelschreiber auf papier. hat der mich gefragt: 'bist du kunststudent?'. hätte ich ihm am liebsten ans schienbein getreten.

Moritz R
20.08.2001, 00:50
Kippenberger hat mich beklaut, und zwar meine Idee mit den gebogenen Laternen. Ja, ja, das musste auch mal gesagt werden.

hoerme
20.08.2001, 01:23
@tex
intrissanterweise plage ich mich im moment mit einer brille herum, die ebenfalls in der mitte zerbrach.
meine brille mußte auch über mehrere jahre das gewicht zweier mittelschwerer aschenbecher tragen. deshalb trage ich diese brille auch kaum in der öffentlichkeit (so wie rob lowe übrigens). dennoch hat mir dieses modell aus dem hause joop (mit rufzeichen) schon sehr viel freude bereitet. eines nachts konnte ich rauschähnliche zustände bei mir und zufällig beistehenden menschen durch schnelles auf- und absetzen (während der regulären kontaktlinsentrage) erwirken. leider verlor die brille dabei die spitze des linken bügels bzw das ende des linken bügels. die vormalige rundung wurde durch das vordringen eines zugespitzen drahtes schmerzhaft immer und immer wieder in den bereich hinter meinem ohr - da wo es manchmal nach talg riechen kann - gedrückt.
später ging die zweite rundung auch flöten. doch eigenartigerweise war dahinter kein spitzer dorn, sondern eine weitere rundung. der andere dorn war mittlerweile dank der oftmaligen pfählung meines fleisches ebenfalls abgestumpft.
eines tages jedoch, - ich telefonierte gerade - dachte ich bei mir, warum rutscht mir denn die brille permanent nach vor. die antwort gab mir die brille selbst, indem sie in der mitte zweigeteilt zu boden fiel. klebeversuche mit loctite erwiesen sich als sinnlos. erst die kombination leucoplast (blau, trotz schwarzer brille) und loctite ergab zementartige haftung.
seit jenem bruch trage ich meine brille auch ab und an in der öffentlichkeit. gerne beobachte ich die menschheit, wie sie grübelt, ob das design oberschick oder nicht doch bloß pennermäßig aussieht.
(Beitrag wurde von hoerme am 20.08.2001 um 00:23 Uhr bearbeitet.)

Walter Schmidtchen
20.08.2001, 01:33
Du kannst hinter Dein Ohr riechen? bist Du ein Elefant?

hoerme
20.08.2001, 01:37
finger hinters ohr
rubbeln (bei schweren fällen genügt die bloße berührung)
finger an die nase
fertig
war das so schwer?

Moritz R
20.08.2001, 11:39
Mein abend mit Werner Büttner bestand darin, dass er, Markus Oehlen und ich mit dem taxi in St.Pauli von einem 'geheimtip'-puff zum nächsten fuhren, ohne dass es aber zu grösseren geldausgaben kam, und Werner den ganzen abend immerzu 'heil hitler' sagte. So ähnlich hatte ich mir das vorgestellt, sich mit Neuen Wilden amüsieren zu gehen.

hanswasheiri
20.08.2001, 11:59
Meine Brille ist auch zerbrochen - meine junge Wilde, meine Tocher, ist drauf rumgetrampelt.
Allerdings ist sie nicht mittig gebrochen, sondern rechts unten. Unscheinbar eigentlich, aber trotzdem fällt immer das ein Glas raus, was zu rauschartigen Asymmetrien meines Gesichtsfeld führt.
Und Fielmann braucht länger um mein neues Gestell zu laden als der geschwollene Wienstrang Ladezeit braucht.

Reverend Tex
20.08.2001, 14:56
'Heil Hitler' war mal ein beliebter Gruss, Anfang der 80er Jahre, nicht?

Spoliant Spongo
11.03.2002, 16:11
88!

Caliste
23.12.2002, 17:47
.

Larry Erbs
28.11.2009, 04:15
Der charmante Helsinki wies mich vorhin im Prassnik auf diesen wunderbaren Strang hin. Es geht um geklaute Pässe, Taxifahrten nach Florenz und zerbrochene Brillen. (ich lief das ganze letzte Jahr mit einer geklebten Brille rum). Ausserdem die wohl erste Erwähnung des MauMau spielenden Kippenbergers. Zerbröselt bin ich aber bei diesem Satz von Hartmut Andryczuk : "Oliver Hirschbiegel war früher glaube ich einmal Mitglied der Performancegruppe M. Raskin Stichting und die Attraktion des Performance-Festivals-International in der Werkstatt Odem in Hannover, wo ich mit der Gruppe 'Solypse - Charmante Schamanen' aufgetreten bin und die zu Recht (oder Unrecht?) in Vergessenheit geraten ist"

Völlig unverständlich ist, dass dieser Strang seit fast sieben Jahren nicht gewuchtet wurde.